Auswirkungen der Ökonomisierung auf die sozialarbeiterischen Werte


Hausarbeit, 2017

22 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


2
Inhaltsverzeichnis
Einführung ... 3
1. Was ist Ökonomisierung? ... 5
1.1 Ökonomisierung im sozialen Sektor ... 5
1.2 Umgangsweisen mit Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit ... 8
2. Sozialarbeiterische Werte im Kontext des ökonomischen Rationalisierungszwangs ... 10
2.1 Menschenrechte und Menschenwürde gegen Zweckrationalität ... 12
2.2 Soziale Gerechtigkeit gegen wirtschaftliche Effizienz ... 15
Schluss ... 18
Literaturverzeichnis ... 21

3
Einführung
Seit Ende der 1980er Jahren erlebt Soziale Arbeit eine immer weiter um sich greifende
Ökonomisierung. Die Notwendigkeit dazu ergibt sich aus gesellschaftlichen und politischen
Entwicklungen, die in internationaler Globalisierung und wirtschaftlicher Krise sowie daraus
resultierende Finanzierungsnöte zu beobachten sind.
Im Hinblick auf diese neuen Entwicklungen wird Effizienz zum Zauberwort der modernen Gesellschaft
gemacht und vor dem Hintergrund des Sparzwangs
wird es in allen Bereichen gesellschaftlichen
Lebens
aufgefordert, professionelles Handeln mittels Einführung betriebswirtschaftlichen
Steuerungsinstrumenten zu optimieren, bzw. effizienter zu machen.
Infolge des veränderten sozialpolitischen Leitbildes ist auch Sozialstaat und damit Soziale Arbeit
wegen ihrer hohen Kostenaufwendungen in die Defensive geraten und mussten sich aus ökonomischer
Sicht zu legitimieren sowie ihre Qualität und Effizienz zu beweisen. ,,Mit begrenzten Mitteln wirksam
helfen, wird seit jeher von der Sozialen Arbeit erwartet. Wie sie dies im Spannungsgefüge
ökonomischer Rationalität und einem verantwortlichen fachlichen Selbstverständnis zu leisten vermag,
ohne dabei sozial-ethische Standards preiszugeben, ist die aktuelle Herausforderung, die sie zu
bewältigen hat", bemerkt Wilken
1
.
So wird Soziale Arbeit seit der 90er Jahre immer mehr in die Mechanismen marktwirtschaftlicher
Prozesse hineingedrängt, wobei die damit zusammenhängende Auswirkungen kaum in Frage gestellt
wurden.
Mittlerweile sind ökonomische Optimierungs- und Steuerungsprozesse schon ein Teil des
professionellen sozialarbeiterischen Alltags geworden. Jedoch wird das Thema immer wieder in der
Öffentlichkeit in die Diskussion gebracht, denn die Folgen dieser Entwicklung sind in vielen Aspekten
sozialarbeiterischer Tätigkeit zu spüren: Durch den Einzug der Ökonomie in die Soziale Arbeit sind
nicht nur ihre fachlichen und ethischen Ansprüche unter Anpassungsdruck geraten, sondern auch die
Arbeitsbedingungen entstanden, die sowohl mehr Freiraum und Flexibilität verheißen als auch
Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen mit sich bringen
2
.
Die Widersprüche zwischen Ökonomie und Interessen der beruflichen Sozialen Arbeit treten besonders
in ethischen Fragestellungen zutage. Die Übertragung der Logik marktwirtschaftlicher
Produktionsprinzipien auf die sozialen Dienste war aus sozialethischer Sicht von Beginn an durchaus
fragwürdig: Fördern betriebliche Instrumente die aus professioneller sozialarbeiterischer Sicht
1
Wilken 2000, S. 11
2
vgl. Buestrich/Burmester u.a. 2008, S. 101, 115; Dahme/Wohlfahrt 2015, S. 68; Spatschek/Arnegger u.a. 2008, S. 21,
105

