Mediensucht bei Schülern durch Einsatz von Medien im Unterricht?

Ein Vergleich der Filmdidaktik der 1960er und 1970er Jahre mit der modernen Mediendidaktik und die Auswirkungen auf die Adepten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

29 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS:

1. EINLEITUNG

2. FILMDIDAKTIK UND -ÄSTHETIK DER 1960ER-/1970ER-JAHRE
2.1 Der Farbfilm als technische Neuheit der 1960er-Jahre
2.2 Der Film als Novum im Deutschunterricht
2.3 Effekte der Filmdidaktik im Deutschunterricht

3. MODERNE MEDIENDIDAKTIK
3.1 Moderne Medien - Definition
3.2 Moderne Medien im Deutschunterricht: Omnipräsent = omnipotent?
3.3 Effekte moderner Mediendidaktik

4. VERGLEICH FILMDIDAKTIK UND MODERNE MEDIEN-DIDAKTIK IM DEUTSCHUNTERRICHT

5. MEDIENKOMPETENZ

6. DIE ZUKUNFT MODERNER MEDIENDIDAKTIK - AUSBLICK
6.1 Das virtuelle Klassenzimmer - Definition
6.2 Effekte der Digitalisierung - Mediensucht

7. FAZIT / SCHLUSSBEMERKUNG

8. LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob der Einsatz von Medien im Un­terricht die Mediensucht bei Schülern fördert oder bedingt. Dazu wird die Filmdidaktik der 1960er-Jahre der modernen Mediendidaktik gegenübergestellt, um Gemeinsamkei­ten und Unterschiede dieser Methoden zu verdeutlichen. Diese dienen als Basis für po­tenzielle Lösungsansätze für einen differenzierteren und modifiziert effizienteren Ein­satz von Medien im Unterricht, die in dieser Arbeit nachfolgend beschrieben werden.

Der Oberbegriff Medien ist ein Sammelbegriff zur Bezeichnung audiovisueller Kom­munikationsmittel zur Verbreitung von Informationen aller Art, zum Beispiel Nachrich­ten, Bilder, Musik etc., die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Mit Fernsehen und Radio beginnt in den 1950er- und 1960er-Jahren der sich immer weiter beschleunigende technische Fortschritt. Kommunikationswege werden immer kürzer und gleichzeitig mobiler. Durch sogenannte „Massenmedien“, zu denen auch Fernseher und Rundfunk sowie Internet, Print- und Speichermedien gehören, werden einem brei­ten Publikum Informationen aller Art in Echtzeit zur Verfügung gestellt und zugänglich gemacht. Die Generation von Schülern, die mit diesen technischen Neuerungen aufge­wachsen ist, wird „Digital Natives“ oder „Generation Y“ genannt (vgl. John Palfrey, Urs Gasser 2008).[1] Die Omnipräsenz der modernen Medien ist zwiespältig zu sehen. Zwar muss niemand mehr auf die tägliche Post warten, um mit Nachrichten versehen zu werden, es gibt jedoch das Phänomen der Mediensucht, eine Abhängigkeit von Medien, auf das in Punkt 5 dieser Arbeit weiter eingegangen wird (vgl. Strauf 2005: 1 ff.).[2]

