Einfluss der Lernumgebung auf die Lernmotivation bei Grundschülern


Examensarbeit, 2016

68 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

A. Theoretischer Teil

2. Die Motivation
2.1. Definition
2.2. Die Lernmotivation
2.3. Die Selbstwirksamkeit
2.3.1. Abgrenzung des Selbstwirksamkeitskonzepts gegenüber anderer Konzepte
2.4. Die Selbstbestimmungstheorie nach Edward L. Deci und Richard M. Ryan
2.4.1. Intrinsische und Extrinsische Motivation
2.4.2. Internalisation extrinsisch motivierten Verhaltens
2.4.3. Psychologische Grundbedürfnisse
2.5. Motivationsförderung / Die Theorie im schulischen Kontext
2.6. Schulische Leistungen
2.6.1. Definition
2.6.2. Leistungsbewertung
2.6.3. Noten
2.6.4. Zusammenhang von Leistung und Motivation
2.7. Lernumgebung
2.7.1. Definition
2.7.2. Wahrnehmung der Lernumgebung
2.7.3. Zusammenhang von Lernumgebung und Motivation
2.8. Herleitung der Fragestellung und Hypothesenteil

B. Empirischer Teil

3. Die Studie
3.1. Die Methode
3.2. Stichprobe
3.3. Durchführung
3.4. Die Instrumente

4. Ergebnisse der Studie

5. Diskussion
5.1. Berücksichtigung für die Forschung
5.2. Berücksichtigung für die Praxis
5.2.1. Förderung der psychologischen Grundbedürfnisse (wahrgenommene Lernumgebung)
5.2.2. Transfer in die Praxis
5.3. Fazit

6. Abbildungsverzeichnis

7. Tabellenverzeichnis

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„If there is a cornerstone in the science of human behavior, it must be the field of motivation. Motivational theories ask a fundamental question, namely: What moves a person?” (Ryan, 1998, S. 114).

Antrieb für diese Arbeit ist, die Frage der Lernmotivation auf der Ebene von Schule und Unterricht zu untersuchen. Es soll herausgefunden werden, was Schülerinnen und Schüler zum Lernen bewegt. Darüber hinaus wird versucht zu beleuchten, weshalb manche dem Lerngeschehen aufmerksam und gespannt folgen, während andere mit ihren Gedanken abschweifen. Die Motivations- und Interessenforschung führt die verschiedenen Qualitäten motivierten Lernens auf vielfältige Ursachen zurück.

Die vorliegende Arbeit wird eine pädagogisch-psychologische Perspektive der Motivation einnehmen. Dabei werden die motivationsunterstützenden Bedingungen sowie die im Unterricht aktivierte Lernmotivation in den Blick genommen. Der pädagogische Kontext der folgenden Untersuchungen ist die primäre Schulausbildung. Die schulische Erstausbildung in der Primarstufe findet an dem Lernort Grundschule statt. Schülerinnen und Schüler werden dort jeweils mit vielfältigen Lernanforderungen konfrontiert. Doch nicht alles was Kinder lernen sollen, wird von ihnen auch als anregend, interessant oder wichtig wahrgenommen. Die Art, wie Aufgaben oder Lerninhalte an die Schülerinnen und Schüler herangetragen werden, kann Anreize bekräftigen oder verbergen, kann zu Engagement anregen oder aber demotivieren. Besonders Hauptfächer, wie z.B. Mathematik (Schäfer, 2012), gelten des Öfteren als unbeliebte Fächer, für welche sich die Schüler1 kaum motivieren können. Insbesondere in diesen Fächern lohnt es sich, das motivationale Geschehen im Unterricht zu untersuchen und Möglichkeiten der Förderung von Motivation und Interesse zu erschließen. Dabei ist es interessant zu hinterfragen, wie es einer Lehrkraft gelingen kann, die Motivation ihrer Schülerinnen und Schüler möglichst aufrecht zu halten. Bevor sich jedoch der Frage zugewandt wird, wie man Schüler motivieren kann, wird zunächst geklärt, was Lernmotivation bedeutet und impliziert.

„Alles, was die Menschen in Bewegung setzt, muß [sic!] durch ihren Kopf hindurch; aber welche Gestalt es in diesem Kopf annimmt, hängt sehr von den Umständen ab“ (Friedrich Engels (1820-95); Egger, 2015).

Denkt man an einen lernmotivierten Schüler, so geht man davon aus, dass jener aufmerksam, konzentriert und eigenständig dem Unterricht folgt und mitarbeitet. Doch welche Faktoren sind ausschlaggebend dafür, dass ein Teil der Klasse stärker und ein anderer Teil weniger interessiert ist, obwohl alle demselben Unterricht folgen? Kann hierbei eine Veränderung der Lernumgebung dazu beitragen, dass Schüler, die vorher wenig motiviert waren, anschließend mit Enthusiasmus am Unterricht teilnehmen?

