Kollaborativer Konsum. Motive der Partizipation in Sharing Netzwerken

Chancen und Risiken für den Konsumenten


Seminararbeit, 2017

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Systematisierung des Sharing und der Sharing Economy
2.1 Definition und Abgrenzung
2.2 Differenzierung der Sharing Economy

3 Chancen und Risiken der Sharing Economy für den Konsumenten
3.1 Motivation der Partizipation
3.2 Vorteile für die Konsumenten
3.3 Nachteile für die Konsumenten

4 Potenzialanalyse

5 Schlussbetratchung und Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

»Sharing muss die Zukunft sein, sonst haben wir keine!«

(shareBW-Kongress, Frank Feil, 2016)

Dem Kapitalismus fehlt der Feind (Cicero, 2013), Warum unser System am Ende ist (Welt, 2016) oder Am Sterbebett des Kapitalismus (Zeit, 2016) - die kritischen Stimmen zur aktuellen Wirtschaftsordnung sind laut und finden große Aufmerksamkeit in öffentlichen Debatten, wo Diskussionen über Grenzen des Wachstums und der Notwendigkeit einer nachhaltigen Regulierung geführt werden. Im Zuge dessen werden alternative Lebensstile propagiert, denen ein disruptives Potenzial unterstellt wird. Dazu gehört neben postwachstumsökonomischen Ideen auch Entwürfe einer eigentumslosen Wirtschafts- und Lebensweise (vgl. Rifkin, 2014b; Latouche, 2015; Mason, 2016).

Dieser Wandel der Konsumgewohnheiten erhält mit dem Schlagwort Sharing Economy einen Namen - das Credo lautet Tauschen statt Kaufen und Leihen statt Besitzen.

Dabei handelt es sich keinesfalls um eine neue Erfindung der Menschheit, sondern um eine der ursprünglichsten Formen des ökonomischen Austausches (Price, 1975). Jedoch erhält das Teilen im digitalen Zeitalter durch die Technologieunterstützung eine ganz neue Qualität, die über den Familienverband und den Freundeskreis weit hinausgeht (Stampfl, 2015).

Die Liste der partizipierenden Unternehmen ist lang: innovative Mietkonzepte, Tausch- und Verleihbörsen buhlen um die Wohnungen, Autos, Kleidung und Musik privater Eigentümer, um sie für den temporären Gebrauch zu vermitteln (Gansky, 2010). Die Motive der Unternehmen werden in dieser Arbeit nicht weiter behandelt. Vielmehr soll geklärt werden, was die Gründe für eine Teilnahme an der Sharing Economy aus Sicht der Konsumenten sind. Warum sind Menschen bereit ihr privates Eigentum mit Fremden zu teilen?

Die schnelle Verbreitung des Sharing-Phänomens ist nicht nur der digitalen Technologie geschuldet, sondern laut Befürworter auch einem generellen Wertewandel in der Gesellschaft: Immer mehr Menschen streben anstelle von Eigentum nur noch den vorübergehenden Zugang zu Gütern an (Belk, 2014). Die Motive sind vielfältig und das breite Angebot lockt mit Versprechen unzähliger Vorteile für den Konsumenten und die Umwelt. Jedoch gibt es wie immer zwei Seiten der Medaille und so hat die Sharing Economy auch negative Folgen. Kritische Stimmen postulieren gar einen inszenierten Megatrend, der keinesfalls für einen nachhaltigen Wandel steht, sondern vielmehr gehe es letztlich wieder nur ums Geld verdienen (Pelzer & Burgard, 2014).

Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden die definitorischen Grundlagen geschaffen. Um die Chancen und Risiken der Partizipation für die Konsumenten zu beleuchten, muss zunächst eine Einordnung und Systematisierung des Teilens allgemein und der Sharing Economy erfolgen. Dieser Rahmen bildet die Grundlage für den zweiten Teil der Arbeit, in dem die Motive der Teilnahme und die Chancen und Risiken der Sharing Economy für die Konsumenten betrachtet und durch eine Potenzialanalyse abgerundet werden. Im letzten Teil folgt die Schlussbetrachtung, in der die Ergebnisse der Arbeit reflektiert und zusammengefasst und mit der Frage, ob es sich bei dem Phänomen um einen kurzfristigen Hype oder einen langfristigen gesellschaftlichen Wandel handelt, abgeschlossen werden.

