Spieltheoretische Untersuchungen des deutsch-russischen Verhältnisses im Vorfeld des zweiten Weltkrieges

Warum kommt es ausgerechnet 1941 zum Krieg?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historische Einordnung

3. Spieltheorie
1. Geschichte und Definition
2. Begrifflichkeiten
1. Strategie
2. Nashgleichgewicht
3. Spieltheorie in der Geschichtsforschung
4. Fearons Modell der Abschreckung

4. Analyse entscheidender historischer Punkte
1. Auswahl der Punkte
2. Analyse
3. Zusammenfassung

1. Einleitung

Sicherlich gibt es keine Möglichkeit definitiv zu bestimmen, wieso etwas in der Vergangenheit so geschehen ist, wie es geschah, noch haben wir die Macht zu sagen, was hätte sein können. Alle Überlegungen in diese Richtung sind reine Spekulation. Nichtsdestotrotz können sie sehr spannend sein.

Im Verlauf dieser Arbeit soll genau das passieren. Anhand der Geschichtsquellen, die uns geblieben sind, sowie mit soziologischen Ansätzen, wird versucht zu analysieren wieso zwei der wichtigsten Männer der jüngeren Geschichte so handelten, wie sie es taten: Hitler und Stalin, zwei Diktatoren, an Macht, Gier und Grausamkeit kaum zu übertreffen. Warum verbündeten sich diese Männer, die sich so sehr hassten, warum führten sie Krieg? Die vorrangige Frage soll sein, wieso es nicht schon viel früher zum Krieg zwischen Deutschland und Russland kommt. Was hindert die Alleinherrscher daran, dem Ziel nachzugehen, welches sie von Beginn an verfolgt haben?

Nachdem zuerst ein Überblick über die Geschichte zwischen der Machtergreifung durch die NSDAP am 30. Januar 1933 und dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 gegeben wird, folgt dann ein Überblick über die Spieltheorie im allgemeinen, sowie einige wichtige Begrifflichkeiten.

Im nächsten Schritt werden dann einige entscheidende Punkte aus der Geschichte gegriffen, anhand derer versucht wird, das Verhalten Hitlers und Stalins zu analysieren und zu verstehen. Zuletzt wird es einen Überblick über die im Verlauf dieser Arbeit entstandenen Erkenntnisse geben, sowie Ideen zu möglichen weiteren Forschungen zu diesem Thema. Die Möglichkeit dazu wird es definitiv geben, denn schon jetzt ist klar, dass eine Arbeit in diesem Umfang niemals ein solch facettenreiches Thema in Vollkommenheit beleuchten kann.

Im Verlauf dieser Arbeit werden diverse Benennungen der Länder synonym verwendet. So meinen Deutschland, das deutsche Reich und das dritte Reich das selbe Land, genauso wie es sich bei Russland, Sowjetrussland, der Sowjetunion sowie der UdSSR verhält. Auch die Namen der Diktatoren Stalin und Hitler werden bisweilen anstatt ihrer jeweiligen Staaten genutzt, was sich durch ihre Allmacht legitimiert. Sie und der Staat waren in Entscheidungsfragen das gleiche. Die vielen anderen Akteure, wie England, Frankreich oder Polen ergiebig zu untersuchen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weswegen sie nur zu Verständnisgründen erwähnt werden sollen.

2. Historische Einordnung

Um den historischen Zusammenhang vollständig zu beleuchten, muss lange vor der Zeit begonnen werden, in der Stalin und Hitler Diktatoren und damit in der Position waren, Krieg zu führen.

Genauer muss das Jahr 1925 betrachtet werden, als Hitler, damals noch ein Redner einer mäßig erfolgreichen Partei, seine Programmschrift „Mein Kampf“ veröffentlicht. Schon in dieser schreibt er explizit von einem Angriff auf Sowjetrussland. „Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Russland […] denken.“ (Hitler 1933: 742f. zitiert nach Besymenski 2003: 21) „[...] Ostpolitik im Sinne der Erwerbung der notwendigen Scholle für unser deutsches Volk.“ (ebenda) Auch Stalin wirft seinen Blick bereits früh auf Deutschland, er ist Mitglied einer Gruppe, die eine kommunistischen Revolution in Deutschland plant, die sich am 09. November 1923 ereignen soll, schließlich aber nicht stattfindet. „Mit dem Sieg des deutschen Proletariats wird sich das Zentrum der Weltrevolution unweigerlich von Moskau nach Deutschland verlagern.“ (Stalin 1923 zitiert nach Besymenski 2003: 35) Wie sich zeigen sollte, hielt Stalin an dem Wunsch einen „sowjetisch- deutschen Block“ (Besymenski 2003: 41) zu schaffen bis zur Gründung der DDR fest. Doch auch wenn Stalin schon damals mächtig ist und nach Lenins Ausscheiden aus der Politik im Jahr 1922 als Teil des sogenannten Triumvirats gemeinsam mit Kamenew und Sinowjew faktisch bereits über Sowjetrussland herrscht, ist er kein Alleinherrscher. Nach Lenins Tod im Jahr 1924 beginnt das Triumvirat zu zerfallen und Stalin drängt seine ehemaligen Verbündeten im Jahr 1926 aus der Partei.