4
notwendige Vertrauensbeziehung zum Klienten, damit Hilfeprozesse besser gelingen können? Oder
wird der Hilfemotiv durch rigides Rationalisierung- und Effizienzdrang vielleicht zunichtegemacht?
Ist Soziale Arbeit überhaupt in ,,Produktkataloge" zu fassen? Oder stellen hilfesuchende Klienten
Sozialer Arbeit ,,Kunden" dar? Die wichtigste Frage lautet in diesem Zusammenhang, ob Soziale
Arbeit überhaupt nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erbracht werden darf, bzw. ob sie dann noch
ihrem gesellschaftlichen Auftrag ­ der Achtung von Menschenrechten und Menschenwürde sowie
Förderung sozialer Gerechtigkeit ­ gerecht werden kann. Mit diesen und vielen anderen ethischen
Fragen mussten sich Professionelle der Sozialen Arbeit infolge des neuen outputorientierten
Strukturwandels beschäftigen.
Es lässt sich allerdings schon heute feststellen, die Tendenz nach mehr Effizienz in der Sozialen Arbeit
ist nicht aufzuhalten. Sie wird auch zukünftig nach wettbewerblichen Mustern verlaufen. Einige
Auswirkungen dieser Entwicklung ist es allerding schon heute deutlich zu sehen. Deswegen ist es für
einen sich professionalisierenden Tätigkeitsbereich wie Soziale Arbeit sehr wichtig, sich intensiver mit
deren Parametern auseinanderzusetzen, Schlüsse zu ziehen und sich dann um die eigene Position zu
bemühen. Ethische Argumente scheinen hier besonders wichtig zu sein, da sie notwendige
Handlungsorientierung in Bezug auf Klienten, Institutionen und die eigene Profession bieten sowie vor
Fehlern im beruflichen Handeln schützen.
So wird in dieser Arbeit in erster Linie gezeigt, welche Auswirkungen die Erbringung sozialer Arbeit
nach ökonomischen Handlungsmustern auf die grundlegenden berufsethischen Prinzipien sowie für
die Praxis der in dem sozialen Bereich Tätigen zur Folge hat. Bevor ich auf diese Frage explizit
eingehe, werde ich den Begriff ,,Ökonomisierung" definieren und in Anschluss daran der
Etablierungsprozess der marktähnlichen Handlungskonzepte im sozialen Sektor auf 3 zentralen
Ebenen beschreiben: Auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene, der Ebene der Organisation der
Leistungserbringung sowie auch in den Mikrostrukturen alltäglicher Sozialarbeiter/-in-Klienten
Beziehungen. Es werden außerdem zwei verschiedenen Sichtweisen von Wissenschaftlern und
Praktikern auf die Entwicklung der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit vorgestellt.

5
1. Was ist Ökonomisierung?
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickeln sich die nationalen Wirtschaftsmärkte zu einem
globalen Handelsgefüge. War die Wirtschaft zuvor durch nationalen Vorschriften bürokratisch
organisiert und im Wesentlichen durch Politik gesteuert, findet seit den 70er Jahren der Übergang von
organisierten zu dem ,,sich selbst regulierenden Markt"
3
­ benannt nach dem Konzept von Adam Smith
­ statt. Die moderne Ökonomie löst sich von Beschränkungen nationaler Rahmengesetzgebungen und
breitet sich auf globaler Ebene aus
4
.
Betriebswirtschaftliche Effizienz und ökonomische Rationalität werden seitdem als oberster
Bewertungsmaßstab für alle gesellschaftlichen Bereiche gefordert. Und mittels Ausweitung
marktwirtschaftlicher Regulierungsinstrumente sowie Kürzung öffentlicher Finanzmitteln auf
kommunaler Ebene versucht man, diese Forderung in der organisatorischen Handlungsorientierung
auch durchzusetzen.
Besonders betroffen erwiesen sich in diesem Zusammenhang die Bereiche, die aus dem
wirtschaftlichen Sektor davor ausgeschlossen wurden, und zwar das Bildungs-, Kultur- und
Gesundheitswesen. Auch der durch den Sozialstaat vor dem Markt geschützte soziale Bereich musste
sich nun effizienter und dadurch auch effektiver zu organisieren.
Diese neue Entwicklung der Ausweitung marktwirtschaftlicher Prinzipien auf bislang marktfreie
Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hat den Namen der Ökonomisierung bekommen
5
. Schimank
und Volkmann definieren es z.B. folgendermaßen: ,,Ökonomisierung bezeichnet einen Vorgang, durch
den Strukturen, Prozesse, Orientierungen und Effekte, die man gemeinhin mit einer modernen
kapitalistischen Wirtschaft verbindet, gesellschaftlich wirkmächtiger werden"
6
.
Der Ökonomisierungsprozess entwickelt in der Öffentlichkeit solche Dynamik, die den Eindruck von
,,Invasionen des Marktes"
7
erweckt, was eine heftige Diskussion in der Öffentlichkeit auslöst und
zumeist sehr kritisch angenommen wird.
1.1 Ökonomisierung im sozialen Sektor
Angesichts eines globalen Wettbewerbs und einer totalen Ausrichtung nach mehr Effizienz und
Effektivität wird die Kritik an der Regulierungsform ,,Wohlfahrtsstaat" immer stärker. So, wo
3
Dahme/Wohlfahrt 2015, S. 154
4
vgl. Spatschek/Arnegger u.a. 2008, S. 9-10
5
vgl. Spatschek/Arnegger u.a. 2008, S. 43; Link 2013, S. 15
6
Schimank/Volkmann 2008, S.382; zit. n. Heisterhaben 2015, S. 26
7
Lukes 2005, S. 357

