Faschismus und Antifaschismus in Franz Fühmanns "Das Judenauto"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

14 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


2
1. Einleitung
,,Franz Fühmanns hoher Rang als Erzähler ist heute, gut zwölf Jahre nach seinem Tod,
unbestritten
"
1
, denn er hat Zeit seines Lebens verschiedene großartige Werke verfasst,
denen noch heute eine große Bedeutung zugesprochen wird. Eines dieser Werke ist Das
Judenauto
, veröffentlicht im Jahr 1962 im Aufbau-Verlag. Das Judenauto ist ein
Erzählband, in dem Ausschnitte aus dem Leben des Ich-Erzählers dargestellt werden,
angefangen bei seinen Erlebnissen als Schüler, über seine Jahre im Krieg bis zu seiner
Ankunft in der neu gegründeten DDR. Dass dies gewisse Erinnerungen an die
Biographie Fühmanns hervorruft, ist nicht ohne Grund so, denn für dieses Buch hat er
,,den Stoff des persönlichen Lebens"
2
genutzt, wodurch man schnell auf den Gedanken
kommen könnte, es handele sich um eine Autobiographie, dem ist jedoch mitnichten so,
es handelt sich nur um einen
,,teilweise autobiographischen"
3
Text, denn es ging
Fühmann um mehr als
,,eine vordergründig politische Autobiographie"
4
, weshalb er von
seiner künstlerischen Freiheit regen Gebrauch macht, wodurch man nicht einfach die
Biographie Fühmanns auf diesen Text legen kann, auch wenn in Fühmannbiographien
gern auf Das Judenauto zurückgegriffen wird, aber eben auch selbst da nur teilweise.
Es soll jedoch nicht um den Vergleich des Textes mit der Biografie Fühmanns gehen,
vielmehr soll es um das Thema Faschismus und Antifaschismus in Das Judenauto
gehen und wie sich dieser schon früh in einer Person festigt, auch ganz ohne direkte
nationalsozialistische Propaganda, denn Judenhass gab es schon vor dem
Nationalsozialismus.
Der Fokus der Untersuchungen wird hauptsächlich auf der Titelgeschichte liegen, da
,,spezifische Probleme des Judenhasses oder der Judenverfolgung kaum mehr eine
Rolle
"
5
im weiteren Verlauf der Handlung spielen. Da die Titelgeschichte oftmals auch
gern getrennt von den restlichen Stücken des Werkes betrachtet wird, stellt dies kein
Problem dar, denn Fühmann ist es gelungen diese Kurzgeschichte so zu gestalten, dass
sie problemlos als eigenständiger Teil betrachtet werden kann.
1
Mojem
, Helmuth (1997): ,,Die Vertreibung aus dem Paradies. Antisemitismus und Sexualität in Franz
Fühmanns Erzählung Das Juudenauto; In: Barner, Wilfried / Müller-Seidel, Walter / Ott, Ulrich (Hg.):
Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft
, 41. Jahrgang (1997), Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, S. 460
2
Richter, Hans (2001): Franz Fühmann. Ein deutsches Dichterleben; Berlin: Aufbau Taschenbuch
Verlag GmbH, S. 173
3
Bülow, Ulrich v. (2000): Die Poetik Franz Fühmanns. Vom geschichtsphilosophischen Märchen zum
anthropologischen Mythos
; Neuried: ars una Verlagsgesellschaft mbH, S. 22
4
Richter, S. 175
5
Richter, S. 176-177