Mehrere Studien bestätigen, dass die Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern im Laufe ihrer Schulzeit stetig abnimmt (vgl. z.B. Anderman & Maehr, 1994; Helmke, 1993; Hidi, 2000; Krapp, 2002; Pekrun, 1993; Wild & Hofer, 2000; Wild & Möller, 2009). Besonders bemerkbar macht sich diese Verminderung im Übergang von der Grundschule an das Gymnasium, da die schulischen Leistungen der Schüler durch die neue Formation der Klasse nun nicht mehr im oberen Drittel, sondern meist im Klassenmittel liegen (vgl. z.B. Nitsche & Dickhäuser, 2012). Außerdem wird als Grund für die Abnahme schulischen Interesses die mangelnde Konformität zwischen Schulcurricula und Schülerinteresse aufgeführt. Des Weiteren weist Eccles in der „Stage-Environment-Fit-Theorie“ (Wild & Möller, 2009, S. 171) darauf hin, dass ein weiterer Grund für abfallendes Interesse an der Vernachlässigung der zu befriedigenden Bedürfnisse je nach Entwicklungsstand zu finden sei. Er führt beispielsweise an, dass mit zunehmendem Alter das Bedürfnis nach Selbstbestimmung wächst. Zu beachten gilt ebenfalls, dass jedes Kind eine eigene Persönlichkeit hat, welche sich durch einen langwierigen Entwicklungsprozess von Geburt an entfaltet und mit fortgeschrittenem Alter erst vollends ausreift (Boeree, 2006). Auf das Individuum wirken Umweltfaktoren und genetische Voraussetzungen ein, die auch durch die Schule und in der Schule geprägt werden. Die Institution Schule bereitet die Kinder und Jugendlichen, neben dem Erwerb von Wissen, auf den Alltag und die Berufswelt vor. So wirken die Erziehungsmethoden und Werte der Lehrkraft auf jedes Kind in ihrem Umfeld ein und prägen dadurch die Lernumgebung. Interesse zu einem Fach entwickelt sich bei jeder Persönlichkeit ganz individuell. Mit Hilfe einer guten Unterrichtsgestaltung kann die Schule dafür sorgen, dass Schülerinnen und Schüler neue Interessensgebiete für sich entdecken. Dies wirkt sich förderlich auf die Motivation in diesem Fach aus, was wiederum die Wahrscheinlichkeit für gute Schulleistungen erhöht. „Je motivierter ein Schüler ist, desto bessere Lernergebnisse erzielt er“ (Otto, 2012, S. 5).

Die vorliegende Arbeit untergliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Der erste Teil der Arbeit schafft eine theoretische Basis für die empirischen Untersuchungen von Lernmotivation und Lernumgebung. Grundlegend ist dabei die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1993). Als Theorie der menschlichen Motivation liefert sie Erkenntnisse darüber, weshalb Menschen bestimmten Tätigkeiten nachgehen und welche Rolle dabei die psychologischen Grundbedürfnisse spielen. Im theoretischen Teil wird überdies auf Fördermaßnahmen eingegangen, um zielgerichtet und positiv auf Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler einzuwirken. Damit einhergehend ist der Faktor der Lernumgebung ein weiterer primärer theoretischer Schwerpunkt, der evaluiert wird. Es wird geklärt, wie Kinder die Lernumgebung wahrnehmen, und wie man als Lehrperson darauf einwirken kann. In der vorliegenden Arbeit liegt daher ein Schwerpunkt auf dem Transfer von theoretischen Grundannahmen der Motivationspsychologie zu konkreten Handlungslinien für den schulischen Unterricht. Um diese Transferleistung umzusetzen, muss vorab geklärt werden, welche Prozesse den Menschen dazu veranlassen motiviert oder demotiviert zu sein. Es wird ferner untersucht, was die Motivation von Schülerinnen und Schülern aufrechterhalten kann und wie man als Lehrkraft dazu beiträgt. Gemäß der Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2004) ist es die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer, die Schüler in ihrem Lernprozess zu unterstützen. Dementsprechend obliegt es den Lehrern die Bedingungen für motiviertes Lernen zu berücksichtigen und herzustellen.

Ziel der Arbeit

Wie bereits erwähnt, spielt die Lernumgebung für Schülerinnen und Schüler eine entscheidende Rolle. Dabei hat jede Lehrkraft ihre eigene Art, Schülerinnen und Schüler zu motivieren und in den Unterricht einzubinden. Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung können sich genauso unterscheiden wie die Persönlichkeiten der Kinder. Die Lernumgebung entscheidet dabei darüber, welche Möglichkeiten die Schüler haben, ihre psychologischen Bedürfnisse zu befriedigen und damit verbunden, motiviert zu agieren (Rakoczy, 2008).

Ziel dieser Examensarbeit ist es daher, den Zusammenhang zwischen wahrgenommener Lernumgebung und Lernmotivation aufzuzeigen und gleichzeitig auf die Selbstwirksamkeit und die Leistung einzugehen. Außerdem geht die vorliegende Arbeit darauf ein, welche Maßnahmen der Motivationsförderungen angewendet werden können, um die Unterrichtsgestaltung zu optimieren. Dabei wird hinterfragt, welche Auswirkungen eine autonomie- und kompetenzunterstützende sowie sozialeinbindende Lernumgebung auf die Selbstwirksamkeit und die Leistung der Schülerinnen und Schüler hat und wie die Leistung durch entsprechende Veränderungen in der Unterrichtsgestaltung gesteigert werden kann.

Zusammenfassend lässt sich die Fragestellung der Arbeit wie folgt formulieren: Können in Bezug auf Motivation, Selbstwirksamkeit und Leistung bestimmte Vorhersagen getroffen werden, wenn man die wahrgenommene Lernumgebung in den Hauptfächern Mathematik und Deutsch einbezieht? Der Fokus wird hierbei auf die Korrelationsstärke dieser Komponenten gesetzt.

