Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der öffentlichen Verwaltung. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht


Masterarbeit, 2016

109 Seiten, Note: 1,9

Brank Anders Wernersson (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Gesellschaftliche Ausgangslage
1.2 Fragestellungen und Zielsetzungen der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen

2 Begriffsdefinitionen
2.1 Definition Familie und Beruf
2.2 Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Work-Life-Balance - Unterschiede und Übereinstimmungen

3 Entwicklung der Geburtenrate und die resultierenden Freistellungszeiten in der BaFin
3.1 Entwicklung der Geburtenrate bei den BaFin-Beschäftigten und die beeinflussenden Faktoren
3.2 Entwicklung der Freistellungszeiten bei den BaFin-Beschäftigten aufgrund von Kinderbetreuung und die beeinflussenden Faktoren
3.3 Zusammenfassung

4 Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Beschäftigten
4.1 Die acht Handlungsfelder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
4.2 Darstellung der Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der BaFin
4.2.1 Familienbedingte Teilzeitbeschäftigung
4.2.2 Telearbeit
4.2.3 Behördeneigene Kinderbetreuungseinrichtung
4.2.4 Bewertung der ausgewählten Instrumente aus Sicht der Behörde
4.3 Generelle Instrumentenbewertung aus Sicht der Beschäftigten
4.3.1 Methodik der Datenerhebung
4.3.2 Ergebnisse der Instrumentenbewertung
4.4 Zusammenfassung

5 Dienstherrn bzw. Arbeitgeber bezogene Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
5.1 Das Verfahren der externen Stellenbesetzung zur Vertretung von BaFin-Beschäftigten bei einer familienbedingten Freistellung
5.2 Ablösung des derzeitigen Stellenbesetzungsverfahrens bei einer familienbedingten Freistellung durch einen behördeninternen Springerpool
5.2.1 Voraussetzungen zur Implementierung eines behördeninternen Springerpools in der BaFin
5.2.2 Finanzielle Bewertung des behördeninternen Springerpools
5.3 Zusammenfassung

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Anlagen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklung der zusammengefassten Geburtenziffer in Deutschland

Abbildung 2: Überblick über ausgewählte Definitionen zur WLB im deutschsprachigen Raum

Abbildung 3: Entwicklung der Geburtenrate bei den weiblichen BaFin-Beschäftigten

Abbildung 4: Aufteilung der Geburtenrate nach Mitarbeiterstatus

Abbildung 5: Verteilung der Geburtenrate nach Laufbahngruppen

Abbildung 6: Entwicklung der prozentualen Geburtenrate der weiblichen BaFin-Beschäftigten

Abbildung 7: Entwicklung des Durchschnittsalters aller BaFin-Beschäftigten

Abbildung 8: Entwicklung der Inanspruchnahme von Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung, getrennt nach Geschlechtern

Abbildung 9: Entwicklung der Inanspruchnahme von ausschließlichen Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung, ohne Status Mutterschutz und Beschäftigungsverbot, getrennt nach Geschlechtern

Abbildung 10: Entwicklung der ununterbrochenen Zeiträume von ausschließlichen Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung, ohne Status Mutterschutz und Beschäftigungsverbot, getrennt nach Geschlechtern

Abbildung 11: Die Sicherungspfade für Fachkräfte

Abbildung 12: Die acht Handlungsfelder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Abbildung 13: Die Dimensionen der Arbeitszeit

Abbildung 14: Die Arbeitszeitmöglichkeiten in der BaFin

Abbildung 15: Nutzung der familienbedingten Teilzeitbeschäftigung, getrennt nach Geschlechtern

Abbildung 16: Gestaltungsmöglichkeiten der Telearbeit

Abbildung 17: Nutzung der Telearbeit, getrennt nach Geschlechtern

Abbildung 18: Nutzung der Telearbeit mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen, getrennt nach Geschlechtern

Abbildung 19: Möglichkeiten der Unterstützung bei der Kinderbetreuung

Abbildung 20: Bewertungskriterien (mit Punktzahlen) für die Platzvergabe

Abbildung 21: Öffnungszeiten der behördeneigenen Kinderbetreuungseinrichtung

Abbildung 22: Abholzeiten der Kinder in der behördeneigenen Kinderbetreuungseinrichtung

Abbildung 23: Aufteilung des Merkmals Geschlecht bei der Grundgesamtheit sowie der Stichprobe

Abbildung 24: Aufteilung des Merkmals Mitarbeiterstatus bei der Grundgesamtheit sowie der Stichprobe

Abbildung 25: Bekannte Angebote in der BaFin

Abbildung 26: Bekannte Angebote in der BaFin - Vergleich Beamte und TB

Abbildung 27: Genutzte Angebote in der BaFin

Abbildung 28: Genutzte Angebote in der BaFin - Vergleich Männer und Frauen

Abbildung 29: Zustimmung zur Einführung neuer Instrumente in der BaFin

Abbildung 30: Verteilung der Aussagen in natürlichen Zahlen - Geeignetheit der Instrumente

Abbildung 31: Verbesserungsmöglichkeiten in der BaFin

Abbildung 32: Verteilung der Aussagen in natürlichen Zahlen - Geeignetheit der Teilzeitmöglichkeiten

Abbildung 33: Verbesserungsmöglichkeiten bei der Teilzeitbeschäftigung in der BaFin, Nennungshäufigkeit > 1

Abbildung 34: Verteilung der Aussagen in natürlichen Zahlen - Geeignetheit der Telearbeit

Abbildung 35: Verbesserungsmöglichkeiten bei der Telearbeit in der BaFin, Nennungshäufigkeit > 1

Abbildung 36: Verteilung der Aussagen in natürlichen Zahlen - Geeignetheit der behördeneigenen Kinderbetreuungseinrichtung

Abbildung 37: Verbesserungsmöglichkeiten bei der behördeninternen Kinderbetreuungseinrichtung in der BaFin, Nennungshäufigkeit > 1

Abbildung 38: Wirkungen eines behördeninternen Springerpools

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gegenüberstellung Lebendgeborene und Todesfälle in Deutschland

Tabelle 2: Die zusammengefasste Geburtenziffer in Deutschland

Tabelle 3: Mögliche Einzelinstrumente der acht Handlungsfelder

Tabelle 4: Instrumente des Handlungsfeldes Arbeitszeit

Tabelle 5: Modellrechnung - Kostenvergleich zwischen behördeninternem Springerpool und derzeitigem Stellenbesetzungsverfahren

1 Einleitung

1.1 Gesellschaftliche Ausgangslage

Die Politik geht mit gutem Beispiel voran: Am 08.03.2016 brachte die amtierende Ministerin des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Manuela Schwesig, ihr zweites Kind zur Welt. Damit trägt die Bundesministerin ihren persönlichen Teil zur Erreichung des aktuell wichtigsten familienpolitischen Zieles Deutschlands bei: Die Erhöhung der Geburtenrate. Seit 2002 setzen die Bundesregierungen „originär familienpolitische Schwerpunkte“ (Blum 2012: 124) und versuchen, Deutschland durch neue Gesetze und Anreizinstrumente frauen- und familienfreundlicher (Klose 2007: 5) zu machen. Die Erhöhung der Geburtenrate wurde sogar in mehreren Gesetzesbegründungen als vorrangiges Ziel genannt, z.B. im Gesetzesentwurf zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Deutscher Bundestag 2008: 1) oder im Gesetzesentwurf zur Einführung des Elterngeldes (Deutscher Bundestag 2006: 1f.).

Dieses Ziel hat hierbei einen ernsten demografischen und damit wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Hintergrund. Der derzeitige Trend der höheren Anzahl von Todesfälle im Vergleich zu den (Lebend)Geborenen wird sich – auch prognostiziert – in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen, Tabelle 1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Gegenüberstellung Lebendgeborene und Todesfälle in Deutschland (Statistisches Bundesamt: 2015)[1]

Somit werden immer weniger junge Menschen immer mehr ältere Bundesbürger im Zuge der Rente und Pension ernähren müssen. Um diese Entwicklung nachhaltig zu stoppen und ein gleichbleibendes Durchschnittsalter zu stabilisieren, müsste die Geburtenrate bei 2,1 Kinder je Frau (Huinink 2013: 101) liegen. Die Geburtenrate in Deutschland, welche durch das Statistische Bundesamt im Rahmen der „zusammengefassten Geburtenziffer eines Kalenderjahres“ (Statistisches Bundesamt o.J.)[2] ermittelt wird, war aber letztmalig 1972 bei 2,0 Kinder je Frau. Seitdem ist die Geburtenrate konstant unter 2,0 (Gerlach/Laß 2012: 32) und liegt für das Jahr 2012 lediglich bei 1,38 (Statistisches Bundesamt o.J.)[3], Abbildung 1 und Tabelle 2.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung der zusammengefassten Geburtenziffer in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2012: 14)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Die zusammengefasste Geburtenziffer in Deutschland (Statistisches Bundesamt: o.J.)[4]

Neben der Erhöhung der Geburtenrate als Hauptziel der Familienpolitik in Deutschland verfolg(t)en die Bundesregierungen aber noch ein weiteres Ziel, welches sich auch in der Lebensplanung der Familie Schwesig wiederfindet. Gleichzeitig mit der Verkündung der Schwangerschaft teilte Manuela Schwesig mit, bereits „acht Wochen nach der Geburt [also direkt nach dem Mutterschutz] wieder im Ministerium am Schreibtisch [zu] sitzen“ (Menkens 2015). Die Erziehung der zwei Kinder übernimmt der Vater.

