Schwierigkeiten und Strategien bei der Übersetzung von Gedichten

Eine kontrastive Analyse von Übersetzungen von Goethes "Gefunden" und "Schweizerlied" in das Englische, sowie Blakes "The Garden of Love" und "The Tyger" in das Deutsche


Examensarbeit, 2017

71 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kulturelle und sprachliche Dimension des literarischen Übersetzens

3. Die (Un)Übersetzbarkeit von Gedichten
3.1. Modelle der (Un)Übersetzbarkeit
3.2. Kritik am Konzept der Unübersetzbarkeit
3.2.1. Prinzipielle Übersetzbarkeit
3.2.2. Relative Übersetzbarkeit
3.3. Genrespezifische Schwierigkeiten bei Gedichtübersetzungen

4. Schwierigkeiten beim Übersetzen ausgewählter Elemente auf verschiedenen sprachlichen Ebenen
4.1. Metaphern
4.2. Diminutive
4.3. Laute und Rhythmen
4.4. Aspektualität und Aktionsart

5. Theoretische Ansätze zur Gedichtübersetzung
5.1. Vers- und Prosaübersetzung
5.2. Überblick zu Übersetzungsstrategien Drydens, Lefeveres und Holmes‘
5.3. Gegenüberstellung und Vergleich der Übersetzungsstrategien Drydens, Holmes‘ und Lefeveres

6. Komparative Analyse von Gedichtübersetzungen basierend auf Lefeveres Strategien
6.1. Übersetzungen Deutsch > Englisch
6.1.1. Phonemic Translation von Goethes „Gefunden“ und „Schweizerlied“
6.1.2. Literal Translation von Goethes „Gefunden“ und „Schweizerlied“
6.1.3. Metrical Translation von Goethes „Gefunden“ und „Schweizerlied“
6.1.4. Prosaüberseztung von Goethes „Gefunden“ und „Schweizerlied“
6.1.5. Rhymed Translation von Goethes „Gefunden“ und „Schweizerlied“
6.1.6. Interpretation von Goethes „Gefunden“ und „Schweizerlied“
6.2. Übersetzungen Englisch > Deutsch
6.2.1. Phonemic Translation von Blakes „The Garden of Love” und „The Tyger”
6.2.2. Literal Translation von Blakes „The Garden of Love” und „The Tyger”
6.2.3. Metrical Translation von Blakes „The Garden of Love” und „The Tyger”
6.2.4. Rhymed Translation von Blakes „The Garden of Love” und „The Tyger”
6.2.5. Interpretation von Blakes „The Garden of Love” und „The Tyger”

7. Fazit

Anhang

Bibliographie

1. Einleitung

What seems undeniable is that some texts are more easily translatable than others. In general, it can be asserted that a text with an aesthetic function will contain elements which will make its reproduction in a different language difficult, whereas a text with a merely informative function will be easier to translate. (Wilss 1982: 114)

Diese Hausarbeit soll zentrale Schwierigkeiten sowie Strategien bei der Übersetzung von Gedichten darstellen und in einer kontrastiven Analyse von Vers- und Prosaübersetzungen von Goethes „Gefunden“ und „Schweizerlied“ in das Englische, sowie Blakes „The Garden of Love“ und „The Tyger“ in das Deutsche zeigen, inwiefern verschiedenen Gedichtübersetzungsstrategien und damit verbundene Probleme in den Übersetzungen auftreten. Der in der Analyse verwendete Ansatz ist überwiegend product- based, beruht also auf einer „contrastive analysis of source and target text[s] in terms of linguistic and stylistic features” (Jones 2011: 10). Produktionskontext und intendierte Leserschaft der jeweiligen Übersetzungen werden dabei nicht berücksichtigt.

Die Arbeit gliedert sich im Wesentlichen in einen Theorieteil (Punkt 2 bis 5) und einen Analyseteil (Punkt 6). Zunächst werden zentrale Zusammenhänge zwischen Sprache und Kultur, die für das Übersetzen literarischer Texte relevant sind, erläutert (Punkt 2); diese bilden die Grundlage für das Verständnis von Catfords (1965) Konzept der (Un-)Übersetzbarkeit (un/translatability) mit dessen Unterkategorien linguistic, cultural und collocational untranslatability, die im Anschluss skizziert (Punkt 3.1) und kritisch beleuchtet werden (Punkt 3.2.1 und 3.2.2.). Schließlich werden Charakteristika von Gedichten als Genre diskutiert, die Unübersetzbarkeit bzw.

Übersetzungsschwierigkeiten auslösen können (Punkt 3.3.). Unter Punkt 4 werden einige spezifische sprachliche Elemente ausgewählt und deren Schwierigkeiten beim Übersetzen vom Englischen in das Deutsche und umgekehrt beleuchtet. Hierbei ist anzumerken, dass die hier erläuterten Elemente nicht den Anspruch einer vollständigen Auflistung aller beim Übersetzen zwischen englischer und deutscher Dichtung schwierigen formalen und semantischen Elemente erhebt - die Auswahl derselben erfolgt in Bezug auf deren Vorkommen in den hier zu analysierenden Gedichtübersetzungen. In der Analyse wird der Umgang mit den geschilderten Elementen (Metaphern, Diminutive, Laute/Rhythmen und Aspektualität/Aktionsart) besonders beachtet. Unter Punkt 5 werden verschiedene Positionen zur Gedichtübersetzung und die Übersetzungsstrategien von Dryden (1680/1847), Lefevere (1975) und Holmes (1988) in ihren Grundzügen dargestellt und kontrastiert. Als Grundlage für die Textanalyse unter Punkt 6 werden Lefeveres (1975) Strategien herangezogen, da diese sowohl formal als auch content - based strategies (Holmes 1988) beinhalten und weiterhin die Strategie der Phonemic Translation umfassen, welche bei Dryden und Holmes nicht berücksichtigt wird. Da in keiner der Übersetzungen eine Blank/Free Verse Translation auftritt, bei der das Gedicht in ein traditionelles oder selbstgewähltes Metrum übertragen wird, wird diese in der Analyse nicht mit einbezogen. Wie Jones (2011: 172) herausstellt „[a]ny translation of a poem will require attention to each of the various levels on which a poem functions”; da keine der hier analysierten Gedichtübersetzungen als reine Repräsentation einer einzigen der Strategien Lefeveres betrachtet werden kann, wird stattdessen untersucht, inwiefern Elemente der einzelnen Strategien in den unterschiedlichen Übersetzungen angewandt werden, auch wenn der Fokus derselben nicht explizit auf dieser Strategie liegt.