Gliederung der Arbeit

In Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit werden die theoretischen Grundlagen vorgestellt. Diese begründen, wie bereits erwähnt, die Selbstbestimmungstheorie der Motivation nach Deci und Ryan und die psychologischen Grundbedürfnisse. Dieses Kapitel bietet einen definierenden und detaillierten Überblick hinsichtlich des Motivationsterminus und -theorie. Dazu werden die Begriffe der Selbstwirksamkeit, intrinsischer und extrinsischer Motivation, sowie die drei psychologischen Grundbedürfnisse, Autonomie, Kompetenzerleben und soziale Einbindung, erläutert. Ein weiterer Fokus wird auf den Begriff der schulischen Leistung und deren Bewertung in den Hauptfächern Mathematik und Deutsch gelegt. Anschließend wird der Zusammenhang zwischen Leistung und Motivation geklärt. Ein weiterer Begriff, der in der theoretischen Auseinandersetzung behandelt wird, ist der Begriff der Lernumgebung. Hierbei wird besonders auf die Stellung der persönlichen Wahrnehmung eingegangen. Das Kapitel endet mit einer Verknüpfung von Lernumgebung und Motivation. Bevor der empirische Teil erläutert wird, werden die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit sowie die dazugehörigen Hypothesen, die sich aus dem Theorieteil ergeben haben, nochmals zusammengefasst.

Kapitel 3 wird Studiendesign und Methode vorstellen und deren Auswahl begründen. Nach dieser Beschreibung folgt die Darstellung des zeitlichen und räumlichen Ablaufs der Datenerhebung. Abschließend werden die für die Studie relevanten Materialien beschrieben. Kapitel 4 veranschaulicht und beschreibt tabellarisch die Ergebnisse der Datenerhebung. Dabei geht es um den Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Lernumgebung, der Motivation und Selbstwirksamkeit, sowie der Leistung in den Fächern Mathematik und Deutsch. Zum Abschluss des Kapitels werden die vorliegenden Ergebnisse hinsichtlich der formulierten Hypothesen analysiert.

Das letzte und fünfte Kapitel widmet sich, nach vorhergehender detaillierter Darstellung der Befunde in Kapitel vier, einer eingehenden Diskussion. In diesem Kapitel wird hervorgehoben, welche Hypothesen bestätigt werden können, welche Barrieren zu beachten sind und welche theoretischen und praktischen Zusammenführungen sich für die Praxis ergeben.

A. Theoretischer Teil

2. Die Motivation

Der Begriff der Motivation wird von verschiedenen Disziplinen in unterschiedlicher Weise definiert. Im Folgenden stelle ich eine Auswahl an Definitionen aus dem pädagogischen Kontext vor und gehe anschließend genauer auf die damit zusammenhängenden Begriffe der Lernmotivation und der Selbstwirksamkeit ein (vgl. z.B. Sacher, 2006; Theobald, 2012; Bandura 1995b). Anschließend stelle ich als eine grundlegende Motivationstheorie die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1993) vor und erläutere ihre Umsetzung im schulischen Kontext. Anschließend gehe ich auf die schulische Leistung und ihre Bewertung, als teilweise messbare Auswirkung von schulischer Motivation, ein. Die Lernumgebung und ihren Einfluss auf die Motivation erläutere ich in Abschnitt 2.7.

In den folgenden Unterpunkten werden daher zunächst grundlegende Prozesse der Motivation behandelt. Nach jenem hauptsächlichen Untersuchungsgegenstand soll eine Spezialisierung über die Lernmotivation angestellt und untersucht werden. Um die Selbstbestimmungstheorie besser verstehen zu können, wird vorab eine Einführung zur Selbstwirksamkeit gegeben.

2.1. Definition

Wilbert (2010) greift auf die etymologische Herleitung der lateinischen Wörter motus („Die Bewegung“) und movere („bewegen“) zurück, um den Begriff der Motivation zu beschreiben. Oerter geht tiefer und meint, „wenn man von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Motivation ausgeht, so dient es als Erklärung und Beschreibung dafür, warum wir uns bewegen, ‚bewegt‘ werden und ,bewegen lassen‘.“ (1998, S. 758). Nach Rudolph (2007) bezeichnet der Begriff Motivation all das, was einen Menschen zu einer Handlung veranlasst. Motivation ist demnach die „Gesamtheit der Prozesse, die zielgerichtetes Verhalten auslösen und aufrechterhalten“ (ebd.).

Die meisten Annahmen zu menschlicher Motivation betonen die Effekte der sozialen Umwelt auf das Handeln des Menschen und erforschen, wie sich Belohnungen und Anreize auf menschliches Verhalten auswirken. Auf diese Weise werden Erkenntnisse darüber gewonnen, was effektives Funktionieren begünstigt und aufrechterhält. Das Wort Motivation drückt aus, welchen Gemütszustand man bezüglich einer Handlung einnimmt. Der Grund, welcher Menschen in Bewegung setzt und sie dazu antreibt, bestimmte Handlungen auszuführen, liegt in der Motivation begründet. Allgemein könnte man diese Empfindungen auch mit dem Drang etwas zu tun beschreiben. Spricht man von diesem Drang, so können Motive und Anreize Faktoren dafür sein, einen Antrieb hervorzurufen, zu steigern oder gar zu beeinflussen. Menschen verbinden Handlungen mit gewissen Motiven, welche durch einen bestimmten Aufwand an Arbeit erreicht werden können (Schmalt & Schneider, 2000). Somit können jene Motive als Beweggründe des Handelns beschrieben werden, wobei Motivation aus einer Anzahl von Motiven bestehen kann. Laut Rheinberg (2006b) ist die Motivation als situationsspezifische, aktuelle Verhaltensbereitschaft zu verstehen, während Motive überdauernde Eigenschaften der Person bezeichnen. Hinzu kommt, dass ein Arbeitsaufwand überwunden werden muss, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen. Wir erfahren solche Hindernisse in vielfältigen Lebenssituationen, welche nicht immer einen schulischen jedoch oft einen lerntechnischen Kontext haben.