3
Zuerst soll der Text jedoch etwas allgemeiner betrachtet werden, bevor dann die
Titelgeschichte genauer untersucht wird.
Die Titelgeschichte soll hiernach genau untersucht werden auf alle Faktoren, die zum
Judenhass des Ich-Erzählers führen, die Umgebung soll genau so betrachtet werden wie
sein persönlicher Werdegang und auch das grausame Märchen des Judenautos soll
etwas genauer unter die Lupe genommen werden, damit sämtliche antisemitische
Einflussfaktoren genau benannt werden können am Ende und welche antifaschistischen
Lehren sich daraus ziehen lassen.
Danach sollen weitere antisemitische Momente im Handlungsverlauf dargestellt
werden, die zwar nicht mehr so spezifisch sind, wie es in der Titelgeschichte der Fall
ist, jedoch zeigen auch diese, welche Blüten dieser Judenhass trug und wie tief dieser
im Protagonisten verwurzelt ist.
Abschließend soll am Ende noch einmal alles, was relevant ist, kurz und knapp
zusammengefasst und diesem Werk Fühmanns die passende Würdigung gegeben
werden.
2. Allgemeines zu Das Judenauto
,,Fühmann bezeichnet die ,,Nazi-Demagogie" ausdrücklich als ein Exempel für
Demagogie überhaupt, nämlich als das
,,ruchloseste aller Beispiele"."
6
Es wäre jedoch
gelogen, wenn gesagt werden würde, Fühmann wäre schon immer dieser Meinung
gewesen, denn er war vor allem in jungen Jahren ein glühender Verfechter des
Nationalsozialismus, gerade deswegen hat er auch Das Judenauto verfasst, denn
,,er
weiß, er muss über die Faszinationsgeschichte schreiben, die für ihn der
Nationalsozialismus einmal war
"
7
und so wird dieser Text für Fühmann
,,eine rigorose
Abrechnung mit Nationalismus, Faschismus und Krieg durch schonungslos kritische
Selbstbefragung
"
8
in dem es
,,um den Faschismus und seine Überwindung"
9
geht.
6
Bülow, S. 123
7
Decker, Gunnar (2009): Franz Fühmann. Die Kunst des Scheiterns; Rostock: Hinstorff Verlag GmbH,
S. 172
8
Richter, S. 187
9
Mojem, S. 463

4
Eine der Fragen, die der Text stellt ist:
,,Was macht ein Kind zum Faschisten oder
genauer gesagt, zum Antisemiten?
"
10
Diese Frage wird sehr deutlich durch die
Titelgeschichte geklärt,
,,der mit Recht das Prädikat ,,Meisterwerk" zuerkannt worden
ist, obwohl es sich dabei im Grunde nur um eine einfache Geschichte handelt
"
11
.
Jedoch besteht das ganze Werk aus 14 Kapiteln, aber nur das erste Kapitel erklärt die
schleichende Vergiftung durch den Antisemitismus, während sich in den anderen
Kapiteln teilweise sehen lässt, welche Folgen diese hat. Aber das ist nur ein Teil, es
wird auch das Leben des Ich-Erzählers dargestellt, seine Schulzeit mit dem Judenauto,
seine Zeit
,,im Jesuiteninternat Kalksburg bei Wien, einer Kaderschule des mittel- und
südosteuropäischen Katholizismus
"
12
, das Leben in der Zeit während der
Herrschaftszeit Hitlers und vor Kriegsbeginn, die Erlebnisse des Protagonisten während
des Krieges, ein kurzer Abschnitt aus der Zeit im Antifa-Lager und das Ende des Zyklus
ist der Beginn des Lebens in der DDR. Während des gesamten Handlungsverlaufs stößt
der Leser immer wieder auf Hinweise, die auf den herrschenden Antisemitismus deuten,
jedoch wird es nicht mehr so explizit gemacht wie in der Titelgeschichte, weshalb diese
für die intensivere Behandlung am fruchtbarsten ist, wenn es um das Thema des
Faschismus und Antifaschismus in Fühmanns Das Judenauto gehen soll.
Eins ist für Fühmann jedenfalls klar,
,,mit der Sprache schon werde eine ideologische
Welt aufgenommen, mit dem Wortschatz wachse auch das Weltbild
"
13
, weshalb sein
Werk mit den frühesten Kindheitserinnerungen beginnt und der extreme Ausbruch des
Judenhasses sich schon in jungen Jahren zeigt, immerhin ist der Ich-Erzähler
aufgewachsen in einer vom Antisemitismus verseuchten Umgebung.
3. Die Titelgeschichte Das Judenauto
Die Erzählung beginnt mit den Erinnerungen des Ich-Erzählers an frühere Zeiten und
erreichen ihren Höhepunkt
,,im Sommer 1931"
14
als der Protagonist
,,neun Jahre alt"
15
10
Mojem, S. 479
11
Mojem, S. 463-464
12
Fühmann, Franz (1962): Das Judenauto. Vierzehn Tage aus zwei Jahrzehnten; Leipzig: Verlag Philipp
Reclam jun. (1987), S. 14
13
Richter, S. 96
14
Das Judenauto, S. 6
15
Das Judenauto, S. 6

