Das Schöne und das Erhabene. Die künstlerische Darstellung der Industrielandschaft von Coalbrookdale


Hausarbeit, 2011

18 Seiten, Note: 1,3

Anonym (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. DIE LANDSCHAFTSMALEREI VON 1750 BIS

3. EDMUND BURKES THEORIE ÜBER DAS SCHÖNE UND DAS ERHABENE
3.1. Über die Neugierde, das Vergnügen und den Schmerz
3.2. Über die Triebe nach Selbsterhaltung und Gesellschaft
3.3. Über das Schöne und das Erhabene

4. COALBROOKDALE
4.1. «Eine Ansicht der Oberen Werke in Coalbrookdale» (1758)
4.2. «Eisenwerke in Coalbrookdale» (1805)
4.3. «Der Kalkofen in Coalbrookdale» (1797)

5. SCHLUSSBETRACHTUNG

1. Einleitung

Als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Industrialisierung in England einsetzte und sich somit der Wandel von der agrarischen zur industriellen Produktionsweise vollzog, veränderten sich viele Bereiche des menschlichen Lebens. Neben einer rasanten Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik gab es auch grundlegende Neuerungen in der Kunst. Die Landschaftsmalerei gewann an Bedeutung und mit ihr die Darstellung von Industriebetrieben in einer natürlichen Umgebung. Zunächst wurde die Industrielandschaft in der Malerei verherrlicht. Die heitere Klassik zeigte nur die schönen Seiten der Fabriklandschaft. Die romantischen Künstler widmeten sich schließlich auch dem beeindruckenden und zugleich angsteinflößenden Sublimen der Industriebetriebe in der Natur. Edmund Burkes «Philosophische Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen» spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Die vorliegende Hausarbeit soll einen Versuch darstellen, die Veränderungen der Kunst mit der einsetzenden Industrialisierung zu dokumentieren. Dabei beziehe ich mich auf das englische Coalbrookdale, das modernste und eindrucksvollste Industriezentrum seiner Zeit. Besonderes Interesse schenke ich dabei Burkes Konzept über das Erhabene und das Schöne.

Der erste Teil der Hausarbeit nimmt die Landschaftsmalerei zurzeit der industriellen Revolution unter die Lupe. Sowohl das neue Verhältnis von Mensch und Natur, als auch die Stilepoche der Romantik sollen dabei untersucht werden. Im nächsten Abschnitt gehe ich auf Edmund Burkes Verständnis vom Schönen und Erhabenen ein, welches einen großen Einfluss auf die Landschaftsmalerei ausübte und sie nachhaltig prägte. Bei Burkes Konzept konzentriere ich mich auf die Grundaffekte jeder Gefühlsregung, die Grundtriebe, auf die sie zurückzuführen sind und selbstverständlich auf die sozialen Qualitäten des Schönen und Erhabenen. Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich speziell mit der künstlerischen Darstellung Coalbrookdales. Erst werde ich allgemein die Bedeutung Coalbrookdales für die Industrialisierung erläutern. Um die Auswirkungen auf die Kunst zu beleuchten, ziehe ich drei verschiedene Ansichten Coalbrookdales heran: (1) «Eine Ansicht der Oberen Werke in Coalbrookdale», (2) «Eisenwerke in Coalbrookdale» und (3) «Der Kalkofen in Coalbrookdale».

2. Die Landschaftsmalerei von 1750 bis 1820

Mit dem allmählichen Anfang der Moderne wandelte sich das Verhältnis der Menschen zur Natur erheblich. Das kosmologische Weltbild, indem Mensch und Natur eine Einheit bildeten, verlor an Bedeutung und der Mensch sah sich nicht mehr als integrativen Bestandteil der Natur, sondern entfernte sich zunehmend von ihr. „Ihm wird Natur im entfremdeten Gegenüber zur Landschaft“ (Caspary 2007, 138), die er als Außenstehender reflektierend betrachtet. Die Distanz zwischen Mensch und Natur wird durch zwei Entwicklungen erkennbar: einerseits durch den Vormarsch der Naturwissenschaften, welche die Natur in ihre Einzelteile zerlegten und von außen zu erklären versuchten, andererseits durch die gewerbliche Nutzung und Ausbeutung der Natur während der einsetzenden Industrialisierung. Die Natur wurde zum Objekt für den Menschen, der sich als forschendes und arbeitendes Subjekt manifestierte.