Damit folgt die Familie Schwesig einem Trend, der sich seit dem letzten Jahrzehnt in der deutschen Gesellschaft abzeichnet: Die verstärkte Flexibilisierung der Kindererziehung durch die Elternteile. Bis Anfang der 2000er wurde in den meisten Familien eine moderne Versorgerehe praktiziert, in „der die materielle Versorgung (…) einseitig durch den Mann gesichert“ (Kerschgens 2009: 16f.) wurde. Die Frau kümmerte sich einzig um die Kindererziehung, bei komplettem Ausscheiden aus dem Beruf bis zur Aufnahme des Kindes in den Kindergarten. Heute streben mehr Frauen einen frühzeitigen Wiedereinstieg in das Berufsleben an (Rump et al. 2008: 12). Auch die Komponente Arbeitszeit wird hierbei zunehmend flexibler, denn der Wunsch des frühzeitigen Wiedereinstieges in das Berufsleben geht oftmals mit einer Teilzeitbeschäftigung einher (Eichhorst/Thode 2010: 4).

Auch diese gesellschaftliche Entwicklung des früheren Wiedereinstieges der Frauen in das Berufsleben bei gleichzeitig höherer Beteiligung der Männer an der Kindererziehung wird gefördert durch die Familienpolitik, wie der Gesetzesentwurf zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit zeigt (Deutscher Bundestag 2014: 1f.). Diese verbesserte Arbeitsteilung bei der Kindererziehung soll für Paare ein weiteres Argument darstellen, ihren Kinderwunsch zu erfüllen (Eichhorst/Thode 2003: 14).

Insgesamt kann die derzeitige Ausgangslage für diese Masterarbeit unter der Formel zusammengefasst werden, dass – nach Willen der Politik – immer mehr Paare Kinder zeugen und erziehen sollen, diese Eltern jedoch – mit besonderem Augenmerk auf die Frauen – immer schneller wieder in das Berufsleben einsteigen sollen.

1.2 Fragestellungen und Zielsetzungen der Arbeit

Aus Sicht der Personalstellen der Behörden ist es aufgrund der genannten Ausgangslage überlegenswert, passgenaue Instrumente zum frühzeitigen Wiedereinstieg in das Berufsleben für Eltern – mit besonderem Augenmerk auf die Frauen – anzubieten. Schließlich kann dies ein Argument zum Bleiben oder Abwandern von Fach- und Führungskräften sein (Thiele 2009: 26f.). Besonders, da nach der Personalmarketingstudie 2010 – durchgeführt vom Marktforschungsinstitut Gesellschaft für Konsumforschung – für über 70 „Prozent aller jungen Beschäftigten zwischen 25 und 39 Jahren“ (BMFSFJ 2010: 6) die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine mindestens ebenso wichtige Rolle bei der Wahl eines Arbeitsgebers spielt wie das Gehalt!

Zielsetzung dieser Arbeit ist daher die Darstellung und Bewertung von ausgewählten Instrumenten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der öffentlichen Verwaltung, am Beispiel der Bundesanstalt der Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die dargestellten Instrumente sowie die aktuelle Situation in der BaFin sollen auf folgende aufgestellte Leithypothese überprüft werden:

Die aktuell vorhandenen Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der BaFin sind passgenau auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingestellt und bedürfen keiner Verbesserung oder der Einführung zusätzlicher Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Auf Grundlage dieser Hypothese stellen sich mehrere Fragen, die betrachtet und beantwortet werden sollen:

- Ist die, in Abschnitt 1.1. formulierte, Formel der vermehrten Zeugung von Kinder und des schnelleren Wiedereinstieges in den Beruf tatsächlich Realität in der BaFin?
- Braucht es aufgrund der statistischen Entwicklung der Geburten durch BaFin-Beschäftigte überhaupt Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
- Inwieweit sind die bereits vorhanden Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der BaFin bedarfsorientiert auf die Beschäftigten ausgerichtet?
- Ist es sinnvoll, weitere Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die bisher in der BaFin nicht genutzt werden, einzuführen?
- Welche Voraussetzungen zur Implementierung von neuen Instrumenten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssten in der BaFin gegeben sein oder geschaffen werden?

1.3 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen

Der Aufbau der Arbeit ist an diese Fragestellungen angelegt: Ausgehend von der Prüfung einer evtl. erhöhten Geburtenanzahl durch BaFin-Beschäftigte werden zunächst die theoretischen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Sicht der Beschäftigten im Allgemeinen benannt. Anschließend sollen ausgewählte, in der BaFin vorhandene, Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorgestellt, auf ihre Bedarfsorientierung für die BaFin-Beschäftigten bewertet und aus diesen Ergebnissen Vorschläge zur Verbesserung von bestehenden oder zur Einführung von weiteren Instrumenten erarbeitet werden. Weiterhin wird die Frage geklärt, welche Voraussetzungen zur Implementierung eines behördeninternen Springerpools als Dienstherrn bzw. Arbeitgeber bezogenes Instrument geschaffen werden müssten.

Dementsprechend gliedert sich die Arbeit in sechs Kapitel:

Nach der Einleitung werden im zweiten Kapitel zunächst die Begriffe „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ sowie „Wort-Life-Balance“ abgegrenzt und für den weiteren Verlauf der Arbeit definiert.

Nach dieser Festlegung wird im dritten Kapitel zunächst statistisch die Entwicklung der Geburtenrate bei den BaFin-Beschäftigten sowie die Entwicklung der Inanspruchnahme von Freistellugszeiten aufgrund einer Kinderbetreuung überprüft. Denn nur, wenn sich BaFin-Beschäftigte tatsächlich in familiären Beziehungen befinden und diese frühzeitig wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wollen, ist es zweckmäßig, geeignete und passgenaue Instrumente vorzuhalten. Grundlage der statistischen Auswertung sind hierbei die anonymisierten Personaldaten für die Jahre 2003 bis 2015.

Anschließend wird mit Hilfe einer empirischen Erhebung untersucht, inwieweit bei vorhandenen Instrumenten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Sicht der Beschäftigten eine Bedarfsorientierung in der BaFin vorherrscht. Hierzu werden Experteninterviews mit Personalverantwortlichen der BaFin geführt sowie die Nutzungsquoten der Instrumente ausgewertet. Außerdem soll die Bedarfsorientierung der vorhandenen Instrumente sowie der Bedarf an zusätzlichen Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und des schnellen Wiedereinstieges in den Beruf mit Hilfe eines Fragebogens dargestellt werden. Diese Ergebnisse werden im vierten Kapitel vorgestellt.

Im fünften Kapitel wird mit Hilfe von Fachliteratur und Experteninterviews das klassische externe Stellenbesetzungsverfahren bei familienbedingten Freistellungszeiten in der BaFin als Dienstherrn bzw. Arbeitgeber bezogenes Instrument der Vereinbarkeit dargestellt und dieses Verfahren mit dem bisher nicht genutzten Konstrukt eines behördeninternen Springerpools verglichen.

Die Arbeit schließt sodann im sechsten Kapitel mit einem Fazit hinsichtlich der gewonnen Erkenntnisse ab.

2 Begriffsdefinitionen

2.1 Definition Familie und Beruf

Die Schlagwörter Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind in der Fachliteratur (z.B. Schobert 2007: 19 oder Blahopoulou 2012: 6) unter verschiedenen anderen synonymen Begriffen wie

a) Vereinbarkeit - von Familie und Beruf

b) Einklang oder - von (Privat-)Leben und Beruf

c) Gleichgewicht - von Familie und Erwerbsleben

- von Privatleben und Erwerbsle- ben
- von Familie und Arbeit(-sleben)
- von (Privat-)Leben und Arbeit(- sleben)

oder auch Work-Life-Balance (WLB) – welches in Abschnitt 2.2. behandelt wird – bekannt.

Vor der Überprüfung der möglichen Notwendigkeit von Instrumenten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der BaFin sollen daher zunächst die Begriffe Familie und Beruf definiert und diese Termini für diese Arbeit festgelegt werden.

Eine allgemein gültige Definition für den Begriff Familie gibt es nicht. Dies liegt zum einen an den unterschiedlichen Ebenen, auf denen der Begriff verstanden werden kann, und zwar die Makro-, die Meso- sowie die Mikroebene (Weber et al. 2008: 152). Da der Fokus dieser Arbeit auf die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter der BaFin gelegt ist, soll im Folgenden die Mikroebene beleuchtet werden.

Zum anderen ist der Begriff Familie eine dynamische Größe, die sich mit der Zeit verändert. So gehen das Bürgerliche Gesetzbuch (1900), das Grundgesetz (1949) sowie der Familienbericht der ersten Großen Koalition (1968) von der natürlichen Verbindung von Ehe und Familie aus und setzten diese Begriffe gleich (Gloger 2007: 26 und Deutscher Bundestag 1968: 7). Der Familienbericht sieben Jahre später erweiterte den Familienbegriff um „sowohl biologisch abstammende als auch adoptierte Kinder“ (Deutscher Bundestag 1975: 17). Die Konstellation des Ehepaares mit rein biologisch eigenen Kindern wurde schärfer definiert als Familie im engeren Sinne oder Kernfamilie (Stadt Gütersloh/FH für öffentliche Verwaltung NRW 2012: 12). Jedoch lösen sich die traditionellen Formen der Familie zunehmend auf (ebd.). Neue Formen der Familie wie unverheiratete Paare mit Kindern, gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit adoptierten oder aus Samen- bzw. Eizellenspenden hervorgegangenen Kindern, alleinerziehende Berufstätige mit Kindern oder Patch-Work-Familien (Stadt Gütersloh/FH für öffentliche Verwaltung NRW 2012: 13) sind in Deutschland Alltag.

Trotz der zunehmenden Auffächerung des Familienbegriffes „treten in jeder Familie [zwei] bestimmte Kennzeichen (…) auf“ (Stadt Gütersloh/FH für öffentliche Verwaltung NRW 2012: 13f.):

- Mitglieder einer Familie sind durch soziale Beziehungen miteinander verbunden, geben sich gegenseitig Geborgenheit, zeigen Anteilnahme und unterstützen sich in schwierigen Lebenslagen.
- In den meisten Fällen wohnen Familien zusammen – bis zu einem gewissen Lebensalter der Kinder – und erwirtschaften (Solidaritäts-)Leistungen für alle anderen Familienmitglieder.

