Der Film "Red Corner" und Hollywoods Ansichten bezüglich Strafprozessverfahren in China


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

42 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Quellen, Material und Methode

Hauptteil I
1. Hintergrundinformationen
1.1. Informationen zum Film
1.2. Die Rechtslage von Ausländern in der VR China
1.3. Fälle von in der VR China verurteilten und/oder hingerichteten Ausländern

Hauptteil II
2. Forschungsfragen
2.1. Der rechtlich fundierte Wahrheitsgehalt von Red Corner
2.2. Folter in der VR China
3. Hollywoods Ansichten bezüglich chinesischer Strafprozessverfahren
3.1. Realität oder Erfindung?

Abschluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der US-Amerikanische Gründungsvater Benjamin Franklin sagte einmal einen überaus heroisch klingenden Satz, welcher ebenso gut einem Hollywoodfilm entnommen sein könnte demnach:

„Nur die Lüge die Staatsgewalt braucht, die Wahrheit aber von alleine aufrecht steht.“

Auf den ersten Blick könnte diese Formulierung auch als Untertitel des Filmes Red Corner fungieren, da Franklins Aussage anscheinend die im Film vertretene Meinung über das Strafrechtsystem der Volksrepublik China in den 1990er Jahren anschaulich umschreibt, besonders wenn man sich jene Szenen ins Gedächtnis ruft, in welchen der angeklagte Ausländer Jack Moore sich, trotz mehrerer Verwarnungen, überaus symbolisch gegenüber dem Chinesischen Gericht erhebt, auf seiner Unschuld besteht und somit als personifizierte Wahrheit erscheint.

Gegen Ende des Filmes stellt sich zumal heraus, dass sich tatsächlich Lügen, Vorurteile und Verschwörungen der Staatsgewalt und dem chinesischen Strafsystem bedienten um Jack Moore unschuldig verurteilen zu lassen.

Selbstredend steht am Schluss jedoch gemäß dem traditionellen Grundprinzip US-Amerikanischer Filmproduktionen ein Happy End, d.h. das Gute siegt über das Böse und Jack Moore und seine Anwältin gewinnen gegen das chinesische Strafrecht.

Dieses tritt in Red Corner zunächst neben dem eigentlichen Mörder als zweiter Feind des Helden auf, denn es scheint sich auf den ersten Blick aufgrund von Vorurteilen gegen den unschuldigen Jack Moore zu richten, welchem niemand Glauben schenken will, nicht einmal seine Pflichtverteidigerin. Zudem wird er verspottet, gefoltert, bedroht und es scheint keinen Ausweg aus diesen Tretmühlen der Justiz zu geben welche von Korruption, Zwangsmaßnahmen und Militäruniformen dominiert zu sein scheinen.

Man könnte sich an dieser Stelle also fragen:

Hatte Benjamin Franklin recht? Und kann man seine Behauptung auf das Strafrecht der VR China übertragen?

Bei erstmaliger Betrachtung von Red Corner, könnte man durchaus geneigt sein beide Fragen mit einem eindeutigen ‚ja’ zu beantworten, denn die Wenigsten würden Red Corner wohl Systemfreundlichkeit gegenüber dem chinesischen Strafsystem attestieren.

Doch wie so oft im Leben ist auch der erste Eindruck nicht immer der richtige, wie es auch auf den Film Red Corner zutrifft, denn auch wenn dieser Film anfangs spannend, bedrohlich und brutal wirkt, so gewinnt man bei genauerer Betrachtung doch einige erstaunliche Erkenntnisse bezüglich des enormen Wahrheitsgehaltes der im Film dargestellten Ereignisse sowie der eigentlichen, gewiss komplexen, aber nicht durch und durch negativen Botschaft des Filmes, welche das chinesische Strafsystem sicherlich in einem gewissen Maße kritisiert, aber dennoch weitaus weniger grausam und willkürlich porträtiert, als ich ursprünglich annahm.

Auf den folgenden Seiten habe ich nun versucht Hollywoods Ansichten und Darstellungsweisen bezüglich chinesischer Strafprozessverfahren im Film Red Corner zu ermitteln und zu analysieren, wobei ich diese in einem weiteren Schritt versuchte anhand des chinesischen Strafprozessgesetztes in der Fassung von 1996 auf ihre Richtigkeit zu überprüfen; auf der Suche nach fiktionalen Elementen und künstlerischen Freiheiten, aber auch wahrheitsgetreuen Aspekten des Filmes.

