Zu: Gerhard Schulze, Kulissen des Glücks: Glück in der Gegenwart


Rezension / Literaturbericht, 2005

13 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung: Glück in der Gegenwart

II. Hauptteil
II.1 Gerhard Schulze: Kulissen des Glücks. Streifzüge durch die Eventkultur
II.1.1 Der Imperativ des schönen Lebens und die Eigenverantwortlichkeit des Subjekts
II.1.2 Die Eigenverantwortlichkeit des Subjekts
II.1.3 Die Glücksindustrie
II.1.4 Das Paradox der gegenwärtigen Kultur
II.1.5 Die Eventgesellschaft
II.1.6 Der wahre Weg zum Glück
II.2 Mechanismen und Entwicklungen der Eventkultur
II.2.1 Kafkas Kuriere. Steigerung und Sinnillusion in der Entwicklung der Medien
II.2.2 Die Paradoxie des Lachens in unsere Zeit
II.2.3 Jenseits der Kulissenwelt. Bemerkungen über das Bett

III. Bezug zum Erziehungswissenschaftlichen Studium

IV. Schluss

V. Literatur

I. Einleitung: Glück in der Gegenwart

Eines zumindest haben Arme allen Reichen voraus: Sie wissen ganz genau, was sie wirklich wollen. Die Bedürfnisse der Menschen in armen Ländern sind leicht zu fassen: Diese Menschen kämpfen ums Überleben, jeden Tag aufs Neue. In den Überflussgesellschaften der westlichen Welt hingegen muss sich schon lange keiner mehr Sorgen ums Überleben machen. Auch Deutschland hat die Schwelle zu wirtschaftlicher Prosperität und sozialer Sicherheit überschritten, und seine Einwohner mussten mit diesem Schritt ihre Maßstäbe für ein geglücktes Leben völlig neu definieren. In seinem Essayband Kulissen des Glücks. Streifzüge durch die Eventkultur[1] begleitet Gerhard Schulze das glücksuchende Subjekt bei seinem täglichen Kampf um Glück, der sich oftmals sehr viel schwieriger gestaltet, als man vermuten möchte. Er zeigt auf, worin die Schwierigkeiten bei der Suche nach dem guten Leben liegen und führt uns zu typischen Schauplätzen der deutschen Kulturlandschaft, die der Mensch auf seiner Sinnsuche als Weg zum Ziel erkannt haben will.

II. Hauptteil

II.1 Gerhard Schulze: Kulissen des Glücks. Streifzüge durch die Eventkultur

II.1.1 Der Imperativ des schönen Lebens

Nachdem der Frage ums Überleben heute keine große Beachtung mehr zukommen muss, orientiert sich eine Existenz im Überfluss an neuen, ganz anderen Fragen: Wie wird man glücklich? Wie bekommt man das Beste vom Leben ab? Und was ist eigentlich das Beste? Früher genügte es, reichlich zu essen zu haben und gesund zu sein, um sich glücklich schätzen zu können. Das Leben heute aber fordert mehr: totale Aufopferung und Hingabe des Selbst auf der Suche nach dem Glück.

Die Frage danach, wann man ein wie gestaltetes Leben als gelungen und glücklich bezeichnen darf, beschäftigt in unserer Zeit nahezu jeden. Dies zeigt deutlich, wie das Individuum selbst seine Existenz einschränkt auf etwas, das es vermeintlich zum Glück führen soll.[2] Das Leben wird von uns als eine Art Gott betrachtet, dem es zu dienen gilt. Dieser Gott fordert von uns nur noch jenes: „Fang etwas mit mir an und verpfusch mich nicht!“ Das Leben nicht im Sinne dieses Gottes zu führen wäre eine große Sünde, und so ist es Aufgabe und Antrieb des modernen Menschen geworden, auf Biegen und Brechen glücklich zu werden.[3]

