Bilder im Geschichtsunterricht der Grundschule


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

21 Seiten, Note: 1,0

Gina M. (Autor:in)


Leseprobe


1. Vorwort

Noch vor wenigen Jahren war Geschichtsunterricht in der Grundschule noch ein Randthema, mit dem sich Lehrerinnen und Lehrer eher selten beschäftigten. Die üblichen Themen, wie „Die Ritter“ oder „Die Geschichte des Heimatortes“, wurden behandelt, darüber hinaus fand die Geschichte jedoch eher selten Beachtung im herkömmlichen Unterricht. Historisches Lernen in der Primarstufe lag ganz am Rande der Geschichtsdidaktik. Dies lag vor allem daran, dass man der Meinung war, dass Geschichte als Lerninhalt in der Primarstufe von der Geschichtsdidaktik und ihrem Verständnis von chronologisch geordnetem Wissen über Geschichte lange Zeit als „Verfrühung“ angesehen wurde.[1] Darüber hinaus erschien die Vermittlung der Praktiken eines Historikers, wie beispielsweise die Quellenarbeit, in der Grundschule völlig unmöglich.

Heutige Erkenntnisse jedoch erfordern, die Thematisierung von Geschichte und die Anbahnung eines Geschichtsbewusstseins in der Grundschule. Dies spiegelt sich auch im aktuellen „LehrplanPlus“ für die bayerischen Grundschulen wider, in dem ganz konkret historisches Lernen und Quellenarbeit verlangt wird.

In der vorliegenden Hausarbeit wird an einem konkreten Unterrichtsbeispiel herausgearbeitet, wie Quellenarbeit in der Grundschule umgesetzt werden kann und auf welche Aspekte grundsätzlich zu achten ist. Dabei wird sich auf die Arbeit mit Bildquellen beschränkt.

Die grundlegenden, konzeptionellen Überlegungen dazu basieren auf Erfahrungen, die in einem eigens durchgeführten Unterrichtsversuch mit dem Thema „Was haben die Menschen früher getragen?“ gemacht wurden. Anhand dieses Unterrichtsversuchs wurden Probleme und Schwierigkeiten bei der Bildquellenarbeit deutlich, was dazu führte, eine verbesserte Version zu demselben Thema zu entwerfen, die als Musterstunde für Bildquellenarbeit in der Grundschule dienen kann.

Als Einführung in die Thematik wird ein grober Überblick über die Möglichkeiten von Quellenarbeit in der Grundschule gegeben. Hierbei soll vor allem beleuchtet werden, welche Quellen es gibt und welche Vor- und Nachteile, speziell Bildquellen, für Grundschulkinder mit sich bringen. Der zweite Gliederungspunkt thematisiert die theoretischen Vorüberlegungen zur Bildquellenarbeit, welche der Pädagoge bei der Unterrichtsplanung mit Bildquellen beachten sollte. Anschließend wird die praktische Durchführung der konkreten Unterrichtsstunde „Trug meine Oma als Kind auch schon Jeans?“ erläutert.

Zum Abschluss der Arbeit wird die Frage diskutiert, ob die Bildquellenarbeit in der Grundschule erfolgsversprechend bzw. sinnvoll ist.

Zur theoretischen Fundierung wurden folgende literarische Werke herangezogen: „Historisches Lernen in der Grundschule“ von Hans Toman, „Kinder entdecken Geschichte“ von Klaus Bergmann, „Geschichtsbezogenes Lernen im Sachunterricht“ von Kerstin Michalik, „Bilder erzählen Geschichte – Bilder als historische Quellen, ausgewählt aus der Karlsruher Kunsthalle und ihr möglicher Einsatz im Geschichtsunterricht der Sekundarstufe I“ von Yvonne-Luise Schädler und „Der Umgang mit Bildern“ von Ulrich Mayer aus der Zeitschrift Geschichte lernen.

Die Unterrichtsstunde mit dem Thema „Trug meine Oma früher auch schon Jeans?“ wurde selbstständig ausgearbeitet und in einer dritten Klasse durchgeführt.