Unter 6.1. sollen zunächst die Übersetzungen vom Deutschen in das Englische untersucht werden; jeder der Unterpunkte in 6.2. unterteilt sich in einen kurzen Abschnitt bei dem mögliche Schwierigkeiten, die bei der Anwendung der entsprechenden Übersetzungsstrategie auftreten können, erläutert werden und einen zweiten, ausführlicheren Teil, der die eigentliche Analyse umfasst. Unter 6.2. in der Analyse der englisch-deutschen Übersetzungen, werden Rückbezüge zu den zuvor unter 6.1. analysierten Gedichten hergestellt. Bei der Analyse soll dabei untersucht werden, inwiefern Schwierigkeiten innerhalb der Übersetzungsstrategien auftreten. Die Resultate werden sodann mit Catfords Konzepten der (Un-)Übersetzbarkeit verknüpft.

Im Fazit sollen schließlich die Ergebnisse der Analyse der Übersetzungen vom Englischen in das Deutsche, sowie vom Deutschen in das Englische zusammengefasst und herausgestellt werden, inwiefern Lefeveres Übersetzungsstrategien unterschiedlich starke Beachtung gefunden haben, welche Schwierigkeiten sich in beide Übersetzungsrichtungen abzeichnen und inwiefern sich Unterschiede bei verschiedenen Zielsprachen ergeben; dabei wird noch einmal auf das Konzept der Übersetzbarkeit eingegangen.

2. Kulturelle und sprachliche Dimension des literarischen Übersetzens

THE first step towards an examination of the processes of translation must be to accept that although translation has a central core of linguistic activity, it belongs most properly to semiotics, the science that studies sign systems or structures, sign processes and sign functions [...]. Beyond the notion stressed by the narrowly linguistic approach, that translation involves the transfer of ‘meaning’ contained in one set of language signs into another set of language signs through competent use of the dictionary and grammar, the process involves a whole set of extra-linguistic criteria also. (Bassnett 1999: 13)

Nida (2001: 13) betont, dass Sprache zwar nur einen Teil einer Kultur darstellt, jedoch unabdinglich „for the functioning and perpetuation of the culture“ ist und Sprache und Kultur als sich gegenseitig beeinflussende symbolische Systeme verstanden werden müssen. In ähnlicher Weise beschreibt Raffel (1988: 5) Sprache als kulturelles System, „which both reflects and in its turn shapes and even determines verbal expression (and the thought and feeling which underlie it)“. Übersetzen ist daher nicht nur als Spracharbeit (das Finden sprachlich-stilistischer Ausdrucksmittel um einen Text in einer TL1 darzustellen), sondern auch Kulturarbeit, da der Übersetzer die in Ausgangs- und Zielsprache, sowie in Ausgangs- und Zielkultur unterschiedlichen „Textproduktions- und rezeptionsbedingungen“ überbrücken muss (Koller 1992: 59). Die Herausforderung an den Übersetzer steigt mit größer werdender kommunikativer Differenz, d.h. mit stärkerem Abweichen der kommunikativen Zusammenhänge (cf. ibid., siehe auch 3.2.2.). Aus der Verknüpfung von Sprache und Kultur schlussfolgert Nida: „competent translators are always aware that ultimately words only have meaning in terms of the corresponding culture“ (ibid.).2

Beim Übersetzen zwischen unterschiedlichen Sprachen, so führt Reynolds (2011: 14) aus, liegt nie eine tatsächliche Synonymie zwischen Begriffen zweier Sprachen vor: „grammatical form, semantic structure, habitual referents, and the cluster of associations which cultures gather around their words, and which linguists call ‘encyclopedic knowledge‘“ weichen voneinander ab. Er sieht daher das Resultat einer Übersetzung als „linguistic and cultural landscape which is largely (though not […] wholly) distinct“ (ibid.). Sofern der Ausgangstext in einer für den Leser fremden Sprache verfasst ist, wirkt die Überbrückung der Differenz zwischen einem SL- und einem TL-Begriff durch die Übersetzung möglicherweise überzeugender, da dem Leser Feinheiten der Zielsprache und genaue Bedeutungsunterschiede weniger vertraut sind (cf. ibid.). Die Schwierigkeiten, die beim Übersetzen zwischen zwei Sprachen auftreten, sowie die möglichen Übersetzungsstrategien, so führt Reynolds (2011: 15) aus, variieren dabei signifikant, je nachdem um welche Sprachen es sich handelt; dementsprechend legt er nahe, dass eine Vielzahl an Übersetzungen englischsprachiger Literatur „has been from languages and cultures with which English writers can feel a fair degree of continuity: Latin, Greek, Italian, French, German“ (ibid.). Dies suggeriert, dass ein Übersetzen aus einer in kultureller und linguistischer (d.h. geringer Grad der Sprachverwandtheit) Dimension distanten Sprache bzw. Kultur mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist, als das Übersetzen zwischen affinen Sprachen (d.h. großer Grad der Sprachverwandtheit)

(eigene Schlussfolgerung). Selbst unter der Annahme, dass Sprache die Wirklichkeitsauffassung der Sprecher beeinflussen (so beispielsweise nach dem linguistischen Relativit ä tsprinzip 3 ) und demzufolge Übersetzen als transponieren sprachlicher Inhalte zwischen „unterschiedliche[n] geistige[n] Zwischenwelten“ betrachtet werden kann, wird eingeräumt, dass „[d]ie Unterschiede zwischen den Sprach- und Denkstrukturen der europäischen Sprachen […] geringfügig“ sind und eine Übersetzbarkeit als Konsequenz des Relativitätsprinzips „demnach nur zwischen Sprachen [gilt], die in Kulturen gesprochen werden, die stark von der europäisch- amerikanischen (Einheits-)Kultur abweichen“ (Koller 1992: 172).