6
anfänglich ein fürsorgerisches System herrschte, das sozialen Problemlagen mit einer Vielfalt an
sozialer Hilfestellungen und Präventionsprojekten entgegenwirken wollte, geht der Trend seit Ende der
80er Jahre in die entgegengesetzte Richtung: Das Sozialsystem wird als ausschließlicher
Kostenverursacher ohne ökonomische und gesellschaftliche Produktivität wahrgenommen und soll
künftig mit seinen Ressourcen sparsamer umgehen sowie seine Kostenaufwendungen reduzieren
8
.
,,Es sollte ein System geschaffen werden, das mehr leistet und weniger kostet und dabei bürgernahe
agiert"
9
, sagt Buestrich.
Mit der Kritik am Sozialstaat gerät auch Soziale Arbeit in eine Krise und erlebt der Umbruch in
Richtung ökonomischen Wirtschaftens und deshalb des Nachdenkens darüber, wie bei schwindenden
finanziellen Mitteln trotzdem noch qualitätsvolle Soziale Arbeit geleistet werden kann. Dabei ist es
keineswegs so, dass die Begriffe ,,Effizienz
"
und ,,Effektivität
"
, ,,Qualität
"
und ,,Wirkung
"
innerhalb
der Fachlichkeit Sozialer Arbeit vorher keine Rolle gespielt hätten. Jetzt müssen sie jedoch anders
nachgewiesen werden.
Allmählich werden Sozialarbeiter gezwungen, sich mit neuen Rahmenbedingungen und Konzepten zu
arrangieren. So dringen ökonomische Prinzipien inzwischen in unseren Arbeitsalltag ein und
bestimmen unser Handeln. Sie bemächtigen sich allen Ebenen sozialarbeiterischer Tätigkeit ­ von der
globalen bis zur persönlichen und zwischenmenschlichen. So kann man die Ökonomisierung sozialer
Dienste als Prozess von der Makroebene fließend durch die Ebene von Organisationen bis hinab in
Mikrostrukturen der täglichen Praxis verfolgt werden
10
.
Auf der Makroebene gesamtgesellschaftlicher Rahmenbedingungen wird Ökonomisierung als ein
Prozess der Liberalisierung vom Markt und Wettbewerb angesehen, der auch die Funktion einer neuen
gesellschaftlichen Regulierung erfüllt. Dies führt zu angepasster Sozialgesetzgebung und ließ sich auch
den Gesetzbüchern entnehmen. So soll aus Dokumentationen von durchgeführten Leistungsmaßnahen
hervorgehen, ob sie ,,wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in
Anspruch genommen werden"
11
.
Oder im Jahr 2005 hat BMFSFJ ein ,,Ein Bundesprogramm zur wirkungsorientierten Ausgestattung
der Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarungen"
12
ausgeschrieben, das entgeltbezogene
Anreizsysteme für die Leistungserbringer enthält, d.h. also, dass der Gesetzgeber dem Kostenträger die
Macht gibt, leistungserbringende Träger dazu zu bewegen, pädagogische Prozesse zu beschleunigen,
8
vgl. Elsen/Lange/Wallimann 2000, S. 101-102
9
Buestrich/Burmester u.a. 2008, S. 2
10
vgl. Scharschuch 2003, S. 150
11
§2 Abs. 4 SGB V; §4 Abs. 3 SGB XI
12
§ 78a SGB VIII