Laut Rheinberg und Vollmeyer (2012) kann der Motivationsbegriff als ein „hypothetisches Konstrukt“2 bezeichnet werden, da man Motivation nicht direkt „sehen“ kann. Um Motivation jedoch bei anderen Personen wahrnehmen zu können, müssen spezifische „Indikatoren im Verhalten, Denken und emotionalen Erleben“ (Dresel & Lämmle, 2011, S. 81) erschlossen werden. Des Weiteren wird Motivation als ein „Prozess der Initiierung, Steuerung, Aufrechterhaltung physischer und psychischer Aktivitäten“ verstanden, „einschließlich jener Mechanismen, welche die Bevorzugung einer Aktivität sowie die Stärke und Beharrlichkeit von Reaktionen steuern“ (Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 503). Nerdinger (2004) bringt drei weitere Begriffe mit ein. Für ihn erklärt Motivation die Richtung, Intensität und Ausdauer menschlichen Verhaltens. „‚Richtung‘ bezeichnet die Entscheidung für ein bestimmtes Verhalten, ‚Intensität‘ betrifft die Energetisierung des Verhaltens, ‚Ausdauer‘ die Hartnäckigkeit, mit der Ziele angesichts von Widerständen verfolgt werden.“ (Nerdinger, 2004, S. 92). Wichtig erscheint auch die Begriffserläuterung von Rheinberg, welche Motivation als „eine aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg & Vollmeyer, 2011, S. 15) definiert. Hierbei wird der Fokus auf eine aktivierende Ausrichtung der Handlung gesetzt, welche einen negativen Zielzustand möglichst ausschließt. Jener Zustand kann durch verschiedene Lebenssituationen illustriert werden. Je höher demnach die Ziele gesetzt sind, umso höher wird vergleichbar auch die individuelle Leistungsbereitschaft ausfallen. Dies bezeichnet die aktivierende Ausrichtung. Wer stärker motiviert ist, der erbringt demnach auch bessere Leistungen (vgl. Deci & Ryan, 2008).

„Triebe oder das Interesse an einer Sache oder die Attraktivität von Personen oder Dingen können uns zu bestimmter Aktivität veranlassen“ (Edelmann & Wittmann, 2012, S. 229). Unter den, in dieser Definition, beschriebenen Trieben können auch von außen herangetragene Reize oder subjektiv geltende Motive verstanden werden, nach welchen man überlegt und abwägt, wie hoch die Anstrengungsbereitschaft ausfallen wird, um eine bestimmte Tätigkeit auszuführen. Der für diese Arbeit relevante Kontext der Motivation begründet sich im Schulwesen. Hierbei können als positive Zielzustände gute Noten, Anerkennung, oder individueller Stolz auf die erbrachte Leistung dienen. Gleichzeitig findet hier jedoch auch das Vermeiden eines negativen Zielzustandes statt, welcher im Umkehrschluss eine schlechte Note, abwertende Reaktionen des Umfelds oder die Enttäuschung über die eigene Leistung beschreibt (Ding, 2013, S. 7).

Für die Entstehung von Motivation gilt einheitlich laut Mienert und Pitcher (2011), dass eine Aufgabe oder eine Handlung generell als „ausführbar/möglich/zumutbar“ verstanden werden muss und die ausführende Person eine Bedeutsamkeit und Relevanz in der Handlung erkennen sollte. Demnach ist menschliches Verhalten intentional gesteuert, was bedeutet, dass ein Mensch dann zu einer Handlung motiviert ist, wenn er glaubt, damit ein bestimmtes Ziel erreichen zu können. Wenn Verhalten nicht auf Intentionen beruht, kann es auch nicht als motiviert bezeichnet werden (Deci & Ryan, 1993). Hierfür werden bestimmte Motive verfolgt. Besonders wichtige Motive stellen dabei zum Beispiel die Interessen, die Leistung und die soziale Nähe dar. Weitere wichtige Komponenten der Motivation werden in Werten und Erwartungen gesehen (vgl. Dresel, 2004). Gemeinsam umfasst dies das Grundmodell der Motivationspsychologie, welches besagt, dass jeder Mensch eine individuelle Ausprägung der jeweiligen Motive besitzt, welche wiederum nur situationsgebunden aktiv werden. Wird ein subjektives Motiv als wichtig und situationspassend empfunden, entsteht daraus ein Anreiz, welcher wiederum die aktuelle Motivation bestimmt. Die Motivation wiederum bestimmt im Folgenden das angestrebte Verhalten.

In der Motivationspsychologie geht man außerdem von drei verschiedenen Leitmotiven aus. Das Leistungsmotiv (individuellen Leistungsanspruch), das Machtmotiv (Beeinflussung anderer Menschen), und das Anschlussmotiv (soziale Nähe und zwischenmenschliche Beziehung) (Rheinberg & Vollmeyer, 2000). Erreichen Personen ihren Zielzustand, reagieren sie mit Emotionen. Für das Konstrukt der Motivation erkennt man positiv- aktivierende und positiv-deaktivierende Emotionen. Diese sind beispielweise Freunde und Hoffnung, oder Erleichterung und Entspannung und erhöhen die intrinsische Motivation, welche als leistungsfördernd angesehen wird (Frenzel, Götz & Pekrun, 2007). Dies führt zu dem Begriff der Lernmotivation.