Raffel (1988: 5) illustriert, dass größere Schwierigkeiten beim Übersetzen zwischen distanten Sprachen auftreten können anhand des Japanischen, welches eine strikte Lautfolge von Konsonant-Vokal aufweist und ein begrenztes Phoneminventar hat, weshalb viele Homonyme und „words that contain within themselves other words or parts of words of quite unrelated meanings“ (pivot-words) vorkommen, was es in Gedichten beispielsweise ermöglicht „to keep two different sets of images going at the same time through an entire poem without any awkwardness“; betonte Silben hingegen, die in ‚westlichen Sprachen‘ in der Dichtung eine zentrale Rolle einnehmen, gibt es im Japanischen beispielsweise nicht (cf. ibid.: 9). Jedoch treten auch innerhalb verwandter Sprachen, wie Englisch und Deutsch, signifikante Unterschiede auf; beispielsweise die Kasusflexion im Deutschen (cf. Raffel 1988: 9) oder die Absenz eines grammatikalisierten Aspektsystems im Deutschen (siehe 4.4.), die ggf. zu Übersetzungsschwierigkeiten führen können (cf. ibid.). Dass Übersetzungen als adäquate Äquivalente4 wahrgenommen werden, führt Reynolds (2001: 14) überwiegend darauf zurück, dass „institutional structures, from school textbooks to international courts“ oder bilinguale Wörterbücher eine stärkere Synonymie zwischen unterschiedlichen Sprachen suggerieren (ibid.: 14). Diese Ähnlichkeit zwischen Sprachen betrachtet er als funktional und in den meisten Fällen für eine Übersetzung als ausreichend (cf. ibid.).

Kumar Das (2008: 46) betont ebenfalls, dass Sprache „to some extent culture oriented” ist und Übersetzer somit mit dem Problem „of translating certain culture-based words into another language with a different culture” (ibid.: 48) konfrontiert sind. Er führt aus, dass ein Übersetzen literarischer Texte immer sowohl eine sprachliche als auch eine kulturelle Aktivität ist. Eine wörtliche Übersetzung eines literarischen Textes ist in jedem Fall zu vermeiden, da diese „fails to carry the transposition of culture“ (ibid.). Neben der lexikalischen Bedeutung muss der Übersetzer auch die „socio-cultural matrix“ (ibid.: 45) beachten. Eine zentrale Schwierigkeit des Übersetzens ist die Unbestimmtheit der genauen Bedeutung einzelner Wörter, sowie des Textes (cf. ibid.: 47). Aus semantischer Perspektive gestaltet sich bereits auf Wortebene eine akkurate Bestimmung der Bedeutung eines Begriffs als problematisch (cf. ibid.; Koller 1992: 170). Wie Koller (ibid.) hervorhebt, kann aufgrund der unterschiedlich aufgebauten sprachlichen Felder verschiedener Einzelsprachen, innerhalb derer ein Begriff in Relation zu den anderen Begriffen des sprachlichen Feldes Bedeutung trägt, „nicht miteinander verglichen und schon gar nicht gleichgesetzt werden, weil ihr Stellenwert in den einzelsprachlichen Feldern je verschieden ist“. Besondere Schwierigkeiten bereitet darüber hinaus ein Übersetzen kulturspezifischer Begriffe, wie z.B. Slang Wörter oder Kolloquialismen (cf. Kumar Das 2008: 48). Weiterhin weichen auch konnotative Bedeutungen von Begriffen in unterschiedlichen Kulturen stark voneinander ab - Kumar Das (2008: 51) illustriert dies am Beispiel der Taube, die im Bengali nicht als Friedenssymbol sondern als „equivalent of a cunning, unprincipled person who drives people out of their homes“ fungiert. Darüber hinaus wird beispielsweise in der Literaturwissenschaft (z.B. Reader Response Criticism5 ) davon ausgegangen, dass die Bedeutung eines literarischen Textes sowohl von den textimmanenten Strukturen abhängig ist, als auch durch den Leser selbst konstruiert wird. Beim Übersetzen eines Textes liegt demnach ein doppelter De- und Enkodierungsprozess vor (cf. Kumar Das 2008: 47-48): „In the process a new category of ‘recording‘ takes place after ‘de-coding‘ the SL text. Both linguistic and cultural factors shape the acts of ‘de-coding’ and ‘encoding’” (Kumar Das 2008: 48). In ähnlicher Weise führt Reynolds (2011: 30) aus, dass „‘sense’ […] emerges from a text in collaboration with its readers” und der Übersetzer durch den Prozess des „reading- making-sense-translating” diesen von ihm identifizierten Sinn zu übertragen versucht. Darüber hinaus variieren aus pragmatischer Sichtweise auch das individuelle Verständnis und der Einsatz von Begriffen bei unterschiedlichen Sprechern:

Different speakers may hold partly different beliefs about the meaning and applicability of words, so that the set of implications that one speaker will accept as following from a given utterance may differ, to a greater or less degree, from the set of implications that another speaker will accept as following from the same utterance. (Lyons 1977: 238)

Für den Übersetzer impliziert dies, dass er aus einer Vielzahl unterschiedlicher Bedeutungen wählen muss: „If each word is a sign and each sign has a signifier and a signified and again a signified is a signifier then which meaning should one take in translation?“ (Kumar Das 2008: 47). Dementsprechend müssen beim Übersetzen, insbesondere von Gedichten, immer sowohl sprachliche („sound pattern of words, rhymes and rhythms“), als auch nicht-sprachliche Aspekte („ideas, images, symbols based on [the] culture of the SL poem“) beachtet werden und der Text in der Zielsprache neu geschrieben werden (ibid.). Hermans (2002: 17) folgert, dass ein wertneutrales Übersetzen aus diesem Grund nicht möglich sein kann und Übersetzungen Aufschluss über die eigene, sowie die Kultur des SL Textes gibt:

[Translation] presents us with a privileged index of cultural self-reference, or, if you prefer, self-definition. The practice of translation comprises the selection and importation of cultural goods from outside a given circuit, and their transformation into terms which the receiving community can understand, if only in linguistic terms, and which it recognises, to some extent at least, as its own.

3. Die (Un)Übersetzbarkeit von Gedichten

3.1. Modelle der (Un)Übersetzbarkeit

Catford (1965: 94) problematisiert das Konzept der Übersetzbarkeit, die er als Übertragung der in einem bestimmten Kontext „functionally relevant features“ der Ausgangssprache in eine Zielsprache definiert und schafft eine theoretische Grundlage der Unübersetzbarkeit. Diese tritt dann auf, wenn in der Zielsprache kein funktionales Äquivalent für ein Element der Ausgangssprache vorliegt und somit keine direkte Übertragung möglich ist. Dabei betont er jedoch, dass Unübersetzbarkeit nicht als absolut zu betrachten ist, da keine klare Linie zwischen dem Übersetzbaren und dem Unübersetzbaren gezogen werden kann; vielmehr ist ein Text „more or less translatable“ (ibid.). Er unterteilt das Konzept der Unübersetzbarkeit in zwei Bereiche, die er als linguistic und cultural untranslatability bezeichnet. Linguistic untranslatability tritt als Resultat unterschiedlicher formaler Eigenschaften der Ausgangs- und Zielsprache auf, die funktional relevant sind, aber kein formales und funktionales Äquivalent in der Zielsprache aufweisen (ibid.). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Ausgangstext Ambiguität durch Polysemie oder Shared Exponence enthält (ibid.). Polysemie bezieht sich nach Catford (1965: 96) nicht auf mehrere Bedeutungen eines Wortes, sondern auf „one item having a wide or general contextual meaning, covering a wide range of specific situational features”. Shared exponence definiert er als „those cases where two or more distinct grammatical or lexical items are expounded in one and the same phonological or graphological form“, wie das Englisch Pluralmorpehm {S} und das 3. Person Singular <-s>, die beide sowohl in der Schreibweise (<-s>) als auch in der Aussprache (/s/) übereinstimmen (cf. ibid.: 96).