Daher soll für den weiteren Verlauf dieser Arbeit der Begriff Familie als Lebensgemeinschaft von Eltern mit rechtlich anerkannten Kindern bis zum Höchstalter von 18 Jahren, um deren Erziehung und Betreuung sich die Eltern kümmern und somit familiäre Aufgaben erfüllen, definiert werden.

Diese Definition bedeutet gleichzeitig, dass in dieser Arbeit lediglich die Kinderbetreuung innerhalb der Familie betrachtet werden soll. Das aufkommende Konstrukt der Pflege von älteren Familienangehörigen und die möglichen Vereinbarkeitsprobleme mit dem Beruf sollen hier nicht behandelt werden.

Der Begriff Beruf wird im Vergleich zum Begriff Familie deutlich weniger in der Fachliteratur diskutiert. Grund hierfür ist die überwiegend festgelegte Methode, den Begriff Arbeit anstelle des Begriffes Beruf zu definieren. Eine pauschale Gleichsetzung dieser beiden Begriffe kann jedoch nicht erfolgen, da es auch außerhalb des Berufes Bereiche gibt, „die eine Arbeitsleistung erfordern, wie z.B. (…) Hausarbeit oder eine freiwillige sowie ehrenamtliche Tätigkeit im Verein“ (Kruse 2009: 16). Daher können nur Definitionen des Begriffes Arbeit herangezogen werden, die „eindeutig den beruflichen Lebensbereich“ (Blahopoulou 2012: 10) ansprechen. Die wahrscheinlich kürzeste anwendbare Definition hierzu stammt von ULICH, nach der im Beruf Handlungen durchgeführt werden, „durch deren Ausführung der (…) Arbeitstätige zur Schaffung materieller oder immaterieller Werte für sich und/oder andere beiträgt“ (Ulich 2001: 1). Etwas ausführlicher sieht FÜRSTENBERG hingegen den Beruf als den „Grundaspekt menschlicher Lebenswirklichkeit, der durch zielstrebige Auseinandersetzung mit der Umwelt zum Zwecke der Daseinsvorsorge gekennzeichnet wird [und sich] in persönlich erlebter Situation“ (ebd.) zeigt.

Für eine allgemeine Definition des Begriffes Beruf scheint es daher – nach der Nennung der beiden Definitionen – zu kurz gegriffen, lediglich notwendige, fremdbestimmte Tätigkeit im Tausch für eine feste Entlohnung zu sehen. Berufsgruppen, die ihr Hobby zum Beruf machen oder nur unregelmäßige Geldleistungen für ihre Tätigkeit erhalten, z.B. Künstler (Kruse 2009: 16), würden in einer solchen allgemeinen Definition keinen Platz finden. Für diese Arbeit jedoch, die sich mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf der BaFin-Beschäftigten auseinandersetzt, scheint eine Beschränkung der festzulegenden Definition von Beruf auf eine abhängige Tätigkeit in einer betrieblichen Organisation sinnvoll.

Würden jedoch lediglich die tatsächlichen Tätigkeiten in der betrieblichen Organisation als Beruf angesehen werden, könnte diese Definition die Lebenswirklichkeit in der BaFin nicht vollständig abbilden. Wichtige und zeitintensive Dienstgeschäfte, wie die „An- und Abreise zur Arbeitsstätte sowie notwendige (…) Verpflichtungen, die mit der Berufstätigkeit unmittelbar verbunden sind“ (ebd.) – z.B. Dienstreisen – würden bei der oben genannten Beschränkung keine Berücksichtigung finden.

Daher soll für den weiteren Verlauf dieser Arbeit der Begriff Beruf als dauerhaft angelegte Tätigkeit – im Tausch gegen eine Entlohnung – (in der BaFin) gesehen werden, die die Arbeitskraft und –zeit der Beschäftigten überwiegend in Anspruch nimmt sowie alle weiteren notwendigen Tätigkeiten im Rahmen der beruflichen Dienstgeschäfte.

2.2 Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Work-Life-Balance - Unterschiede und Übereinstimmungen

Eine Arbeit oder Abhandlung über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – als exakt formuliertes Thema – ist in der Fachwelt eher selten zu finden. Stattdessen sind Abhandlungen über das Thema WLB deutlicher populärer und häufiger anzutreffen. Dabei werden diese Begriffsgruppen oftmals miteinander vermischt oder gleichgesetzt, auch durch staatliche Stellen (siehe hierzu z.B. Blahopoulou 2012: 6f.). Nicht selten werden bei den Maßnahmen zur WLB abschließend Instrumente aufgezählt, die ausnahmslos auch als Instrumente der Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesehen werden. Daher soll in diesem Abschnitt beispielhaft aufgezeigt werden, inwieweit die beiden Begriffsgruppen übereinstimmen oder ob, aufgrund von Unterschieden, eine klare Entscheidung für eine der beiden Begriffsgruppen notwendig ist.

Eine Gemeinsamkeit haben diese beiden Begriffspaare in der Diffizilität, eine einheitlich anerkannte Begriffsdefinition zu finden. So zeigt Abbildung 2 die Vielfalt der unterschiedlichen Definitionsperspektiven des Begriffes WLB.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Überblick über ausgewählte Definitionen zur WLB
im deutschsprachigen Raum (Blahopoulou 2012: 9)

Doch schon bei der wörtlichen Übersetzung der WLB treten klare Unterschiede zwischen den beiden Begriffspaaren zutage: Arbeits-Lebens-Gleichgewicht.

Wie bereits in 2.1. beschrieben, kann der Begriff Arbeit nicht ohne exakte Definition mit dem Terminus Beruf gleichgesetzt werden. Daher gibt es keinen Automatismus bezüglich der Übereinstimmung der beiden Begriffe. Vielmehr muss diese Gleichsetzung durch den einzelnen Verfasser explizit festgelegt werden.

Während jedoch die beiden Begriffe Arbeit und Beruf noch per exakter Definition gleichgesetzt werden können, hat der Begriff Leben hingegen unüberbrückbar eine andere Bedeutung als der Begriff Familie. Leben kann als „Zeitspanne zwischen Geburt und Ableben“ (Kruse 2009: 16) definiert werden und steht damit – neben der Familie – auch für eine Vielzahl von anderen Bereichen wie Freizeit, Gesundheit und die Pflege von Freundschaften im sozialen Umfeld (Blahopoulou 2012:10). Wer das Leben in dieser weiten Definition von KRUSE sieht, muss sogar zu dem Ergebnis gelangen, dass auch die Arbeit zum Leben gehört (Ulich/Wiese 2011: 40). Diese Grundidee des Ineinanderfließens dieser beiden Bereiche erscheint hierbei in der heutigen Zeit mit ihren schnellen Kommunikationswegen und der Schaffung von Arbeitsplätzen in den privaten Räumen als nachvollziehbar.

Auch der Begriff Gleichgewicht stellt einen Unterscheid zum Terminus Vereinbarkeit dar. Allgemein wird unter dem Begriff Gleichgewicht ein „Verhältnis 50 zu 50 verstanden“ (Weber et al. 2008: 156), also eine objektiv „gleiche Investition an Zeit, Aufmerksamkeit und psychischen Ressourcen“ (Blahopoulou 2012: 10). Eine solch starre Aufteilung führt jedoch nicht zu einem sinnvollen Ergebnis und entspricht im Übrigen auch nicht der Realität (Kruse 2009: 18). Vielmehr ist zu erkennen, dass sich auch bei einem Ungleichgewicht von Familie und Beruf Zufriedenheit einstellen kann, je nach gewünschter Prioritätensetzung der Person. Ein Elternteil, welches mehrere Monate Elternzeit – unter Verzicht der Berufsausübung – in Anspruch nimmt, kann mit dieser Situation zufriedener sein als bei einem strengen Gleichgewicht aus Kinderbetreuung und Beruf. Umgekehrt kann aber auch eine Person, die ihren Schwerpunkt kurzfristig auf den Beruf mit 10-Stunden-Tagen legt, zufrieden sein, wenn sie darin eine Sinnhaftigkeit – z.B. eine zu ernährende Familie – sieht. Schließlich wird der Einzelne auch nicht jeden Moment des Familienlebens als positiv und jeden Moment des Berufslebens als negativ erachten. Beide Lebensbereiche haben jeweils positive und negative Elemente (Kruse 2009: 16) für den Einzelnen.

Daher scheint es „sinnvoller, von einem angemessenen (…) Verhältnis [der] verschiedenen (…) Bereiche zu sprechen“ (Ulich/Wiese 2011: 41), was die Begriffsgruppe der WLB zu einem unpräzisen, schwammigen Schlagwort werden lässt.

Aufgrund dieser Gegenüberstellung der beiden Begriffspaare Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie WLB ist daher ersichtlich, dass die Unterschiede gegenüber den Gemeinsamkeiten überwiegen. Daher soll in dieser Arbeit bewusst der Fokus auf den „schärfer gefassten, deutschen Ausdruck“ (Blahopoulou 2012: 13) Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelegt werden.

Nach der Festlegung der Begriffe Familie und Beruf für den weiteren Verlauf dieser Arbeit soll nunmehr, vor der Darstellung und Bewertung von aktuell vorhandenen Instrumenten in der BaFin, zunächst die Entwicklung der Geburtenrate bei den BaFin-Beschäftigten analysiert werden. Hier soll die Frage aus der Einleitung geklärt werden, ob die vermehrte Geburt von Kinder durch Beschäftigte in der BaFin Realität ist.