7
indem er sie für deren Verkürzung belohnt, bzw. bezahlt.
Der Ökonomisierungsprozess auf der Organisationsebene der Leistungserbringung ist als ,,Neues
Steuerungsmodell" oder ,,New Public Management" bekannt geworden, das auch durch
Restrukturierung des Aufgabenspektrums nach Effizienzgedanken charakterisiert ist. Was zählt also,
sind nur die Ergebnisse ­ Das Prinzip, das in Managementkonzepten längst fundamentaler Grundsatz
geworden ist, wird es nun auch für die moderne Verwaltung grundlegend. Soziale Dienste werden nun
als ,,moderne soziale Dienstleistungsunternehmen" verstanden, die ihre Arbeit effizient strukturieren
und die Erzielung von Ergebnissen in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen sollen
13
.
Mit dem Ziel Soziale Arbeit effizienter zu machen, wurden Professionelle Sozialer Arbeit mit neuen
Maßgaben, Modellen und Techniken aus der Betriebswirtschaft konfrontiert, die ihre
Handlungsspielräume zunehmend eingeschränkt haben. Es wurden also solche marktähnlichen
Handlungskonzepte wie Output- und Kundenorientierung, Budgetierung, Kontrakt- und
Qualitätsmanagement eingeführt. In der Praxis äußert sich das z.B. in der Abkehr vom
Selbstkostendeckungsprinzip und der Einführung der Fachleistungsstunde als Finanzierungsform
sozialer Hilfestellungen oder in der Vereinbarung von Leistungsverträgen zwischen freiem Träger und
der kostentragenden Behörde, in denen die geeigneten Maßnahmen und dafür entsprechende Preise
exakt rausgehandelt werden.
Durch diese Modernisierungsbewegung verändert sich in erster Linie das Verhältnis zwischen freien
und öffentlichen Trägern. Das vormals durch das Subsidiaritätsprinzip entstandene partnerschaftliche
Verhältnis zwischen den beiden Trägern öffentlicher Fürsorge weicht einer ,,Auftraggeber-
Auftragnehmer"-Verhältnis, das durch Leistungsvereinbarungen zwischen den Kostenträger und
Leistungserbringer geregelt wird. So, wenn z.B. ein Leistungsempfänger einen rechtlichen Anspruch
auf soziale Dienstleistungen hat, werden diese jedoch in der Regel nicht von öffentlichen Trägern,
sondern von einem freien Träger erbracht. Freie Träger werden als ,,externe Leistungserbringer"
betrachtet, die im Auftrag des öffentlichen Kostenträgers arbeiten. Das heißt wiederum, dass so eine Art
von Beziehungen die Position von sozialstaatlichen Kostenträgern stärkt, weil sie nämlich
Leistungserbringungsaufgaben vorschreiben
14
.
Darüber hinaus werden die Anbieter sozialer Dienste durch die Vergleichbarkeit von Leistungen gezielt
in Konkurrenz und Preiswettbewerb zueinander gesetzt. Ein rigides effizienz- und wirtschaftsorientiertes
Ausschreibungsverfahren führt nicht selten dazu, dass nur noch über Kosten verhandelt wird und
letztlich der kostengünstigste Anbieter den Zuschlag erhält.
13
vgl. Buestrich/Burmester u.a. 2008, S.18, 42-43; Elsen/Lange/Wallimann 2000, S. 5-6
14
vgl. Buestrich/Burmester u.a. 2008, S. 15
Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Auswirkungen der Ökonomisierung auf die sozialarbeiterischen Werte
Hochschule
Hochschule Hannover
Note
1,3
Jahr
2017
Seiten
22
Katalognummer
V375335
ISBN (eBook)
9783668526884
ISBN (Buch)
9783668526891
Dateigröße
550 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ökonomisierung, Ethik Sozialer Arbeit
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Auswirkungen der Ökonomisierung auf die sozialarbeiterischen Werte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375335

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