Als weitere mögliche Ursache für linguistic untranslatability führt Catford (1965: 96) Oligosemie an, die er wie folgt definiert: „if a SL item has a particularly restricted range of meaning it may not be possible to match this restriction in the TL”. Dennoch, so betont er wiederholt, führt das Auftreten solcher „[f]ormal linguistic differences” nicht per se zu Unübersetzbarkeit (ibid.). In der Regel weist der Kontext darauf hin, welches Element eines polysemen oder oligosemen lexikalischen Items funktional relevant ist und ein entsprechendes funktionales Äquivalent für den spezifischen Kontext kann in der Zielsprache gewählt werden (cf. ibid.: 96). Unübersetzbarkeit tritt nur dann auf, wenn diese formalen Kriterien „textually-functionally-relevant feature[s] of the SL text” sind (ibid.: 98), beispielsweise in einem Wortspiel dass auf der Polysemie eines Begriffs in der Ausgangssprache beruht (cf. ibid.).

Unterschiede in den Konzepten der Ausgangs- und Zielkultur („the absence of a situational feature, functionally relevant for the SL text in the TL culture” ibid.: 99) können zu cultural untranslatabilty führen (cf. ibid.: 99). Häufig, so Catford (1965: 100), lässt sich diese jedoch durch eine direkte Übernahme des Wortes in den Text der Ausgangssprache lösen „leaving its contextual meaning to emerge from the co-text (or else explaining it in a footnote)” oder indem ein Lehnwort mit ähnlicher Funktion genutzt wird, das in der Zielkultur etabliert ist. Catford (1965: 101) schlussfolgert, dass cultural untranslatabilty oft nur insofern als unübersetzbar zu betrachten ist, dass „the use in the TL text of any approximate translation equivalent produces and unusual collocation”; aus diesem Grund spricht er auch von collocational untranslatability. Abhängig davon, ob im Ausgangstext ebenfalls eine wenig frequente Kollokation auftritt, kann eine solche im Zieltext auch Zeichen einer guten Übersetzung sein (cf. ibid.: 103). Collocational untranslatability bezieht sich daher nur auf Fälle, in denen der Ausgangstext eine gewöhnliche Kollokation hat, deren Übersetzung im Zieltext jedoch zu einer ungewöhnlichen führen würde.

Burnshaw (1960/1995: xi) spricht ebenfalls Übersetzungsprobleme an, die sich Catfords Konzepten der linguistic und collocational untranslatability zuordnen ließen. In einer Versübersetzung französischer Dichtung in das Englische, beschreibt er:

a single French word could not be rendered by a single English word - pieces of two or even three might be required. Other words, with double denotations in the French, had to be halved in English or equated by impossible compounds. (ibid.)

In ähnlicher Weise problematisiert Nida (1964: 171) die Übersetzung kultureller Konzepte und schlägt vor, ein kulturelles Äquivalent in der Zielsprache zu suchen:

[…] there may be no object or event in the receptor culture which corresponds to some referent in the source text, but the equivalent function is realized by another object or event. For example, people may have no experience of snow, and hence no word for it, but they may have a phrase such as ‘white as kapok down’ which is functionally equivalent to ‘white as snow’.

Darüber hinaus beschreibt er verschiedene Konnotationen eines Wortes in verschiedenen Kulturen als mögliches Problem beim Übersetzen: „[i]n Western European languages, for example, we use the ‘heart’ as the center of emotions and as the focal element in personality; but in many other languages the ‘heart’ may have nothing to do with emotions” (ibid.: 172). In Catfords Terminologie könnte dies unter cultural untranslatability sowie collocational untranslatability subsumiert werden, da im aufgeführten Beispiel eine wörtliche Übersetzung von heart in seinem konnotativen Sinne zu einer unüblichen Kollokation in der Zielsprache führen würde.

3.2. Kritik am Konzept der Unübersetzbarkeit

3.2.1. Prinzipielle Übersetzbarkeit

Zu den Befürworten einer prinzipiellen Übersetzbarkeit zählt beispielsweise Sáez Hermosilla, der das Konzept der Unübersetzbarkeit gänzlich zurückweist (cf. Hermosilla 1994: 15). Er kritisiert an Theorien der Unübersetzbarkeit, dass Sprache in diesen als rein formal durch „Vergleich sprachlicher Strukturen“6 (eigene Übersetzung) oder in Hinblick auf deren Semantik betrachtet wird, während „der Kontext, die (Sprech)situation, die Intention und vor allem der Empfänger“7 (eigene Übersetzung) vernachlässigt werden (ibid.). Seines Erachtens nach ist Sprache vor allem Mittel zur Kommunikation eines bereits vor der Versprachlichung gefassten Gedanken und dieser ist vom sprachlichen Ausdruck abgrenzbar (ibid.). Er begründet seine Argumentation mit der vollständigen Erlernbarkeit von Fremdsprachen auf der Basis anderer Sprachen (cf. ibid.: 16). Übersetzung bedeutet für ihn dementsprechend, den zugrundeliegenden Gedanken zu erfassen und zu vermitteln, wobei er eine Reihe unterschiedlicher Möglichkeiten zur Übersetzung anführt: „es gibt immer die ein oder andere Möglichkeit, eine Nachricht an einen Empfänger zu übermitteln, sei es mit Hilfe eines terminologischen, konzeptuellen, formalen Äquivalents, oder mit Hilfe von Lehnprägung oder Lehnwort“8 (eigene Übersetzung).