Doch was steckt dahinter, was ist der wahre Grund der uns veranlasst, der Erfüllung dieses Gebotes täglich wie wahnsinnig hinterher zujagen? Warum unterwerfen wir uns einer Gesetzmäßigkeit, die uns nicht selten Zwänge auferlegt und uns Entscheidungen aufzwingt, hinter denen wir womöglich gar nicht stehen? Die Antwort darauf ist in einer Gesellschaft zu suchen, deren Lebensinhalt vornehmlich auf einem Imperativ des schönen Lebens basiert: Wer keine schönen Erlebnisse hat, der hat nun mal auch kein sinnerfülltes Leben. Genauer betrachtet, liegen die Wurzeln für diesen Imperativ also in unserer existierenden Gesellschaftsordnung begründet.[4]

Die Vorraussetzung, um ein Teil dieser Ordnung sein zu dürfen, ist die folkloristische Formensouveränität. Wo einst Bildung über die kulturelle Kompetenz des Subjekts entschied, kommt es heute darauf an, mit einem ganzen Archiv von Ereignismustern vertraut zu sein.[5] Will man dazugehören, ist es wichtig, sich mit neu angelaufenen Fernsehserien und den neuesten Methoden der Schönheitschirurgie ebenso gut auszukennen wie mit den Namen der neuesten Popbands. Bildung bedeutet heute somit, mitreden zu können, wenn es sich um Themen aller Art des schönen Lebens handelt. Als bezeichnendes Beispiel dafür möchte ich etwas anführen, das ich vor kurzem bei einem Privatsender des deutschen Fernsehens gesehen habe: Bei einer Straßenumfrage waren 90% aller Befragten nicht in der Lage, den deutschen Bundesländern ihre Hauptstädte zuzuordnen, wohl aber wussten sie ausnahmslos alle, was Botox ist und wie die Lebensgefährtin von Dieter Bohlen heißt…

II.1.2 Die Eigenverantwortlichkeit des Subjekts

Ein Lebensentwurf, der sich beinahe ausschließlich am schönen Leben orientiert, setzt die Individuen der Spaßgesellschaft unter großen Druck. Die moderne und hochgerühmte Entscheidungsfreiheit zwingt den Menschen zur Selbsterfindung. Unter diesem schwer wiegenden Zwang wird ein Leben gelebt, das von keiner höheren Instanz vorgegeben wird, für das man allein verpflichtet und – noch entscheidender – verantwortlich ist.[6] Die Verbote, an denen sich der Mensch früher orientieren konnte, existieren nicht mehr. Und das Gebot glücklich zu sein, ist für ihn ungleich schwieriger zu befolgen als die alten Regeln. Die ersten Schwierigkeiten begegnen uns also schon in der Entscheidung darüber, was man denn eigentlich überhaupt für das Beste hält.[7]

Für diesen Fall steht eine riesige Industrie bereit, die sich als Weg zum Glück versteht, und immer neue Möglichkeiten zur Selbstfindung anbietet.[8] Und diese wird von Vielen dankbar um Rat gefragt wird. Hat man sich dann entschieden, wie man seinen Weg gestalten möchte, bleibt nur noch zu hoffen, dass der gewählte Lösungsweg auch zum gewünschten Erfolg führen wird. Sollte dem nicht so sein, findet sich das gescheiterte Subjekt inmitten einer Gesellschaft wieder, zu der es nicht dazu gehören darf und – schlimmer noch – aus eigenem Verschulden nicht dazu gehören darf. Eine vollkommen freie Entscheidung darüber, welche Möglichkeiten zur Erfüllung des Glücksgebotes man wählt, beinhaltet selbstredend auch die absolute Eigenverantwortung. Das entscheidende Subjekt ist für die Konsequenzen seines Handelns allein verantwortlich. Derjenige also, der scheitert, kann und muss die Schuld nur bei sich selbst suchen. Niemand sonst kann für ein Scheitern verantwortlich gemacht werden.[9] Es ist wohl zu verstehen, dass dies im schlimmsten Fall zu totalen Selbstzweifeln, völliger Selbstaufgabe und psychischen Problemen führen kann. Aus dieser Sackgasse finden die Meisten nicht mehr allein heraus.