2.2. Die Lernmotivation

Das Konzept der Lernmotivation ist eine besondere Form der Motivation, welche grundlegend auf der Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Deci & Ryan (1993)3 basiert. Diese beschreibt die Absicht oder Bereitschaft einer Person, sich, bezogen auf eine bestimmte Situation, lernend mit einem in dieser Situation vorkommenden Gegenstand auseinander zu setzen (Theobald, 2012). Sie formuliert ein hypothetisches Konstrukt, welches für den Antrieb von Lernaktivitäten zuständig ist. Zu beachten ist, dass dabei Lernverhalten und Handlungsbereitschaft von jeder Person unterschiedlich praktiziert werden. Dafür verantwortlich ist das Grundmodell der Motivation, welches die individuelle Ausprägung der Motive und den situationsbedingten Anreiz berücksichtigt. Weshalb Menschen sich differenziert mit Themen auseinandersetzen, liegt in der Neigung bezüglich eines bestimmten Gegenstandsbereiches begründet. Dieses spezielle Motiv wird hierzu und im Folgenden als Interesse beschrieben (vgl. Rheinberg & Vollmeyer, 2000). Das Interesse bezieht sich auf einen Gegenstand oder eine Person und zeigt sich häufig am Erleben von positiven Emotionen, der Wertschätzung, sowie einer angestrebten Wissenserweiterung in einem Fachgebiet, dem man besondere Begierde zuschreibt (Dresel & Lämmle, 2011). Hauptsächlich ist Interesse durch eine sehr hohe Handlungsintensität gekennzeichnet. Demzufolge wirkt sich Interesse immer auf die Leistung im Lerngebiet aus. Das bedeutet, je höher das Interesse für ein bestimmtes Thema ausfällt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eine entsprechende Leistung zu erbringen. Dabei ist es unwesentlich, ob diese Leistung an die Schule, oder an ein persönliches Erfolgserlebnis gekoppelt ist. Werden positive Emotionen hervorgerufen, stabilisiert oder erweitert sich das Interesse am Lerngegenstand. Dies führt unweigerlich zu einem Leistungserhalt oder gar einer Leistungssteigerung. Neben dem zeitlich überdauernden subjektiven Interesse, kann zusätzlich das situationsbezogene Interesse von hoher Wichtigkeit sein. Hierbei wird punktuell eine erhöhte Aufmerksamkeit auf ein spezielles Thema gelenkt, welches in seiner eigentlichen Natur letztlich uninteressant für die Person sein kann.

Die Merkmale von Interesse sind nach Prenzel und Schiefele (2001) durch kognitive Komplexität des Wissens, positive Emotionen beim Erleben eines Gegenstandes, und dem selbstintentionalen Handlungsbezug zusammenzufassen. Somit bilden Interessen eine absolute Grundlage für eine beständige Lernmotivation. Der Selbstbestimmungsgrad der Lernmotivation steigt Forschern zu Folge von amotiviert kontinuierlich zu interessiert an (Prenzel, Dreschel & Kramer, 1998). Eine ausdauernde Auseinandersetzung mit einer Aufgabe und die Bestrebung, diese erfolgreich zu lösen, illustriert die Motivation zum Lernen. Dieser Sachverhalt implementiert gleichzeitig Eigeninteresse am Lerngegenstand (Theobald, 2012).

Bezogen auf den schulischen Kontext, führt motiviertes Lernen zu qualitativ besseren Lernleistungen und das Gelernte wird dadurch dauerhafter gespeichert (vgl. z.B. Deci & Ryan, 1993; Krapp, 1993). Laut Mienert und Pitcher (2011) bedeutet Lernen eine Ausdehnung des Handlungsspielraums. Sie unterscheiden hierbei zwischen einer Lernzielorientiertheit und einer Leistungszielorientiertheit. So beschreibt sich Erstere durch Aneignen von Wissen zum Selbstzweck, welcher sich am Lernziel orientiert und somit die eigenen Fähigkeiten erweitert. Sind Personen jedoch leistungszielorientiert, so wird Wissen und Leistung erworben, um diese zu demonstrieren. Lob, Anerkennung, und die bestmöglichen Ergebnisse stehen hierbei im Vordergrund. Sie stellen den Antrieb für leistungszielorientierte Personen dar (Mienert & Pitcher, 2011). Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine allgemein erhöhte Motivation im Lernprozess viele Wirkungen zeigt. Theobald definiert die „Form der Motivation, welche die Absicht oder die Bereitschaft einer Person beschreibt, sich in einer konkreten Situation mit einem Gegenstand lernend auseinander zu setzen“ (2012, S. 10) als Lernmotivation. Dies führt dazu, dass Lerner mit einer hohen Motivation ihre Lernhandlungen effizienter planen, um gesammeltes Wissen in einen qualitativ hohen Lernerfolg zu verwandeln. Besonders hervorzuheben ist, dass motiviertes Lernen die Transferleistung und somit die Vermutung erhöht, dass das im Unterricht Einstudierte auch in außerschulischen Kontexten angewandt wird (Prenzel et al., 1998). Auf die vorherige Aussage von Theobald bezogen, schieben Lernende mit hoher Lernmotivation Aufgaben selten auf, fokussieren sich auch in schwierigen Situationen auf das Lernziel und zeigen Durchhaltevermögen. Dementsprechend entsteht durch diese Faktoren ein qualitativ hochwertiger Lernzuwachs. Laut Dresel und Lämmle (2011) besitzen motivierte Lerner ein hohes Repertoire an Lernstrategien, welche sie je nach Situation anwenden und flexibel austauschen können, um einen fortwährenden Lernerfolg verbuchen zu können. Hochmotivierte Personen können ihre Lernphasen außerdem mit Hilfe der Selbstregulation überwachen.