Daraus resultiert die Frage: Was macht die Attraktivität von Medien grundsätzlich aus? Der russische Physiologe und Arzt Iwan Petrowitsch Pawlow (1849-1936) beschrieb 1927 als Erster eine biologische „Orientierungsreaktion“ des Menschen. Ohren und Au­gen werden sofort und instinktiv von jedem audiovisuellen Reiz angesprochen. Dieses evolutionäre Alarmsystem bringt das Gehirn dazu, Informationen von außen wahrzu­nehmen, sich auf diese zu konzentrieren und den Körper in Ruhestellung zu versetzen. Ein weiteres evolutionäres Erbe nach Pawlow ist die Kommunikation (vgl. Rost 1993, 1 ff.).[3] Das Medium Film und filmdidaktische Konzepte für den Unterricht machen sich dieses evolutionäre Erbe zunutze. Mit der Entwicklung des Fernsehers und der ersten Fernsehsender beginnt in den späten 1960er-Jahren in Deutschland die Filmdidaktik im Unterricht. Sie wird eingesetzt, um Schülern diverse Kompetenzen der deutschen Spra­che, Biologie, Politik, Mathematik und anderer Schulstoffe im audiovisuellen Kontext zum literarischen Material zu vermitteln und zu veranschaulichen. Dabei werden kogni­tive (kenntnisvermittelnde), affektive (gefühlsvermittelnde) und konative (verhaltensbe­einflussende) Ziele verfolgt. Mit der Entwicklung des Kabelfernsehens 1984, den tech­nisch immer raffinierteren Computern, dem Smartphone und dem Internet Mitte der 1990er-Jahre werden immer mehr Medien im Unterricht eingesetzt. Die Filmdidaktik wird zu einer Mediendidaktik im Unterricht modifiziert, welche die gleichen Ziele ver­folgt wie die Filmdidaktik der 1960er- und 1970er-Jahre. Der Film und die Filmanalyse werden nach wie vor im Unterricht eingesetzt. Die rasche digitale Entwicklung moder­ner Medien und der Einfluss von Social-Media-Kanälen führen im Deutschunterricht jedoch verstärkt zum Einsatz von Smartboards, von Computern und Laptops für selbst verfasste Texte aller Art, iPads, zu von Schülern erstellten Kurzvideos, Smartphones, Vlogs, Weblogs, Webpublishing inklusive der Einbindung von Social Media, wie Facebook, Instagram, Pinterest, Snapchat, Twitter, Tumblr und YouTube, um nur einige zu nennen (vgl. Toman 2006).[4]

2. FILMDIDAKTIK UND -ÄSTHETIK DER 1960ER-/1970ER- JAHRE

2.1 Der Farbfilm als technische Neuheit der 1960er-Jahre

Bereits im Jahr 1909 wurde die Kinemacolor-Technik zur Realisierung von Farbfilmen in Deutschland eingeführt. Die Firma Technicolor folgte im Jahr 1915 mit der Verbrei­tung einer dreifarbigen Strahlenkamera und einer speziellen Drucktechnik. Für Deutsch­land entwickelte Agfa das Agfacolor-Verfahren, auch Negativ-Positiv-Verfahren ge­nannt, um Filme farbig darzustellen. Kodak entwickelte auf dieser Basis nach dem Zweiten Weltkrieg 1950 die Eastman-Color-Technik. Durch weiter verfeinerte Techni­ken, erhöhte Empfindlichkeit und Körnigkeit, eine verbesserte Schärfe und Farbtonse­parierung gelingt die Vorform des modernen Farbfilms. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelt sich die Medienlandschaft in Deutschland durch die Weiterentwicklung der Elektronik und das Medium Film. Die ersten Fernsehgeräte halten Einzug in private Haushalte. Im Jahr 1952 nimmt der erste Fernsehkanal, die ARD, den Betrieb auf. Der zweite Kanal, das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), kommt im Jahr 1963 durch einen Vertrag der Bundesländer hinzu. Zunächst werden in einem begrenzten Zeitraum nur Filme aus den 1940er- und 1950er-Jahren oder Nachrichtensendungen übertragen. Er­weitert wird das Angebot durch dritte Programme, wie den West Deutschen Rundfunk (WDR), und um das Novum Farbfernsehen im Jahr 1967. Während das ZDF sich als Konkurrenz zur ARD sieht und große Unterhaltungsshows produziert, sehen sich die dritten Programme als kulturvermittelnde Kanäle mit Bildungsauftrag. Bedingt durch das Novum Fernsehen laufen manche Fernsehgeräte in privaten Haushalten von Pro­grammbeginn gegen 16:00 Uhr bis zum Sendeschluss gegen 23:00 Uhr (vgl. Amsler 2004: 1 ff.).[5]

