Eulenspiegel. Schwank oder Satire?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

16 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


2
1. Einleitung
,,Vermutlich in den Jahren 1500 bis 1509 faßt der Braunschweiger Zollschreiber und
zeitweilige Landrichter Hermann Bote umlaufende Schwänke in dem prosaischen
Zyklus
,,Ein kurtzweilig leben von Dyl Ulenspiegel" zusammen."
1
In den 96 Historien
dieses Werkes werden die Streiche und Racheakte von Till Eulenspiegel erzählt, in
denen dieser seinen Opfern
,,der Reihe nach seine Überlegenheit an Schlagfertigkeit,
Mutterwitz und Lebenstüchtigkeit
"
2
beweist.
Auch heute noch erfreuen sich die Abenteuer Eulenspiegels großer Beliebtheit. Dies
zeigt sich an vielen Neuauflagen und unterschiedlichsten Überarbeitungen, vor allem im
Bereich der KJL. Aber auch in der Forschung ist der Eulenspiegel ein häufiges Thema,
denn
,,die Deutung von Text und Figur hingegen blieb außerordentlich kontrovers"
3
. Ist
Eulenspiegel ein harmloser Narr oder der Teufel in Menschengestalt? Handelt es sich
beim Eulenspiegel um einen Schwank oder um eine Satire? Dies sind nur zwei
Streitfragen von vielen, der Zweiten wird in dieser Arbeit nachgegangen werden.
Im ersten Schritt wird geklärt, was genau einen Schwank ausmacht, dabei wird zum
Großteil auf das einführende Werk von Straßner zurückgegriffen. Danach wird die
Frage gestellt, ob es sich beim Eulenspiegel um einen Schwank handelt, wobei auf die
Erkenntnisse aus dem ersten Schritt zurückgegriffen wird. Ähnlich ist es dann auch im
zweiten Teil, erst wird geklärt, was eine Satire ausmacht, hierbei wird zum Großteil auf
das Werk von Könneker zur Satire im 16. Jahrhundert zurückgegriffen, damit im
Nachhinein gefragt werden kann, ob es sich beim Eulenspiegel um eine Satire handelt
oder nicht.
Abschließend kommen die Ergebnisse des ersten und zweiten Teils zusammen, damit
geklärt werden kann, ob es der Eulenspiegel ein Schwank oder eine Satire ist.
2. Handelt es sich beim Eulenspiegel um einen Schwank?
Zuallererst sollte erwähnt werden, dass die meisten Autoren davon ausgehen, dass es
sich beim Eulenspiegel um einen Schwank handelt, für diese Meinung herrscht also der
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Straßner, Erich (1978, 2. Auflage): Schwank; Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl
Ernst Poeschel Verlag GmbH, S. 77
2
Straßner, S. 77
3
Röcke, Werner (1987): Die Freude am Bösen. Studien zu einer Poetik des deutschen Schwankromans im
Spätmittelalter
; München: Wilhelm Fink Verlag, S. 213

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größtmögliche Konsens vor, diese Mehrheitsmeinung lässt sich eigentlich überall
finden, egal ob Schule oder Universität.
2.1 Was macht einen Schwank aus?
,,Bis über die frühnhd. Zeit hinaus ist die Schreibweise Schwang neben Schwank
üblich
"
4
und dieser Begriff
,,festigt sich seit dem 15. Jh. zum literarischen Begriff für
,,scherzhafte, lustige Erzählungen prosaischer Art oder in Versen"
5
. Ein Schwank soll
also, da es sich um eine lustige Erzählung handelt, dazu animieren zu lachen oder
wenigstens zu lächeln.
Betrachtet man den Stoff von Schwänken, so wird deutlich,
,,das Schwankgeschehen
zeige
,,doch meist einen realen Kern", es sei verhaftet im Wirklichen"
6
, ein Schwank ist
also keine vollkommen abstruse Fantasiegeschichte, sondern weist Realitätsbezüge auf.
Um dies zu verdeutlichen, datieren die Erzähler beispielsweise
,,die Lebenszeit ihres
Erzählten
"
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und versuchen das
,,Wirkungsfeld zu präzisieren"
8
, um so
,,die Wahrheit
des Erzählten
"
9
zu
,,behaupten und belegen"
10
. Daneben greift der Schwank auch
,,unerhörte Begebenheiten des Alltags"
11
auf und da
,,solche aber immer und überall
begegnen, ist der Schwank permanent zeitbezogen, von einer fortwährenden
Aktualität
"
12
. Den Stoff des Schwanks macht es also auch aus, dass immer wieder
aktualisiert werden kann. Es zeigt sich im Schwank aber auch eine
,,Überhöhung der
Dinge
"
13
, diese kennzeichnet jedoch, dass sie kein
,,Hinaufsteigern ins Unwirkliche
darstellt
"
14
, wodurch
,,der Schwank belustigend"
15
wirkt. Eine nicht übertriebene
Erhöhung der dargestellten Gegenstände stellt somit ein Stilmittel im Umgang mit den
verwendeten Stoffen dar.
