Die Steigerung des Adjektivs im Romanischen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

19 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Allgemeine Ausführungen zu den Steigerungsstufen: Relative und absolute Steigerung von Adjektiven

3. Komparativ
3.1. Bildung des Komparativs
3.1.1. Synthetische Bildung des Komparativs
3.1.2. Analytische Bildung des Komparativs
3.2. Doppelte Steigerung, Dopplung und Anfügung des Substantivs

4. Superlativ
4.1. Bedeutung und Bildung des Elativs
4.1.1. Synthetische Bildung des Elativs auf - issimus
4.1.2. Analytische Bildung des Elativs
4.2. Bildung des relativen Superlativs

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Einleitung

Wenn sich die historische romanische Sprachwissenschaft der Herausbildung der romanischen Sprachen auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Herkunft aus dem gesprochenen Latein sowie ihrer Entwicklung im Hinblick auf ihre „Romanität“ widmet[1], so kommt dabei der historischen Grammatik der einzelnen Sprachen eine große Bedeutung zu, denn sie ist das wesentliche Kennzeichen der internen Sprachgeschichte. Durch die Untersuchung einer einzelnen romanischen Sprache und deren Vergleich zum Lateinischen lassen sich so nämlich „Verwandtschaftsbeziehungen“ erkennen und analysieren. Genauso lassen sich aber auch die einzelnen romanischen Sprachen untereinander in Bezug setzen. Die Analyse der Ge-meinsamkeiten und Unterschiede ihrer historischen Entwicklung und der strukturellen Ver-wandtschaft der synchron gegebenen Sprachsysteme als Gegenstand einer historisch- ver-gleichenden Grammatik macht aber diesen Vergleich überhaupt erst möglich. Genauso wie bei der Betrachtung der historischen Grammatik einer einzelnen romanischen Sprache, wendet sie sich den verschiedenen Teildisziplinen der Systemlinguistik (Phonetik, Phono-logie, Morphologie, Lexikologie, Syntax), denen wiederum die Gliederungsebenen der jeweiligen Sprache zugeordnet werden können, zu. Hinzu kommt bei einer historisch- ver- gleichenden Grammatik die komparatistische Perspektive, die nicht nur die Entwicklungen innerhalb dieser Teildisziplinen einer einzelnen romanischen Sprache, sondern den Vergleich aller romanischen Sprachen innerhalb ihrer historischen Entwicklung erlaubt.

Im Hinblick auf verschiedene Entwicklungen im Bereich der Morphologie der romanischen Sprachen als Teilbereich der historischen Grammatik soll in der folgenden Ausarbeitung die Steigerung des Adjektivs aus einer historisch- vergleichenden Perspektive im Mittelpunkt stehen. Denn neben den phonologischen Entwicklungen als traditionelle Grundlage für die Gliederung der romanischen Sprachräume lässt sich hier nach den Arealnormen von Bartoli die Klassifikation der Sprachräume nach Innen- und Randbereiche nachvollziehen. Grundlage hierfür bildete das Seminar „Historisch- vergleichende Grammatik der romanischen Sprachen: Gegenstände, Methoden und Probleme“, in dem wichtige Kapitel bzw. Entwicklungen in den einzelnen Teildisziplinen der historisch- vergleichenden Grammatik der romanischen Sprachen behandelt wurden.

Im Mittelpunkt des folgenden historischen Vergleichs der Steigerung der Adjektive stehen die romanischen Sprachen, Französisch, Spanisch und Italienisch. Es soll dabei zunächst allge-mein auf die einzelnen Steigerungsstufen und die Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Steigerung von Adjektiven eingegangen werden. Anschließend wird versucht, die Entwicklung und Bildung der heutigen Komparativ- und Superlativ- bzw. Elativformen im Französischen, Spanischen und Italienischen zu analysieren.

