Wirkung und Wirksamkeit von Unterrichtsmedien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Lernen mit Medien aus lernpsychologischer Perspektive
2.1. Lernen aus Sicht der Neurophysiologie und –psychologie
2.2. Das Lernen in der konstruktivistischen Perspektive
2.3. Das Lernen beeinflussende Faktoren
2.4. Empirische Befunde für Lernwirksamkeit von Medien

3. Untersuchung zur Lernwirksamkeit von Medien
3.1. Versuchsaufbau und -durchführung
3.2. Auswertung und Interpretation

4. Resümee – Die Bedeutung von Medien für den Lernprozess

Anhang

I. Literaturverzeichnis

II. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

III. Inhalt des Fernsehberichts

IV. Aufbau des Fragebogens

V. Bewertung des Fragebogens

1. Einleitung

Medien umgeben uns tagtäglich; inzwischen kann man gar ihre Ubiquität konstatieren – so wie sie der amerikanische Medienkritiker Postman in Form ei­ner medialen Abondance beschreibt. Über die Wirkung und die Wirksamkeit von Medien ist in der Öffentlichkeit in genere allerdings nur wenig bekannt. Da­bei bieten sowohl die traditionellen als auch die mo­der­nen Medien eine Vielzahl von Chancen, (nicht nur) den schulischen Lernprozess zu unter­stüt­zen. Es stellt sich die Frage, wie diese „Lehrmittel“ wirken, wel­che Möglich­kei­­ten aber auch welche Schwierigkeiten oder gar Gefahren mit dem Ein­satz von Me­dien verbunden sind.

In dieser Arbeit wird deshalb der Frage nachgegangen, inwieweit sich ver­schie­­dene Medientypen hinsichtlich der Behaltensquoten, die rein technisch betrachtet stellvertretend für einen Lernerfolg gemessen werden können, unter­schei­den. Ausgehend von ei­ner theoretischen Betrachtung von Lernvorgängen aus lern- und kognitions­psy­­cho­logischer Sicht, wird im Anschluss der Versuch unternommen, einen em­pi­­rischen Nachweis für die (Lern-)Wirksamkeit von Medientypen zu führen. Exem­­plarisch wurden dazu vier unterschiedliche Medien bzw. Medien­kom­po­si­tionen verwendet.

Auch und insbesondere werden im Folgenden die Voraussetzungen für ein effektives Lernen (mit Me­di­en) betrachtet, um abschließend zu schlussfolgern, wie Un­ter­richts­me­di­en ge­schaf­fen sein müssen und wie sie eingesetzt werden sollten, um den Anforderungen gerecht werden zu können.

2. Lernen mit Medien aus lern­psycho­logischer Perspektive

2.1. Lernen aus Sicht der Neurophysiologie und –psychologie

Die Neurowissenschaft, jene Schnittstelle von Medizin, insbesondere der Physiologie sowie Anatomie, und Psychologie, hat sich lange Zeit der Frage zugewandt, wo Gehirnfunktionen zu lokalisieren sind. Die Forschungs­be­mühun­gen dieser Vertreter einer Lokalisationstheorie führten u.a. zur Aus­ar­bei­tung detaillierter Karten des Gehirns, die Regionen be­schrie­ben und darstellten, welche für ganz spezielle Funktionen verantwortlich sein sollten.[1] Doch konnte man mit diesem theoretischen Ansatz, und auch mit anderen The­o­rie­kon­struk­ten der Zeit[2], die Entstehung und Funktionsweise der höheren gei­sti­gen Fähig­kei­ten nicht hinreichend erklären.

Einen Versuch der Theoriebildung im Bereich der Neuropsychologie unter­nahm der russische Arzt und Psychologe Lurija. Er definierte den Begriff „Funk­­tion“ abweichend von dem Verständnis dieses Begriffs aus Sicht der Lo­ka­lisationstheorie – so wurde die Funktion von den Vertretern dieser For­schungs­richtung als „Funktion spezifischer Gewebearten“ verstanden. Lurija ging davon aus, dass die Funktion eher als ein „funktionelles System“ auf­ge­fasst werden sollte. Psychische Prozesse beim Menschen bedingen zwar unter­schied­liche Aktivitäten der verschieden Hirnregionen, doch lassen sich nicht ein­deu­ti­ge Funktionsstrukturen lokalisieren.[3]

Er unterschied drei fundamentale Einheiten des Gehirns, die an jeder Aktivität beteiligt sind:

- „Einheit der Steuerung von Tonus und Wachheit;
- Einheit der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen;
- Einheit der Programmierung, Steuerung und Kontrolle psychischer Tätig­keit.“[4]

Einheit der Steuerung von Tonus und Wachheit

Dabei setzt jede geordnete, zielgerichtete – und auf das Lernen bezogen, Er­folg ­­­versprechende – Handlung die Aufrechterhaltung einer optimalen Span­nung voraus.[5] Diese Spannung oder auch Erregungszustand, bedingt durch den Ur­sachenkomplex bestehend aus dem Stoffwechsel, der Intensität von Reizen und den Absichten, Plänen sowie Vor­haben des Menschen, sollte für die Auf­nah­me und Vertiefung von In­for­ma­ti­onen weder zu gering sein, denn dann ver­blie­be die Informations­ver­ar­beitung eher im Unbewussten, noch zu groß sein, denn dann überlagerte die externe wie interne Reizüberflutung die gerichtete Ver­ar­bei­tung des Infor­ma­tions­angebotes. Eine zu starke Erregung kann somit das Lern­vermögen behindern.[6] Fehlt es im Verhältnis „Emotion « Kog­nition“ jedoch an Emotionalität, werden gleichwohl weniger Infor­ma­ti­o­nen ge­spei­chert, da der für ihre Verarbeitung notwendige „Impuls“ fehlt.[7]

Die Einheit der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Infor­ma­ti­o­nen

Die Einheit der Speicherung von Informationen ist zweifelsohne für den Lern­pro­zess wesentlich. Die langfristige Speicherung von Informationen ist aller­dings nur dann möglich, wenn Informationen überarbeitet, bzw. wiederholt wer­den – und vorab bearbeitet, d.h. selektiert werden. Obwohl die Umwelt des Men­schen ihn jederzeit eine Informationsflut wahrnehmen lässt, wird dennoch nur der kleinste Teil der Wahrnehmungen weiterverarbeitet. Andernfalls wäre das mensch­liche Gehirn trotz seiner bis heute technisch nicht nachzuahmenden Eigenschaften und Leistung nicht in der Lage, alle Informationen weiterzuver­ar­bei­ten. Es wird vielmehr durch selektive Prozesse das „Notwendige“ heraus­ge­fil­tert und überhaupt erst wahrgenommen. Bis zur ihrer endgültigen Spei­che­rung müssen diese Informationen wiederholt werden – sei es durch „Über­den­ken“ oder erneuter sinnlicher Wahrnehmung. Dieses gängige Modell des Gedächtnisses setzt sich aus drei funktionellen Bestandteilen zusammen, die das so genannte Multi-Speicher-Modell bilden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für einen lang anhaltenden Lernerfolg ist das „Überlernen“, d.h. die stän­di­ge und wiederkehrende Reizaufnahme zu einem Informationskomplex oder ih­re aktive Erinnerung/Überarbeitung, not­wendig. Doch nicht allein die bewusste Rezeption be­stimmt das Lern­ver­hal­ten, auch unbewusste Informationen werden stets mit ver­arbeitet. Der Wissens­­erwerb lässt sich nach Cohen, Squire und Schac­ter nach dem Zustand der Be­wusstwerdung klassifizieren. Sie unterscheiden das impli­zite, d.h. das be­wusste Re­gis­trieren von In­for­ma­tio­nen, und das explizite Lernen, d.h. die un­bewusste Infor­mationsverarbeitung und -speicherung.[8] Wäh­­rend ex­pli­zit Ge­lern­tes häu­fig recht schnell mani­fes­tiert wird, läuft das im­pli­zite Ler­nen lang­sam ab und der Lernvorgang muss mehr­mals wiederholt wer­­den (also noch häu­figer als beim expliziten Lernen), damit die Inhalte vom Ge­­dächtnis, ins­­be­son­dere vom Lang­­zeitspeicher, aufge­nommen werden können.

Derart lässt sich der Lernerfolg suggestopädischer Verfahren erklären, die im We­­sent­­­lichen auf der unbewussten Informationsaufnahme, wie z.B. dem Hören ei­ner Abfolge von Vokabeln im Schlaf, beruhen. Besonderen Erfolg hat der Ler­­­­nende dann, wenn die implizit gespeicherten Informationen anschließend ak­­­tiv, also explizit verarbeitet werden; dadurch wird das unbewusst ge­spei­cher­te Wissen in den „aktiven Langzeitspeicher“ überführt.

