Der Leistungsbilanzüberschuss von Deutschland. Eine Belastung für die Eurozone?

Betrachtung unter Anwendung der Theorie optimaler Währungsräume


Seminar Paper, 2015

20 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

I. Einführung in die Thematik

II. Betrachtung unter Anwendung der Theorie optimaler Währungsräume
1. Erläuterung der Theorie
a. Erklärung, Voraussetzungen/Kriterien für optimale Währungsräume
b. Kosten und Nutzen von Währungsräumen
2. Anwendung der Theorie auf die Eurozone
3. Abwägung – Betrachtung der Kosten und Nutzen für die EWU
4. Weitere aktuelle Auswirkungen der Euro-Einführung
5. Lösungsansatz
a. Aktuelle Maßnahmen auf die Situation
b. Forderungen der Euro-Mitgliedstaaten und dem Euro-Ausland
c. Lösungsansätze in Bezugnahme der Theorie optimaler Währungsräume

III. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Importe plus Exporte der innerhalb Euroländer in % des BIP

Abbildung 2: Divergierende Leistungsbilanzsalden in Europa

Abbildung 3: Deutscher LBÜ nach Handelspartner

Abbildung 4: Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands nach Handelspartner in Mrd. Euro

Abbildung 5: Leistungsbilanzsalden der Euro-Mitgliedsstaaten 2012-2014

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einführung in die Thematik

Deutschlands hoher Leistungsbilanzüberschuss steht aktuell weltweit in der Kritik. Die Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, wie Frankreich, vertreten die Ansicht, dass er sich schädlich auswirkt und Instabilitäten verursacht – international wie auch innerhalb der Währungsunion. Lohndumping und fehlende Investitionen in Deutschland seien die Gründe für den starken Überschuss. Der deutsche Staat weist die Kritik zurück und verweist darauf, dass deutsche Produkte am Markt nach wie vor gefragt sind. Hohe Exportquoten sind seit langer Zeit fester Bestandteil Deutschlands.

Mit der Einführung des Euros von elf Staaten (aktuell 19 Mitgliedsstaaten) im Jahr 1999 (als Buchgeld) bzw. 2002 (als Bargeld) als gemeinsame Währung kam es zu weiterer Steigerung des Exportanteils. Nach der Finanzkrise 2007, von der auch Deutschland betroffen war, mussten von der Europäischen Zentralbank Maßnahmen zur Abwendung von Staatsbankrots vollzogen werden. Aber auch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU, kurz auch EWU) verabschiedeten sog. Rettungsschirme zur Hilfe der betroffenen Mitgliedsstaaten.

Sind die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse Teil der Krise? Wie schädlich und destabilisierend sind die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands für die Eurozone? Welche Gründe gibt es für die bestehenden innereuropäischen Leistungsungleichgewichte?

In dieser Arbeit wird unter Anwendung der Theorie der optimalen Währungsräume von Nobelpreisträger Robert Mundell untersucht, in wie weit die Europäische Währungsunion ein optimaler Währungsraum ist und demnach der Nutzen die Kosten von Währungsräumen übersteigt. Des Weiteren wird erörtert, ob Leistungsbilanzungleichgewichte eine negative Auswirkung auf Währungsräume haben.

II. Betrachtung unter Anwendung der Theorie optimaler Währungsräume

1. Erläuterung der Theorie

a. Erklärung, Voraussetzungen/Kriterien für optimale Währungsräume

Die Theorie optimaler Währungsräume, auch optimum currency area theory (OCA), beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen es sinnvoll ist, zwischen unterschiedlichen Ländern von unterschiedlichen Währungen – oder auch flexiblen Wechselkursen – abzusehen und eine gemeinsame Währung einzuführen bzw. feste Wechselkurse festzulegen. Robert Mundell sah in der von ihm herausgegebenen Theorie vor allem Faktormobilität bzw. Mobilität der Arbeitskräfte als Voraussetzung für das Funktionieren von Währungsräumen. In seinem Zwei-Länder-Modell, Handel zwischen Land A mit produzierendem Gut A und Land B mit produzierendem Gut B, beschrieb er die Wirkungen von asymmetrischen Schocks. Diese asymmetrischen Schocks stellen Nachfrageverschiebungen dar, die nicht alle Länder in einer Währungsunion gleich betreffen. So führt Nachfrageverschiebung von Gut A zu Gut B zu steigender Arbeitslosigkeit in Land A und einer Erhöhung des Preisniveaus in Land B. Da bestimmte geldpolitische Instrumente bei gemeinsamer Währung nicht getrennt angewandt werden können (z.B. Wechselkurspolitik), sieht er hier hohe Faktormobilität als entscheidendes Kriterium für das erfolgreiche Abfedern des asymmetrischen Schocks. Über Zuwanderung der (nun) Arbeitslosen aus Land A zu Land B, demzufolge erhöhter Produktion von Gut B in Land B, sinkt die Arbeitslosigkeit in Land A und das Preisniveau in Land B stabilisiert sich.[1]