2. Quellenarbeit in der Grundschule

Bevor darauf eingegangen wird, welche Quellen es gibt und welche Vor- und Nachteile sie für die Arbeit mit Grundschulkindern mit sich bringen, muss zunächst geklärt werden, was man unter einer Quelle versteht. Dafür lieferte Paul Kirns eine prägnante Definition: „Quellen der Geschichtsschreibung sind alle Texte, Gegenstände oder Sachverhalte, aus denen Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann.“[2] Somit ist das Spektrum, was alles eine Quelle darstellt, sehr groß. Wichtig ist hierbei jedoch, die Unterscheidung in Traditions- und Überrestquellen[3] – vor allem was die Bewertung der Quelle betrifft. Maßgeblich dabei ist „der Gegenwartszweck der Quelle zum Zeitpunkt ihrer Entstehung.“[4]

Unter Traditionsquellen versteht man Quellen, welche absichtlich, also mit dem Gedanke die Nachwelt zu informieren, überliefert wurden. Biographien, Chroniken oder Annalen werden den Traditionsquellen zugeordnet. Überrestquellen hingegen sind unmittelbar durch die historische Begebenheit selbst entstanden. Die Überlieferung ist also unbeabsichtigt. Hierzu zählen Gebäude, menschliche Überreste, Sitten, Traditionen etc.[5] Bildquellen können häufig nicht konkret zugeordnet werden. Hier ist immer auf den Inhalt und den Entstehungszeitpunkt des Bildes zu achten.[6]

In diesem Kontext ist es wichtig zu erwähnen, dass Traditionsquellen meist subjektiv gefärbt und gefiltert sind, jedoch Zusammenhänge besser darstellen als Überrestquellen, da diese eher Momentaufnahmen gleichen. Diese Unterscheidung ist bei der Arbeit mit Kindern essentiell, da gerade bei den Jüngeren die Meinung vorherrscht, dass eine Quelle immer die Wahrheit widerspiegelt, da sie aus der jeweiligen Zeit stammt. Falls im Unterricht mit Traditionsquellen gearbeitet wird, ist es Aufgabe des Lehrers, den Kindern bewusst zu machen, dass beispielsweise ein zeitgenössischer Bericht genauso verfälscht sein kann, wie heutzutage ein Artikel in Zeitung oder Internet. Ein weiterer Aspekt der bei der Arbeit mit Quellen in der Grundschule beachtet werden muss, ist der Entstehungszeitpunkt der Quelle. Wird beispielsweise mit einem Bild gearbeitet, bei dem Dargestelltes und Darstellung zwei verschiedene Zeitebenen sind, fällt es den Kindern schwer diese zu unterscheiden und kritisch zu behandeln. Es findet häufig eine Vermischung der beiden Zeiten statt, was unbedingt verhindert werden sollte. Laut Ulrich Mayer sollen gerade bei jüngeren Schülern diese Bilder nur mit viel Skrupel verwendet werden, da sie eine Wirklichkeit erfinden, durch ihr ästhetisches Arrangement die Betrachter fesseln und eine Realität suggerieren, die so nicht vorhanden war.[7] Daher sollte die Lehrkraft bei der Auswahl der Quellen darauf achten, dass sie auch immer den Zeitpunkt widerspiegeln, in dem sie entstanden sind.

Da sich die Arbeit in erster Linie mit Bildquellen beschäftigt, sollen die Vor- und Nachteile von Quellenarbeit ganz konkret am Beispiel der Bildquellenarbeit gezeigt werden.

Die Bildquelle stellt einen Ausschnitt der historischen Wirklichkeit dar, was gerade für jüngere Kinder realitätsnäher und verständlicher ist als Sachtexte. Dies hat zur Folge, dass die Imaginationskraft der Schülerinnen und Schüler angeregt wird und historische Begebenheiten besser und länger behalten werden.[8] Lernpsychologische Ansätze haben außerdem nachgewiesen, dass Lernprozesse mit Hilfe von Bildern nachhaltiger und ergiebiger sind, als solche, welche nur auf Gelesenem beruhen.[9] Dabei muss allerdings darauf geachtet werden, dass die Bildquellen strukturiert und reflektiert eingesetzt werden und nicht, wie häufig in Schulbüchern der Fall, als Zierde. Dieser Fehler wird auch oft im Unterricht gemacht, da die Lehrkraft Angst davor hat, dass die Kinder mit der Bildquelle nicht zurechtkommen oder nicht die nötigen Informationen daraus ziehen. Doch nur, wenn die Bildquelle im Vordergrund steht und die Kinder genügend Zeit haben, sich mit ihr auseinanderzusetzen, lernen die Kinder, wie man mit Quellen arbeitet und umgeht.