Eingangs habe ich mich noch mit einigen Hintergrundinformationen zum besseren Verständnis der Thematik beschäftigt, z.B. ein Einblick in die Rechtslage für Ausländer in der VR China sowie Informationen zu Red Corner selbst.

Des Weiteren finden sich auch einige andere Fälle von in der VR China inhaftierten und/oder verurteilten Ausländern in dieser Proseminararbeit, welche ich aufgrund ihrer Aktualität einfüge, um zu belegen , dass diese Thematik nach wie vor sehr real und durchaus keine reine Erfindung Hollywoods ist.

Die Ergebnisse meiner Analyse und Interpretationsansätze sind auf den folgenden Seiten nachzulesen.

Quellen, Material und Methode

Zu meiner Methodik sei eingangs erwähnt, dass ich aus Gründen der Genauigkeit und um Verwirrungen oder Fehler zu vermeiden, in manchen Fällen englische Originalbegriffe von Gesetzesnamen oder sonstigen rechtspezifischen Fachausdrücken beibehalten habe, sofern ich keine akkurate oder zufriedenstellende Übersetzung finden konnte.

Die meisten der von mir verwendeten, relevanten Paragraphen liegen in deutscher Sprache vor und werden dementsprechend auch zitiert, doch bei Segmenten aus englischen Rechts- und Gesetzesbüchern habe ich es mir vorbehalten, zum einen die englischsprachige Fassung entweder im Fließtext oder in einer Fußnote einzufügen, sowie diese in einer von mir selbst durchgeführten deutschen Translation, welche ich auf Basis meines persönlichen Verständnisses anfertigte, zu interpretieren.

Mein primäres Nachschlagewerk zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes der in Red Corner gezeigten Prozesse ist das Strafprozessgesetz der Volksrepublik China in der Fassung vom 17.03.1996 aus der Übersetzung von Robert Heuser und Thomas Weigend[1]. Des Weiteren konsultierte ich auch das revidierte Strafgesetzbuch der VR China in der Fassung vom 14.03.1997, übersetzt von Michael Strupp[2], das Gefängnisgesetz von 1994[3] sowie das Strafprozessgesetz von 1979 inklusive dessen Zusatzartikel, welche in englischer Sprache von Ronald C. Brown[4] vorliegen.

Bei der Auswahl der zu bearbeitenden Sequenzen des Filmes Red Corner habe ich mein Augenmerk hauptsächlich auf jene Aspekte gelegt, welche das Strafprozessverfahren beinhalteten und demzufolge entweder direkt im Gerichtssaal spielen, oder aber direkten Bezug zum chinesischen Strafrecht darstellen, weshalb einige besonders spektakulär erscheinende Punkte, wie die Unterbringung und Behandlung Moores im Gefängnis lediglich Einzug in meine Auflistung zu Hollywoods Darstellungsweise fanden, jedoch größtenteils nicht auf ihren rechtlichen Wahrheitsgehalt untersucht wurden, da diese Themen nicht im chinesischen Strafgesetzbuch aufgeführt werden.

Zu der Thematik der Folter habe ich jedoch ein Subkapitel verfasst, welches zum einen die Stellungnahme der chinesischen Regierung anhand der Unterzeichnung der UN Anti-Folter-Konvention beinhaltet sowie auch jenen Bericht des UN-Sonderbeauftragen für Folter, Manfred Novak, enthält, welcher die Volksrepublik China im Jahre 2005 bereiste und sich hinsichtlich der Anwendung von Folter bei chinesischen Haftgefangenen umfassend äußerte. Auf Basis dieses Berichtes sowie einiger anderer Quellen versuche ich anschließend auch meine persönliche Ansicht bezüglich der im Film dargestellten Folterszenen zu formulieren, um ergründen zu können, ob die in Red Corner präsentierten Foltersequenzen der Realität entsprechen oder ein Klischee aus dem Hause Hollywood darstellen.