Eine weitere Möglichkeit bietet die Lohnflexibilität. Durch Rückgang der Reallöhne in Land A und Steigerung der Reallöhne in Land B kommt es zu einem Angebotsrückgang in Land B und einer Steigerung des Angebots in Land A. Dies führt als Konsequenz zum ursprünglichen Produktionsniveau zurück. Durch hohes Maß an (schneller) Lohnflexibilität von Ländern in einem Währungsraum ist eine Abfederung von asymmetrischen Schocks dadurch möglich.[2]

Eine weitere Voraussetzung ist die Kapitalmobilität. Über die Möglichkeit der Verschiebung von Realkapital und Finanzkapital (Aktien, Kredite, kurz- bis mittelfristig) zwischen Krisenländern und Aufschwungländern. Dabei ist die Verschiebung von Realkapital, so z.B. Verlagerung von Produktionsstätten, eher eine längerfristige Möglichkeit zur Reaktion auf Schocks. Transfer von Finanzkapital hingegen eignet sich kurzfristiger als Ausgleich der Verschiebungen auf dem Gütermarkt. Aufschwungländer mit einem aus dem Aufschwung resultierenden Leistungsbilanzüberschuss geben Kredite an Länder mit Leistungsbilanzdefizit, resultierend aus dem Abschwung.[3] Bei lang andauernden Schocks ist Kapitalmobilität jedoch auf lange Sicht schädlich und die Probleme der betroffenen Region verschärfen sich über die Dauer des Schocks.[4]

Die Möglichkeit von Finanztransfers, Ausgleichszahlungen von Ländern im Aufschwung an Länder im Aufschwung ist ebenfalls ein Mittel zur Abfederung von asymmetrischen Schocks. Finanztransfers lassen sich auch über Steuern regeln.[5]

Weitere Ansätze liefern McKinnon und Kenen. McKinnon legt den Grad der Offenheit (hoher Export und Import innerhalb der Währungsunion) als Kriterium für funktionierende Währungsräume fest. Bei hohen Handelsverpflechtungen zwischen Ländern bilden die Länder eher optimale Währungsräume und erhalten makroökonomische Stabilität. Kenens Ansatz beleuchtet die Wahrscheinlichkeit, dass Länder von asymmetrischen Schocks getroffen werden. Länder mit konzentrierten Produktionsstrukturen haben hier eine höhere Wahrscheinlichkeit gegenüber Ländern mit stark diversifizierten Produktionsstrukturen, da asymmetrische Schocks oft einzelne Branchen betreffen und diese sich in diversifizierten Produktionsstrukturen auffangen lassen. Eine hohe Produktionsdiversifikation entspricht dabei auch hoher Exportdiversifikation. Reformfähigkeit, das Anpassen der Staaten an neu geschaffene Umstände in Wirtschaft, ist ebenfalls nicht außer Acht zu lassen. Über Reformen, etwa auf dem Arbeitsmarkt, lässt sich durch Politik so die Effizienz des vorliegenden Systems erhöhen (z.B. als Substitut zur Lohnflexibilität)[6]

Sind sich die Länder in der Währungsunion in den wirtschaftlichen Strukturen sehr ähnlich, so vermindert dies ebenso die Wahrscheinlichkeit von asymmetrischen Schocks. Bei auftretenden Schocks kommt es durch gleiche Strukturen zu gleichen Problemen in der Wirtschaft der Länder. Hier wird von symmetrischen Schocks gesprochen. Die Länder der Währungsunion benötigen somit die gleiche geldpolitische[7] Politik, es kommt von der Zentralbank der Währungsunion nicht zu Unstimmigkeiten über die Vorgehensweise.[8]