Besonders der Begriff der Selbstregulation ist ein Schlüsselwort für erfolgreiche Lernprozesse und agiert Hand in Hand mit den exekutiven Funktionen unseres Gehirns. Diese sind geistige Prozesse, mit denen man Aufmerksamkeit, Gefühle und Verhalten zielgerichtet steuert (Kubesch, Emrich & Beck, 2011). Kubesch betont im Zusammenhang mit der Lernmotivation und der schulischen Leistung die Bedeutung von Arbeitsgedächtnis, Inhibition und kognitiver Flexibilität. Trotz seiner begrenzten Speicherkapazität4 ist das Arbeitsgedächtnis von großer Bedeutung. Es ermöglicht, Informationen vorübergehend zu speichern, um mit ihnen zu arbeiten. Lernende benötigen es beispielsweise beim Lösen von Aufgaben. Ganz besonders wichtig, für motiviertes Lernen ist die Inhibition, also die Verhaltens- und Aufmerksamkeitskontrolle. Jene Faktoren der bewussten Handlungssteuerung befähigen Personen, Impulse zu unterdrücken und Störreize auszublenden. Durch kognitive Flexibilität kann man sich schnell auf veränderte Situationen einstellen und verschiedene Perspektiven einnehmen (Kubesch, et. al., 2011).

Die Fähigkeit, gegen sein aktuelles eigenes Interesse und gegen die Ablenkung durch andere zu handeln, ist eine speziell dem Menschen zugeschriebene Befähigung. Der Mensch schafft es, Instinkte durch Willensimpulse zu unterdrücken (Schmalt & Schneider, 2000). Diese Vorgänge können auch als „Wille“ oder „Volition“ bezeichnet werden. Einen rein vom Willen gesteuerten Prozess empfindet man als störend oder anstrengender, weil sich die Tätigkeit nicht auf motivationale Aspekte oder auf Interesse zurückführen lässt.

„Sofern bestimmte Dinge, die wir zu tun beabsichtigen, nicht bereits automatisiert sind, sondern das Überwinden psychischer oder dinglicher Widerstände erfordern, brauchen wir einen solchen Willensakt, denn er muss Energien bündeln und Handlungsalternativen unterdrücken. Dieser Wille entsteht in meinem Bewusstsein und wird deshalb als mein Wille empfunden“ (Roth 2003b, S. 179).

In den folgenden Kapiteln werden des Weiteren die beiden Arten der Lernmotivation näher beleuchtet: die intrinsische und die extrinsische Motivation. Diese unterscheiden sich in grober Form im Anreiz der Sache. So bezieht sich die intrinsische Motivation auf innere motivationale Aspekte und die Befriedigung liegt demnach schon im Vollzug der Handlung selbst (Siebert, 2006). Extrinsische Motivation wird dann erzeugt, wenn bestimmte Faktoren von außen motivierend auf die Person wirken (Ding, 2013).

Dennoch sei bemerkt, dass bereits erwähnte Formen der Lernmotivation diesen Begriffen unterzuordnen sind. So lässt sich das von innen initiierte Interesse am Lerngegenstand und die Lernzielorientiertheit ganz eindeutig der intrinsischen Motivation zuordnen. Demgegenüber kann man die Leistungszielorientiertheit der extrinsischen Motivation zuschreiben, da es hierbei in erster Linie um das Ergebnis des Wissenserwerbs und dem daran angeschlossenen Lob und der Anerkennung geht. Diese beiden Arten der Motivation nehmen eine zentrale Rolle in der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (1985) ein, und werden deshalb im nächsten Kapitel näher beschrieben. Um eine Basis zu schaffen, wird zunächst der Begriff der Selbstwirksamkeit erläutert.

2.3. Die Selbstwirksamkeit

Der Begriff Selbstwirksamkeit (Self-Efficacy) wurde von Albert Bandura (1995) geprägt. Eine erste Bedeutung lässt sich über die beiden Wörter selbst und wirken erfahren. Selbst meint, dass die im Zusammenhang genannte Person oder Sache gemeint ist. Spricht man von Personen, so handelt es sich um eigenständig wirkende Personen. Das Wort wirken hat seine etymologischen Wurzeln in dem Begriff Werk. Abgleitet bedeutet wirken demnach arbeiten, oder etwas hervorbringen. Kluge meint, die „Bedeutung ist in der früheren Sprache allgemein ‚machen, herstellen‘ (wie heute teilweise noch in der gehobenen Sprache)“ (1989, S. 795). Selbst wirksam ist also ein Mensch, der selbst etwas tut, oder selbst handelt. Hierbei handelt es sich um die praktisch schaffende Seite. Allerdings kann ein Mensch auch wirken, wenn er durch geistige Tätigkeit etwas hervorbringt und damit eine gewisse Berücksichtigung findet. Dorsdowski (1989) schreibt, wer wirksam ist, bewirkt auch etwas. Diese Bedeutung geht über die körperliche und geistige Ebene hinaus und beschreibt eine Beschaffenheit, die eine bestimmte Wirkung hervorruft. So formuliert die alltagssprachliche Bedeutung der Selbstwirksamkeit die Fähigkeit eines Menschen, aus eigenem Antrieb heraus aktiv tätig zu sein und damit etwas zu bewirken. „Perceived self-efficacy refers to beliefs in one’s capabilities to organize and execute the courses of action required to manage prospective situations.” (Bandura 1995b, S. 2). Laut Banduras Konzept entspricht selbst wirksam zu sein einem menschlichen Grundbedürfnis. Es bedeutet ferner, Kontrolle auszuüben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Banduras Begriffsdefinition von Self-Efficacy Beliefs (Fuchs, 2005, S. 19)