Koller (1992: 181) schildert, dass eine derartige Ansicht sich auch in Chomskys „allgemeiner Grammatik“ widerspiegelt, da die „ Tiefenstruktur, in welcher die Bedeutung ausgedrückt wird, […] für alle Sprachen identisch die Struktur des Denkens [reflektiert]“, während mögliche Transformationen von der Einzelsprache abhängen; dementsprechend folgert er, dass in einem „naiven Verständnis des Übersetzungsvorganges“ das Übersetzen „als Kodewechsel auf der Ebene der einzelsprachlichen Oberfl ä chenstrukturen “ verstanden werden kann. In ähnlicher Weise leitet Koller (ibid.: 181) aus Chomskys Universalientheorie sowie aus Katz / Fodor (1963/1970) und Bierwischs (1967/1970) Theorie der linguistischen Universalien („sprachliche[…] Merkmale, die sich in allen Sprachen finden“ ibid.), die sowohl phonologischer, als auch semantischer und grammatikalischer Art sein können ab, dass aufgrund der gleichen Grundstrukturen innerhalb von Sprachen ein Übersetzen prinzipiell möglich sein müsste (cf. ibid.: 181). Einzelsprachlich auftretende Übersetzungsschwierigkeiten aufgrund von „unterschiedlichen Repräsentationen, Kombinationen und Auswahl der semantischen Grundmerkmale“ führen demnach laut Koller (ibid.: 182) nicht zu einer Unübersetzbarkeit, da das „übereinzelsprachliche semantische Merkmalinventar allen Sprachen zukommt“. Geht man davon aus, dass „[a]lles, was gemeint werden kann, […] in jeder Sprache ausgedrückt werden kann“ (Axiom der Ausdr ü ckbarkeit; ibid.: 182), lässt sich schlussfolgern, dass entsprechend auch die prinzipielle Möglichkeit der Übersetzung gegeben sein muss (cf. ibid.: 183), beispielsweise durch Umschreibung oder mit Hilfe metasprachlicher Erläuterungen (cf. ibid.: 184).

Allerdings, so räumt Koller ein, ist es strittig, ob ein TL Text, der entscheidende Qualitäten des [SL]-Textes nur in zusätzlichen Kommentaren vermittelt, als eigentliche Übersetzung [gilt] (Beispiel: in der Übersetzung eines poetischen Textes wird in Fußnoten auf die klanglichen und rhythmischen Eigenschaften des Originals hingewiesen)? (ibid.: 184)

Da Fußnoten die „sprachlich-stilistische Identität“ des SL Textes zerstören könnten, zieht er den Schluss, dass die prinzipielle Übersetzbarkeit auf die denotative Funktion der Sprache begrenzt ist (cf. ibid.: 184-185). Darüber hinaus lässt sich auch die mangelnde praktische Anwendbarkeit einer Theorie der prinzipiellen Übersetzbarkeit kritisieren (eigene Schlussfolgerung) - so beschreibt z.B. Buzzoni (1993: 24), dass bei Fällen, die man der cultural untranslatability zuordnen könnte „die ganze Weltanschauung der Ausgangskultur“ in der Übersetzung erklärt werden müsste, „was eine de facto kaum zu lösende Aufgabe darstellt“.

3.2.2. Relative Übersetzbarkeit

Koller (1992: 161) fasst verschiedene Ansichten zur Übersetzbarkeit zusammen:

[E]s reicht von der These der absoluten Übersetzbarkeit […] über die Bejahung der Übersetzbarkeit im Teilbereich der denotativen Bedeutung bzw. der ‚rationalen Komponenten‘ des Informationsgehalts […] zur Verneinung der Übersetzbarkeit für eine ganze Textgattung […] und zur Charakterisierung des Übersetzens als eine prinzipiell unmögliche Aufgabe.

Er stellt dabei die verschiedenen Grade der Übersetzbarkeit ‚Absolute Übersetzbarkeit‘, ‚Absolute Unübersetzbarkeit‘ und ‚Teilweise Übersetzbarkeit‘ in Zusammenhang mit dem Abstand der kommunikativen Zusammenhänge zwischen Ausgangssprache und Zielsprache schematisch dar (cf. Koller 1992: 164; siehe Abbildung 1, Anhang). Dabei stehen Übersetzbarkeit und die Größe des Abstandes der kommunikativen Zusammenhänge in negativer Korrelation, d.h. mit zunehmendem Abstand nimmt die Übersetzbarkeit ab (cf. ibid.: 166). Die beiden Extremfälle liegen dann vor, wenn der kommunikative Zusammenhang der Ausgangs- und Zielsprache identisch ist, in Kollers Beispiel wäre dies der Fall bei einer „mehrsprachigen Stadt, in der die Einwohner zweisprachig aufwachsen“ (= absolute Übersetzbarkeit; cf. ibid.: 164-165). Der Gegenpol liegt dementsprechend dann vor, wenn „die kommunikativen Zusammenhänge von AS und ZS keinerlei Gemeinsamkeit aufweisen“ (= absolute Nicht-Übersetzbarkeit; ibid.: 165). Bei einer Überlappungen der Sprachzusammenhänge liegt eine teilweise Übersetzbarkeit vor (cf. ibid.: 165). Koller (ibid.: 166) betont dabei, dass diese Schematisierung stark vereinfachend ist und weitere Kriterien mit einbezogen werden müssen um der Wirklichkeit, der Kreativität und der Heterogenität der Sprache, den metakommunikativen Möglichkeiten der Sprache, dem In-Texten-Vorkommen sprachlicher Einheiten und der Leistung des Denkens im Erkenntnis- und Verstehensprozess […] Rechnung [zu tragen].

So spielt beispielsweise die Thematik des Textes eine entscheidende Rolle.9 Auch hebt Koller hervor, dass eine geringe Distanz zwischen der Ziel- und Ausgangskultur auch Schwierigkeiten bergen kann, die durch „unauffällige kulturelle Unterschiede entstehen, gerade weil die Anbindung an das Vorwissen des [Ziel-]Empfängers erleichtert zu sein scheint“ (ibid.: 167). Er spricht in diesem Zusammenhang von „ offenen und verdeckten kulturspezifischen Elementen “ (ibid.).