2. Allgemeine Ausführungen zu den Steigerungsstufen: Relative und absolute Steigerung von Adjektiven

Adjektive bestimmen in ihrer Funktion Substantive näher. Dabei sind Kasus, Numerus und Genus Kategorien, die das Adjektiv mit dem Substantiv teilt. Die funktionelle Kategorie, die Adjektive (und Adverbien) von Substantiven unterscheidet, ist die Steigerung (vgl. Holtus 1996: 208).[2] Sie wird „ im engeren Sinn als eine morphologische Kategorie von Adjektiven und Adverbien zum Ausdruck von Gradangaben und Vergleichen“ bezeichnet (Bußmannn 2002: 395). D.h. ein Vergleich von verschiedenen Substantiven kann mit Hilfe dieser funktionellen Kategorie versprachlicht werden (relative Steigerung von Adjektiven). Außerdem kann die Steigerung des Adjektivs auch absolut, d.h. also vergleichend innerhalb seiner bezeichnenden Eigenschaft, sein. Zu Erklärung dieses Unterschiedes geben Brunot und Bruneau folgendes Beispiel,

Une chose est bonne; elle peut être passablement, médiocrement bonne, assez bonne, très bonne; elle peut être relativement bonne, absolument bonne; elle peut être meilleure ou moins bonne qu’une autre ; elle peut être, de toutes, la meilleure (Brunot/ Bruneau 1969: 152).

Diese Erklärung zeigt aber nicht nur die Existenz von absoluten (passablement, médiocrement, assez, très, relativement, absolument bonne) und relativen (elle peut être meilleure ou moins bonne qu’une autre) Formen der Steigerung, sie enthält außerdem alle möglichen Steigerungsstufen von Adjektiven. Lausberg definiert diese wie folgt,

1. Positiv, der die steigerungslose Grundstufe darstellt (‚hoch’); - 2. Comparativ [sic] als eine vergleichs-weise größere Intensität der Eigenschaft ausdrückende Vergleichsstufe (‚höher’); - 3. Superlativ als die alle in frage kommenden Träger der Eigenschaft gradmäßig in dieser Eigenschaft übertreffende Höchststufe (‚am höchsten’); - 4. Elativ, der einen auffallend intensiven Grad der Eigenschaft ausdrückt (‚sehr hoch’)[3].

Allgemein kann also für alle (romanischen) Sprachen festgehalten werden, dass es (heute) insgesamt vier Steigerungsstufen gibt, wobei sich die Existenz der vierten Form, dem Elativ, aus der Möglichkeit ergibt, dass die Komparation als morphologische Kategorie sowohl absolut als auch relativ sein kann. So stellt der relative Superlativ die Höchststufe in bzw. mit Bezug (Relation) auf andere existierende Träger der jeweiligen Eigenschaft dar. Damit können Substantive untereinander in ihren Eigenschaften in Bezug gesetzt werden bzw. Adjektive relativ verglichen werden (‚am höchsten von allen’).

Im Gegensatz zum relativen Superlativ stellt der Elativ die höchste Steigerungsstufe des Adjektivs zur Bezeichnung eines hohen Grades einer Eigenschaft ohne vergleichende Komponente dar. Er wird deshalb auch als absoluter Superlativ bezeichnet und im Deutschen häufig durch adverbiale Umschreibungen, wie z.B. äußerst, höchst, enorm, überaus, ausge-drückt (vgl. Bußmann 2002: 206). Auch in anderen Sprachen gibt es diese sog. einfachen Gradadverbien, die „angeben, in welchem Grade die durch das Adjektiv bezeichnete Eigenschaft besteht. Sie tun dies ohne Bezug auf einen Vergleichsterm“ (Schwarze 1995: 228)[4].

Neben den einfachen Gradadverbien, die zur absoluten Steigerung bzw. zur Bildung des Elativs verwendet werden, existieren in allen (romanischen) Sprachen auch vergleichende Gradadverbien. „Sie geben ebenfalls an, in welchem Grade die durch das Adjektiv be-zeichnete Eigenschaft besteht. Im Unterschied zu den einfachen Gradadverbien tun sie dies in bezug (sic) auf einen Vergleichsterm“ (Schwarze 1995: 229).[5]

Grundlage der relativen Steigerung ist [dabei] der Vergleich. Das Vergleichsobjekt kann ein oder mehrere Seiende sein (Komparativ), oder die Gesamtheit aller vergleichbaren Seienden (Superlativ). Beim Komparativ wird das Vergleichsobjekt genannt oder es ist aus dem Zusammenhang erkennbar; beim Superlativ kann es bloß gedacht sein (Gamillscheg 1957: 49).