Betrachtet man die formale Ebene des Schwanks, so zeigt sich
,,die typische
Ausgerichtetheit auf die Pointe hin
"
16
, was auch wieder ein Indiz für den
humoristischen Charakter des Schwanks ist, da auch andere Texte, die amüsierte
4
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5
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Reaktionen hervorrufen sollen, wie etwa der Witz, auch auf die Pointe hin ausgerichtet
sind.
,,Die Pointe oder das ,,epische Gesetz des Abschlusses" (Bausinger [II], S. 136)
besteht fast immer in der ´Übertrumpfung´ eines anscheinend überlegenen Gegners
durch Tüchtigkeit, Schlauheit oder Rücksichtslosigkeit.
"
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Dem Schwankhelden steht
somit ein Gegner gegenüber, der ihm am Anfang überlegen scheint, den dieser jedoch in
seine Schranken verweist, indem der Held die ihm gegebenen Fähigkeiten, wie etwa
Schlauheit, nutzt und den angeblich Überlegenen zum Unterlegenen macht. Die
Möglichkeiten hierbei sind verschieden und können immer wieder anders aussehen von
Schwank zu Schwank. Ein weiteres formales Kriterium ist noch
,,die Kontinuierlichkeit
echter Zeitfolge im Geschehnisablauf
"
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. So wird beispielsweise dem Leben des
Schwankhelden gefolgt, es wird nicht gesprungen zwischen den Altersperioden, so folgt
nach dem Erwachsenenalter das Rentneralter und nicht das Kindesalter.
Bausinger charakterisiert den Schwank
,,als Spiel, als Wettkampf"
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und legt für den
Schwank die drei Formtypen Ausgleichstyp, Steigerungstyp und Spannungstyp fest, zu
denen jedoch schon von vornherein zu sagen ist, dass sie nur ausgesprochen selten
allein auftreten, sondern meistens in Kombination.
,,Beim ´Ausgleichstyp´ stehen sich
zwei Parteien gegenüber, deren eine sich durch den Beginn des Handelns einen Vorteil
verschafft; sie erscheint der anderen überlegen. Diese wird tätig und kehrt das
Verhältnis um, gleicht aus bzw. zeigt ihre Überlegenheit.
"
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Es handelt sich um die
Situation in der der Schwankheld auf einen überlegen wirkenden Gegner trifft, diesem
wird dann jedoch die eigene Überlegenheit gezeigt.
,,Beim ´Steigerungstyp´ verschafft
sich die erste Partei durch Handeln Vorteile, die die zweite umzukehren versucht,
allerdings mit falschen Mitteln.
"
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In dieser Situation geht es nicht um den Beweis der
Überlegenheit, die errungenen Vorteile sollen zu Nachteilen werden, es geht also nicht
um die Überlegenheit, nur missfallen einer Partei die Vorteile der anderen Partei.
,,Beim
´Spannungstyp´ stehen sich zwei Parteien gegenüber, die ein Faktum, eine Erscheinung
verschieden auffassen und interpretieren.
" Diese Situation zeichnet sich dadurch aus,
dass eine bestimmte Sache vorliegt, die von der einen Partei auf eine bestimmte Art und
Weise interpretiert wird, während die andere Partei es auf eine andere Art und Weise
versteht, beispielsweise wenn ein bestimmtes Sprichwort im Raum steht, dessen
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übertragenen Sinn die erste Partei meint, während die zweite Partei das Sprichwort
wörtlich nimmt.
Auch innerhalb der Handlung gibt es bestimmte Kriterien, die für Schwänke typisch
sind. So sind
,,die ,,verschiedenen Normbereiche""
22
oftmals
,,Ansatzpunkte für die
Formung schwankhafter Konflikte
"
23
. Es treffen also der Normbereich des
Schwankhelden, der oftmals für sich eigene Normen und Werte hat, auf den
Normbereich seines Gegners, wodurch es zu einem Konflikt kommt, da beide Bereiche
nicht miteinander harmonisieren. Dabei vollzieht der Konflikt sich
,,vor dem
Hintergrund der Ordnung, der sozialen und soziologischen Grenzziehung
"
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, der
Normbereich des Schwankhelden befindet sich also außerhalb der gängigen Ordnung.
Trotz der sich reibenden Normbereiche muss es jedoch noch nicht zu einem Konflikt
kommen, dieser tritt erst auf, wenn es zu einer Provokation kommt.