Koller (1992: 173) setzt Theorien der Unübersetzbarkeit seine Auffassung einer „ relativen Ü bersetzbarkeit “ entgegen, indem er argumentiert, dass das praktische Gelingen von Übersetzungen, auch zwischen Sprachen mit „voneinander stark abweichenden kommunikativen Zusammenhängen“, die grundsätzliche Möglichkeit der Übersetzung belegt. Darüber hinaus betont er, dass „die menschliche Sprache offensichtlich wesentlich flexibler, dynamischer und vielschichtiger ist“ als in einigen Theorien dargestellt und „das Verhältnis von Sprache - Wirklichkeitsauffassung - Wirklichkeit ein dynamisches“ ist: Kommunikative Zusammenhänge unterliegen Veränderungen, indem die Sprachverwendung an kommunikative Bedürfnisse angepasst wird (cf. ibid.: 173). „Jede Übersetzung verändert in diesem Sinne sowohl die ZS als auch [den] zielsprachigen kommunikativen Zusammenhang“ (ibid.: 173). Als zweites Argument für seine These der relativen Übersetzbarkeit, erläutert Koller (ibid.), dass Sprache, neben einer kommunikativen, eine „metakommunikative Funktion“ hat und es somit möglich ist scheinbar „‘unübersetzbare‘ konnotative Werte“ von Begriffen mittels Fußnoten oder Kommentaren zu erläutern (ibid.: 173). Weiterhin kann ihm zufolge kein „kausales und unmittelbares Abhängigkeitsverhältnis von Sprache und Denken postulier[t]“ werden, da dieses den „(teilweise) unzweifelhaft sprachunabhängigen universalen Charakter der menschlichen Erkenntnisf ä higkeit “ außer Acht lässt“ (ibid.: 174); so ist Sprache zwar von Kultur abhängig, jedoch ist es möglich „im Erkenntnisprozeß […] sprachlich vermittelte[…] Denkschemata zugleich [zu] reflektier[en] und damit [zu] überwinden“ (ibid.). Auch innerhalb verschiedener Einzelsprachen existieren verschiedene Varietäten und somit verschiedene Weltbilder (cf. ibid.: 174) - so wird dieselbe Einzelsprache „in ganz unterschiedlichen Kulturen gesprochen (man denke an das Englische und Französische in den ehemaligen Kolonien)“ (ibid.: 175). Schließlich hebt Koller (1992: 177) deutlich hervor, dass die Bedeutung eines Textes vom Leser/Hörer „als aktives, verstehenwollendes Subjekt, das seine Verstehensvoraussetzungen mit der Textlektüre kontinuierlich erweitert “, konstruiert wird; unübersetzbare Wörter treten „kaum isoliert, sondern meistens in Textzusammenhängen“ auf, d.h. die Bedeutung eines isolierten Wortes oder Satzes kann aus dem Kontext erschlossen werden. „Das gilt für den Leser des Originaltextes wie für den Übersetzer“ gleichermaßen (ibid.).

3.3. Genrespezifische Schwierigkeiten bei Gedichtübersetzungen

Jones (2011: 29) beschreibt Genredefinitionen als geographische und zeitlich variable soziale Übereinkünfte, bei denen knowledge structures […] are acquired and maintained via action and discourse (reading and writing poems or reviews, say) between subjects within interest networks (poetry writers and readers, say) and imagined communities (late-20th-century UK society, say).

Genrezuschreibungen basieren ihm zufolge auf der intrinsischen Form („the text’s features and structures of language use” ibid.), so wie beispielsweise dem Gebrauch von Metrum, Reim und rhethorischen Stilmitteln (cf. ibid.: 29 - 31), der extrinsischen Rahmung („features around the poem’s text” ibid.: 32), wie beispielsweise kurze Zeilen oder eine Beschreibung auf einem Buchcover, die die beinhalteten Texte als Gedichte markiert (cf. ibid.) und der Funktion des Gedichts. Ob ein Text als Gedicht angesehen wird oder nicht, so Jones (2011: 32), wird auf der Basis der genannten Kategorien vom Leser beurteilt; jedoch muss nicht jedes Gedicht alle Merkmale enthalten um als solches zu gelten (cf. ibid.: 2). Je mehr Merkmale auftreten, „the more rapidly the audience accepts a text as a poem” (ibid.: 32).

Aufgrund der intrinsischen Merkmale von Gedichten und der starken Verknüpfung von Inhalt und Form, bezeichnen eine Reihe von Autoren und Übersetzern das Übersetzen von Gedichten als „[more] difficult[…] than the translation of prose” (Connolly 2001:171) oder als (annähernd) unmöglich (cf. ibid.; Frost 1969: 159; Jakobson 1971: 266). Jakobson (ibid.) beispielsweise konstatiert:

poetry by definition is untranslatable. Only creative transposition is possible: either intralingual transposition - from one poetic shape into another, or interlingual transposition - from one system of signs into another, e.g. from verbal art into music, dance, cinema, or painting.

Da in einem Gedicht Form und Inhalt unweigerlich miteinander verknüpft sind (siehe Bassnett 1999: 269) und der poetische Sprachgebrauch von der Alltagssprache abweicht (siehe Connolly 2001: 170; Leech 1969: 5), liegt in einer Gedichtübersetzung ein Schwerpunkt auf Stilistik und Form:

Style is one of the features that distinguishes literary translation - and in particular poetic translation - from other forms of translation, and since readers expect to find in a translation those peculiar characteristics that mark a text as belonging to a particular poet, a poetic translation necessarily involves close attention to matters of style. (Connolly 2001: 173)

Kumar Das (2008: 54) betont das Zusammenspiel der einzelnen Elemente eines Gedichts: „In a poem sounds, rhythm, words, images, symbols, etc. are not only present together, but they also act on one another”. Somit sind auftretende sprachliche bzw. stilistische Besonderheiten wie Polysemie oder Oligosemie in der Regel nicht auf eine einzige, dem Kontext zu entnehmende Bedeutung, zurückführbar, welche dann bei der Übersetzung übertragen werden kann (cf. Catford 1965: 96), sondern in Hinblick auf ihren vollen Bedeutungsumfang gewählt, d.h. auch Konnotationen oder weitere Bedeutungen eines im Ausgangsgedicht gewählten Begriffes sind als funktional-formal relevant anzusehen (eigene Schlussfolgerung).