Während dieser Zeit bildete sich die Darstellung der Landschaft langsam zur eigenständigen Kunstgattung heraus, während sie vorher lediglich als Kulisse zur Darstellung historischer und biblischer Szenen diente. Die Landschaftsmalerei präsentierte sich mit ihrer sinnlichen Darstellungsweise als Gegenstück zu den rationalen und objektiven Wissenschaften. In der Kunst wurde die Natur nun wieder subjektiviert und fügte sich als Landschaft zu einem Ganzen zusammen. Die empfindsame und ästhetische Landschaftsmalerei füllte somit die entstandene Leerstelle in der Einheit von Natur und Mensch.

Die klassischen Künstler konzentrierten sich vor allem auf die Ästhetisierung der Landschaft. Die romantische Landschaftsmalerei ging im Gegensatz dazu über die rein ästhetische Verbildlichung der Landschaft hinaus. Die Landschaft wurde zum Ausdrucksmittel subjektiver Gefühlszustände und erwies sich aufgrund ihrer Vieldeutigkeit als idealer Stimmungsträger. „Selbst als sogenannte autonome Landschaft wird die umgebende Natur nicht allein um ihrer selbst willen dargestellt, sondern als Spiegel innerer, seelischer Vorgänge des sie wahrnehmenden Subjekts“ (ebd., 140). Besonders in der Malerei der deutschen und englischen Romantik stach die Landschaft daher als beliebtes Motiv vieler Künstler hervor.

Die Landschaftsmalerei der Romantik kann jedoch nicht als Flucht aus der Realität verallgemeinert werden, da sie neben subjektiven Seelenzuständen auch wirkliche Verhältnisse widerspiegelte. Ein weit verbreitetes Thema war beispielsweise die Darstellung von Industriebetrieben in der Natur. Allerdings wurde die einsetzende Industrialisierung zu der Zeit noch nicht gesellschaftskritisch untersucht, sondern eher durch ästhetische und sublime Ansichten verherrlicht.

Besonders in der Landschaftsmalerei von Joseph Mallord William Turner fanden schon zur Zeit der Romantik impressionistische Techniken Anwendung. Seine Bilder schienen in Licht und Farbe zu verschwimmen. Die abgebildeten Gegenstände verloren allmählich ihre Form. Die Konturen erschienen aufgelöst und die Farben autonom in ihrer Wirkung. Auf diese Weise brachte Turner die Frage auf, ob seine Landschaften von Realität oder Abstraktion beeinflusst wurden.

In den Naturdarstellungen der Moderne kam dem Schönen und Erhabenen eine wesentliche Bedeutung zu (vgl. ebd., 135-148). Die Begriffe sollen im folgenden Abschnitt erläutert werden.

3. Edmund Burkes Theorie über das Schöne und das Erhabene

Im Jahr 1759 veröffentlichte der Schriftsteller, Philosoph und Politiker Edmund Burke seine «Philosophische Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen» und beeinflusste damit die Darstellung der Industrielandschaft in der Kunst maßgeblich. Besondere Bedeutung wurde seiner Unterscheidung zwischen zwei ästhetischen Kategorien zugemessen: dem Schönen und dem Erhabenen.

3.1. Über die Neugierde, das Vergnügen und den Schmerz

Als Ausgangspunkt und Grundaffekt für jegliche Gefühlsregung verweist Burke auf die Neugierde. Sie beschreibt zugleich das Verlangen nach dem Neuen und das Vergnügen, das wir daran empfinden. Da wir jedoch nur kurzzeitig Freude bei der Entdeckung neuer Dinge verspüren und unser Interesse daher ständig auf ein neues Objekt gerichtet werden muss, stellt die Neugierde den oberflächlichsten unserer

Affekte dar. Burke betont, dass der Neugierde dennoch große Bedeutung zukommt, damit wir uns überhaupt den Dingen zuwenden und sie somit ein wichtiger Bestandteil aller Leidenschaften ist.