5
ist.
,,Das Klatschmaul der Klasse"
16
erzählt überschwänglich die grausige Geschichte
vom Judenauto, einem gelben Auto, besetzt mit vier Juden, die mit Messern bewaffnet
sind und kleine Mädchen fangen, denen sie später die Köpfe abschneiden und mit deren
Blut sie Brot backen. Diese Geschichte brennt sich in das Gedächtnis des Ich-Erzählers
ein, der während des Unterrichts träumt, dass er seine Geliebte vor diesen mörderischen
Juden rettet, jedoch erhält er letztendlich nur Schläge seines Lehrers und muss
nachsitzen. Auf dem Weg nach Hause nimmt er einen längeren Weg und bildet sich
durch seine überreizte Fantasie ein, dass er das Judenauto sieht und flieht davor,
obwohl es nur ein einfaches, braunes Auto gewesen ist. Am nächsten Tag erzählt er
dann von seiner heldenhaften Flucht, jedoch berichtet das Mädchen, in welches er
verliebt ist, was wirklich geschehen ist, wodurch der Ich-Erzähler zum Gespött der
Klasse wird, zu den Toiletten flieht und dort kommt es zum Ausbruch seines
Judenhasses, denen er die Schuld an seiner ganzen Misere gibt.
,,Judenjudenjuden. Sie
waren dran schuld. Ich haßte sie.
"
17
3.1 Die dargestellte Umgebung der Titelgeschichte
Die Handlung spielt in einem Dorf, welches umgeben ist von Wäldern, Bergen, Feldern,
außerdem befindet sich dort eine Fabrik und ab und an findet an diesem Ort auch ein
Jahrmarkt statt, es ist somit eine recht idyllische Umgebung, der man den
antisemitischen Dunst nicht auf Anhieb ansieht. Man kennt sich, man hilft sich,
,,der
Leser gewinnt den Eindruck einer einigermaßen homogenen kleinbürgerlichen
Schicht
"
18
, jedoch zeigen schon die ersten Erinnerungen des Ich-Erzählers, dass man
sich tunlichst von Personen fernhalten will, die aus dieser Schicht rausfallen. Selbst
wenn der Kachelofen des Elternhauses mit einer Zigeunerszene verziert ist, so wollen
die Eltern jedoch nicht, dass der Nachwuchs
,,mit wirklichen Landstreichern in
Berührung
"
19
gerät, der Ich-Erzähler wird in seiner Erinnerung von der Mutter dem
Bettler mit einem
,,Schrei ihres Entsetzens"
20
entzogen.
Auch durch das Raummotiv, dieses
,,manifestiert sich hauptsächlich über die Polarität
der Örtlichkeiten Schule und freies Feld oder anders, Innenraum und Außenraum
"
21
,
wird deutlich gemacht, dass es nicht so schön ist wie es scheint. Denn der Innenraum,
16
Das Judenauto, S. 6
17
Das Judenauto, S. 13
18
Mojem, S. 466
19
Mojem, S. 466
20
Das Judenauto, S. 5
21
Mojem, S. 478
Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Faschismus und Antifaschismus in Franz Fühmanns "Das Judenauto"
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
DDR-Literatur der fünfziger Jahre
Note
1,9
Autor
Jahr
2011
Seiten
14
Katalognummer
V376395
ISBN (eBook)
9783668535183
ISBN (Buch)
9783668535190
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Franz Fühmann, DDR-Literatur, Das Judenauto, Faschismus, Antifaschismus
Arbeit zitieren
Hannes Höbald (Autor:in), 2011, Faschismus und Antifaschismus in Franz Fühmanns "Das Judenauto", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376395

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