Innerhalb der Klassifikation von absoluter und relativer Steigerung muss auch noch erwähnt werden, dass der Komparativ, nach Lausberg definiert „als eine vergleichsweise größere Intensität der Eigenschaft ausdrückende Vergleichstufe“, ein relativer Komparativ ist, „da ein Vergleich mehrerer Eigenschaftsträger hinsichtlich der gleichen Eigenschaft vorliegt“ (Lausberg 1967- 1972: 83f.). Lausberg verweist auch darauf, dass der Komparativ im klassischen Latein auch nur dazu benutzt wurde, um allgemein „einen Grad der Eigenschaft auszudrücken, der auf jeden Fall unterhalb des Elativs liegt“ (Lausberg 1967- 1972: 85). Wenn dadurch also nur eine Relation zum Elativ ausgedrückt wird, schließt dies ein, dass der Komparativ hier kein relativer Komparativ, der zwangsläufig die Existenz eines (gedachten) Vergleichsgegenstandes (tertium comparationis) voraussetzen würde, sein muss. Es ist vielmehr so, dass die Verwendung des Komparativs hier durch die gedachte Opposition zum Elativ eine zurückhaltend- abschwächende Bedeutung (dt. ziemlich) bekommt. Der Komparativ kann dann zu einem Positiv herabsinken oder sogar einen schwächeren Grad als den Positiv ausdrücken (vgl. Meyer- Lübke1890- 1902: 61, Lausberg 1967- 1972: 85).[6]

Zur Existenz von absoluten und relativen Formen der Steigerung, d.h. zur Existenz von absoluten und relativen Komparativ- und Superlativformen in den (heutigen) grammatischen Systemen der romanischen Sprachen hält Holtus außerdem fest,

Während der Komparativ und der Superlativ des Lateinischen relativ und absolut sein konnten- dieser Unterschied war pragmatisch nicht markiert-, haben wir im grammatischen System der romanischen Sprachen einen ausschließlich relativen Komparativ einerseits und- formal geschieden- einen relativen Superlativ und einen absoluten Superlativ (Elativ) andererseits (Holtus 1996: 208).[7]

3. Komparativ

3.1. Bildung des Komparativs

3.1.1. Synthetische Bildung des Komparativs

Im Lateinischen, das die Grundlage für das Vulgärlatein als Basis für die Entwicklung der romanischen Sprachen bildete, wurden die Komparativ- und Superlativformen überwiegend synthetisch durch Änderungen der Wortendung, d.h. postdeterminierend mit flexivischen Mitteln, ausgedrückt. Die Endungen zur Bildung des synthetischen Komparativs waren –ior bzw . –ius. So ergeben sich beispielsweise für altus, -a, -um, die Komparativformen altior bzw. altius (vgl. Holtus 1996: 208) . Diese Art der Bildung des Komparativs ist mit Übergang vom klassischen Latein zum gesprochenen Vulgärlatein mehr und mehr einer zweiten analytischen Art der Bildung des Komparativs gewichen.[8]

Bis auf das Rumänische, in dem alle synthetischen Komparative durch die Umschreibung mit magis ersetzt wurden, haben aber einige (häufig gebrauchte) Adjektive ihre synthetischen Steigerungsformen bis heute in den romanischen Sprachen bewahrt. Als Grund für das Fortbestehen dieser „Überreste“ gibt Lausberg an, dass es sich hier um jene Komparative handelt, „die bereits im klassischen Latein nicht organisch vom Positiv aus, sondern durch Zuhilfenahme anderer Stämme gebildet waren (Suppletion) und die so durch ihre ‚Originalität’ als etymologisch selbstständige Wörter fest im Sprachbewusstsein hafteten“ (vgl. Lausberg 1967- 1972: 87). Regula hält zudem auch fest, dass das Galloromanische eine begrenzte Anzahl synthetischer Komparative bewahrt bzw. sogar einige ‚neu’gebildet hat:

1. altiore > afrz. hal çour, hauçour, daneben haltour, hautour mit Elativbedeutung.
2. bellatiore[…] > bellezour: Bel auret corps, bellezour anima […] N. belais (< bellatius): Et de paraige del
miex e del belais[…].
3. fortiore > for çour: Se ele fu en paine de l’entrer, encor fu ele en forçour de l’isir […].
4. genzour „schöner“ zu gent „fein“, „hübsch“< homo gentis.
5. grandior > graindre; grandiore > graignour.
6. *iunior > juindre; iuniore > jougnour; norm. joenvre oder genvre < iuvenior[…]; iuveniore > juveignour.
7. maior > maire; maiore > maiour: Que je fui plus petiz de lui et ses chevaus meire del mien […], la tere
maior[…] nfrz. vimaire, juge maire […], bateau maire.
8. melior > mieldre, mieudre; meliore > meillour, -eur; melius > mielz > mieux.
9. minor > mendre, moindre; minus > meinz, moins.
10. *nugalior > nüaldre, nüaudre; *nugaliore > nüaillour „schlechter“, „geringer“ ; *nugalius > nüalz, nüaus.
11. peior > pire; peiore > peiour, pior, pieur; peius > pis.
12. *plusiores […]> pluisour[…]; li plusur „ die meisten“[…] Franceis furent plusur que cil de
Normendie[] nfrz. plusieurs „mehrere“.
13. senior > sendre []; *seior > sire; seniore > seignour, seigneur; *seiore > sieur.
14. sordidiore > sordeiour; sordidius > sordeis, -ois (Regula 1966: 43 f., 310- 317).

[...]


[1] Die Ausführungen der Einleitung stützen sich teilweise auf den Inhalt der Vorlesung „Grundlagen der Historischen Romanischen Sprachwissenschaft und des Seminars „Historisch- vergleichende Grammatik der romanischen Sprachen: Gegenstände, Methoden und Probleme“ sowie auf die Kommentare aus dem Vorlesungsverzeichnis.

[2] Auch Substantive und Präpositionalausdrücke, die adjektivisch verwendet werden, können gesteigert werden. Außerdem sind nicht alle Adjektive steigerungsfähig. Adjektive, die einen absoluten oder bereits einen höchsten Grad ausdrücken oder selbst schon eine komparativische Bedeutung haben sind nicht steigerungsfähig (vgl. Gamillscheg 1957: 47, 49).

[3] Lausberg 1967-72: 83.

[4] Nach Gamillscheg beginnt die absolute Steigerung des Adjektivs bereits mit seiner Negation. Die Scala reicht von der Negation bis zum Übermaß. Die Negierung der Adjektivvorstellung erfolgt dabei durch verschiedene Präfixe (vgl. Gamillscheg 1957: 47).

[5] Siehe auch Gliederungspunkt 4.

[6] Lausberg gibt saepius als Beispiel. Es liegt nahe, dass es im klassischen Latein sowohl innerhalb der relativen (‚öfter als’) als auch innerhalb der absoluten Steigerung (hier: mit abschwächende Bedeutung) von saepe (‚ziemlich oft’) verwendet wurde und damit auch einen mittleren Grad zwischen raro und saepe dargestellt hat (vgl. Lausberg 1967-1972: 85).

[7] Wenn das Konzept des zurückhaltend- abschwächenden Komparativs ausgedrückt werden soll, so geschieht dies in den (heutigen) romanischen Sprachen häufig durch Umschreibung mit Adverbien bzw. Gradadverbien, die dem Deutschen ‚ziemlich’ entsprechen. Damit hat der abschwächende Komparativ keine gemeinromanische Tradition (vgl. Lausberg 1967-1972: 91).

[8] Siehe auch Gliederungspunkt 3.1.2.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Steigerung des Adjektivs im Romanischen
Hochschule
Universität Potsdam
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V37593
ISBN (eBook)
9783638368865
Dateigröße
751 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Steigerung, Adjektivs, Romanischen
Arbeit zitieren
Liane Weigel (Autor:in), 2004, Die Steigerung des Adjektivs im Romanischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37593

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