Im Zentrum des Konzepts stehen jedoch nicht die Kontrolle, die ein Mensch ausübt, sondern die mentalen Auslöser des Menschen - seine ‚Beliefs‘. Diese Beliefs beinhalten das Vertrauen in das eigene Können, den Glauben an persönliche Handlungsmöglichkeiten oder die Überzeugungen bezüglich seiner eigener Wirksamkeit. Beliefs beruhen auf individuellen Erfahrungen, welche aus Wahrnehmungen entstehen. Diese können in vielen Fällen getäuscht sein. Wahrnehmungstäuschungen im Zusammenhang mit den Beliefs äußern sich in Form von Selbstüber- und -unterschätzung. Dabei ist ein gesundes Maß an Selbstüberschätzung wichtig für die persönliche Kompetenzentwicklung, wohingegen Selbstunterschätzung nicht zuletzt in mangelndem Selbstvertrauen begründet liegt.

In der pädagogisch-psychologischen Forschung beschreibt der Begriff des Selbstkonzepts die mentale Repräsentation einer Person (Möller & Trautwein, 2009). Selbstwirksamkeit und Selbstwert sind die zentralen Komponenten dieses Konzepts und basieren auf dem Vertrauen an die eigenen Kompetenzen und den eigenen Wert. Demnach ist laut Jerusalem und Schwarzer (2002) die Selbstwirksamkeit auch gekoppelt an ein solides Selbstvertrauen. Jenes bewirkt neben einem gesteigerten Selbstwert, auch einen positiven Erwartungswert auf Ergebnisse und Situationen. Untersuchungen (vgl. z.B. Flammer, 1990/1995a/1995b; Laskowski, 2000; Seligman, 1992/1999) belegen, dass Menschen, die sich wirksam fühlen, nicht nur mental zufriedener, sondern auch physisch gesünder und optimistischer hinsichtlich ihrer Zukunft sind als Menschen, die sich unwirksam fühlen. Die Überzeugung, in wichtigen Bereichen keine oder nur geringe Kontrolle zu haben, kann zu Unzufriedenheit, Hoffnungslosigkeit, Apathie oder gar Depression führen (ebd.). Die Self-Efficacy Beliefs umfassen all jene Kognitionen, die ein Mensch hinsichtlich individueller Überzeugungen seiner eigenen Wirksamkeit verinnerlicht hat. Sie sind ein Maß für die persönlichen Einschätzungen eines Menschen, für wie kompetent er sich in Bezug auf ein gewisses Ziel hält.

Im schulischen Kontext ist die Selbstwirksamkeit deshalb von großer Relevanz. Traut sich eine Schülerin oder ein Schüler in einem bestimmten Fach nichts zu, wird das Verhalten und die Leistung entsprechend beeinflusst sein. Dies gilt natürlich auch umgekehrt. Fühlen die Schüler sich kompetent, wird dies die Einstellung und ihre Handlungsweise lenken. Je nach Herausforderungsgrad der zu bewältigenden Situation (Level), nach Intensität der Selbsteinschätzung (Strength) und nach dem Verallgemeinerungsgrad der Selbsteinschätzungen (Generality) fallen auch die Einschätzungen der Wirksamkeit (Self- Efficacy Beliefs) unterschiedlich aus (Bandura 1997). Leichteren Herausforderungen gegenüber schätzen Schülerinnen und Schüler sich demnach wirksamer ein als gegenüber einer extrem schwierigen oder gar unlösbaren Aufgabe. Es ist zu vermuten, dass Schülerinnen und Schüler mit einer hohen Wirksamkeitseinschätzung beständiger an einem Vorhaben dranbleiben als jene die sich bei demselben Vorhaben überfordert fühlen. Sie sind aufgabenorientierter und zeigen in Stresssituationen weniger Nervosität. Bei Rückschlägen schließen diese Schülerinnen und Schüler eher auf äußere Umstände, anstatt diese auf die eigene Kompetenz zu beziehen. Woolfolk (2008) ist der Ansicht, dass die Ausdauer und die Anstrengungsbereitschaft und somit auch die Motivation eines Schülers potentiell ansteigt, je stärker sein Selbstwirksamkeitserleben ist.

Gerster definiert Fähigkeiten als „das Potenzial einer Person“, mit der „Gesamtheit von Kenntnissen, Haltungen und Einstellungen, die ein Mensch sich in gezielten Lernprozessen sowie in praktischer Erfahrung erworben hat“ (2011, S. 10). Unter Kompetenzen hingegen versteht sie eine „Kombination, als Verbindung von Fähigkeiten, die eingesetzt werden, um eine bestimmte Anforderung zu erfüllen oder eine bestimmte Handlung vorzunehmen“

(Gerster 2001, S. 10). Untersuchungen von Selbstwirksamkeitsforschern besagen, dass letztlich jedoch nicht immer die effektiven Fähigkeiten einer Person entscheidend sind für erfolgreiches Handeln, sondern die subjektiven Einschätzungen, die sie hinsichtlich ihrer Kompetenzen besitzen (Bandura 1997). Möller und Trautwein (2009) bezeichnen diese Selbstwirksamkeitserwartungen als persönliche Überzeugungen zukünftiger Leistungen. Otto formuliert die Selbstwirksamkeitserwartungen als „subjektive Einschätzung der eigenen Bewältigungsfähigkeit“ (2007, S. 75).