Weiters sei erwähnt, dass ich die Handlung des Filmes Red Corner in sein Produktionsjahr 1997 einordne um einen Zeitrahmen zu definieren. Aus diesem Grunde wende ich auch hauptsächlich das Strafgesetzbuch in der Fassung von 1996 an um die im Film präsentieren Aspekte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, denn würde Red Corner in der Realität spielen, so würde jene Fassung der Strafprozessgesetze zum Einsatz kommen.

Hauptteil I

1. Hintergrundinformationen

1.1. Informationen zum Film

Red Corner ist eine US-Amerikanische Filmproduktion aus dem Jahre 1998, welche von Wolfgang Petersen für Metro-Goldwyn-Meier produziert wurde nach dem Drehbuch von Robert King und unter der Regie von John Avnet.

Als Hauptdarsteller fungierten Richard Gere als der angeklagte Jack Moore sowie Bai Ling als seine Pflichtverteidigerin Shen Yuelin.

Entstanden[5] ist Red Corner aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft von Seiten der chinesischen Regierung ausschließlich in den USA, mit Ausnahme einiger weniger Landschaftsaufnahmen von Peking, welche noch vor Bekanntgabe des Filmprojektes inoffiziell gefilmt wurden. Einige Szenen wurden mit am Computer hergestellten Hintergründen gedreht, doch die meisten, insbesondere jene der spektakulären Flucht von Jack Moore wurden mit aufwendig nachgebauten Kulissen von Pekings Hutongs ausgestattet.

Die Kritiken zu diesem Film ergaben ein sehr gemischtes Ergebnis, demzufolge er zwar teilweise für seine Inszenierung, Spannung und Behandlung eines politisch schwierigen Themas gelobt wurde, andererseits aber auch besonders wegen seiner politischen Botschaft immer wieder negative Beurteilungen und gar Anfeindungen erfuhr.

Dennoch erhielt er noch im Jahr seiner Erscheinung den Political Film Society Award for Democracy [6], welcher jährlich von einer Hawaiianischen Organisation namens Political Film Society verliehen wird zur Förderung von Filmen, die das politische Bewusstsein der Öffentlichkeit bezüglich Menschenrechten, Freiheit und Demokratie anregen. Des Weiteren gewannen der Regisseur sowie Richard Gere jeweils einen National Board of Review Award in den Kategorien bester Regisseur und bester Hauptdarsteller.

Die Vorführung und der Verkauf von Red Corner ist in der VR China zwar angeblich verboten[7], jedoch berichteten mir einige chinesische Bekannte und Freunde, dass dieser Film dennoch sehr gut auf legale Weise oder als Raubkopie erhältlich sei, da auch jeder von ihnen, sowie weitere an der Sinologie befragte Austauschstudenten diesen Film kannten.

1.2. Die Rechtslage von Ausländern in der VR China

Alle Ausländer, egal welcher Nationalität, unterliegen in der VR China dem chinesischen Recht mit denselben Rechten und Verpflichtungen denen auch chinesische Staatsbürger unterliegen. Im Falle von Gerichtsverfahren, welche die Teilnahme von Ausländern inkludieren, ist daher folgendes nachzulesen:

§ 16 (Ausländerstraftat)

Für die Verfolgung einer Straftat, die von einem Ausländer begangen wurde, gelten die Vorschriften des Gesetzes[8].

Als Ausnahme gelten hierbei allerdings Ausländer mit diplomatischen Privilegien und/oder Immunität, deren Strafverfahren auf diplomatischem Wege geregelt werden sollen und demnach wohl von herkömmlichen rechtlichen Ermittlungen, Richtlinien und Verfahren ausgenommen sind[9].

Des Weiteren wird auch die Konsultation eines Rechtsbeistandes für Ausländer präzise geregelt, demnach dieser eine in der VR China anerkannte Anwaltslizenz besitzen muss. Sofern diese Bedingung erfüllt ist, räumt das Verwaltungsrecht dem angeklagten Ausländer identische Rechte (wie chinesischen Staatsbürgern) ein[10].

1.3. Fälle von in der VR China verurteilten und/oder hingerichteten Ausländern

Der momentan wohl aktuellste und berühmteste Fall eines in der VR China verurteilten und hingerichteten Ausländers ist jener des englischen Staatsbürgers Akmal Shaik, welcher für angeblichen Drogenschmuggel am 29. Dezember 2009 exekutiert wurde[11].