Ein großer Vorteil der Bildquellenarbeit ist, dass auch leistungsschwächere Kinder motiviert werden, mitzuarbeiten und ihre Eindrücke zu schildern. Außerdem regen Bilder die Kinder an nachzudenken und zu diskutieren, wodurch auch die Interpretationsfähigkeit geschult wird.[10] Hinzu kommt, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, sich die Bilder ganz genau anzuschauen, was ihnen hilft, sich in der heutigen Bilderflut der außerschulischen Lebenszusammenhänge zurechtzufinden. Die Pädagogen müssen also „beim Arbeiten mit Bildern [...] den Mut zur Langsamkeit üben und vermitteln. Um adäquat mit Bildquellen umgehen zu können, müssen sie sich mit den Lernenden Zeit nehmen.“[11]

Allgemein kann man sagen, dass die Kinder bei der Arbeit mit Bildquellen ihren „Forscherdrang“ stillen können, da sie selbstständig Geschichte untersuchen und entdecken können. Dies impliziert einen intensiven Lernprozess bei dem sich jedes Kind in den Unterricht einbringen kann. Darüber hinaus wird die historische Fragekompetenz geschult.

3. Theoretische Vorüberlegungen zur Bildquellenarbeit zum Thema „Trug meine Oma früher auch Jeans?“

Theoretische Vorüberlegungen sind bei jeder Unterrichtsplanung von großer Bedeutung, bei der Arbeit mit Bildquellen jedoch ganz besonders, denn je nach Einsatz des Bildes kann die Unterrichtsstunde ganz anders verlaufen, als zunächst gedacht. Zudem reicht es bei der Bildquellenarbeit mit Grundschülern nicht aus, strikt nach dem Drei-Stufen-Interpretationsmodell (Vorikonographische Beschreibung, Ikonographische Analyse, Ikonologische Interpretation) von Erwin Panowsky vorzugehen, wie es vielleicht der Fall bei höheren Klassen ist. Eine Vielzahl an Faktoren muss berücksichtigt werden, damit ein Bild von den Kindern richtig erschlossen werden kann. Diese werden in den folgenden Ausführungen mit Hilfe von praktischen Beispielen beleuchtet.

3.1. Eingrenzung des Themengebiets und didaktischen Grundfragen nach Klafki

Die Eingrenzung des Themengebiets ist im Geschichtsunterricht der Grundschule von äußerst großer Bedeutung, da Grundschulkinder sich noch wenig bis gar nicht in der Vergangenheit orientieren können – die historische Orientierungskompetenz muss erst noch geschult werden. Daher ist es essentiell, das Thema für eine Geschichtsstunde einzugrenzen und um es prägnant in einer kurzen Frage formulieren zu können. Des Weiteren sollte darauf geachtet werden, dass bei der Themenauswahl die didaktischen Grundfragen nach Klafki berücksichtigt werden. Danach sollte die Unterrichtsstunde immer eine Gegenwartsbedeutung und eine Zukunftsbedeutung für die Kinder aufweisen. Hinzu kommen die exemplarische Bedeutung, die thematische Strukturierung und die Zugänglichkeit.

Am Beispiel der durchgeführten Unterrichtsstunde soll dies nun näher erläutert werden.

In der Geschichtsstunde sollte die Mode und ihr Wandel behandelt werden. Da sich diese Thematik über alle Epochen streckt, muss das Thema stark eingegrenzt werden. Es muss sich gefragt werden, welche Zeit die Kinder noch am meisten anspricht bzw. zu welcher vergangenen Zeit sie noch am meisten Bezug haben. Daher wurde die Unterrichtsstunde auf die Kindheit der Großeltern der Schülerinnen und Schüler beschränkt.