Da Kinder die Welt noch für sich entdecken müssen und ihnen ständig neue Dinge begegnen, entfachen Alltagsgegenstände noch starke Gefühlsregungen bei ihnen. Bei Erwachsenen ist durch den ständigen Gebrauch die Neuartigkeit der Objekte jedoch oft schon verloren gegangen und die Neugierde reicht nicht mehr aus, damit sie leidenschaftlich reagieren. Daher ist es notwendig, dass die Neugierde durch andere Gefühle unterstützt wird. Somit muss ein Gegenstand, der das Interesse eines Erwachsenen erwecken soll, weitere Emotionen hervorrufen. Als besonders wirkungsvoll erweisen sich der Schmerz und das Vergnügen.

Edmund Burke beschreibt Vergnügen und auch Schmerz als äußerst positive Gefühle und geht davon aus, dass die beiden Zustände voneinander unabhängig sind. Die Abwesenheit von Schmerz bedeutet daher nicht zwangsläufig Vergnügen, sowie das Wegfallen eines Vergnügens keinen Schmerz verursachen kann. Dennoch kann der Mensch zugleich Schmerz und Vergnügen fühlen. Die meiste Zeit befindet er sich allerdings in einem Gefühlszustand, der weder von Vergnügen, noch von Schmerz geprägt ist und von Burke als Indifferenz bezeichnet wird (vgl. Burke 1757, 63ff).

3.2. Über die Triebe nach Selbsterhaltung und Gesellschaft

Genetisch lassen sich nahezu alle Bewegungen des menschlichen Gemüts auf zwei Grundtriebe zurückführen: den Trieben nach Selbsterhaltung und Gesellschaft. Wir sind bestrebt, diesen beiden Trieben gerecht zu werden und reagieren dementsprechend leidenschaftlich. Bei dem Selbsterhaltungstrieb geht es besonders um die Empfindung von Schmerz und Gefahr, welche die stärksten aller Leidenschaften darstellen. Schmerz und Gefahr lassen uns erschauern, d.h. sie lösen bei uns einen Zustand der Seele aus, der einen gewissen Grad an Schrecken in sich birgt.

Auf die Gesellschaft gerichtete Leidenschaften wurzeln in Genuss und Vergnügen. In Bezug auf die Gesellschaft erkennt Burke zwei verschiedene Arten von Leidenschaften: erstere ist auf die „Gesellschaft der Geschlechter“ bezogen und steht im Dienste der Fortpflanzung, ihre Leidenschaft nennt sich Liebe und ist durch eine Beimischung von Sinneslust gekennzeichnet. Die zweite beschäftigt sich mit der „allgemeineren Gesellschaft“, damit wie wir mit unseren Mitmenschen, anderen Lebewesen und der Umwelt in Beziehung stehen, ihre Leidenschaft heißt ebenfalls Liebe, jedoch steht sie nicht mit der Sinneslust in Verbindung (vgl. ebd., 72 ff.).

3.3. Über das Schöne und das Erhabene

Die Liebe wählt sein Objekt der Begierde mithilfe der sozialen Qualität der Schönheit. Bezogen auf die Gesellschaft der Geschlechter ist es die Schönheit des anderen Geschlechts, die zur sinnlichen Liebe verleitet und somit dem Trieb eine Richtung gibt (vgl. ebd., 76). Laut Edmund Burke werden Dinge von den Menschen für schön gehalten, die einige der folgenden sinnlichen Kriterien aufweisen: die Objekte sollten klein, glatt und zart sein, sich nur allmählich ändern und eine reine und helle Farbgebung aufweisen (vgl. Strube 1989, 10). Diese Eigenschaften müssen

wohlgemerkt nicht alle auf einmal auftreten, sondern können auch alleine Schönheit hervorrufen (vgl. ebd., 166). Es gibt jedoch keine logische Erklärung, warum wir manche Objekte für schön empfinden und andere nicht. Schönheit ist je nach Blickwinkel des Betrachter relativ (vgl. ebd., 12 f.). Objekte sind jedoch nicht automatisch schön, wenn sie klein oder zart sind. Sie sind schön, weil sie aufgrund dieser Eigenschaften bei uns ein Gefühl von Zuneigung und Zärtlichkeit auslösen. Mit schönen Objekten tritt man gerne in Beziehung und möchte sie möglichst nahe bei sich haben (vgl. Burke 1797, 77).