Bereits 2007 plädierte der am Flughafen von Ürümqi aufgrund des Besitzes von 4kg hochprozentigem Heroin inhaftierte Akmal Shaik bei seiner ersten Anhörung auf nicht schuldig, demzufolge ein Kollege ihm den verdächtigen Koffer übergab, dessen Inhalt ihm angeblich unbekannt war. Vertreten wurde er von Chen Dong, einem einheimischen, zugelassenen Anwalt, der auch das Amt des Director of the Ürümqi Legal Aid Centers bekleidete. Trotz seiner Unschuldbeteuerung sprachen die Beweise gegen ihn, weshalb er 2008 zur Todesstrafe verurteilt wurde[12].

Im Mai des darauffolgenden Jahres erfolgte eine weitere Anhörung in zweiter Instanz, bei der Shaiks zweiter rechtlicher Vertreter Cao Hong ein Ansuchen um eine Untersuchung der mentalen Gesundheit seines Mandanten vorbrachte, obwohl sein Mandant dies zuvor abgelehnt hatte. Die Britische Botschaft in der VR China unterstützte dieses Ansuchen mit Dokumenten aus der Krankengeschichte von Shaiks Familie, welche der Supreme People’s Court jedoch als Beweismittel zurückwies, da diese keinerlei Hinweise auf psychische Krankheiten innerhalb der Familie oder bei dem Angeklagten selbst beweisen würden[13].

Trotz mehrerer Nachsuchen seiner Familie sowie Kommentaren und Anteilnahmen der englischen Regierung und der Europäischen Union bezüglich einer Begnadigung oder Abmilderung der Strafe legte das Gericht bei jener zweiten Anhörung das Datum der Hinrichtung fest, welche noch im selben Jahr vollzogen wurde.

Aufgrund der Tatsache, dass in der VR China zu jenem Zeitpunkt seit über 50 Jahren kein Ausländer mehr das Todesurteil erhielt, erregte dieser Fall eine breite öffentliche Diskussion sowie reges Interesse der Medien.

Ein weiterer, gern in einem Atemzug mit Akmal Shaik genannter Fall ist die Hinrichtung des Italieners Antonio Riva[14] im Jahre 1951, welcher zusammen mit einem anderen Ausländer japanischer Herkunft namens Ruichi Yamaguchi der Verschwörung und des Mordversuches an Mao Zedong beschuldigt und in Peking exekutiert wurden.

Antonio Riva hatte sich zuvor im Ersten Weltkrieg als Fliegerheld einen Namen machen können und reiste in den 1920er Jahren nach Peking, um dort eine Flugzeugfabrik zu errichten sowie um angeblich Soldaten der Guomindang zu unterrichten.

Die genauen Anschuldigungen, der Verlauf der Prozessführung sowie die Rolle des japanischen Buchhändlers Ruichi Yamaguchi in diesem Fall sind leider weitgehend unbekannt, doch sie gelten als die ersten in China hingerichteten Ausländer seit dem Sturz der letzten Kaiserdynastie.

Hauptteil II

2. Forschungsfragen

2.1. Der rechtlich fundierte Wahrheitsgehalt von Red Corner

In diesem Kapitel befasse ich mich mit der tatsächlichen, rechtlichen Korrektheit der im Film dargestellten Ereignisse, Vorgehensweisen und Zustände und ob diese entweder im chinesischen Strafgesetzbuch oder aber im Strafprozessgesetz rechtlich verankert sind und demzufolge der Realität und Praxis an chinesischen Gerichtshöfen entsprechen.

Da in Red Corner sehr viele verschiedene Aspekte zu beobachten sind und diese manchmal nur teilweise der rechtlichen Wahrheit entsprechen, habe ich mich für dieses Kapitel für keine klare Strukturierung oder Unterteilung entschieden, sondern diese ohne chronologische Ordnung verfasst. Jedoch habe ich versucht diese unter der Bedingung aufzulisten, erst die größtenteils oder komplett korrekt dargestellten Begebenheiten aufzuführen, dann die erwiesenermaßen falschen Darstellungsweisen und schlussendlich jene Begebenheiten, die zwar im Film beobachtet werden können, zu denen ich jedoch bedauerlicherweise keinerlei Anhaltspunkte für ihre tatsächliche Richtigkeit auffinden konnte oder aber diese im Subkapitel über die Folter eine genauere Untersuchung erfahren und, um Wiederholungen zu vermeiden an dieser Stelle, ausgespart wurden.