In dem vorangegangenen Unterrichtsversuch „Was haben die Menschen früher getragen?“ wurde der Fehler gemacht, die Mode von der Antike bis in die Gegenwart zu beleuchten. Die Epochen wurden nicht eingegrenzt, was dazu führte, dass es zu viel Lerninhalt und mit den entsprechenden Fachbegriffen der Epochen und Mode für die Kinder zu komplex war. Auch die leitende Unterrichtsfrage „Was haben die Menschen früher getragen?“ ist für die Kinder zu unkonkret. Um dies bei der konkreten Stundenformulierung zu verhindern, hilft die didaktische Grundfrage der Zugänglichkeit. Die Lehrkraft sollte sich demnach fragen, womit sie das Interesse der Kinder wecken kann und womit man sie erreichen kann.[12] Hier bietet sich immer an, Vergangenheit und Gegenwart zueinander in Bezug zu setzen. Bei dem Stundenthema Mode ergibt sich die Möglichkeit zu fragen, ob beispielsweise die Oma auch schon wie die Schülerinnen und Schüler heutzutage Jeans getragen hat. Das Thema „Was haben die Menschen früher getragen?“ aus dem vorherigen Unterrichtsversuch war demnach zu ungenau und sprach die Kinder nicht direkt an.

Das Thema Mode allgemein hat für die Kinder einen hohen Gegenwartsbezug, da sie sich alltäglich damit beschäftigen und sich vor allem Dritt- und Viertklässler dadurch identifizieren und ausdrücken. Bei der Thematisierung des modischen Wandels soll außerdem auf die verschiedenen technischen Erneuerungen und die Globalisierung, insbesondere die Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Entwicklungsländern, eingegangen werden. An dieser Stelle werden die Kinder dazu angeregt, darüber nachzudenken, welchen Beitrag sie leisten könnten, um das Problem der Ausbeutung zu umgehen. Somit ist die Zukunftsbedeutung des Themas für die Kinder gewährleistet, da die Geschichtsstunde einen generellen Beitrag zum Erreichen ethischer Ziele leistet.[13]

[...]


[1] Vgl. Schaub, Horst: Historisches Lernen und Geschichte in der Grundschule, in: ZEIT leben – GESCHICHTE lernen, Berlin 2002, S. 1.

[2] Paul Kirn: Einführung in die Geschichtswissenschaft, Berlin 1959, S.29.

[3] Vgl. Brandt von, Ahasver: Werkzeug des Historikers – Eine Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften, 11. Aufl., Stuttgart 1986, S. 52.

[4] König, Christian: Quellen I – Grundlagen und Definitionen, Regensburg 2014, S. 2.

[5] Vgl. Brandt von, Ahasver: Werkzeug des Historikers, S. 52.

[6] Vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Bildinterpretation – die Bildquelle im Geschichtsunterricht, 3. Aufl., Schwalbach 2015, S. 57.

[7] Vgl. Mayer, Ulrich: Umgang mit Bildern, in: Geschichte lernen. Sammelband Geschichte lehren und lernen. Unterrichtsmethoden, Lerntechniken, Handlungsorientierung, Velber 1997, S. 50.

[8] Vgl. Schädler, Yvonne-Luise: Bilder erzählen Geschichte – Bilder als historische Quellen, ausgewählt aus der Karlsruher Kunsthalle und ihr möglicher Einsatz im Geschichtsunterricht der Sekundarstufe I. , Karlsruhe/ Singen 1999, S. 178f.

[9] Vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Bildinterpretation – die Bildquelle im Geschichtsunterricht, S. 59.

[10] Vgl. Wohlfeil, Trudl: „Methodische Erfassung eines Bildes als historische Quelle“, in: „Journal für Geschichte“ 4/ 87, S. 78.

[11] Vgl. Mayer, Ulrich: Umgang mit Bildern, S. 51.

[12] Vgl. Klafki, Wolfgang: Didaktische Analyse, 10. Aufl., Hannover 1969, S. 30.

[13] Vgl. Ebd., S. 31.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Bilder im Geschichtsunterricht der Grundschule
Hochschule
Universität Regensburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
21
Katalognummer
V377060
ISBN (eBook)
9783668569065
ISBN (Buch)
9783668569072
Dateigröße
634 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fachdidaktik, Geschichte, Grundschule, Sachunterricht
Arbeit zitieren
Gina M. (Autor:in), 2017, Bilder im Geschichtsunterricht der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/377060

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