3 Entwicklung der Geburtenrate und die resultierenden Freistellungszeiten in der BaFin

3.1 Entwicklung der Geburtenrate bei den BaFin-Beschäftigten und die beeinflussenden Faktoren

Die Implementierung und Bereitstellung von Instrumenten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf – verbundenen mit Kosten und Arbeitsaufwand – ist kein Selbstzweck. Dies ist lediglich sinnvoll, wenn in der Belegschaft hierfür ein Bedarf besteht. In diesem Abschnitt werden die Entwicklung der Geburtenrate bei den BaFin-Beschäftigten sowie die beeinflussenden Faktoren für diese Entwicklung dargestellt.

Hierzu wurden die im Rahmen des Mutterpasses oder der Geburtsurkunde angezeigten Geburten in einer Excel-Liste vermerkt und ausgewertet. Grundlage der statistischen Auswertung sind die Geburten von weiblichen BaFin-Beschäftigten in den Jahren 2003 bis 2015. Hierzu wurde eine Beschäftigungsabfrage im elektronischen Personalverwaltungssystem der BaFin – HR InfoPlan – nach allen Beschäftigungsverboten für werdende Mütter vor und nach der Entbindung (Mutterschutz), gemäß (Mutterschutz- und Elternzeitverordnung i.V.m.) § 3 Absatz 2 und § 6 Absatz 1 Mutterschutzgesetz durchgeführt. Die gesammelten Daten wurden in einem Verifizierungsschritt einzeln händisch auf die Richtigkeit mit den vorhandenen Familiendaten in HR InfoPlan verglichen. Eine Abfrage nach den Familiendaten anstelle des Mutterschutzes bietet HR InfoPlan nicht. Die Fehlerquellen aufgrund der Beschäftigungsabfrage waren hierbei im Einzelnen:

- Änderungen im Beschäftigungsstatus, durch Verbeamtung oder Beförderung der werdenden Mütter, so dass für eine Geburt mehrere Mutterschutzzeiten angezeigt wurden.
- Anzeige lediglich einer Mutterschutzfrist bei Mehrlingsgeburten.
- Gesetzlicher Vorrang des Status‘ „Erziehungsurlaub/Elternzeit“ gegenüber dem Mutterschutz bis zum 17.09.2012 gemäß des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes alte Fassung [BEEG alte Fassung (a.F.)].
- Fehlende Anzeige von Geburten in 2003, bei denen der Mutterschutz bereits in 2002 begann.
- Vorhandene Mutterschutzfristen bei Todgeburten.

Aufgrund der Verifizierung der Daten ist die gesammelte und im Rahmen dieses Abschnittes ausgewertete Datenmenge vollständig und belastbar.

Bei den männlichen BaFin-Beschäftigten kann keine Vollständigkeit bei der Bezifferung möglicher Geburten von Kindern garantiert werden, da diese nicht rechtlich verpflichtet sind, die Geburt eines Kindes bei der BaFin anzuzeigen. Aus diesem Grund werden neugeborene Kinder von männlichen BaFin-Beschäftigten nicht in diese Statistik miteinbezogen.

Insgesamt wurden im Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2015 durch die weiblichen BaFin-Beschäftigten 577 Kinder lebend geboren. Abbildung 3 zeigt hierbei die Geburten auf die einzelnen Kalenderjahre verteilt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Entwicklung der Geburtenrate bei den weiblichen BaFin-Beschäftigten
(eigene Darstellung)

Auf die einzelnen Kalenderjahre verteilt lässt sich ein tendenzieller Anstieg zu mehr Geburten pro Jahr erkennen. Dies zeigt, dass immer mehr weibliche BaFin-Beschäftigte Kinder bekommen. Auch wenn aufgrund des ausgewählten Vorgehens zur Datenerhebung nur die Geburten der weiblichen BaFin-Beschäftigten belastbar analysiert werden können, kann Abbildung 3 auch als Indiz für eine insgesamt höhere Geburtenrate seit 2009, bezogen auf beide Geschlechter, gewertet werden. Die Entwicklung zu mehr Geburten erscheint nach Abbildung 3 stabil und nachhaltig. Seit 2009 wurden konstant mindestens 40 Kinder pro Jahr geboren; ein Wert, der in den vorherigen sechs Jahren nur einmal erreicht wurde.

Die überwiegende Mehrheit bei den Geburtenzahlen stellen hierbei die Beamtinnen der BaFin, im Vergleich zu den Tarifbeschäftigten (TB), Abbildung 4.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Aufteilung der Geburtenrate nach Mitarbeiterstatus (eigene Darstellung)

485 der 577 Kinder wurden durch Beamtinnen geborenen, nur 92 Kinder dagegen von TB.

Nicht bestätigen kann die Entwicklung der Geburtenrate den in der Presse und Fachliteratur häufig geäußerten „Vorwurf“ der kinderlosen Akademikerinnen in Deutschland (siehe z.B. Handelsblatt 2013 oder Dressel et al. 2005: 288). Die meisten Kinder wurden durch Beschäftigte des höheren Dienstes (hD) geboren, gefolgt vom gehobenen Dienst (gD) und dem zusammengefassten mittleren Dienst (mD) und einfachen Dienst (eD) sowie den Anwärtern und Auszubildenden, Abbildung 5.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Verteilung der Geburtenrate nach Laufbahngruppen (eigene Darstellung)

Der bedeutendste Faktor für die aufgezeigte positive Entwicklung der Geburtenrate bei den BaFin-Beschäftigten (Abbildungen 3 bis 5) könnte auf den ersten Blick – unter Einbeziehung der Einleitung – wie folgt angesehen werden: Ein Mentalitätswandel bei der heutigen Generation hin zu mehr Kindern aufgrund der familienpolitischen Anreize. Dies jedoch als einzigen und wichtigsten Faktor anzuführen, würde den ermittelten Daten nicht gerecht werden. Bei genauerer Betrachtung sind mindestens zwei weitere Faktoren für diese Entwicklung erkennbar.

Zwar sind, gemessen an den absoluten Zahlen, seit 2012 pro Jahr konstant mehr Kinder von weiblichen BaFin-Beschäftigten geboren worden als die Jahre zuvor. Die BaFin beschäftigt jedoch heute auch mehr Personal als im Jahre 2003. Waren zum Stichtag 31.12.2003 noch 1.320 Personen in der BaFin tätig, so sind es zum Stichtag 31.12.2015 mit 2.578 Personen mehr als doppelt so viele. Teilt man die Anzahl der beschäftigten Personen zum Stichtag 31.12. eines jeden Kalenderjahres durch die Geburten der Kalenderjahre, erhält man die prozentuale Geburtenrate für die BaFin, Abbildung 6.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Entwicklung der prozentualen Geburtenrate der weiblichen BaFin-Beschäftigten (eigene Darstellung)

Seit 2009 wurden pro Jahr ≥ 2% aller BaFin-Beschäftigten Mutter. Aufgrund der erhöhten Beschäftigtenanzahl kann eine höhere absolute Geburtenzahl (wie 2015, 57 Geburten) trotzdem zu einem geringeren Prozentsatz (2,21%) führen als frühere Jahren mit einer geringeren Geburtenzahl (wie 2003: 2,35% bei 31 Geburten). Die Entwicklung der höheren Geburtenrate, gemessen an den absoluten Zahlen, ist daher zu gewissen Teilen die Folge einer wachsenden Anzahl Beschäftigter.

Ein zweiter Faktor für die Entwicklung hin zu mehr Geburten ist das Durchschnittsalter in der BaFin. Dies ist von 2003 (38,5 Jahre) bis 2015 (41,3 Jahre) zwar kontinuierlich gestiegen (Abbildung 7), im Vergleich zum Durchschnittsalter aller Beschäftigten des öffentlichen Dienstes beim Bund im Jahr 2010 – 45,1 Jahre (Bundesministerium des Innern 2011: 26) – ist das Durchschnittsalter der BaFin-Beschäftigten aber deutlich unterhalb des Bundesdurchschnitts.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Entwicklung des Durchschnittsalters aller BaFin-Beschäftigten (eigene Darstellung)

Dies gilt auch für ausgewählte Behörden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), zu dem die BaFin gehört. Nach der aktuellen Altersstrukturanalyse der Bundesbehörden im Geschäftsbereich des BMF ist die BaFin die zweitjüngste Behörde, gemessen am Durchschnittsalter, Anlage 1. Keine andere Behörde kann darüber hinaus eine solch junge Altersgruppe wie die 30- bis 44-Jährigen als die am stärksten vertretene Altersgruppe vorweisen. Sie repräsentiert in der BaFin mehr als die Hälfte der Gesamtbelegschaft (55%). Aus dem hohen Anteil an Beschäftigten zwischen 30 und 44 Jahren ergibt sich wiederum eine erhöhte Chance auf die Geburt von Kindern.

3.2 Entwicklung der Freistellungszeiten bei den BaFin-Beschäftigten aufgrund von Kinderbetreuung und die beeinflussenden Faktoren

Um die in der Einleitung formulierte Formel der vermehrten Geburt von Kindern und des schnelleren Wiedereinstieges komplett bestätigen zu können, muss außerdem die Entwicklung der Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung in der BaFin analysiert werden.

Hierzu werden die Zeiten gesammelt, in denen die Beschäftigten ausschließlich freigestellt wurden, um ihr/e Kind/er zu betreuen. Folgende Statusgründe wurden in einer Excel-Liste ausgewertet:

- Erziehungsurlaub/Elternzeit nach dem BEEG a.F.
- Sonderurlaub zur Kinderbetreuung nach dem Bundesbeamtengesetz a.F. (BBG) oder dem Bundesangestelltentarifvertrag
- Beurlaubung/Sonderurlaub wegen Kind nach dem BBG oder dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)
- Elternzeit
- Mutterschutz
- Beschäftigungsverbote

Die Zeiträume des Mutterschutzes und der Beschäftigungsverbote vor der Entbindung fanden hierbei wegen des tatsächlichen Fehlens des Beschäftigten am Arbeitsplatz Eingang in die Datenmenge. Es kann vorkommen, dass Mütter nach einer Elternzeit direkt wieder in den Status des Mutterschutzes gehen und eine neue Elternzeit beginnen. Diese Beschäftigten sind aus Sicht der Behörde zeitlich ununterbrochen abwesend und werden daher bei den Freistellungszeiten berücksichtigt.