Ich beginne also mit den ganz oder teilweise korrekten Darstellungen.

Die erste und wohl bedeutendste Beobachtung bezüglich Hollywoods’ Auffassungen zum chinesischen Strafrecht ist die Tatsache, dass Jack Moore für die angeblich von ihm verübte Tat in der chinesischen Justiz wie ein chinesischer Staatsbürger behandelt wird und demnach den gleichen Rechten und Verordnungen unterliegt, was absolut der Realität entspricht und kein fiktives Konstrukt darstellt. Da ich auf diesen Aspekt des Filmes bereits in einem vorangehenden Subkapitel detaillierter eingegangen bin, verweise ich an dieser Stelle auf das Kapitel Die Rechtslage von Ausländern in der VR China auf Seite 6 zur näheren Betrachtung der genauen Belege mit den entsprechenden Gesetzesparagraphen.

Die unmittelbar erfolgte Verhaftung von Jack Moore stellt einen weiteren Punkt dar, dessen Brutalität zwar nirgends gesetzlich vorgeschrieben ist, doch stimmt es durchaus, dass innerhalb von nur kurzer Zeit, laut Gesetz[15] nur 24 Stunden, die Familie, Angehörige oder eine sonstige dem Angeklagten nahestehende Einheit über dessen Festnahme in Kenntnis gesetzt werden muss. Da in Jack Moores Fall keine direkte Familie zu kontaktieren war, wurde die US-Amerikanische Botschaft benachrichtigt.

Auch das sofortige Verhör, welches ebenfalls nach 24 Stunden erfolgen muss und auch in dem Film sehr rasch von statten ging, sind im Strafprozessgesetz von 1996 in § 65[16] vorgeschrieben.

Der Ablauf der ersten Vernehmung wird insofern gemäß Strafprozessgesetz von 1996 realistisch dargestellt, als Jack Moore zunächst gefragt wird, ob er die Tat begangen habe, wie es § 93[17] vorschreibt.

Es wird ihm allerdings keine besonders umfassende Gelegenheit gegeben, seine Unschuld zu erklären, da er augenblicklich geschlagen wird, was ich an späterer Stelle noch als rechtswidrige Handlung darstellen werde.

Die anschließende Befragung nach seiner Unschuldsbekundung ist zwar legitim, wird im Film jedoch als überaus kurz und unfair dargestellt, zumal dem Angeklagten bereits Unkooperation unterstellt wird, obwohl er bisher noch nicht offiziell vernommen wurde.

Auch sei an dieser Stelle kurz vermerkt, dass sich in dem gesamten Kapitel des chinesischen Strafprozessgesetzes von 1996 über die Vorgehensweisen bei Ermittlungen keinerlei Hinweise darauf finden lassen, das dem Verhafteten seine Rechte mitgeteilt werden, welches meines Erachtens nach einen bemerkenswerten Mangel des chinesischen Strafprozessgesetzes ausmacht.

Das in Red Corner vorgeführte Recht auf Selbstverteidigung, welches Moore vorbringt und selbst wahrnimmt, entspricht ebenso der Realität wie die Zuteilung eines Pflichtverteidigers der chinesischen Gesetzgebung, da in § 32 auf das Recht der Selbstverteidigung hingewiesen wird. Zudem wird laut § 34 im Falle einer vorgebrachten Anklage dem Beschuldigen, sollte dieser noch keinen Verteidiger erwählt haben, ein vom Gericht eingesetzter Pflichtverteidiger zugesprochen, dessen primäre Aufgabe es ist, Materialien und Meinungen vorzubringen, welche die Unschuld[18] seines(ihres) Mandanten unterstützen:

§ 32 (Verteidiger)

Neben der Möglichkeit, sein Verteidigungsrecht selbst auszuüben…

§ 34 (Pflichtverteidiger)

Erhebt der öffentliche Ankläger bei Gericht die öffentliche Anklage und hat der Angeklagte wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder aus sonstigen Gründen keinen Verteidiger beauftragt, kann das Volksgericht einen Rechtsanwalt zur Übernahme der Rechtsbestandpflicht bestellen, der den Angeklagten verteidigt.