,,Die Provokation
wird ausgelöst durch Anordnungen, Befehle, Vorenthaltungen, Verweigerungen,
Täuschung und Betrug.
"
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Legt sich also der Gegner des Schwankhelden mit diesem an
und provoziert ihn, egal auf welche Art und Weise, kommt es zum Konflikt, der dann
am Ende in der schon erwähnten Pointe gipfelt. Eine weitere Auffälligkeit einiger
Schwänke ist, dass ihre Komik
,,die Welt in allen ständischen Bereichen und
Lebensformen
"
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erfasst, dabei kann
,,das hohe Pathos, das eifernde Strafen des
Weltverbesserers
"
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dazugehören, es kann jedoch auch fehlen. Es wird also niemand
verschont, egal ob Bauer, König oder Papst, alle können Opfer des Schwankhelden
werden, manchmal einfach aus Spaß, manchmal jedoch werden sie auch von diesem
bestraft für ihr Tun.
Der Schwank hat eine
,,Vorliebe für alle möglichen Formen des Obszönen, des Betrugs,
der Gewalt, also des malum oder Übels in jeglicher Gestalt
"
28
, weshalb der Mensch im
Schwank
,,auch als schwach, dumm, schlecht, von seinen Trieben beherrscht gezeigt"
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wird. Im Schwank findet man somit die verschiedensten Ekelhaftigkeiten,
Bösartigkeiten und Obszönitäten, von entblößten Hintern bis zu Kot im Bett ist alles
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möglich, und dabei kann auch der Mensch in seinen niedersten Formen gezeigt werden,
der Schwank macht also auch vor Tabus aller Art nicht halt.
Ein letztes Merkmal des Inhalts des Schwanks bezieht sich auf die auftretenden Figuren,
denn
,,die überwiegende Zahl der Schwänke besitzt zwar ein Personal, das durch
Standeszugehörigkeit gekennzeichnet ist; diese ist jedoch ohne Bedeutung für die
Aussage, für die Pointe
"
30
. Ein gieriger Schmied kann somit genauso gut ein gieriger
Pfarrer sein, ein bösartiger Wirt kann genauso gut ein bösartiger Fürst sein, es wird im
Schwank somit nicht ein ganzer Stand Opfer des Helden, sondern nur eine bestimmte
Person, die sich so oder so verhält und damit den Schwankhelden provoziert.
Es zeigt sich also, dass der Schwank vielfältige Merkmale hat, von denen man so
manche auch ihm Eulenspiegel vorfindet. Ob dies ausreichend ist um den Eulenspiegel
als Schwank zu bezeichnen, soll im Folgenden gezeigt werden.
2.2 Ist der Eulenspiegel ein Schwank?
Der Realitätsbezug ist gegeben, da im Eulenspiegel bekannte Städte und Berufe des 16.
Jahrhunderts dargestellt werden, Eulenspiegel reist bekanntermaßen in Windeseile von
einer Stadt zur nächsten, die genaue Benennung der Städte und die Verwendung damals
sehr bekannter Städte führt somit zu einer Präzisierung des Wirkungsfelds des
Schwankhelden. Auch die Lebenszeit wird datiert, denn es wird das ganze Leben
Eulenspiegels wie in einer Biographie vom Anfang bis zum Ende dargestellt. Dies wird
noch einmal verdeutlicht,
,,wenn Bote in seiner letzten Historie Ulenspiegels Grabstein
beschreibt
"
31
.
Unerhörte Begebenheiten lassen sich auch in den verschiedensten Historien finden, wie
etwa die schlechte Behandlung, die Eulenspiegel bei manchen Meistern widerfährt, ein
Thema, welches auch nie an Aktualität verloren hat. Die Aktualität des Eulenspiegels
zeigt sich auch darin, dass das Werk noch heute so beliebt ist und ständig neu adaptiert
wird.
Eine Überhöhung des Dargestellten taucht auch in mehreren Historien auf, jedoch wird
dabei teilweise zu arg übertrieben, als Beispiel sei das Kochen des Hundes Hopf
angeführt, was einerseits jegliche Belustigung nimmt und andererseits die Vorgänge als
unmöglichen Unsinn darstellt. Dies trifft nicht auf alle Historien zu, aber auf einige.
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Straßner, S. 98
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Röcke, S. 281
Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Eulenspiegel. Schwank oder Satire?
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Germanistik)
Note
2,1
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V376394
ISBN (eBook)
9783668534728
ISBN (Buch)
9783668534735
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Till Eulenspiegel, Satire, Schwank
Arbeit zitieren
Hannes Höbald (Autor:in), 2012, Eulenspiegel. Schwank oder Satire?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376394

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