b. Kosten und Nutzen von Währungsräumen

In der Theorie optimaler Währungsräume geht es um die Frage, unter welchen Umständen bzw. Voraussetzungen die Vorteile bzw. der Nutzen einer gemeinsamen Währung zwischen Ländern höher sind als die Nachteile / Kosten. Dabei ist vor allem der Wegfall autonomer geldpolitischer Instrumente auf Länderebene der größte Nachteil von Währungsunionen. Differenzierung der Wechselkurspolitik aufgrund konjunktureller Schwankungen ist nicht mehr möglich. Ungleichgewichten verschiedener Volkswirtschaften aufgrund asymmetrischer Schocks – im Gegensatz zu symmetrischen Schocks – kann nur einheitliche Geldpolitik entgegengebracht werden. Zudem ist die Einführung einer gemeinsamen Währung mit hohen einmaligen Umstellungskosten verbunden.[9]

Dem gegenüber steht der Vorteil der hochgradigen Handelsintegration. Durch das Minimieren von Transaktionskosten bei länderübergreifendem Handel wird dieser stark vereinfacht und das Integrationsniveau steigt. Dabei geht hohes Handelsvolumen der Länder einher mit hohem Nutzen. Zudem erübrigen sich Aufwendungen für Umtausch der Währungen und Informationsbeschaffung für aktuelle Wechselkurse. Des Weiteren entfallen das Wechselkursrisiko und dadurch entstehende Unsicherheiten; Wechselkursschwankungen sind stark vermindert.[10]

2. Anwendung der Theorie auf die Eurozone

Unter Betrachtung der Voraussetzungen für optimale Währungsräume wird im Folgenden die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) geprüft, ob sie gemäß der Theorie und ihren Kriterien als Währungsraum geeignet ist – und dadurch der Nutzen die Kosten übersteigt.

- Faktormobilität: Aufgrund der sprachlichen Barrieren der einzelnen Länder der EWU ist die Mobilität von Arbeitskräften eher eingeschränkt. Erschwerend hinzu kommen starke kulturelle Unterschiede und starke Bindung an Familie und Heimat. Im Vergleich mit anderen Währungsräumen (z.B. USA) ist der Mobilitätsgrad von Arbeitskräften in Europa (teilweise sogar innerhalb von Euro-Ländern) stark begrenzt. Probleme bei Anerkennung von Titeln und Bildungsmaßnahmen kommen erschwerend hinzu.[11]
- Lohnflexibilität: Die Arbeitsmärkte in der EWU sind sehr rigide, die Reallöhne sind sehr starr und die Lohnflexibilität ist demnach sehr begrenzt. Mindestlöhne sowie Tarif- und Kollektivvereinbarungen für Arbeitskräfte, aber auch ein sehr restriktives Arbeitsrecht sind die Gründe dafür. Eine gemeinsame Währung kann die Lohnflexibilität dabei durchaus negativ beeinflussen, da Löhne zu anderen Mitgliedsstaaten vergleichbarer für Arbeitskräfte werden (auch über Partnerunternehmen und Niederlassungen innerhalb der Währungsunion).[12]
- Kapitalmobilität: Mobilität des Finanzkapitals kann den Wegfall von autonomer Wechselkurspolitik kompensieren. Nach Einführung des Euros ist die Finanzmarktintegration der großen Finanzmärkte (Banken, Investmentfonds) gestiegen; einheitliche Zinssätze entstanden auf einem liquiden Geldmarkt. Der Integrationsmarkt für staatliche Schuldverschreibungen ist ebenfalls hoch. Kapitalverkehrskontrollen werden fortschreitend abgebaut Auf den kleinen Finanzmärkten ist die Integration jedoch noch vergleichsweise gering. So sind die Zinssätze von Geschäftsbanken noch recht starr für die mittelständische Wirtschaft und private Haushalte. Grenzüberschreitungen für Kredite innerhalb der EWU sind ebenfalls sehr gering.[13]
- Finanztransfers: Umverteilungen über Steuern (wie in den USA) sind nicht gegeben. Durch die Finanzkrise betroffene Mitgliedsstaaten erhalten über den Euro-Rettungsschirm Hilfskredite als Finanzstabilisierungsmaßnahmen (Griechenland, Portugal, Irland).[14]
- Grad der Offenheit: Bei Betrachten der Handelsverpflechtungen der Euro-Mitgliedsstaaten wird ersichtlich, dass bei vielen Mitgliedsstaaten eine hohe Handelsintegration besteht und nach der Einführung des Euros im Jahr 1999 durch Wegfall der Transaktionskosten und Unsicherheiten noch verstärkt wurde (so auch Deutschland).