(…)

Besteht für den Angeklagten die Möglichkeit, zum Tode verurteilt zu werden und hat er keinen Verteidiger beauftragt, so hat das Volksgericht einen Rechtsanwalt zur Übernahme der Rechtsbeistandspflicht zu bestellen, der den Angeklagten verteidigt.[19]

[...]


[1] Heuser, Robert - Weigend, Thomas (1997), Das Strafprozessgesetz der Volksrepublik China in vergleichender Perspektive, Hamburg: Institut für Asienkunde

[2] Strupp, Michael (1998), Das neue Strafgesetzbuch der VR China. Kommentar und Übersetzung, Hamburg: Institut für Asienkunde, 99 ff

[3] Heuser, Robert - Weigend, Thomas (1997), Das Strafprozessgesetz der Volksrepublik China in vergleichender Perspektive, Hamburg: Institut für Asienkunde

[4] Brown, Ronald C. (1997), Understanding Chinese Courts and legal Process: Law with Chinese Characteristics. Honululu: Kluwer Law International

[5] http://www.imdb.com/title/tt0119994/ (10.01.11)

[6] http://www.polfilms.com/previous.html (03.01.11)

[7] http://www.totalfilm.com/reviews/cinema/red-corner (10.01.11)

[8] §16 (Ausländerstraftat) aus Heuser, Robert - Weigend, Thomas (1997), Das Strafprozessgesetz der Volksrepublik China in vergleichender Perspektive, Hamburg: Institut für Asienkunde, 70

[9] §16 (Ausländerstraftat): Ist die Straftat eines Ausländers, der diplomatische Privilegien und Immunität genießt zu verfolgen, so hat dies auf diplomatischem Wege zu erfolgen aus Heuser, Robert - Weigend, Thomas (1997), Das Strafprozessgesetz der Volksrepublik China in vergleichender Perspektive, Hamburg: Institut für Asienkunde, 70 ff

[10] Brown, Ronald C. (1997), Understanding Chinese Courts and legal Process: Law with Chinese Characteristics. Honululu: Kluwer Law International, 86

[11] http://www.associatedcontent.com/article/2537527/china_executes_a_briton_by_lethal_injection.html?cat=9 (08.11.10)

[12] http://www.guardian.co.uk/world/2009/dec/29/akmal-shaikh-execution-china (08.11.10)

[13] http://www.france24.com/en/20091229-china-executes-british-national-accused-drug-trafficking-british-fury-eu-protest (08.11.10)

[14] http://www.executedtoday.com/tag/eleanor-peter-lum/ (11.12.10)

[15] § 64 (Festnahmebefehl, Benachrichtigung) aus Heuser, Robert - Weigend, Thomas (1997), Das Strafprozessgesetz der Volksrepublik China in vergleichender Perspektive, Hamburg: Institut für Asienkunde, 82

[16] § 65 (Vernehmung) aus Heuser, Robert - Weigend, Thomas (1997), Das Strafprozessgesetz der Volksrepublik China in vergleichender Perspektive, Hamburg: Institut für Asienkunde, 82

[17] §93 (Ablauf der Vernehmung): Die Ermittler haben bei der Vernehmung eines Tatverdächtigen diesen zunächst danach zu befragen, ob er die Straftat begangen hat; dann ist ihm Gelegenheit zu geben, die Umstände der Tat darzulegen oder seine Unschuld zu erklären; danach wird er befragt. Der Tatverdächtige hat die von den Ermittlern gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er kann jedoch das Recht, die Antwort auf Fragen, die mit dem vorliegenden Fall in keinem Zusammenhang stehen, zu verweigern. Aus Ders, 90.

[18] § 35 (Aufgaben einer Verteidigers) aus Ders, 75.

[19] Ders, 74

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Der Film "Red Corner" und Hollywoods Ansichten bezüglich Strafprozessverfahren in China
Hochschule
Universität Wien  (Sinologie)
Veranstaltung
Chinesisches Strafrecht
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
42
Katalognummer
V376893
ISBN (eBook)
9783668545298
ISBN (Buch)
9783668545304
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Chinesisches Strafrecht, USA, Medien, Red Corner
Arbeit zitieren
Jessica Sadeler (Autor:in), 2011, Der Film "Red Corner" und Hollywoods Ansichten bezüglich Strafprozessverfahren in China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376893

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