Weitere Statusgründe, die keine ausschließlichen Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung wiederspiegeln, z.B. Teilzeitbeschäftigung bei gleichzeitiger Elternzeit oder Beurlaubung zur Pflege älterer Angehöriger, wurden nicht berücksichtigt.

Grundlage der statistischen Auswertung sind die in der Personalstelle der BaFin beantragten Freistellungen wegen Kinderbetreuung in den Jahren 2003 bis 2015. Zur Datensammlung wurden Beschäftigungsabfragen in HR InfoPlan nach den oben genannten Statusgründen durchgeführt. In einem Verifizierungsschritt wurden die Daten einzeln händisch mit den vorhandenen Arbeitszeitdaten in HR InfoPlan verglichen, so dass die gesammelte und im Rahmen dieses Abschnittes ausgewertete Datenmenge vollständig und belastbar ist.

Bei der Betrachtung der Anzahl der BaFin-Beschäftigten, die eine ausschließlichen Freistellung wegen Kinderbetreuung nutzten, ist eine klare Dominanz der Frauen zu erkennen, Abbildung 8.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Entwicklung der Inanspruchnahme von Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung, getrennt nach Geschlechtern (eigene Darstellung)

Jedes Jahr haben sich mehrheitlich Frauen für eine ausschließliche Freistellung wegen Kinderbetreuung und gegen eine Arbeitstätigkeit entschieden. Dies wird u.a. dadurch beeinflusst, dass Freistellungzeiten im Rahmen des Mutterschutzes und der Beschäftigungsverbote allein den Frauen zustehen. Doch selbst bei Nichtberücksichtigung dieser beiden Komponenten befinden sich Frauen in der Mehrheit bei der ausschließlichen Freistellung wegen einer Kinderbetreuung, Abbildung 9.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Entwicklung der Inanspruchnahme von ausschließlichen Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung, ohne Status Mutterschutz und Beschäftigungsverbot, getrennt nach Geschlechtern (eigene Darstellung)

Allerdings ist eine Entwicklung zur verstärkten ausschließlichen Kinderbetreuung durch die Väter erkennbar. Hatte sich in den Jahren 2003 und 2004 kein Mann für den Verzicht einer Arbeitstätigkeit zugunsten einer Kinderbetreuung entschieden, sind seit 2007 konstant mindestens 10% der ausschließlichen Freistellungszeiten den Männern zuzuordnen. 2014 wurde diese Möglichkeit zu 37% von Männern genutzt, was die höchste Quote im untersuchten Zeitraum darstellt.

Neben der Frage, ob beide Geschlechter sich grundsätzlich für die Kindererziehung bei komplettem Verzicht auf eine Arbeitstätigkeit entscheiden, ist ebenfalls zu analysieren, wie lange solche Phasen dauern. Hierzu wurden alle gefilterten Statusgründe, die zeitlich ununterbrochen im Zusammenhang standen – z.B. eine direkte Elternzeit nach der Mutterschutzfrist – in einem Zeitraum zusammengefasst.

Auch hier ist aufgrund der längeren, zusammenhängenden Zeiträume der ausschließlichen Freistellungen wegen einer Kinderbetreuung erkennbar, dass die Frauen den Hauptteil der Kindererziehung übernehmen, Abbildung 10.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Entwicklung der ununterbrochenen Zeiträume von ausschließlichen Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung, ohne Status Mutterschutz und Beschäftigungsverbot, getrennt nach Geschlechtern (eigene Darstellung)[5]

Von 2003 bis 2015 waren Frauen durchschnittlich 18 Monate am Stück wegen einer Kinderbetreuung ausschließlich freigestellt. Der durchschnittliche Mann hingegen schaffte es lediglich auf 2,7 Monate am Stück. Der statistische Ausschlag bei den Männern in 2005 (Freistellungszeit von 70,4 Monaten) ist auf die geringe Anzahl der begonnen Freistellungszeiten im Zeitraum zurückzuführen. In 2005 begannen genau zwei Männer eine ausschließliche Freistellungszeit wegen Kinderbetreuung. Darunter befand sich auch der männliche BaFin-Beschäftigte mit der längsten Freistellungszeit aller Männer (122 Monate und 28 Tage). Bei den Frauen gab es im Vergleich 13 BaFin-Beschäftigte, die in einem ununterbrochenen Zeitraum von mehr als 122 Monaten in einer ausschließlichen Freistellung wegen Kinderbetreuung waren, sechs von ihnen sogar im gesamten Betrachtungszeitraum (01.01.2003 bis 31.12.2015).

Abbildung 10 zeigt jedoch eine Entwicklung, die innerhalb der Einleitung bereits für die Bundesrepublik genannt wurde und die auch in der BaFin stattfindet: Der frühzeitige Wiedereinstieg von Frauen in das Berufsleben nach der Geburt von Kindern. Kehrten Mütter, deren ausschließliche Freistellungszeit wegen Kinderbetreuung in 2006 begann, nach durchschnittlich 25,6 Monaten an ihren Arbeitsplatz zurück, so waren es bei 2014 begonnenen ausschließlichen Freistellungen nur noch durchschnittlich 11,5 Monate, womit sich der Zeitraum mehr als halbierte.

Zusammengefasst können folgende Entwicklungen, im Rahmen der Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung, bei BaFin-Beschäftigten erkannt werden:

- Männer kümmern sich heute stärker um die Kindererziehung, bei gleichzeitigem temporärem Verzicht auf eine Arbeitstätigkeit.
- Der ununterbrochene Zeitraum für eine ausschließliche Freistellung wegen Kinderbetreuung liegt bei Männern (seit 2008) konstant bei unter 3,1 Monaten.
- Der ununterbrochene Zeitraum für eine ausschließliche Freistellung wegen Kinderbetreuung bei Frauen ist stark gesunken (auf ca. ein Jahr), wodurch Frauen schneller an den Arbeitsplatz zurückkehren.

Die beeinflussenden Faktoren für diese Entwicklungen sind jedoch, anders als in Abschnitt 3.1., nicht auf behördeninterne Veränderungen der Altersstruktur oder der Gewinnung von neuem Personal zurückzuführen. Vielmehr wurden die Entwicklungen im Rahmen der Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung bei den BaFin-Beschäftigten hauptsächlich durch externe Faktoren beeinflusst. Der wichtigste Faktor im Bereich der Entwicklung der männlichen Freistellungszeiten war die Einführung des Elterngeldes zum 01.01.2007 (Possinger 2013: 15). Durch das neue Elterngeld wurden „Partnermonate“ (ebd.) mit einer 12+2-Regel eingeführt, wonach das volle Elterngeld von 14 Monate nur die Paare bekommen, die sich die Freistellungszeiten teilen und unabhängig voneinander diese mindestens zwei Monate nutzen (BMFSFJ 2010: 4). Damit muss der Elternteil, welcher sich tendenziell weniger um die Kinderbetreuung kümmert – in den meisten Familien der Mann – erstmals in der Geschichte der deutschen Familienpolitik eine berufliche Auszeit von mindestens zwei Monaten nehmen, um volle staatliche Familienleistungen zu erhalten. Als Folge des Elterngeldes stiegen solche ausschließlichen Freistellungszeiten bei Männern innerhalb von zwei Jahren sprunghaft von „3,5% (…) auf knapp 21%“ (Possinger 2013: 15) und liegen in den letzten Jahren konstant bei ca. 25% (Wrohlich et al. 2012: 75). Damit liegt die BaFin mit ihren bis zu 37% Freistellungszeiten durch Männer über dem Bundesdurchschnitt.[6]

Trotz partnerschaftlicher Teilung der Kindererziehung ist aber kein Gleichgewicht in Bezug auf die zeitliche Verteilung von Freistellungszeiten erkennbar. In Deutschland, wie auch in der BaFin, lassen sich Väter nur für kürzere Zeiträume von der Arbeit freistellen. Im Bundesgebiet nehmen fast drei Viertel (73%) der Männer lediglich die notwendigen zwei Partnermonate wahr, während 89% der Frauen für ein Jahr auf eine Arbeitstätigkeit wegen einer Kinderbetreuung verzichten (Gerlach/Laß 2012: 39). In der BaFin betrugen sogar 79,1% aller ausschließlichen Freistellungszeiten durch Männern zwei Monate oder weniger. Auch bei der durchschnittlichen Dauer der Freistellungszeiten wegen Kinderbetreuung decken sich die Entwicklungen bei den männlichen BaFin-Beschäftigten mit dem Bundesvergleich. Den durchschnittlich 2,7 Monaten Freistellungzeit in der BaFin stehen nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung 3,3 Monaten Freistellungzeit im Bundesdurchschnitt (Bujard 2013: 6) gegenüber.

Daher ist festzustellen, dass die 12+2-Regel des Elterngeldes das Ungleichgewicht der ausschließlichen Freistellungszeiten fördert. Dies ist – aufgrund des fehlenden Mentalitätswandels bzgl. einer gleichmäßigen Verteilung der Kindererziehung – ein Grund für die weiterhin geringe Zeitspanne der ausschließlichen Freistellung wegen Kinderbetreuung bei männlich BaFin-Beschäftigten.