Während einige Autoren Übersetzung als das Finden von Äquivalenzen auf verschiedenen sprachlichen Ebenen definieren, betont Raffel (1988: 11), dass zwischen zwei Sprachen niemals exakte sprachliche Äquivalenzen vorliegen können und es somit „literally impossible“ ist, „to fully render anything written in one language to another”. Eine Reihe von Autoren sowie Theoretikern fordert, dass ein übersetzter Text einen „equivalent effect” erzielen soll, wie das ursprüngliche Gedicht, so zum Beispiel Benjamin (1996: 258), demzufolge die Absicht des Autoren in die Zielsprache übertragen werden sollte, mit dem Ziel ein „echo of the original” zu kreieren. In ähnlicher Weise beschreibt Tricás (1995: 33) literarische Übersetzung als eine Übertragung der Funktion und betont dabei die Neukreation des Textes:

Das Übersetzen besteht strenggenommen aus einem Kommunikationsakt, bei dem versucht wird den Sinn einer Nachricht durch die Schöpfung einer äquivalenten Nachricht in einer anderen Sprache mit einer ähnlichen kommunikativen Funktion zu reproduzieren, ausgedrückt in der größtmöglich adäquaten Form, um von einem anderen Leser in einer anderen Situation verstanden werden zu können.10 (eigene Übersetzung)

Wenngleich die Funktion eines konkreten Gedichtes kaum definiert werden kann, sind einige in Gedichten wiederkehrende Elemente und Wirkungen identifizierbar: „the ‘descriptive meaning‘ as well as the more subtle meanings that literary writers cultivate[,][…] formal features that can be matched: a beginning and an end; shifts from (say) description to direct speech and back again; a number of chapters or cantos or verse; and often a narrative structure“ (Reynolds 2011: 28). Je mehr dieser Elemente annäherungsweise übertragen werden können, desto eher gelingt eine Übersetzung (cf. ibid.).

Da nicht auf allen sprachlichen und funktionalen Ebenen eines Gedichtes ein äquivalenter Effekt erzielt werden kann, ist der Übersetzer kontinuierlich mit „choices and compromises” konfrontiert (Connolly 2001: 174), welches sprachliche Level und welche Merkmale des Ausgangstextes er zu übertragen versucht. Aufgabe des Übersetzers ist es demnach saliente Merkmale des Ausgangstextes zu identifizieren und zu übertragen, wenngleich, wie Reynolds (2011: 28) einräumt, „there is room for disagreement as to what counts as a ‚salient element‘“. Problematisch bei der Übersetzung von Dichtung ist dabei, dass im Gegensatz zu anderen literarischen Gattungen häufig eine Entscheidung des Übersetzers zwischen der Annäherung an die von ihm / ihr als saliente Merkmale identifizierten formalen Elemente (Metrum, Reim, rhetorische Mittel) und der Bedeutung getroffen werden muss und diese zugleich nur angenähert aber nicht vollständig reproduziert werden können:

‚It is the rhythm that matters here, no it is the syntax, no it is the particular heft of this word, no it is the word’s echo in this other word over here, no it is all these things together‘ - translators might be thinking before screaming and throwing their originals against the wall. Then comes the reaction: well actually I can catch this, reproduce that; actually, this nuance, at least, will leap across. (Reynolds 2011: 28-29)

Diese zahlreichen Entscheidungen implizieren was Jones (2011: 32) ebenfalls in seinem Modell Poetry Translation Action anspricht: der Prozess des Übersetzens eines Gedichtes ist vielmehr als ein Neuschreiben des Gedichtes in der Zielsprache zu verstehen, welches auf der Interpretation des Übersetzers basiert und von dessen Kognition, Emotion, Kreativität und Metakognition bestimmt wird (cf. ibid.: 33-41) und ist somit ein höchst subjektiver Prozess. „[T]ranslation is first of all an act of reading, and just as there is no single way of reading a poem, there is no one interpretation and translation of it” (Connolly 2001: 173; siehe auch Holmes 1988: 25, Bassnett 1994: 80- 81). Weiterhin ist hervorzuheben, dass literarische Genres und Formen veränderlich sind und sich in verschiedenen Kulturen unterscheiden:

All literary forms develop in one language and, over time, may be used in others - but always in adapted fashion. Of Italian origin, the sonnet spread all across Europe; more recently, it has come to Asia. But in each of its new homes the form has become something different - and the longer its tenure in a new language and culture, the more different it grows. (Raffel 1988: 63)

Dementsprechend, so zeigt Raffel (ibid.: 79) in einer kontrastiven Analyse von Übersetzungen aus unterschiedlichen Sprachen in das Englische, lässt sich eine literarische Form, die an die spezifische Literaturgeschichte der jeweiligen Kultur gebunden ist, nicht in eine andere Sprache und Kultur übertragen.

4. Schwierigkeiten beim Übersetzen ausgewählter Elemente auf verschiedenen sprachlichen Ebenen

Zu den häufigsten formalen Elementen, die in Texten verwendet werden „to enhance the impact and appeal of a text“, zählt Nida (2001: 78-79) beispielsweise ungebräuchliche Wortstellung, Wiederholungen von Einzelworten und Phrasen, Parallelismus, Reim oder Rhythmus. Als zentrale semantische Elemente, die zu diesem Zweck verwendet werden beschreibt er unter Anderem Wortspiele, die bewusste Verwendung mehrdeutiger Begriffe, Ironie, Euphemismen oder Bildsprache (cf. ibid.: 79). Für diese einzelnen Elemente Übersetzungsstrategien zu formulieren erachtet Nida (ibid.: 81) als „waste of time“:

no two situations are ever really the same. The purpose of a publication, the intended audience, the ways in which a text will be used, and the special skills and knowledge of the translator are all factors that vary radically from one text to another.

Die adäquate Übersetzbarkeit dieser Elemente ist abhängig von der Expertise und Kreativität des Übersetzers, sowie dessen Einschätzung des Vorwissens des impliziten Lesers, sodass beispielsweise abgeschätzt werden kann, ob Erläuterungen mittels Fußnoten notwendig sind (cf. ibid.: 81). Bassnett (1994: 80) führt aus, dass der Grad zu dem der Übersetzer „form, metre, rhyme, tone, register etc. of the SL text“ widergeben kann, „will be as much determined by the TL system as by the SL system and will also depend on the function of the translation”; ebenso betont sie die Rolle des impliziten Lesers und dessen Vorwissen in Bezug auf die Ausgangssprache und „socio-literary conventions of the SL system“ (ibid.: 80-81). Wie bereits im Zitat Bassnetts angedeutet, ergeben sich neben formalen und semantischen Elementen beim Übersetzen auch systembedingte Übersetzungsschwierigkeiten, d.h. die „durch die Unterschiedlichkeit der beiden Sprachsysteme bedingt sind” (Königs 2004: ix). Hawkins (1986: xiii) erläutert in Bezug auf Unterschiede des Englischen und Deutschen:

modern English and Modern German […] two genetically closely related languages, so similar at the time of the earliest historical records, now exhibit considerable contrasts in their grammars.

Als spezifische Teilbereiche, die in den beiden Sprachen stark voneinander abweichen, identifiziert er „grammatical morphology; word order; basic grammatical relations; clause-external movement rules; deletions; and rules of semantic interpretation”.