In Abbildung 1 wird über die kumulierten Im- und Exporte der Mitgliedsländer in Prozent zum jeweiligen BIP der Grad der Offenheit ersichtlich. Vor allem auf kleine Länder (z.B. Belgien, Niederlande Slowakei) trifft dies zu. Auch die auffällig niedrige Handelsintegration Griechenlands und relativ niedrige Handelsintegration Frankreichs, Italiens und Spaniens sind zu erkennen. Durch die insgesamt hohe und durch die Einführung gestiegene Handelsintegration ist der Offenheitsgrad der Währungsunion insgesamt als positiv einzustufen.[15]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Importe plus Exporte der innerhalb Euroländer in % des BIP[16]

- Diversifizierte Produktionsstrukturen: Da asymmetrische Schocks vorwiegend Branchen betreffen, sind diversifizierte Produktionsstrukturen der Mitgliedsstaaten durchaus relevant. Diese sind nur teilweise gegeben. Vor allem südliche Mitgliedsstaaten sind stark durch Landwirtschaft und Tourismus geprägt (Italien, Griechenland), wohingegen nordeuropäische Mitgliedsländer der Währungsunion von Industrie (Maschinenbau, Chemie, Automobile) geprägt sind.

- Reformfähigkeit: Die Mitgliedsstaaten sind eher starr in der Reformpolitik. Vor allem Wirtschaftspolitik oder auch Gesetze auf dem Arbeitsmarkt sind rigide. Die Reformfähigkeit ist bei vielen Mitgliedsstaaten eher begrenzt. (z.B. Reformstau deutscher Wirtschaftspolitik, Positivbeispiel: Nicht-EWU-Mitglied Großbritannien)[17]

- Symmetrische Schocks: Wie bereits erwähnt sind die Produktionsstrukturen in Südeuropa unterschiedlich zu denen in Nordeuropa. Bei den nordeuropäischen Mitgliedsstaaten (Belgien, Frankreich, Deutschland) und südeuropäischen Mitgliedern (Italien, Spanien, Portugal) mit jeweils ähnlichen Strukturen sind symmetrische Schocks untereinander wahrscheinlich. Insgesamt bieten die unterschiedlichen Strukturen zwischen Nord- und Süd-Mitgliedern aber durchaus Potential für asymmetrische Schocks. Aber auch übermäßige Wachstumsraten des BIPs Irlands über EWU-Schnitt aufgrund für Irland zu expansiver Geldpolitik der EZB nach Einführung des Euros zeigen, dass die Produktionsstrukturen auch in Nordeuropa noch unterschiedlich sind. Die Wahrscheinlichkeit an symmetrischen – anstatt asymmetrischen – Schocks – ist begrenzt. Die Möglichkeit zur einheitlichen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank somit auch.

3. Abwägung – Betrachtung der Kosten und Nutzen für die EWU

Die Frage, ob die Europäische Währungsunion ein optimaler Währungsraum ist, lässt sich auf den ersten Blick nicht eindeutig erschließen. So sind vor allem geringe Faktormobilität und niedrige Lohnflexibilität im Euroraum als negativ zu erachten. Dem gegenüber stehen gute, steigende Handelsintegration der meisten Mitgliedsstaaten sowie vorhandene Kapitalmobilität (aber lediglich der großen Kapitalmärkte) und krisenbedingt auch der Vollzug von Finanztransfers. Insgesamt ist die Eurozone mit sehr heterogenen Mitgliedsstaaten als optimaler Währungsraum jedoch als unvollkommen anzusehen.

Die entscheidende Frage ist, ob die erfüllten Kriterien die nicht erfüllten überwiegen und damit der Nutzen der Währungsunion höher ist als die Kosten. Bei zukünftigen Unterschieden in der konjunkturellen Entwicklung und im Wirtschaftswachstum der Mitgliedsstaaten wird der Wegfall autonomer Geldpolitik nur schwerlich zu verkraften sein. Hingegen wird die Handelsintegration aller Voraussicht nach weiter zunehmen und die Mitgliedsstaaten näher verknüpfen lassen.