2.2 Der Film als Novum im Deutschunterricht

Mit dem Beginn der „kommunikativen Wende“ in den 1960er- und 1970er-Jahren wird versucht, soziostrukturellen Unterschieden von bildungsfernen und bildungsnahen Haushalten entgegenzusteuern. Durch das neue Medium Film soll der Deutschunterricht „näher an der Lebensrealität der Schüler“ gestaltet werden (vgl. Müller-Michaels 1980: 1 ff.).[6] Besteht der Deutschunterricht bisher nur aus Spracherwerb und Zeichensetzung und die Umsetzung dieser Kenntnisse in Diktat und Aufsatz, werden die Lehr- und Lernziele im Hinblick auf „Hören - Sehen - Verstehen“ der deutschen Sprache modifi­ziert und den diversen Bildungsniveaus der Schüler angepasst. Im Frontalunterricht wird in einer 45-minütigen Schulstunde Basiswissen der Sprache durch regelmäßige Diktate, selbstständig verfasste Aufsätze der Schüler in Haus- oder Klassenarbeit ver­mittelt. Dazu gehören seit der „kommunikativen Wende“ neue Aufsatzkategorien wie beispielsweise Protokolle, Textanalysen, Stellungnahmen, Berichte und Beschreibungen (vgl. Lange, Neumann, Ziesensis 2003: 133 ff.).[7] Zentrales Hilfsmittel der Pädagogen ist die Kreidetafel, von der regelmäßig abgeschrieben werden muss. Neben dem Basiswis­sen der deutschen Sprache und den sich immer weiter entwickelnden Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Wiedergeben der Sprache wird ab der Sekundarstufe auch Ein­blick in die deutsche Literatur und deren Ausprägungen wie Lyrik, Drama und Epik sowie in die diversen Literaturepochen gegeben. In die Hermeneutik zu Literaturvorla­gen werden Schüler ab der gymnasialen Oberstufe eingeführt. Um rhetorische Fähigkei­ten in der deutschen Sprache auszubauen, wird den Schülern regelmäßig die Möglich­keit gegeben, Referate zu Filmen oder vorgegebener Literatur in Hausarbeit vorzuberei­ten und vor der Klassengemeinschaft vorzutragen. Auch Rollen- und Theaterspiel ge­winnen immer mehr an Bedeutung. Mit dem Zugang der privaten Haushalte zum Medi­um Film in den 1960er-Jahren startet der pädagogische Ansatz, Filme inhaltsvermittelnd im Deutschunterricht einzusetzen. Basis dieser Überlegung ist, Schülern aller Altersstu­fen und Bildungsniveaus Begrifflichkeiten und Grammatik der deutschen Sprache se­miotisch, d. h. anschaulicher und einprägsamer, darstellen zu können. Ein (bewegtes) Bild transportiert wesentlich mehr Informationen und kann diese entsprechend besser vermitteln. Zunächst werden entsprechend gestaltete Kurzfilme zur Alphabetisierung eingesetzt. Bei der Filmdidaktik der 1960er-Jahre handelt es sich um einen Baustein im Deutschunterricht zur Reflexion und Expansion bereits bestehender Kenntnisse der Sprache. Bei den Schülern erfreuen sich diese Filme aufgrund der technischen Neuheit zunächst allgemeiner Beliebtheit, auch um den Unterricht aufzulockern. Im Verlauf des Jahrzehnts ebbt diese Begeisterung ab. Der Filmkanon für den Deutschunterricht ist noch sehr begrenzt. Die Kurzfilme können nur sehr aufwendig produziert werden und sind in Schwarz und Weiß gehalten. Aufgrund des langsamen Herstellungsprozesses können diese Filme weder inhaltlich noch mit dem technischen Fortschritt sowie dem soziostrukturellen Wandel der noch jungen Bundesrepublik Deutschland mithalten (vgl. Amsler 2004: 1 ff.).[8]

2.3 Effekte der Filmdidaktik im Deutschunterricht

Die Form des Frontalunterrichts im Deutschunterricht bedingt, dass gegen Ende einer Unterrichtsstunde nicht immer klar ist, wie viele Schüler dem Unterricht folgen und damit ihre Sprachkompetenz erhöhen können. Lernschwächere Schüler fallen in der Regel nicht auf und können dem Lerntempo des Pädagogen eventuell nicht folgen. Der Einsatz von Kurzfilmen steigert nur kurzfristig die Aufmerksamkeitsspanne. Für Re­cherchen zu Literatur- und Textanalysen müssen zeitaufwendig Bibliotheken und Stadt­büchereien aufgesucht werden. Umfangreiche Hausarbeiten zur Entwicklung der Sprachkompetenz wie etwa Arbeitsblätter mit Lückentexten und Grammatikaufgaben oder Aufsätze zu vorgegebenen Themen und kurze Referate zur Wiederholung erlernter Inhalte im Deutschunterricht sind alltägliche Begleiter der Schüler (vgl. Müller­Michaels 1980: 1 ff.).[9] Der durch den Einsatz von Kurzfilmen bedingte Wandel im Deutschunterricht in den 1960er- und 1970er-Jahren stellt sich als gewinnbringend her­aus. Schüler können dem Lehrstoff im Prozess des „Hören-Lesen-Verstehens“ durch die anschaulich gemachten Beispiele im Kurzfilm und durch Rollen- und Kommunikations­spiele besser folgen. Schüler aus bildungsfernen Haushalten finden Zugang zum Lehr­stoff Deutsch. Das Medium Film wird als Lehrmaterial in den 1960er- und 1970er- Jahren durchweg positiv bewertet. Allerdings sehen Pädagogen den Film auch als pro­bates Mittel, um Klassen durch das Medium Film unter Kontrolle zu bekommen und ruhig zu stellen. Schüler begrüßen diese Form des Unterrichts, denn sie müssen nicht aktiv am Unterricht teilnehmen.