Trotz fehlender gleichmäßiger Verteilung der Kindererziehung auf beide Geschlechter kehren Frauen sehr viel schneller als früher an ihren Arbeitsplatz zurück. Im Gegensatz zur Entwicklung der Kinderbetreuungszeiten bei Männern ist bei den Frauen nicht nur die Einführung des Elterngeldes ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der Kinderbetreuungszeiten. DRESSEL, CORNELIßEN und WOLF sehen insgesamt sieben Faktoren, die eine schnelle Rückkehr von Frauen an den Arbeitsplatz bedingen (Dressel et al. 2005: 282, 306f.):

- Zunehmende Unwahrscheinlichkeit der traditionellen ökonomischen Absicherung durch die geringere durchschnittliche Kinderzahl, die zunehmende Ehelosigkeit und das steigende Scheidungsrisiko.
- Steigende schulische und berufliche Qualifikation von Frauen.
- Wirtschaftliche Entwicklung hin zu mehr Arbeitskräften im Dienstleistungsbereich und weniger Industrie, was die Arbeitsmarktchancen der Frauen verbessert.
- Der immer geringere Lebensstandard der Versorgerehe, kombiniert mit zunehmender Arbeitsplatzunsicherheit der Männer, fördern Tendenzen zum Zwei-Verdienst-Haushalt.
- Zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz der Erwerbstätigkeit von Müttern mit Babys.
- Änderung der Anspruchsvoraussetzung auf staatliche Familienleistungen durch die Einführung des Elterngeldes und die Abschaffung des Erziehungsgeldes.
- Volkswirtschaftliche Notwendigkeit der schnelleren Integration von Müttern aufgrund des befürchteten Fachkräftemangels.

Gerade die letzten beiden Punkte scheinen hierbei die wichtigsten Gründe für die aufgezeigte Entwicklung bei den Frauen zu sein.

Im Rahmen des bis 2006 geltenden Erziehungsgeldes konnten nur einkommensschwache Paare bzw. Frauen Leistungen erhalten, dies jedoch – in der Standardvariante – für 24 Monate. Das Elterngeld hingegen wird auch an besserverdienende Paare mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von bis zu 499.999 € ausgezahlt. Dies gilt aber nur für 14 Monate (Wrohlich et al. 2012: 6) sowie, bei Paaren, unter der Einschränkung der 12+2-Regel. Damit wurde „die zeitliche Länge der Leistungen (…) reduziert“ (Bujard 2013: 5). Die Folge dieser Veränderung ist, dass durch das Elterngeld ein großer Anreiz besteht, nach spätestens einem Jahr Kindererziehung wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren.

Auch volkswirtschaftliche Beweggründe fördern diese Entwicklung. Sowohl die öffentliche Verwaltung (BMFSFJ 2003: 7f.) als auch die Privatwirtschaft (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 2013: 5) gehen von einem Fachkräftemangel – gerade im Bereich der Hochqualifizierten – aus, der sich durch die demografische Entwicklung noch verschärfen wird. Infolge dieser Entwicklung müssen Behörden mehr Ressourcen in die Bindung von geeignetem Personal zur Sicherung der Fachkräftebasis aufbringen, Abbildung 11.

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Abbildung 11: Die Sicherungspfade für Fachkräfte (Ristau-Winkler 2015: 23)

Hierbei ist „das größte, am schnellsten aktivierbare und qualifizierbare Potenzial“ (Ristau-Winkler 2015: 18) bei den Müttern zu finden.

Daher ist unter Berücksichtigung des Fachkräftemangels und den Anspruchsvoraussetzungen des Elterngeldes davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren die Entwicklung hin zu einer ca. einjährigen ausschließlichen Freistellungszeit wegen Kinderbetreuung bei den Frauen anhalten wird.

3.3 Zusammenfassung

Es ist festzustellen, dass die in der Einleitung aufgestellten Thesen der vermehrten Zeugung von Kindern sowie ein darauf folgender schnellerer Wiedereinstieg in den Beruf aufgrund der vorgelegten Daten für die BaFin zu bejahen sind. Auch die männlichen BaFin-Beschäftigten tragen zu diesem Trend bei, indem sie sich verstärkt um die Kinderbetreuung kümmern und ausschließliche Freistellungszeiten – wenn auch nur für wenige Monate – in Anspruch nehmen.

Damit alle Beteiligten diese aufgezeigte Entwicklung mittragen und das Personal der BaFin, im Rahmen einer hohen Zufriedenheit, an die Behördegebunden werden kann, muss diese Entwicklung gleichzeitig mit der Verfügbarkeit und Neuentwicklung von Instrumenten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf einhergehen.

Daher sollen im nächsten Kapitel zunächst die theoretischen Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mit den grundsätzlich verfügbaren Instrumentengruppen, aufgezeigt werden. Sodann werden ausgewählte, aktuell vorhandene Instrumente der BaFin dargestellt, auf ihre Praktikabilität bewertet und Überlegung bzgl. neu einzurichtender Instrumente angestellt.

4 Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Beschäftigten

4.1 Die acht Handlungsfelder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Beschäftigten sind „mehr als 100“ (Weßler-Possberg 2013: 67) Einzelinstrumente vorhanden. Diese reichen von einer familienbedingten Teilzeitbeschäftigung bis hin zu ungewöhnlichen Instrumenten wie Stipendien für Beschäftigtenkinder. Alle Instrumente können hierbei ausnahmslos in verschiedene Handlungsfelder unterteilt werden. Überwiegend wird in der Fachliteratur die Systematisierung des BMFSFJ (BMFSFJ 2007: 3f.) anerkannt, welche die Instrumente in acht Handlungsfelder einteilt, Abbildung 12.

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Abbildung 12: Die acht Handlungsfelder der Vereinbarkeit von
Familie und Beruf (Becker 2011: 3)

Diese Systematik wurde in den 2000er-Jahren entwickelt und ist bis heute „Grundlage des audit berufundfamilie“ (ebd.). Beispielhaft stellt Tabelle 3 zu jedem der acht Handlungsfelder jeweils zwei konkrete Instrumente dar.

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Tabelle 3: Mögliche Einzelinstrumente der acht Handlungsfelder (eigene Darstellung[7] )

Eine große Anzahl von Instrumenten ist jedoch kein Automatismus für zufriedene Beschäftigte. Passgenaue Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen stattdessen erreicht werden, also „Angebote, die sowohl auf die Rahmenbedingungen [der Behörde] als auch auf die Belange der Belegschaft optimal zugeschnitten sind“ (Becker 2011: 19). In diesem Kapitel werden zunächst drei vorhandene Instrumente in der BaFin dargestellt und aus Sicht der Behörde erläutert, bevor diese von den Nutzern (die BaFin-Beschäftigten) bewertet werden (Abschnitt 4.3).

Die drei ausgewählten Instrumente sind:

- Familienbedingte Teilzeitangebote
- Telearbeit
- Behördeneigene Kinderbetreuungseinrichtung

Sie bilden jeweils eines der acht Handlungsfelder ab (Arbeitszeit, Arbeitsort, Service für Familien). Weiterhin stellen nach Einschätzung der Arbeitgeberseite diese drei Instrumente die erfolgreichsten und wichtigsten Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar und sind insgesamt am häufigsten vorhanden (Klatt/Steinberg 2013: 124 f. oder Benikowski et al. 2013: 145). Auch die Fachliteratur sieht in diesen Instrumenten wichtige Bausteine zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So beleuchten BADURA ET AL. in ihrem Fehlzeit-Report 2003 bzgl. konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der WLB ausschließlich die drei Instrumente „Flexible Arbeitszeit“, „Telearbeit“ und „Betrieblich geförderte Kinderbetreuung“ (Badura et al. 2004: 91 ff.). Auch die Beschäftigten selbst erachten diese drei Instrumente als am notwenigsten für eine subjektiv bessere Vereinbarkeit ihrer Familientätigkeit mit dem Beruf. Beispiel für diese Einschätzung ist die „repräsentative Befragung abhängig beschäftigter Mütter und Väter“ (Klenner/Schmidt 2007: 5) durch das BMFSFJ im Jahre 2004 – Erwartungen an einen familienfreundlichen Betrieb –.

Die Darstellung und Bewertung der ausgewählten Instrumente aus Sicht der Behörde erfolgt mithilfe von qualitativen, leitfadengestützten Interviews der Entscheidungsträger in der BaFin, sogenannte Experteninterviews. Vier Experteninterviews wurden insgesamt innerhalb des Monats Januar 2016 erhoben und hatten jeweils eine Länge von ca. 30 Minuten. Die Gespräche wurden in einer reproduzierbaren Form – mit Hilfe eines Diktiergeräts – festgehalten und im Anschluss gemäß der geltenden Transkriptionsregeln der Universität Kassel verschriftlich. Durch die qualitative Datenerhebung des Experteninterviews ist es möglich, unerwartete Informationen aufgrund von Verhaltensweisen und Meinungsäußerungen der Interviewpartner zu erhalten und somit „durch diesen nicht eingeplanten Informationsgewinn zu weiter- und tiefergehenden Erkenntnissen“ (Lamnek 2005: 571) zu gelangen. Die Instrumentenbewertung aus Sicht der BaFin-Beschäftigten (Abschnitt 4.3.) erfolgte mithilfe eines standardisierten Fragebogens.

Die genaue Methodik zur Stichprobenerhebung sowie der Auswahl der Experten wird in den jeweiligen Unterabschnitten erläutert. Zu betonen ist bereits zuvor, dass bei diesen Erhebungsformen lediglich persönliche Einzelmeinungen erfragt werden können und somit nur eine Annäherung an den tatsächlichen Sachverhalt möglich ist.

Andere Instrumente in der BaFin, z.B. Eltern-Kind-Arbeitszimmer, können aufgrund des Masterarbeitsumfangs nicht tiefergehender dargestellt werden.