Durch den Euro hat vor allem auch in Deutschland der Außenhandel zugenommen – innerhalb wie auch außerhalb der Eurozone. Dabei profitieren die weiteren Mitgliedsstaaten von dem hohen Export Deutschlands ins Euro-Ausland. In Deutschland hergestellte Güter bedürfen zugelieferter Waren bzw. Vorleistungen, die zu großen Teilen aus dem Euro-Umfeld kommen (Importanteil 2010 43,4%). So steigt, begünstigt durch Wegfall von Transaktionskosten, mit zunehmendem Export Deutschlands auch der Export der Euro-Mitgliedsstaaten. Durch Vorleistungen bedingte Arbeitsplätze werden auf 3,5 Mio. geschätzt, bei deutschem Exportanstieg von 10% steigen die Exporte der Euro-Mitgliedsstaaten geschätzt um 9%.[18] Negativ hingegen ist der dem hohen Export Deutschlands geschuldete starke – für einige Nationen zu starke – Euro. Bei schwächerer Währung wäre die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit einiger Mitgliedsstaaten größer. Hier spielt auch ein zu hohes, weil zu starres, Lohnniveau hinein. Dadurch haben Firmen zu hohe Kosten, um am Weltmarkt mithalten zu können. Frankreich bietet hier ein gutes Beispiel für zu hohes Lohnniveau und mangelnde Reformfähigkeit.

Deutschland als wirtschaftliches Zentrum der Währungsunion hat jedoch auch einen hohen Teil an Leistungsbilanzüberschüssen gegenüber den Euro-Mitgliedsstaaten. Wie zuvor erwähnt sind langfristige Kapitalflüsse in Mitgliedsstaaten aufgrund langandauernder Schocks negativ und verschärfen die Problematik. Dies lässt sich an den andauernden Leistungsbilanzüberschüssen Deutschlands gegenüber anderen Euroländern erkennen. Den Leistungsbilanzüberschüssen stehen ständige Leistungsbilanzdefizite anderer Euroländer gegenüber. Abbildung 2 veranschaulicht dies. Als asymmetrischer Schock ist hier das fortwährende Schwinden der Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit, vor allem der südlichen Mitgliedsstaaten zu sehen. Die Europäische Zentralbank hat hier die Aufgabe gehabt, für die sehr heterogenen Mitgliedsstaaten eine einheitliche Geldpolitik zu führen. Die Kluft, wie aus Abbildung 2 hervorgeht, geht jedoch mit Dauer der Einführung der Währung immer weiter auseinander.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Divergierende Leistungsbilanzsalden in Europa[19]

Aufgrund der starken Wirtschaft Deutschlands, begünstigt durch Faktoren wie großem Niedriglohnsektor und niedrigerem Lohndurchschnitt im Vergleich zu anderen Euroländern (z.B. Frankreich), aber auch weil deutsche Produkte am Weltmarkt nach wie vor sehr gefragt sind, steigt der Export aktuell regelmäßig. Deutsche Unternehmen und der Staat investieren das Kapital aus hohem Export jedoch nicht bzw. nicht vollständig (außer nach der deutschen Wiedervereinigung, siehe auch hier Abbildung 2). Über Investitionen bzw. Importe würden die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands und vor allem die Leistungsbilanzdefizite der Euro-Mitgliedsstaaten verringert werden. Zudem würde die Verflechtung und Handelsintegration Deutschlands durch steigende Importquote zunehmen. Die Folgen andauernder Leistungsbilanzdefizite – Finanzkrise, Staatsbankrot und nötige Rettungsschirme – wurde bereits angesprochen. Falls die Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber EWU-Mitgliedsstaaten weiter sinken und die Handelsintegration weiter zunimmt, dann erübrigt sich diese Problematik der unausgeglichenen Kapitalmobilität.

So ist die Abwägung, ob bei der Europäischen Währungsunion der Nutzen die Kosten übersteigt, nicht eindeutig zu beantworten. Vielmehr muss die weitere Entwicklung, vor allem nach der Finanzkrise und den danach umgesetzten Reformen, abgewartet werden. Gelingt es den wirtschaftlich schwächeren Mitgliedsländern, den Anschluss an die stärken Partner zu finden und die Handelsintegration zu verstärken, kann der Verlust von autonomer Geldpolitik über gegebene (und zukünftig geschaffene) Voraussetzungen für optimale Währungsräume kompensiert werden.

4. Weitere aktuelle Auswirkungen der Euro-Einführung

Durch die Senkung des Leitzinses auf das Rekordtief von aktuell 0,05 % hat die EZB den stark von der Finanzkrise betroffenen Mitgliedsstaaten der Währungsunion die Möglichkeit zur Refinanzierung und somit zur Stabilisierung der Wirtschaft gegeben. Die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands gegenüber der Eurozone haben seitdem konstant abgenommen und liegen aktuell im Vergleich zu 2007 bei ca. der Hälfte (Abbildung 3).