Auch Eltern genießen ihre Auszeit und setzen ihre Kinder nach dem Schulbesuch vor den Fernseher. Dabei ist zu beobachten, dass in bildungsfernen Haushalten der Fernse­her von Programmanfang bis -ende eingeschaltet bleibt, während das Fernsehprogramm in bildungsnahen Haushalten eher eine Nebenrolle einnimmt. Ein täglicher Fernsehkon­sum von drei bis sechs Stunden führt bereits in den 1960er-Jahren zu Symptomen wie Ess- und Schlafstörungen und allgemeiner Reizbarkeit bei den betroffenen Kindern. Werden die Kinder vom Fernsehkonsum befreit, verschwinden die psychosomatischen Symptome. Das neue Phänomen nennt sich Fernsehsucht, wird jedoch in den 1960er- und 1970er-Jahren nicht zweifelsfrei als Sucht interpretiert und anerkannt (vgl. Richte 1967).[10]

3. MODERNE MEDIENDIDAKTIK

3.1 Moderne Medien - Definition

Das lateinische Wort „Medium“ bedeutet wörtlich übersetzt „das Mittlere“ oder „die Mitte“. Den Begriff im Plural, „die Medien“, wird seit Mitte der 1990er-Jahre für Kommunikationsmittel aller Art verwendet. Der Oberbegriff Medien ist ein Sammelbe­griff zur Bezeichnung audiovisueller Kommunikationsmittel zur Verbreitung von In­formationen aller Art, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zu den sogenannten „Massenmedien“ gehören das Internet, Social-Media-Kanäle, die Printmedien, Fernsehen und Rundfunk und Speichermedien wie CD und DVD. Das Internet hat in den letzten zwanzig Jahren aufgrund der technischen Evolution immens an Bedeutung gewonnen und ist heute das bevorzugte Medium, um Informationen aller Art zu teilen und zu verbreiten. Durch diese öffentliche Massenkommunikation ist jede Art von Informationen, negativer oder positiver Art, einem anonymen, räumlich breit verstreuten Publikum zugänglich. Das Internet wird durch Social-Media-Netzwerke wie Facebook, Instagram, Pinterest, Tumblr, Snapchat, YouTube oder Twitter zudem zu einer nicht zu unterschätzenden komplexen und sozialen Institution mit Einflüssen auf Politik, Recht und Ökonomie. Die Digitalisierung führt zu ganzen Generationen (Y und Z), die mit modernen Medien und deren Weiterentwicklung aufgewachsen sind und sich einen Alltag ohne diese modernen Massenmedien nicht vorstellen können und in gewis­ser Weise von ihnen abhängig sind.[11] Durch die Digitalisierung sind Medien aller Art auch in privaten Haushalten vorhanden. Intemetradios und E-Book-Reader oder die sogenannten „Wearables“ wie Smart-Armbanduhren sind noch nicht sehr verbreitet (unter 25 Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen darüber). Allerdings verfügen 90 Prozent der Haushalte mit Kindern über Digitalkameras, Fernseher und/oder Radios. In diesen Haushalten findet sich des Weiteren mindestens ein Smartphone, ein Desktop- Computer oder ein Laptop inklusive Internetanschluss. Etwa 45 Prozent verfügen über einen Fernseher mit Internetanschluss und 75 Prozent der Haushalte mit Kindern nen­nen ein DVD-Gerät und Spielkonsolen ihr Eigen. Windows-10-Nutzer wird vom Unter­nehmen Microsoft stillschweigend unterstellt, eine X-Box zu besitzen. Entsprechend ist eine App für die Nutzung einer X-Box vorinstalliert. Um der Lebensrealität der „digital natives“ gerecht zu werden, werden verstärkt digitale Medien im Deutschunterricht ein­gesetzt. (vgl. Feierabend, Plankenhorn, Rathgeb, JIM-Studie 2015).[12]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Geräteausstattung im Haushalt 2015, entnommen aus: JIM-Studie 2015