Wirklich interessant wird es, nachdem nicht nur Stalin 1927 die Macht in Sowjetrussland vollständig übernimmt, sondern Hitler sich 1933 zum Reichskanzler und Führer aufschwingt und damit das Ende der Weimarer Republik und den Beginn des dritten Reichs einleitet. Die beiden entscheidenden Figuren des Geschicks der beiden Länder haben nun die Macht, ihre Wünsche durchzusetzen. Doch weder versucht Stalin erneut eine Revolution in Deutschland zu starten, noch beginnt Hitler einen Russlandfeldzug. Zunächst ist die Reichswehr auch nicht in der Lage einen Angriffskrieg zu führen, da ihre Stärke durch den Versailler Vertrag nach wie vor auf 100.000 Soldaten begrenzt ist. Doch selbst nachdem Hitler sie 1935 zur Wehrmacht umbaut, ihre Truppenstärke vervielfacht ist und es wieder eine allgemeine Wehrpflicht in Deutschland gibt, scheint er keine Ambitionen zu haben einen Krieg zu beginnen. Wohl aber ändert sich die Haltung Deutschlands gegenüber Sowjetrussland. Während die Handelsbeziehungen in den Jahren 1931 und 1932 einen Höhepunkt erreichten und ein Volumen von über 2 Milliarden Rubel übersteigen, bricht der Handel in den Jahren nach der Machtergreifung Hitlers rapide ein, bis das Handelsvolumen im Jahr 1935 bei nicht einmal mehr 300 Millionen Rubel liegt. (Besymenski 2003: 68)

Russland versucht seinerseits die Verhältnisse zum dritten Reich zu verbessern und sich erst einmal mit dem faschistischen Regime zu arrangieren. „daß der Faschismus [...] in Italien für die UdSSR kein Hindernis war, die besten Beziehungen zu diesem Lande herzustellen. […] Unsere Außenpolitik ist klar. Sie ist eine Politik der Erhaltung des Friedens und der Verstärkung der Handelsbeziehungen mit allen Ländern.“ (Stalin 1955: 268ff. zitiert nach Besymenski 2003: 64f.)

Erst 1936, erwähnt Hitler in einer geheimen Denkschrift, gemeinhin als Vierjahresplan bekannt, wieder die Notwendigkeit eines Krieges mit der UdSSR und der Bereitschaft Deutschlands für diesen Krieg. „Die deutsche Armee muss in vier Jahren einsatzfähig sein. Die deutsche Wirtschaft muss in vier Jahren kriegsfähig sein.“ (Hitler 1936 zitiert nach Treue 1955: 27) Ein Jahr später, am 10. November 1937 offenbart Hitler konkretere Pläne, die die Annexion der Tschechoslowakei und Österreichs, sowie die Möglichkeit der Konfrontation mit Frankreich, England und Russland. (Besymenski 2003: 89ff.)

Im selben Jahr führt Stalin die größte Säuberung der Armee in der Geschichte Russlands durch. Er ließ über 40.000 Offiziere des Heers und der Flotte zum Tode verurteilen, sowie mehr als 80 der 101 Mitglieder der obersten Militärführung. Mit einem Schlag nahm er der roten Armee ihre Führung und damit ihre Stärke. (Ebenda 2003: 93ff.)

Ein Jahr später kommt es nach Forderungen Hitlers an die Tschechoslowakei „Das Sudetenland wird […] an Deutschland übergeben. Abgetreten werden die Regionen, in denen Deutsche mehr als 50 Prozent der Bevölkerung stellen. […] Die derzeitigen internationalen Verträge der Tschechoslowakei werden annulliert […].“ (Ebenda: 115) zur Münchener Konferenz, bei der allen Forderungen Hitlers stattgegeben und der Rest der Tschechoslowakei zwischen Ungarn und Polen aufgeteilt wird. Das deutsche Reich fährt einen ersten großen Sieg ein, der von England und Frankreich zu Gunsten des vorerst abgewendeten Krieges toleriert wird. Die UdSSR hingegen verliert beim Münchener Abkommen nicht nur einen Verbündeten, sondern auch internationales Ansehen, da sie ihrem Abkommen die Tschechoslowakei zu unterstützen nicht nachkamen. (Ebenda: 119f.) Im gleichen Jahr annektiert das deutsche Reich auch Österreich - ebenfalls kampflos.