Alle Objekte, die in der Lage sind uns nur die Idee von Schmerz oder Gefahr zu

vermitteln, können „eine Quelle des Erhabenen“ (ebd., 72) darstellen. Dies geschieht,

wenn Schmerz oder Gefahr nicht allzu nah an uns herankommen. Wenn der Schrecken

nur gemäßigt ist, dann ist er mit Lust verbunden. Burke bezeichnet den höchsten Grad

von Schrecken als Erschauern, „einen Zustand der Seele, in dem alle ihre Bewegungen

gehemmt sind“ (Strube 1989, 11), Ehrfurcht, Verehrung und Achtung sind weniger

starke Ausprägungen von Schrecken (vgl. Burke 1797, 176). Zu dem Erhabenen, oder

auch Sublimen, werden insbesondere Objekte gezählt, die riesig, dunkel, schroff oder mächtig sind, die furchtbar aussehen oder unendlich wirken. Ebenso wie bei dem Schönen, muss ein erhabenes Objekt nicht alle diese Qualitäten aufweisen. Die Dunkelheit ist normalerweise jedoch nötig, um etwas besonders schrecklich erscheinen zu lassen (vgl. Strube 1989, 10). Wie bei der Betrachtung des Schönen gibt es auch keine logisch nachvollziehbaren Gründe, weshalb ein Objekt erhaben erscheint (vgl. ebd., 12).

Burkes Konzept vom Schönen und Erhabenen kann man sehr gut an der Darstellung der englischen Industrielandschaften in der bildenden Kunst zur Zeit der beginnenden Industrialisierung ablesen.

4. Coalbrookdale

Eines der bedeutendsten Industriezentren Englands am Anfang der industriellen Revolution stellte Coalbrookdale dar. In Coalbrookdale in Shropshire kamen Eisenerz und Kohle nebeneinander vor. Daher kam Abraham Darby auf die revolutionäre Idee, das Eisenerz mit der Kohle zu schmelzen, anstatt mit Holzkohle, wie es in den Jahren zuvor üblich war. In Lastkähnen auf dem Fluss Severn verschiffte man die Erzeugnisse aus den Eisenhütten nach Bristol und von dort aus zu den europäischen Häfen und in die ganze Welt.

Coalbrookdale war zur damaligen Zeit das fortschrittlichste und imposanteste Industriezentrum und bildete einen der Ausgangspunkte der industriellen Revolution. Zudem befand es sich in einer äußerst schönen und romantischen Landschaft. Daher fand es seit den Anfängen der industriellen Revolution bis zu ihrem Höhepunkt große Beachtung von den englischen Künstlern, die dem Gebiet zahlreiche Landschaftszeichnungen widmeten und das neue Verhältnis zwischen Mensch und Natur, das das Industriezeitalter hervorbrachte, dokumentierten (vgl. Klingender 1974, 78 f.).

In den künstlerischen Darstellungen Coalbrookdales kann man den Einfluss Burkes Schrift über das Schöne und Erhabene deutlich erkennen. Auf seiner Reise durch Shropshire beschreibt Arthur Young im Jahr 1776 seine Empfindungen gegenüber der Landschaft von Coalbrookdale entsprechend Burkes Kategorien vom Schönen und Erhabenen:

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Schöne und das Erhabene. Die künstlerische Darstellung der Industrielandschaft von Coalbrookdale
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Kulturwissenschaft)
Veranstaltung
Ars mechanica
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
18
Katalognummer
V376287
ISBN (eBook)
9783668595545
ISBN (Buch)
9783668595552
Dateigröße
716 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Coalbrookdale, Industrialisierung, Industrielandschaft, Landschaftsmalerie, Edmund Burke, das Schöne und das Erhabene
Arbeit zitieren
Anonym (Autor:in), 2011, Das Schöne und das Erhabene. Die künstlerische Darstellung der Industrielandschaft von Coalbrookdale, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376287

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