4.2 Darstellung der Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der BaFin

4.2.1 Familienbedingte Teilzeitbeschäftigung

Beamte sowie TB können nach dem BBG oder dem TVöD eine familienbedingte Teilzeitbeschäftigung in Anspruch nehmen. Alle Instrumente des Handlungsfeldes Arbeitszeit werden in zwei Gruppen unterteilt:

- Arbeitszeitreduzierung
- Flexible Vollzeitmodelle

Tabelle 4 zeigt einzelne Maßnahmen beider Gruppen auf, welche in der BaFin vorhanden sind.

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Tabelle 4: Instrumente des Handlungsfeldes Arbeitszeit (eigene Darstellung)[8]

Das Handlungsfeld Arbeitszeit wird hierbei „als der mit Abstand wichtigste Bereich“ (Klenner/Schmidt 2007: 6) angesehen. Alle Instrumente des Handlungsfeldes unterscheiden sich voneinander bzgl. der Dimensionen (Thiele 2009: 74 sowie Schneider/Wieners 2006: 18):

- Dauer (sowohl Arbeitsvolumen, als auch Arbeitszeitlänge)
- Lage
- Verteilung

Abbildung 13 stellt die verschiedenen Dimensionen der Arbeitszeit dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Die Dimensionen der Arbeitszeit (Schneider/Wieners 2006: 18)

Ziel muss es sein, weg vom starren Arbeitszeitverständnis mit fester Zeitdauer, Lage und Verteilung (z.B. tägliche Arbeitszeiten von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr) zu einem System zu kommen, bei dem die Dimensionen durch die Beschäftigten geändert werden können.

Die Darstellung des Instrumentes der familienbedingten Teilzeitbeschäftigung erfolgt anhand der Kenntnisse des Verfassers als zuständiger Sachbearbeiter bzgl. der grundsätzlichen Voraussetzungen und des Teilzeitumfanges (Referat Personalwesen; Anlage 2), der Dienstvereinbarung (DV) zur Gleitzeit in der BaFin sowie eines Experteninterviews. Der Experte (Referat xxx) ist ein zuständiger Sachbearbeiter[9] (Leitfaden siehe Anlage 3).

Für eine familienbedingte Teilzeitbeschäftigung braucht es einen schriftlichen Antrag des BaFin-Beschäftigten, dem der unmittelbare Vorgesetzte zustimmen muss, Anlage 5. Innerhalb des Antrages kann der BaFin-Beschäftigte die Arbeitszeitdimensionen seiner Teilzeitbeschäftigung selbst vorschlagen. So können die BaFin-Beschäftigten im Rahmen dieses variablen Teilzeitmodelles (Ahmetovic 2009: 50) jegliche Kombinationen – wie auch freie Tage – vorschlagen. Der Antrag wird hiernach an den zuständigen Sachbearbeiter im Referat Personalwesen weitergeleitet, der die Voraussetzungen für eine familienbedingte Teilzeitbeschäftigung prüft. Eine Ablehnung des Antrages kann lediglich bei

a) der Versagung der Vorgesetztenzustimmung bei zwingenden dienstlichen Belangen oder
b) Fehlen der Voraussetzungen

erfolgen.

Die Hürden für eine Ablehnung sind sehr hoch, da alle beschäftigten Elternteile mit Kindern unter 18 Jahren die Voraussetzungen für eine familienbedingten Teilzeitbeschäftigung erfüllen und zwingende dienstliche Belange nur angeführt werden dürfen, wenn durch diese Teilzeitbeschäftigung die Behörde ihre gesetzlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen könnte. Diese Argumentation wäre jedoch bei einer Beschäftigtenzahl von über 2.500 Personen in der BaFin schwer nachvollziehbar. Weder dem Experten, noch dem Verfasser, ist daher die Ablehnung eines schriftlichen Antrags auf familienbedingten Teilzeitbeschäftigung in den letzten zehn Jahren bekannt.

Nach der Gewährung des Teilzeitumfanges wird der Antrag an den zuständigen Sachbearbeiter im Referat Personalservice weitergeleitet. Dieser prüft die konkrete Arbeitszeitgestaltung und die vorgeschlagen Arbeitszeitdimensionen. Müsste eine – oder mehrere – Dimension(en) nachgebessert werden, berät der Sachbearbeiter den BaFin-Beschäftigten, inwieweit eine Änderung nach seinen persönlichen Wünschen möglich ist. Trotzdem kann es prozessual zwischen den beiden Referaten zu Reibungsverlusten kommen, wenn

a) die prozentuale Höhe der Teilzeitbeschäftigung nicht mit der gewünschten Arbeitszeitgestaltung übereinstimmt (z.B. da 20 Stunden Teilzeit von 40 Stunden Regelarbeitszeit keine 55% betragen können) oder
b) im Rahmen von Änderungen durch das Referat Personalservice das Arbeitszeitvolumen nachträglich geändert wird, ohne dass eine neue prozentuale Höhe dem Referat Personalwesen mitgeteilt wird.

Es gibt mehrere Möglichkeiten für die BaFin-Beschäftigten, flexibel ihre Arbeitszeit zu ändern. So kann der Teilzeitbeginn und das Ende individuell bestimmt und jederzeit geändert werden. Beschränkungen durch die BaFin in Form von festgelegten Zeitpunkten oder Mindestarbeitszeitvolumen gibt es nicht.

Weiterhin ist die Teilzeitbeschäftigung mit den Elternzeit- und Gleitzeitregelungen der BaFin verbunden, in der eine echte, qualifizierte Gleitzeit (Thiele 2009: 76 sowie Dörfler 2003: 11) angeboten wird. Die tägliche Arbeitsdauer kann selbstständig geändert werden, unter Erfüllung von zwei Kernzeiten, Abbildung 14.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14: Die Arbeitszeitmöglichkeiten in der BaFin (eigene Darstellung)[10]

Darüber hinaus gibt es ein Jahresarbeitszeitkoto. Über das Jahr verteilt darf das individuell festgelegte wöchentliche (Teil-)Zeitvolumen um bis zu 20 Stunden unterschritten werden. Bis zu 40 Guthabenstunden dürfen die BaFin-Beschäftigten in das neue Jahr übertragen. Damit bleibt die monatliche Besoldung oder das Entgelt gleich, auch wenn aufgrund von Familienpflichten die Arbeitszeit an mehreren Tagen oder Wochen abgesenkt werden muss und somit in einem bestimmten Zeitraum weniger Wochenarbeitsstunden geleistet werden als vorgesehen.

Im Falle von Guthabenstunden wird Freizeitausgleich gewährt. Dieser kann flexibel durch einzelne Stunden oder tageweise erfolgen. Pro Jahr können 24 Tage – und damit bis zu 195 Guthabenstunden – zu freien Tagen umgewandelt werden. Das Tauschen von Arbeitstagen mit arbeitsfreien Tagen bei kurzfristigen privaten Verpflichtungen ist dagegen nicht möglich. Diese Flexibilität ist nur bei Vorliegen dienstlicher Gründe vorhanden.

Insgesamt kann jedoch – auch unter Berücksichtigung der Verknüpfung der Teilzeitregelungen mit den Gleitzeitmöglichkeiten – festgestellt werden, dass die BaFin-Beschäftigten beim Instrument der familienbedingte Teilzeitbeschäftigung die Möglichkeit einer hohen – wenn auch nicht allumfassenden – individuellen Zeitsouveränität haben, die als Konsequenz eine schnellere Rückkehr an den Arbeitsplatz sowie eine längere Arbeitszeit neben einer Kinderbetreuung möglich macht.

Unter Beachtung der Nutzungszahlen ist die familienbedingte Teilzeitbeschäftigung – inkl. der Teilzeitbeschäftigungen in Elternzeit – das gebräuchlichste Instrument in der BaFin. Zum Stand 30.11.2015 waren 329 BaFin-Beschäftigte in einer familienbedingte Teilzeitbeschäftigung, wobei dieses Instrument zu 88,7% von Frauen genutzt wurde, Abbildung 15.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 15: Nutzung der familienbedingten Teilzeitbeschäftigung, getrennt nach
Geschlechtern (eigene Darstellung)

Damit ist die Teilzeitbeschäftigung immer noch eine „Domäne weiblicher Arbeitskräfte“ (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit 2005: 10). Auch bezüglich der Dauer einer solchen Arbeitszeitreduzierung nutzen die weiblichen BaFin-Beschäftigten die Möglichkeiten der familienbedingten Teilzeitbeschäftigung im größeren Maße. Die 292 weiblichen Teilzeitbeschäftigten arbeiteten durchschnittlich 25,4 Stunden pro Woche in der BaFin, die 32 teilzeitbeschäftigten Männer hingegen durchschnittlich 32,5 Stunden pro Woche.

Die größte Arbeitszeitreduzierung erfolgte dementsprechend ebenfalls bei den Frauen. Sechs Wochenstunden (15%) bzw. elf Wochenstunden (28,2%) arbeiteten die Beamtin bzw. die weibliche TB mit der geringsten Arbeitszeit. Bei den Männern hingegen arbeitete der Beamte mit der geringsten Arbeitszeit 20,5 Wochenstunden (50%), der einzige männliche TB arbeitete 35,1 Wochenstunden (90%).

4.2.2 Telearbeit

Wörtlich kann der aus dem Griechischen stammende Begriff Tele(-arbeit) mit Fern(-arbeit) (Thiele 2009: 84) übersetzt werden. Die für alle Formen der Telearbeit zutreffende Definition ist: „Telearbeit kann als Sammelbegriff für informations- und kommunikationstechnisch gestützte Arbeitstätigkeiten verstanden werden, die räumlich entfernt von der Behörde verrichtet werden“ (Seger 2005: 6). Ziel der Telearbeit ist die Flexibilisierung der Berufstätigkeit durch die Veränderung des Arbeitsortes.