Der Beginn des nächsten Jahres, genauer der Neujahrsempfang in Berlin, bei dem Hitler sich ungewöhnlich lange und vertraulich mit dem Botschafter der UdSSR, Alexej Merekalow, unterhält, gibt Anlass zu neuen Spekulationen über freundschaftliche Beziehungen zwischen Sowjetrussland und dem deutschen Reich und eine neue Kriegsgefahr. „München hatte 1938 den Krieg noch einmal abgewendet. Man hegte aber keinerlei Zweifel, daß er 1939 kommen werde.“ (Ebenda: 123ff.) Während sich herauskristallisiert, dass Hitler als nächstes Polen im Visier hat, hält die UdSSR an ihrer zurückhaltenden Beschwichtigungspolitik fest. „Der Konflikt mit Polen, den Deutschland gerade anheizt, wird im Herbst 1939 zu dem Versuch führen, den polnischen Staat zu beseitigen, […] Es steht jetzt auf dem Höhepunkt seiner Macht und Stärke. […] Hitlers Kurs wird in den folgenden zwei bis drei Jahren unweigerlich zu einem militärischen Konflikt [mit der UdSSR] führen. (Ebenda: 153) Die UdSSR führt deswegen das Jahr 1939 über Verhandlungen mit den Westmächten England und Frankreich. Beide Parteien versuchen aber in der Erwartung eines „zweiten Münchens“, sprich einer erneuten Beschwichtigung Hitlers ausschließlich zu ihren Gunsten ausgelegte, einseitige Verträge abzuschließen, sodass die Verhandlungen schlussendlich zu keinem positiven Ergebnis führen. (Ebenda: 160ff., 175ff.) Insgeheim rüstet Sowjetrussland aber auf und erneuert seine wirtschaftlichen Beziehungen zum deutschen Reich. (Ebenda: 185ff.) Am 15. August 1939 tritt Deutschland an Russland mit einem ersten Entwurf des „Geheimprotokolls“ heran, in dem nur der Wunsch nach einem Nichtangriffspakt für die nächsten 25 Jahre benannt ist. (Ebenda: 216) Acht Tage später einigen sich die Diplomaten und nicht nur einen Nichtangriffspakt beschlossen, sondern auch festgelegt, wie Resteuropa aufgeteilt wird. Von Ribbentrop und Molotow unterzeichnen im Auftrag der Diktatoren und der Vertrag tritt in Kraft. (Ebenda: 225ff.) Weitere neun Tage später, am 01. September 1939 greift die Wehrmacht Polen an, der zweite Weltkrieg beginnt. Hitler erhält den Großteil Polens, an dem Stalin weniger Interesse zeigt, Russland handelt Beistandsverträge mit Weißrussland, der Ukraine, sowie Litauen, Lettland und Estland aus. (Ebenda: 242f., 249ff.) Von Ribbentrop und Molotow unterzeichnen einen weiteren Vertrag, der die nun existente Grenze der beiden Staaten beschreibt und weitere militärische Agitation auf dem eroberten Gebiet einschränkt. (Ebenda: 245ff.)

Im Mai und Juni 1940 überrennt die Wehrmacht Frankreich, außerdem die Benelux-Staaten, Dänemark und Norwegen, woraufhin die UdSSR die gerade gewonnenen Bündnispartner vollständig annektiert und in Unionsrepubliken umwandelt. Weiterhin führt sie zwei Kriege gegen Finnland, gewinnt dort aber nur Teile des Territoriums. (Ebenda: 255f., 298f.) Obwohl die Haltung Sowjetrusslands und des deutschen Reichs zu dieser Zeit nach außen hin die freundschaftliche Art der Verträge von 1939 beibehält, „tauch[t]en in jener Zeit allerdings erste Anzeichen von Mißstimmung auf, […] In Berlin wurde bereits die Frage gestellt, ob es zweckmäßig sei, den Nichtangriffspakt einzuhalten.“ (Ebenda: 303) Deutschland beginnt Krieg gegen England zu führen und schließt mit Italien und Japan den Dreimächtepakt. Trotzdem versucht Hitler einen neuen Vertrag mit Stalin zu schließen, um die Macht des Dreimächtepakts noch zu verstärken und „um der ganzen Welt zu zeigen, dass die Sowjetunion Deutschlands neuer Verbündeter sei,“. (Ebenda: 305). Sein Ziel ist ein „Kontinentalblock“ gegen England. (Ebenda: 307) Am 09. November 1940 reist Molotow nach Berlin, um die wahren Absichten Hitlers in Erfahrung zu bringen. Für Russland scheint der Krieg unausweichlich. „Die Hitlerleute haben sich noch nie an moralische Normen oder Regeln gehalten. […] Vorbereitung des entscheidenden, tödlichen Kampfes gegen den Hitlerismus […] Garantie für einen stabilen Frieden ist allein die Stärkung unserer Streitkräfte.“

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Spieltheoretische Untersuchungen des deutsch-russischen Verhältnisses im Vorfeld des zweiten Weltkrieges
Untertitel
Warum kommt es ausgerechnet 1941 zum Krieg?
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V376945
ISBN (eBook)
9783668545977
ISBN (Buch)
9783668545984
Dateigröße
580 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziologie, Spieltheorie, Hitler, Stalin, Weltkrieg, zweiter Weltkrieg, Deutschland, Sowjetunion, Chickenspiel
Arbeit zitieren
Robin Mithoff (Autor:in), 2013, Spieltheoretische Untersuchungen des deutsch-russischen Verhältnisses im Vorfeld des zweiten Weltkrieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376945

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