II.1.3 Die Glücksindustrie

Und weil niemand gerne ein Außenseiter ist oder gern als Versager dasteht, möchten wir uns selbst und vor allem den Anderen beweisen, dass auch wir es schaffen können. Wir wollen dazu gehören und beweisen, dass wir das auch wert sind. Oft wissen wir nicht, in welche Richtung der erste richtige Schritt zum Gelingen getan werden muss, und wir suchen nach Hilfestellung. Hier nun tritt eine Industrie auf den Plan, die für sich in Anspruch nimmt, uns auf der Suche nach dem „Wie?“ richtig anleiten zu können. Anhand verschiedener Beispiele, auf die ich mich im Fortlauf noch beziehen werde, versucht Gerhard Schulze Methoden dieser Glücksindustrie zu analysieren und zu entlarven.

Dass der Mensch von heute ganz tief in dieser Glücksindustrie drin steckt, macht Schulze einführend deutlich, wenn er über die Kulissen des Glücks spricht. Diese Kulissen braucht der Mensch, um das, was sein Menschsein ausmacht – sich ständig wandelnde Phantasien, Wünsche und Gefühle - auf sie projizieren zu können. Dabei muss man zwei Arten unterscheiden: Es existieren die so genannten lügnerischen Kulissen, die die Realität drapieren und echt erscheinen lassen sollen, so dass der Beobachter gar nicht bemerkt, dass er eigentlich nur getäuscht wird. Weitaus wichtiger ist für uns die zweite Art der Kulissen, nämlich die spielerischen. Diese wollen im Gegensatz zu den lügnerischen die Realität nicht verschleiern. Sie stellen zwar auch eine falsche Realität her, dem Beobachter sind die Kulissen aber durchaus bewusst. Wie im Theater sind Kulissen ganz alltäglich geworden. Wir bewegen uns ganz selbstverständlich in ihnen und setzen uns ihnen ganz bewusst aus. Wir besuchen ein Horrorkabinett um gegruselt zu werden, wir besuchen einen Adventurepark um in der Achterbahn einen Adrenalinschub zu bekommen. Der Weg durch die verschiedensten spielerischen Kulissen verheißt uns das große Glück. Das Angebot an Kulissen, sprich das Angebot an Zerstreuung ist schier unermesslich. Der Mensch ist im Wesentlichen nur noch damit beschäftigt, die von der Glücksindustrie produzierten Glücksmodule auszusuchen, zu verwenden und umzubauen, um sie dann irgendwann wieder zu entsorgen.[10] Man rennt vom einen Ereignis zum nächsten, im Glauben, dabei jedes Mal einen weiteren Schritt in Richtung Ziel zu gemacht zu haben.

[...]


[1] Gerhard Schulze, Kulissen des Glücks. Streifzüge durch die Eventkultur, Frankfurt am Main/New York, 22000.

[2] Schulze, Kulissen, S. 8.

[3] Schulze, Kulissen, S. 9.

[4] Schulze, Kulissen, S. 39.

[5] Schulze, Kulissen, S. 95.

[6] Schulze, Kulissen, S. 13.

[7] Schulze, Kulissen, S. 9.

[8] Schulze, Kulissen, S. 12.

[9] Schulze, Kulissen, S. 31.

[10] Schulze, Kulissen, S. 7-13.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Zu: Gerhard Schulze, Kulissen des Glücks: Glück in der Gegenwart
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Universität)
Veranstaltung
Moraltheologie; Seminar
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V37559
ISBN (eBook)
9783638368575
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gerhard, Schulze, Kulissen, Glücks, Glück, Gegenwart, Moraltheologie, Seminar
Arbeit zitieren
Pia Scherb (Autor:in), 2005, Zu: Gerhard Schulze, Kulissen des Glücks: Glück in der Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37559

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