Grundlegende Formen der Telearbeit sind (Seger 2005: 8):

- Teleheimarbeit
- Mobile Telearbeit
- Zentrierte Telearbeit
- Telearbeit vor Ort
- Alternierende Telearbeit

Diese Formen enthalten jeweils unterschiedliche Vor- sowie Nachteile und variieren bzgl. der Dimensionen:

- Raum/Ort
- Zeit
- Technik
- Vertragsformen

Abbildung 16 zeigt die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Telearbeitsformen der Telearbeit, katalogisiert nach deren Dimensionen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 16: Gestaltungsmöglichkeiten der Telearbeit (ebd.)

Die Darstellung des Instrumentes der Telearbeit erfolgt anhand der DV zur Telearbeit in der BaFin sowie eines Experteninterviews. Der Experte ein zuständiger Sachbearbeiter aus dem Referat xxx (Leitfaden siehe Anlage 6).

Für einen Telearbeitsplatz braucht es einen schriftlichen Antrag des BaFin-Beschäftigten, der vom unmittelbaren Vorgesetzten befürwortet werden muss, Anlage 8. Der Vorgesetzte überprüft die Geeignetheit der Arbeitsaufgaben, die

a) die Eignung zur IT-gestützten Aufgabenerledigung haben müssen,
b) einen geringen Anteil an vertraulichen Daten haben sollten,
c) ergebnisorientierte Resultate zur Arbeitskontrolle ergeben sollten und
d) keine ständige Anwesenheit in der BaFin erfordern dürfen (z.B. Fahrbereitschaft, Vorzimmer).

Befürwortet der Vorgesetzten den Antrag, wird dieser an die Telearbeitskommission weitergeleitet. Diese entscheidet über die Vergabe der Telearbeitsplätze und berücksichtigt hierbei soziale Kriterien. Bewerber mit einer besonderen familiären Situation – z.B. die Betreuung eines Kindes im eigenen Haushalt – werden bevorzugt mit einem Telearbeitsplatz ausgestattet. Durch diese bevorzugte Behandlung von Eltern ist die Telearbeit ein mögliches Mittel zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Jedoch darf nicht jeder interessierte BaFin-Beschäftigte mit Kind(ern) eine Telearbeit ausüben. So werden schon seit Beginn der Telearbeit im Jahr 2002 Telearbeitsanträge von BaFin-Beschäftigten mit Kind(ern) in vereinzelten Fällen abgelehnt. Grund hierfür ist die Begrenzung der Telearbeitsplätze, aktuell 15% der Planstellen in der BaFin, was derzeit 357 Telearbeitsplätzen (Stand: 30.06.2015) entspricht. Wegen dieser Begrenzung werden BaFin-Beschäftigte gebeten, keinen Antrag auf Telearbeit zu stellen, wenn sie einen ganztägigen Kinderbetreuungsplatz haben. Auch aktuelle Anträge von – gerade männlichen – BaFin-Beschäftigten, deren Partnerinnen nicht bei der BaFin beschäftigt sind und sich an der Kindererziehung beteiligen, werden abgelehnt, aus Angst vor einer „Antragsflut“. Eine unkomplizierte Vereinbarkeit des Berufes mit dem Wunsch der verstärkten Kindererziehung ist mit dieser Entscheidungsstrategie nicht möglich.

Weiterhin wird Telearbeit nur für maximal ein Jahr gewährt. Für jede längere Zeitspanne braucht es schriftliche Verlängerungsanträge durch den BaFin-Beschäftigten. Für längerfristig angedachte Nutzungsdauern braucht es also mehrere Anträge und mehrere Zustimmungsverfahren, verbunden mit eventuellen Rückgaben der Telearbeitsplätze durch BaFin-Beschäftigte mit Kind(ern), falls andere Anträge mit höher gewerteten Kriterien die begrenzte Anzahl der Telearbeitsplätze bereits belegt haben.

Als Telearbeitsform wird in der BaFin ausschließlich die alternierende Telearbeit angeboten. Hierbei arbeiten die BaFin-Beschäftigten sowohl am häuslichen Arbeitsplatz, als auch in ihrem Büro. Der Hauptgrund für diese Wahl als ausschließliche Telearbeitsform war der Wunsch der BaFin, die Telearbeiter regelmäßig in der Dienststelle sehen zu können und somit die Kollegialität zu verbessern sowie einer sozialen Isolation der Telearbeiter vorzubeugen. Die Meinung der BaFin ist dabei deckungsgleich mit der Mehrheit der Fachliteratur, welche die alternierende Telearbeit als die Telearbeitsform ansieht, in der eine beruflichen und soziale Isolation am besten vermieden (z.B. Thiele 2009: 87 oder Seger 2005: 105) und „einer negativen Karriereentwicklung am weitesten“ (Seger 2005: 121 f.) entgegen gewirkt werden kann.

Die jeweiligen Arbeitszeiten im Büro und am häuslichen Arbeitsplatz wechseln sich im Laufe einer Arbeitswoche ab. Der BaFin-Beschäftigte kann auch bei der (Tele-)Arbeitsgestaltung seine Zeitdimensionen individuell vorschlagen, jedoch unter Beachtung weniger Einschränkungen. Die wichtigste Einschränkung hierbei ist die Regelung, grundsätzlich lediglich 40% der Arbeitszeit am häuslichen Arbeitsplatz verbringen zu können. Die restliche Arbeitszeit ist in der BaFin abzuleisten (alternierende bürozentrierte Telearbeit). Ausnahmen bei der Arbeitszeitaufteilung sind in besonderen Fällen möglich, wozu beispielsweise schwere Erkrankungen oder die Betreuung eines behinderten Kindes zählen. Für 11% der Telearbeiter gelten solche Ausnahmeregelungen, zwölf Telearbeiter – ca. 3,3% der Telearbeiter – haben sogar einen alternierenden wohnungszentrierten Telearbeitsplatz (über 50% der Gesamtarbeitszeit (Dörfler 2004: 26) am häuslichen Arbeitsplatz).

Neben der Wahl, Telearbeit sowohl als Vollzeitkraft, als auch als Teilzeitbeschäftigter (mit mindestens 50% Arbeitszeit) zu leisten und der Teilnahme an den Gleitzeitregelungen, ist auch die Aufteilung der Arbeitsstunden am häuslichen Arbeitsplatz auf spezielle Wochentage oder favorisierte Tageszeiten (z.B. abends statt vormittags) möglich. Schwieriger ist jedoch der Tausch bon Tage in der Dienststelle mit Tagen am häuslichen Arbeitsplatz, analog zu der familienbedingten Teilzeitbeschäftigung. Diese Flexibilität ist nur bei Vorliegen dienstlicher Gründe möglich.

Insgesamt gesehen haben die BaFin-Beschäftigten damit auch beim Instrument Telearbeit die Möglichkeit einer hohen – wenn auch nicht allumfassenden – individuellen Zeitsouveränität, die ebenfalls eine schnellere Rückkehr an den Arbeitsplatz oder eine längere Arbeitszeit im Beruf neben einer Familienbetreuung möglich macht.

Von den derzeit 357 zur Verfügung stehenden Telearbeitsplätzen werden 314 Telearbeitsplätze genutzt, was 88% entspricht (Stand: 30.06.2015). Es ist jedoch abzusehen, dass die steigende Nutzungsquote zur Komplettauslastung der zur Verfügung stehenden Telearbeitsplätze bis Ende 2016 führt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte die Begrenzungsquote erhöht werden. Andernfalls erscheint die vermehrte Ablehnung der Telearbeitsanträge von BaFin-Beschäftigten mit Kind(ern) wahrscheinlich.

Auch die Telearbeit nutzen mehrheitlich die weiblichen BaFin-Beschäftigten (57,3%), Abbildung 17.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 17: Nutzung der Telearbeit, getrennt nach Geschlechtern (eigene Darstellung)

[...]


[1] Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Mehr Geburten und weniger Sterbefälle im Jahr 2014: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2015/08/PD15_302_126.html, abgerufen am 14.01.2016, 10:25 Uhr.

[2] Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Durchschnittliche Kinderzahl: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Geburten/AktuellGeburtenentwicklung.html, abgerufen am 14.01.2016, 10:40 Uhr.

[3] Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Durchschnittliche Kinderzahl: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Geburten/AktuellGeburtenentwicklung.html, abgerufen am 14.01.2016, 10:40 Uhr.

[4] Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Zusammengefasste Geburtenziffer nach Kalenderjahren: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/GeburtenZiffer.html, abgerufen am 14.01.2016, 10:45 Uhr.

[5] Die Werte für das Jahr 2015 sind nicht abschließend und daher noch nicht aussagekräftig, da Verlängerungen der Freistellungszeiten, welche erst im Jahr 2016 beantragt wurden, durch den Stichtag 31.12.2015 nicht mehr berücksichtigt werden konnten.

[6] Siehe 3.2., Seite 22.

[7] Nach den Aufzählungen von Becker 2011: 3 ff. und Buchenau et al. 2014: 27 ff..

[8] In Anlehnen an Ulich/Wiese 2011: 115.

[9] Um die Anonymität aller Interviewteilnehmer gewährleisten zu können, werden in dieser Arbeit keine Namen verwendet.

[10] In Anlehnen an Thiele 2009: 125.

Ende der Leseprobe aus 109 Seiten

Details

Titel
Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der öffentlichen Verwaltung. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Hochschule
Universität Kassel
Veranstaltung
Masterstudiengang Master of Public Administration (MPA)
Note
1,9
Autor
Jahr
2016
Seiten
109
Katalognummer
V373900
ISBN (eBook)
9783668511194
ISBN (Buch)
9783668519015
Dateigröße
1428 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Familie und Beruf, Work-Life-Balance, Springerpool
Arbeit zitieren
Brank Anders Wernersson (Autor:in), 2016, Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der öffentlichen Verwaltung. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373900

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