3.2 Moderne Medien im Deutschunterricht: Omnipräsent = omnipotent?

Durch die Präsenz von digitalen Kommunikationsmitteln in nahezu 90 Prozent aller Haushalte werden auch im Deutschunterricht vermehrt moderne Medien eingesetzt, um näher an der Lebensrealität dieser Generationen zu unterrichten. Es stellt sich zudem heraus, dass Gruppen- oder Einzelarbeit der Schüler zu einem höheren Lerneffekt beim Erwerb der Sprachkompetenz im Deutschunterricht beiträgt. Auf diese Weise werden auch lernschwächere Schüler oder Schüler aus bildungsfernen Haushalten weniger be­nachteiligt. Diese Neuerungen sowie die modernen Medien ermöglichen seit Mitte der 1990er-Jahre völlig neue didaktische Ansätze. Sogenanntes „Smart Learning“ muss der Generation Y nicht explizit erklärt werden. Bereits mit sieben oder acht Jahren meistern Kinder digitale Geräte aller Betriebsarten ohne Schwierigkeiten. Daher ersetzt Compu­tersoftware heute größtenteils Aufgabenblätter im Deutschunterricht durch Sprachspie- le, die auf traditionell bekannten Spielen beruhen. Für den Erwerb des Sichtwortschat­zes der deutschen Sprache gibt es Software für Grundschulkinder mit Lückentexten oder sogenannten Multiple-Choice-Tests zur deutschen Grammatik oder semantischen Zusammenhängen oder Literaturvorlagen. Für legasthene Schüler gibt es ein spezielles Softwareangebot zur Aufarbeitung von Defiziten der deutschen Sprache. Sprachkompe- tenzen werden durch interaktive Grammatikübungen, Lückentexte oder Literaturauszü­ge, die an sogenannten Smart- oder Whiteboards gezeigt werden, gefördert. Recherchen zu Literaturvorgaben können in Echtzeit im Internet vorgenommen werden. Sprachap- plikationen für das Smartphone ermöglichen selbstständiges Erarbeiten von semanti­schen Zusammenhängen. Webpublishing oder selbst verfasste Weblogs haben weitge­hend die Aufsätze als Klassenarbeit verdrängt. Weblogs eignen sich insbesondere für Film- oder Literaturanalysen oder für die Präsentation erlernter Unterrichtsinhalte. Schüler können im Unterricht beispielsweise an einer Autoren-Rallye teilnehmen oder dem Klassenverband ihre Referate mittels Power-Point-Präsentationen vorstellen (vgl. Frederking, Krommer, Möbius, Ulrich 2014).[13]

Die omnipräsenten modernen Medien bieten eine schier unendliche Vielfalt an pädago­gischem Potenzial, um die Kreativität und Produktivität, die bei dem Erwerb von Sprachkompetenzen oder Literaturrecherchen und -analysen unerlässlich sind, zu för- dem. Allerdings bedeuten die Vielfalt und das Ausmaß an modernen Informationsmög­lichkeiten nicht automatisch eine omnipotente Vermittlung und einen Erwerb von sprachlichen Kompetenzen oder von Wissen. Hier ist es wichtig, dass von pädagogi­scher Seite aus Medienkompetenz besteht und die Lehrkraft zur Begleiterin des Lern­prozesses der Schüler mutiert und die Effekte in Grenzen gehalten werden (vgl. Inter­netauftritt des Zentrums für Bildung und Medien zum Medienpass NRW).[14]