Konkrete Anregungen zur Förderung der Selbstwirksamkeit im schulischen Kontext sind im Kapitel 2.5 der vorliegenden Arbeit zu finden.

2.3.1. Abgrenzung des Selbstwirksamkeitskonzepts gegenüber anderer Konzepte

Das Konstrukt der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen soll laut Bandura als eigenständiges Phänomen von einer Reihe anderer Selbst-Konstrukte angesehen und abgegrenzt werden (Bandura 1997). Für das vorliegende Kapitel werden exemplarisch nur kurz das Selbstkonzept und der Selbstwert erwähnt.

Unterschied zwischen Selbstkonzept und Selbstwirksamkeit

Laut Bandura (1997) verkörpert das Selbstkonzept ein globales Bild des Selbst, bei dem die Einschätzung der allgemeinen Fähigkeiten im Vordergrund steht. Die Wirksamkeitseinschätzung hingegen stellt ein personen- und situationsabhängiges Bild dar. Sie definiert das Maß der Einschätzung, welche ein Mensch hinsichtlich seiner Bewältigungsfähigkeiten besitzt (Bandura 1997). Das bedeutet, dass er versucht einzuschätzen, was er in einer bestimmten Situation zu tun vermag. Das ist jedoch unabhängig von seinen allgemeinen Fähigkeiten.

Unterschied zwischen Selbstwert und Selbstwirksamkeit

Laut Bandura (1997) besteht kein notwendiger Zusammenhang zwischen der Beurteilung der eigenen Fähigkeiten und dem Selbstwert. Da die Wirksamkeit hinsichtlich einer gewissen Aktivität eingeschätzt wird, also situationsabhängig ist, kann es sein, dass sich ein Mensch in einer bestimmten Situation komplett unwirksam fühlt, ohne dabei an Selbstwert zu verlieren. Dies passiert besonders dann, wenn er seinen Selbstwert nicht mit der Fähigkeit, welche in der entsprechenden Situation gefordert wird, in Verbindung bringt.5

2.4. Die Selbstbestimmungstheorie nach Edward L. Deci und Richard M. Ryan

Im folgenden Teil der Arbeit wird die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan dargestellt und detailliert durchleuchtet.

Die Selbstbestimmungstheorie wurde in den 1980er Jahren von Deci und Ryan (1985) als eine organismische und dialektische Theorie der menschlichen Motivation begründet und seither stetig weiterentwickelt (Deci & Ryan, 1993). Sie bezieht sich auf eine erweiterte Ansammlung von kleineren Motivationstheorien, die sich im Laufe der Jahre stetig weiter ausgebildet haben. „[ ] they all share organismic and dialectical assumptions and all involve the concept of basic psychological needs. [...] together, the mini-theories constitute the SDT“ (Deci & Ryan, 2013, S.9). Organismisch definiert in diesem Zusammenhang die stetige Integration der menschlichen Entwicklung, welche durch intrinsische motivationale Faktoren vorangetrieben wird. Das bedeutet, dass der Mensch von Natur aus aktiv ist und als wissbegieriger, selbstmotivierter und teilnehmender Organismus in seiner internen und externen Umwelt handelt, um effektiv zu sein und seine Bedürfnisse zu befriedigen (Deci & Ryan, 2008). Da die organismischen Integrationsprozesse in einer fortwährenden Interaktion mit den Einflüssen der sozialen Umwelt stehen, ist die Theorie auch dialektisch (Deci & Ryan, 1993).

„In other words, SDT [Self-determination Theory] suggests that it is part of the adaptive design of the human organism to engage interesting activities, to exercise capacities, to pursue connectedness in social groups, and to integrate intrapsychic and interpersonal experiences into a relative unity.” (Deci & Ryan, 2000, S. 229). In der Selbstbestimmungstheorie steht die Motivation intentionalen Verhaltens im Mittelpunkt. „SDT is an approach to human motivation and personality that uses traditional empirical methods while employing an organismic metatheory that highlights the importance of humans’ evolved inner resources for personality development and behavioral self-regulation” (Ryan & Deci, 2000, S. 69).

[...]


1 Werden Personenbezeichnungen aus Gründen der besseren Lesbarkeit lediglich in der männlichen oder weiblichen Form verwendet, so schließt dies das jeweils andere Geschlecht mit ein.

2 „Konstrukt, hypothetisches: Damit werden Erscheinungen und Prozesse bezeichnet, die nicht unmittelbar beobachtbar sind, sondern nur über bestimmte Folge- bzw. Begleiterscheinungen erschlossen werden können.“ (Brunner & Zeltner 1980, S.120f).

3 Diese Theorie wird im Kapitel 2.4.1 detailliert beschrieben.

4 Das Arbeitsgedächtnis hat eine begrenzte Speicherkapazität für eine Dauer von nur wenigen Sekunden. Dort merkt es sich etwa sieben Elementen wie z.B. einzelne Wörter, Objekte und Ziffern.

5 Eine ausführliche Übersicht der verschiedenen Selbstkonstrukte ist in Bandura (1997, S. 212-525) zu finden. 15

Ende der Leseprobe aus 68 Seiten

Details

Titel
Einfluss der Lernumgebung auf die Lernmotivation bei Grundschülern
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,6
Autor
Jahr
2016
Seiten
68
Katalognummer
V375339
ISBN (eBook)
9783668562387
ISBN (Buch)
9783668562394
Dateigröße
1565 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motivation
Arbeit zitieren
Anna Raschke (Autor:in), 2016, Einfluss der Lernumgebung auf die Lernmotivation bei Grundschülern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375339

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