Einheit der Programmierung, Steuerung und Kontrolle psychischer Tätig­­keit Lurija zeigte, dass über die beschriebenen Einheiten hinaus, Pläne und Pro­gram­­me zur Erklärung der menschlichen Kognition wesentlich sind: „Der Mensch reagiert nicht nur passiv auf einfließende Informationen, sondern hat auch Absichten, entwirft Pläne und Programme seines Handelns, beobachtet die Ausführung von Handlungen und steuert sein Verhalten, so dass mit diesen Absichten und Programmen Übereinstimmung erzielt wird; schließlich kon­trol­liert er seine bewusste Tätigkeit, indem er die Wirkung seines Handelns mit den ur­sprüng­lichen Absichten vergleicht und entstandene Fehler berichtigt.“[9] Mit diesem Ansatz der menschlichen Kognition erweitert Lurija die be­ha­vi­o­ris­ti­schen Erklärungsversuche und ebnet den Weg für eine konstruk­ti­vis­tische Be­trach­tungs- und Deutungsweise.

2.2. Das Lernen in der konstruktivistischen Perspektive

Die Hypothese, dass Lernen ein Prozess der Informationsverarbeitung darstellt, ist gemeinhin anerkannt. Aus psychologischer Sicht ist Lernen vereinfacht die „Fixie­rung von sensorischen Informationen, motorischen Abläufen und Ver­knüp­fungen zwischen Dingen für eine längere Zeit.“[10]

Das einfachste Schema der Informationsverarbeitung besteht aus drei Kom­po­nen­ten: dem Input, der Verarbeitung und dem Output.[11] Betrachtet man die Phy­siologie des Gehirns technisch, so lässt dies zunächst den Schluss zu, mensch­liches Handeln geschehe primär nach einem Ursache-Wirkungs-Prinzip. Diese be­ha­vi­oristische Auffassung, die auf den Lernprozess bezogen annimmt, dass das Lernen passiv unter dem Einfluss externer Stimuli erfolgt[12], wird inzwischen von anderen Paradigma und nicht zuletzt durch die Kon­struk­ti­vismus-Diskussion der 1990er Jahre, durch die in der Didaktik der Lernende gegen­über dem Lehrenden stärker in den Mittel­punkt gerückt wurde, kritisiert. In besonderer Konkurrenz zum Behaviorismus steht die Gestalt­psychologie, die von der Leitvorstellung ausgeht, „dass eine ge­ordnete Gesamt­heit immer Vor­rang vor den Einzelwahrnehmungen besitzt.“[13] Die Gesamtheit der Einzel­in­for­­­mationen wird vom Betrachter jeweils zu ei­nem Gesamteindruck zu­sam­men­gefügt; die Einzelheiten werden also zugunsten systematisch-„kon­stru­ier­ten“ Strukturen nicht wahrgenommen. Diese Auto­po­i­ese[14] lässt sich neuro­wis­sen­­schaftlich belegen: Es konn­­te nachgewiesen werden, dass die menschlichen neuronalen Netzwerke nur zum geringen Teil externe Inputs verarbeiten, son­dern überwiegend selbst or­­ga­nisiert und eigendynamisch operieren.[15] Siebert schluss­­folgert ent­spre­chend: „Lernen ist prinzipiell selbst gesteuert.“[16]

Die Wahrnehmung des Gesamten geschieht, so gehen die Gestaltpsychologie und der konstruktivistische Lern-Ansatz konform, erst in der Ver­ar­bei­tung des Rezipienten „manu propria“. Das Erkennen von Formen und von Ordnungen, so wie die Gestaltpsychologie propagiert, liegt im „Auge“ des Betrachters. Ein­ge­­denk die­ser Überlegungen erneuert der Konstruktivismus die Begriffe des Wissens und der Kog­ni­tion. Von Glasersfeld resümiert:

- „Wissen wird vom denkenden Subjekt nicht passiv aufgenommen, son­dern aktiv adaptiert;
- Die Funktion der Kognition ist adaptiv und dient der Organisation der Er­fahrungswelt, nicht der Entdeckung der ontologischen Realität.“[17]

Für den Lernbegriff haben diese Erkenntnisse zur Folge, dass beim Prozess der ak­tiven Aneignung von „Wirklichkeit“ drei Vorgänge beteiligt sein können:

- Lernen als Konstruktion – im Sinne eines Aufbaus handlungsrelevanter Wissensnetze.
- Lernen als Rekonstruktion – im Sinne des Erwerbs und der Integration vor­handener Wissensbestände.
- Lernen als Dekonstruktion – im Sinne des Abbaus von Verhaltens­mus­ter und normativen Orientierungen, die nicht mehr variabel sind.[18]

Während in der behavioristischen Perspektive sich das Wissen noch aus Fak­ten, dem „know-that“, zusammensetzt, hat sich inzwischen die kognitivistische Auffassung, dass es aus Prozeduren, Verfahren und Algo­rith­men bestehe, dem „know-how“, durchgesetzt. Diese Begriffsauf­fas­sung er­wei­tern die Vertreter des Konstruktivismus. Für sie beinhaltet das Wissen „(soziale) Prak­tiken“, dem so genannten „knowing-in-action“.[19]

Diese Erkenntnisse können auch nicht vor dem Unterricht, insbesondere vor der Gestaltung von Unterrichtsmaterialen und -methoden, Halt machen. Um die Lehrmittel in optimaler Form gestalten zu können, muss stärker auf die Ei­gen­­heiten des Lernverhaltens der Lernenden eingegangen werden. Denn, wie spä­ter im empirischen Teil noch gezeigt wird, hängt der Lernerfolg keineswegs allein vom Lehr- und Lernmaterial ab – dann verleugnete man die indi­vi­du­­elle Kon­struktion von Wirklichkeit des Lernenden –, sondern vielmehr auch von sub­jektiven Eigenschaften des Lernenden und von den äußeren Einflüssen, de­nen der Lernende ohnehin ausgesetzt ist.

[...]


[1] vgl. Klimsa 1998, 78f

[2] Haughlings-Jackson stellten die These auf, dass die Organisation komplexer psychischer Prozesse aufgrund ihres Aufbaus und nicht aufgrund ihrer Lokalisation erklärt werden sollten. (vgl. Lurija 1992, 20) Für Marie, Goldstein und Head – als Vertreter der holistischen Richtung, die der Lokalisationstheorie entgegengesetzt war – stellte das Gehirn ein Organ dar, das an allen geistigen Aktivitäten als Ganzes beteiligt ist. (vgl. Gardner 1992, 284)

[3] vgl. Klimsa 1998, 78f

[4] Klimsa 1993, 220

[5] ebd., 82f

[6] So wurde von Schenk nachgewiesen, dass zu erregende Darstellungen, wie besonders aggressive und sexuelle Darstellungen, aber auch mitreißende Musik die ganze Aufmerksamkeit des Zusehers eines Fernsehberichtes auf sich ziehen. Um diese Szenen zu verarbeiten, wird die gesamte Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Information kanalisiert, so dass seine reguläre Informationsaufnahme, d.h. jener bei einem nicht erregtem Zustand, kurzzeitig blockiert wird und damit ein „Lernloch“ entsteht. (vgl. Schenk 2002, 62ff)

[7] vgl. ebd.

[8] vgl. Klimsa 1998, 86

[9] Lurija 1992, 76

[10] Starker/Dörner 1996, 31

[11] vgl. Klimsa 1998, 73 (Hervorhebungen: Verfasser)

[12] vgl. Schulmeister 1996, 67

[13] Birkenhauer 1997, 25

[14] Autopoiese [ gr. ]: Selbsterzeugung. „So kann auch Erkennen [und Lernen] als auto­po­i­e­ti­scher Prozess verstanden werden. Wahrnehmen, Denken, Lernen erfolgt – in Kontakt mit der Umwelt – als autopoietischer, emergenter, selbstreferenzieller Vorgang.“ (Siebert 2003, 70)

[15] vgl. ebd., 71

[16] ebd.

[17] von Glasersfeld 1997, 22 (Hervorhebungen: Verfasser)

[18] vgl. Siebert 2003, 73

[19] beide: Klimsa 1993, 21

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Wirkung und Wirksamkeit von Unterrichtsmedien
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
29
Katalognummer
V37634
ISBN (eBook)
9783638369206
Dateigröße
633 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirkung, Wirksamkeit, Unterrichtsmedien
Arbeit zitieren
Ralph Horstkötter (Autor:in), 2004, Wirkung und Wirksamkeit von Unterrichtsmedien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37634

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