3.3 Effekte moderner Mediendidaktik

Die Digital Natives oder auch „Generation Y“ sind mit der Versorgung von Informatio­nen in Echtzeit und über das Smartphone aufgewachsen. Der Vorteil dieser Entwicklung liegt darin, dass Schüler der Generationen Y und Z durch Internet und Smartphone viel mehr lesen als Schüler der vorangegangenen Generationen. Lesekompetenz und das „überfliegende“ Lesen werden viel früher trainiert und erlernt als noch vor zwanzig Jah­ren (vgl. Palfrey, Gasser 2008).[15] Durch die Vielfalt an technischen Möglichkeiten ist es heute schwieriger, selbstständiges Denken und Kreativität dieser Generationen einzu­fordern, da bereits Grundschullehrer zur Recherche für Hausaufgaben im Internet auf­fordern. Seit Mitte der 1990er-Jahre verfügen etwa 90 Prozent aller Haushalte in Deutschland über digitale Medien wie Laptop oder Desktopcomputer mit Internetzu­gang, Smartphone und digitaler Kamera.[16] Dementsprechend werden moderne Medien, insbesondere Handy und Smartphone, von der Generation Y in der Freizeit genutzt, nachfolgend hierzu eine statistische Einschätzung der JIM-Studie 2015:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Medienbeschäftigung in der Freizeit für Jugendliche 2015, entnommen aus: JIM-Studie 2015

Dieser Grafik nach zu urteilen sind Handy- und Smartphone-Nutzung für viele Jugend­liche vorrangig, direkt gefolgt von Internetnutzung und Fernseher. Allerdings führt die­ser Weg dazu, dass vermeintlich „allwissende“ Applikationen auf dem Smartphone und das Internet alle Unterrichtsfragen beantworten und der freiwillige und kreative Denk­prozess der Schüler eingeschränkt wird. Viele Schüler haben unendliches Vertrauen in digitale Medien und die vermeintlich „allwissenden“ Applikationen und setzen Recht­schreibprogramme mit korrekter Schreibweise gleich. Schüler müssen die selbstkriti­sche Einschätzung ihrer Sprachkompetenz erst erlernen und begreifen, dass das Internet nicht auf alle Fragen eine Antwort parat hält. Ergo bedürfen Schüler dieser Generation auch einer kompetenten pädagogischen Begleitung, welche das kreative eigenständige Denken einfordert und fördert. Aus diesen Gründen betrachten viele Eltern, die ihrer­seits ohne digitale Medien und der Filmdidaktik der 1960er- und 1970er-Jahre aufge- wachsen sind, das sogenannte „Smart Learning“ mit kritischen Augen. Für viele Eltern der Generation Y sollten weniger und nicht mehr moderne Medien in den Unterricht integriert werden (vgl. Dräger, Müller-Eiselt 2015).[17]

Dazu werden im Folgenden ein Vergleich der Filmdidaktik der 1960er- und 1970er- Jahre und der Einsatz moderner Medien im Deutschunterricht gegenübergestellt.

4. VERGLEICH FILMDIDAKTIK UND MODERNE MEDIEN­DIDAKTIK IM DEUTSCHUNTERRICHT

Die Filmdidaktik der 1960er- und 1970er-Jahre bietet den Vorteil, dass Schülerinnen und Schüler auf Büchereien und Bibliotheken für die eigene Recherche angewiesen sind. Der eigenen Kreativität und dem selbstständigen Denken sind noch keine Grenzen durch moderne Medien gesetzt. Die eingesetzten Kurzfilme im Deutschunterricht die­nen dem Erwerb von semantischen Zusammenhängen der deutschen Sprache, der Sprachkompetenz im Allgemeinen und dem Erwerb und der Erweiterung des Sichtwort­schatzes für Grundschulkinder ab dem dritten Grundschuljahr (vgl. Möbius 2005: 92- 115).[18]

Die Kurzfilme sind nicht mehr als zwanzig Minuten lang und sind den diversen Alters­stufen für den Spracherwerb angepasst. Die Schüler können nur indirekt mit dem Medi­um Kurzfilm interagieren. Kurze Aufsätze und Diktate oder auch Textanalysen zu den gezeigten Filmen und den darin enthaltenen Dialogen begleiten die Filmdidaktik der 1960er- und 1970er-Jahre. Rollen- und Theaterspiel erweitern die Möglichkeiten, durch die Schüler ihren Grund- und Sichtwortschatz und ihre Sprachkompetenzen erweitern können. Im Frontalunterricht der 1960er- und 1970er-Jahre wird häufig zusätzlich ein Overhead-Projektor zur Illustration von semantischen Zusammenhängen oder gramma­tikalischen Strukturen der deutschen Sprache verwendet. Über eine Spiegelung wird mittels Overhead-Projektor ein genaues Abbild von Folien oder Kopien an die Wand projiziert. Bei dem Entwurf der Folien muss auf genaue Strukturierung und Bebilderung der verwendeten Folien oder Kopien geachtet werden. Auch Flipcharts kommen zum Einsatz. Über 80 Prozent der Pädagogen verwenden diese Hilfsmittel in den 1960er-und 1970er-Jahren (vgl. Toman 2006: 143, ff.).[19]

[...]