4.1. Metaphern

Whilst the central problem of translation is the overall choice of a translation method for a text, the most important particular problem is the translation of metaphor. By metaphor, I mean any figurative expression: the transferred sense of a physical word […]; the personification of an abstraction […]; the application of a word or collocation to what it does not literally denote, i.e., to describe one thing in terms of another. All polysemous words (a ‘heavy* heart) and most English phrasal verbs (Lput off, dissuader, troubler etc.) are potentially metaphorical. Metaphors may be ‘single’ - viz. one-word - or ‘extended’ (a collocation, an idiom, a sentence, a proverb, an allegory, a complete imaginative text). (Newmark 1988: 104)

In Newmarks Definition der Metapher, die auch Metonymie und Symbole beinhaltet und aus einem Einzelwort, einer Verbindung von Worten oder aus einem Text bestehen kann, wird die Metapher als aus den Bereichen Object („what is described or qualified by the metaphor“), Image („the picture conjured up by the metaphor und Sense („the literal meaning of the metaphor“) zusammengesetzt, welches die Überschneidung der beiden Felder Object und Image darstellt (ibid.: 1988: 104-105). Newmark unterteilt Metaphern in fünf Kategorien (dead, clich é , stock, recent und original) und beschreibt Übersetzungsstrategien für die einzelnen Kategorien (cf. ibid.: 104-113). Snell-Hornby (1996:119) kritisiert, dass eine solche Typologisierung problematisch ist, da bei der Anwendung auf konkrete Texte vor allem Schwierigkeiten bei der Unterscheidung der mittleren drei Kategorien auftreten. Darüber hinaus können Metaphern ihre Kategoriezugehörigkeit verändern und „whether a quotation is recognized as such or whether even a double sense is perceived often depends on the knowledge and experience of the individual reader” (ibid.: 119-120). Jedoch betont sie, dass die beiden Extrempole dieses Kategorisierungsansatzes, dead und original metaphors, für Übersetzungstheorien relevant sein können (cf. ibid.). „Dead metaphors” […] are not creations of poets, but result directly from meaning extension, and as such are common property of all users of a language” (Tabakowska 1993: 68); häufig beziehen sie sich auf Zeit- und Ortsangaben, Körperteile, „general ecological features and the main human activities” (Newmark 1988: 106). Sie werden unbewusst im normalen Sprachgebrauch verwendet (cf. ibid.) und sind „no longer recognizable as metaphors” (Snell-Hornby 1996: 119). Der Gegenpol individual oder original metaphors kennzeichnet sich durch „novel uses of expressions that embody meaning extensions” (ibid.); d.h. diese sind weniger etabliert (cf. Tabakowska 1993: 68). Tabakowska beschreibt, dass bei der Übersetzung von dead metaphors Schwierigkeiten in der „incompatibility of a similar nature” (ibid.) liegen, während die Übersetzungsschwierigkeiten bei original metaphors weniger grammatischer Art sondern „cognitive restrictions” sind: „It would become ‘untranslatable’ only if it were to evoke, in the mind of the reader of the translation, a cognitively incoherent image” (ibid.: 69). Sie schlussfolgert: „translatability of metaphors across language is relative in nature: the possibility of their adequate rendering in another language, as well as the translator’s actual choice, depend crucially on the ‘structure and function of the metaphor within the text concerned’” (ibid.: 70); auch Snell-Hornby (1996: 118) hebt hervor, dass die Übersetzbarkeit von Metaphern als Kontinuum zu betrachten ist, anstatt von absoluter Übersetzbarkeit oder Unübersetzbarkeit zu sprechen.

[...]


1 SL bezeichnet Source Language (im Fließtext ausgeschrieben Ausgangssprache), TL bezeichnet Target Language (im Fließtext ausgeschrieben Zielsprache).

2 Für eine detaillierte Beschreibung der Differenzen und Gemeinsamkeiten von Sprache und Kultur siehe Nida (2001): 13-28.

3 Hierbei ist anzumerken, dass wesentliche Teile der Relativitätshypothese (auch Sapir-Whorf Hypothese) heute als falsifiziert gelten, bzw. dass „bis heute keine Untersuchungen vorliegen, die auf empirischer Basis die Relativitätshypothese mit einem umfangreicheren, auf mehrere Sprachen bezogenen Material untermauern könnten“ (Koller 1992: 172).

4 Der Begriff Ä quivalenz wird im Rahmen dieser Arbeit als Entsprechung für das englische equivalence gewählt; Snell-Hornby diskutiert, inwiefern Bedeutungsunterschiede der beiden Begriffe aus der historischen Entwicklung und der Verwendung derselben im englischen und deutschen Sprachraum resultieren. Siehe hierfür Snell-Hornby (1988:17-22).

5 Siehe hierfür beispielsweise Tyson (2015): 161-197.

6 Originalzitat: „comparación de estructuras lingüísticas“ (ibid.:15).

7 Originalzitat: „el contexto, la situación, la intención y sobre todo el destinatario“ (ibid.).

8 Originalzitat:„siempre hay un medio u otro de hacer pasar el mensaje al destinatario, ya sea mediante equivalencia terminológica, conceptual, formal, ya sea mediante perífrasis explicitativas, ya sea mediante adaptación, ya sea mediante calco, o préstamo“ (Hermosilla 1994: 15).

9 Dies soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter ausgeführt werden, da der Bezug hierbei eher auf nicht-literarischen Texten liegt. Siehe hierfür Koller (1992): 167.

10 Originalzitat: „La traducción consiste estrictamente en un acto de comunicación que pretende reproducir el sentido de un mensaje, mediante la creación en otra lengua, de un mensaje equivalente, con una función comunicativa similar, expresada en la forma más adecuada posible, para que pueda ser entendido por un nuevo lector en una nueva situación” (Tricás 1995: 33).

Ende der Leseprobe aus 71 Seiten

Details

Titel
Schwierigkeiten und Strategien bei der Übersetzung von Gedichten
Untertitel
Eine kontrastive Analyse von Übersetzungen von Goethes "Gefunden" und "Schweizerlied" in das Englische, sowie Blakes "The Garden of Love" und "The Tyger" in das Deutsche
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Anglistik / Amerikanistik; Englisch Linguistik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
71
Katalognummer
V375492
ISBN (eBook)
9783668547346
ISBN (Buch)
9783668547353
Dateigröße
1008 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Linguistik Zulassungsarbeit, Gedichtübersetzung, Translating Poetry, Unübersetzbarkeit, Untranslatability, Lefevere, Holmes, Dryden, kontrastive Gedichtanalyse
Arbeit zitieren
Anna Jenatschke (Autor:in), 2017, Schwierigkeiten und Strategien bei der Übersetzung von Gedichten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375492

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