Abbildung 3: Deutscher LBÜ nach Handelspartner[20]

Gründe für Rückgang der Negativsalden sind die in den Defizitändern umgesetzten Strukturreformen nach der Finanzkrise. Dadurch stieg der Export. Vor allem der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands gegenüber Spanien (-89%) und Griechenland
(-76%) sank seit 2007 stark.[21] Demgegenüber steht Frankreich, wichtigster Handelspartner Deutschlands (Handelsvolumen 2013: 164,0 Mrd. Euro).[22] Hier steigt der LBÜ Deutschlands weiter konstant an. Hohe Arbeitslosigkeit und hohe Lohnkosten sind Gründe für Schwinden der Wettbewerbsfähigkeit und sinkende Exportquoten.[23]

Gegenüber EU-Ausland stieg der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands nach kurzer Schwächeperiode in der Finanzkrise; begünstigt von schwächelndem Euro (Siehe hierzu auch Abbildung 4) und der Senkung des Leitzinses. Dieser ist für viele EWU-Mitglieder aktuell angemessen, für Deutschland im aktuellen Wirtschaftsboom aber zu niedrig.[24] Vor allem steigende Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber Asien, besonders China, und den Vereinigten Staaten von Amerika fallen hier ins Gewicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands nach Handelspartner in Mrd. Euro[25]

[...]


[1] Vgl. (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1040ff. (Gabler Wirtschaftslexikon), (Heinemann, 1998), S. 5ff.; (Bongartz, 2007); S. 4ff

[2] Vgl. (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1040ff.

[3] Vgl. (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1042ff., (Heinemann, 1998), S. 7ff.

[4] Vgl. (Heinemann, 1998), S. 8ff.

[5] Vgl. (Heinemann, 1998), S. 8ff.

[6] Vgl. (Heinemann, 1998), S. 12ff, (Gabler Wirtschaftslexikon), (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1043, (Bongartz, 2007), S. 6ff.

[7] Vgl, (Gabler Wirtschaftslexikon); (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1043

[8] Vgl. (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1043, (Gabler Wirtschaftslexikon)

[9] Vgl. (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1040, 1043ff., (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), (Heinemann, 1998), S. 2ff.

[10] Vgl. (Heinemann, 1998), S. 2, (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1043ff.

[11] Vgl. (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1047; (Heinemann, 1998), S. 6ff.

[12] Vgl. (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1046

[13] Vgl. (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1047; (Bongartz, 2007), S. 12ff.

[14] Vgl. (Europäisches Parlament), S. 1ff.

[15] Vgl. (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1043ff.

[16] (N. Gregory Mankiw, 2012), S. 1045, Stand 2008, zitiert nach Eurostat, http://epp.eurostat.ec.europa.eu

[17] (Heinemann, 1998), S. 12ff.

[18] (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, 2014), S. 2

[19] (Gunther Schnabl, 2011)

[20] (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, 2014), S. 1, Quelle: Bundesbank 2014 und (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, 2014)

[21] Vgl. (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, 2014), S. 2

[22] Vgl. (Statistisches Bundesamt); (Destatis - Statistisches Bundesamt, 2014), S. 2

[23] Vgl. (Handelsblatt); (Statistia GmbH), Die Importe Frankreichs bleiben konstant bei steigendem Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands; (Bundesfinanzministerium, 2013)

[24] (Appenzeller, 2013)

[25] (Querschüsse.de)

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Details

Title
Der Leistungsbilanzüberschuss von Deutschland. Eine Belastung für die Eurozone?
Subtitle
Betrachtung unter Anwendung der Theorie optimaler Währungsräume
College
University of Applied Sciences Südwestfalen in Iserlohn
Grade
1,3
Author
Year
2015
Pages
20
Catalog Number
V374790
ISBN (eBook)
9783668520141
File size
1150 KB
Language
German
Keywords
Leistungsbilanzüberschuss, Deutschland, Ehret, Belastung, Griechenland, Eurozone, Optimale Währungsräume, EZB
Quote paper
Hendrik Naujoks (Author), 2015, Der Leistungsbilanzüberschuss von Deutschland. Eine Belastung für die Eurozone?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374790

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