[1] Vgl. John Palfrey, Urs Gasser (2008): Generation Internet: Digital Natives - Wie sie leben - Was sie denken - Wie sie arbeiten, München, Hanser-Verlag

[2] Vgl. Heinz Strauf (2015): Mediensucht: Abhängigkeit von digitalen Medien erkennen und vorbeugen (5.-10. Klasse), Buxtehude, Persen-Verlag

[3] Vgl. Dankwart Rost (1993): Pawlows Hunde, Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt (DVA)

[4] Vgl. Hans Toman, (2006): Historische Belange und Funktionen von Medien im Unterricht, Hohengehren, Schneider-Verlag

[5] Vgl. André Amsler (2004): Rückblende: Vom Schwarzweißfilm zum Digitalvideo - 50 Jahre Produk­tionstechnik:, Zürich, Chronos-Verlag

[6] Vgl. Müller-Michaels, Harro (1980): Positionen der Deutschdidaktik seit 1949, Königstein, Cornelsen- Verlag

[7] Vgl. Günter Lange, Karl Neumann, Werner Ziesensis (2003): Taschenbuch des Deutschunterrichts: Grundfragen und Praxis der Sprach- und Literaturdidaktik, Hohengehren, Schneider-Verlag

[8] Vgl. André Amsler (2004): Rückblende: Vom Schwarzweißfilm zum Digitalvideo - 50 Jahre Produk­tionstechnik:, Zürich, Chronos-Verlag

[9] Vgl. Müller-Michaels, Harro (1980): Positionen der Deutschdidaktik seit 1949, Königstein, Cornelsen- Verlag

[10] Vgl. Annetilde Richte (1967): Diagnose: Fernsehsucht, Archiv „Die Zeit“ online, http://www.zeit.de/1967/47/diagnose-fernsehsucht

[11] Vgl. Bert te Wildt (2015): Digital Junkies, München, Droemer-Knaur

[12] Vgl. Sabine Feierabend, Theresa Plankenhorn, Thomas Rathgeb (2015): JIM-Studie 2015, Stuttgart, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest; https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/ 2015/JIM_Studie_2015.pdf

[13] Vgl. Volker Frederking, Axel Krommer, Thomas Möbius, Winfried Ulrich (2014): Digitale Medien im Deutschunterricht, Hohengehren, Schneider-Verlag

[14] Vgl. http://www.medienpass.nrw.de

[15] Vgl. John Palfrey, Urs Gasser (2008): Generation Internet: Digital Natives - Wie sie leben - Was sie denken - Wie sie arbeiten, München, Hanser-Verlag

[16] Vgl. http://mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2015/JIM_Studie_2015.pdf/ Seite 6-7.

[17] Vgl. Jörg Dräger, Ralph Müller-Eiselt (2015): Die digitale Bildungsrevolution: Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können, Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt (DVA)

[18] Vgl. Möbius, Thomas (2005): Wahrnehmen-Vorstellen-Versprachlichen. Aspekte einer Filmdidaktik für die Grundschule. In: Medien im Deutschunterricht Jahrbuch 2005, Hg. von Frederking u. a. Mün­chen

[19] Vgl. Toman, Hans (2006): Historische Belange und Funktionen von Medien im Unterricht, Hohengehren, Schneider-Verlag

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Mediensucht bei Schülern durch Einsatz von Medien im Unterricht?
Untertitel
Ein Vergleich der Filmdidaktik der 1960er und 1970er Jahre mit der modernen Mediendidaktik und die Auswirkungen auf die Adepten
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Germanistisches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar Mediensucht
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
29
Katalognummer
V373593
ISBN (eBook)
9783668512191
ISBN (Buch)
9783668512207
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Didaktik, Mediensucht, Germanistik, Hausarbeit, Medien im Unterricht, Unterricht, Medien, Filmdidaktik
Arbeit zitieren
Minou Buchweitz (Autor:in), 2016, Mediensucht bei Schülern durch Einsatz von Medien im Unterricht?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373593

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