2 Systematisierung des Sharing und der Sharing Economy

»The collaborative economy is big news, but no-one seems to agree on where it is
headed, what it means for society, or even where to draw the boundaries« (Stokes et. al, 2014)

Das zweite Kapitel startet mit einer Definition des Teilens und einer Einordnung der SE. Anschließend werden die verschiedenen Formen der SE betrachtet und systematisiert.

2.1 Definition und Abgrenzung

Collaborative Consumption, Access Economy, Co-Production, Prosumption oder Sharing Economy - die lange Liste der Begriffe und die Neuheit des Themas machen eine präzise Definition nahezu unmöglich (vgl. Belk, 2007; Richter et. al, 2015). Verwirrung stiften auch die unterschiedlichen Geschäftsmodelle, die sich im Glanz der Sharing Economy sonnen. Um das Chaos perfekt zu machen, werden die Begriffe in unterschiedliche Beziehung zueinander gesetzt. So sind beispielsweise die kollaborative Wirtschaft und der kollaborative Konsum für einige Autoren Synonyme (Pelzer & Burgard, 2014), für Andere besteht eine Über- bzw. Unterordnung. Um sich dem Kern der Sharing Economy zu nähern, wird deshalb nachfolgend das Betrachtungsfeld durch verschiedene Kriterien abgesteckt und eingegrenzt.

Die traditionelle Praktik des Teilens Untersucht man die zunächst einmal die traditionelle Praktik des Teilens, kommt man nicht ohne die Definitionen des amerikanischen Professors Russel Belk aus. Demnach beschreibt der englische Begriff sharing (dt. teilen) einen freiwilligen Austauschprozess von Dingen Dritter, zur eigenen Nutzung bzw. der Überlassung von eigenen Dingen an Dritte. Vertragsbasierte oder unautorisierte Nutzung wie Diebstahl werden ausgeschlossen (Belk, 2007).

Weiterhin lässt sich das Teilen in zwei Arten unterscheiden (die dritte Dimension »allocation of household resources« wird hier vernachlässigt): unter Mothering versteht Belk (2010) das bedingungslose Teilen, an das keine Erwartungen geknüpft sind. Pooling dagegen beschreibt die bessere Ausnutzung von begrenzten gemeinsamen Ressourcen innerhalb eines Haushalts (oder einer Gemeinschaft), mit der Erwartung einer vollständigen und unbeschädigten Rückgabe. Durch die gemeinsame Nutzung wird eine weitere wichtige Dimension des Teilens deutlich: Der Aufbau und die Verfestigung von sozialen Beziehungen. Hierbei kann zwischen dem sharing-in und dem sharing-out unterschieden werden: Bei der ersten Form geht es um die Schaffung einer Gemeinschaft und eines Wir-Gefühls. Sharing-out ist dagegen die rationalere Form des Teilens knapper Ressourcen und deren Kosten, auch unter Fremden. Der Grad der Intimität variiert also stark (Belk, 2010).

Das Teilen sollte außerdem immer von ähnlichen Handlungsmustern wie dem Schenken und dem marktbasierten Austausch unterschieden werden. Diese sind oftmals durch ein reziprokes Verhältnis bestimmt und beinhalten eine Eigentumsübertragung. Teilen steht als pro-soziale Verhaltensweise in Kontrast zum marktbasierten, kompensatorischen Warentausch (Belk, 2010). Beim traditionellen Teilen gibt es daher keinen Markt, keinen Tauschwert und auch keinen ökonomischen Gewinn und so war diese Praktik lange nicht wirtschaftsrelevant.

Die Sharing Economy Während die traditionelle Praktik des Teilens früher überwiegend im familiären Kreis stattgefunden hat, wurde sie durch das Internet über digitale Netzwerke zunehmend auch zwischen Fremden ermöglicht. Diese durch Informations- und Kommunikationstechnologie beförderte Entwicklung wird von vielen Autoren allgemein als Sharing Economy (SE) bezeichnet (vgl. Botsman, 2013; Hamari et. al, 2015).

Spricht man über die SE tauchen in diesem Zusammenhang oft die Begriffe Collaborative Economy (CE, kollaborative Wirtschaft) und Collaborative Consumption (CC, kollaborativer Konsum) auf. Belk sieht im CC die Koordinationsleistung der Beschaffung und Verteilung eines Gutes durch private Nutzer gegen eine Gebühr oder andere Kompensation. Damit schließt er Formen wie Barter oder Handel mit ein, klammert Teilen ohne Gegenleistung jedoch aus. Auch Formen wie Schenken oder marktlicher Austausch fallen nicht in seine Definition, da eine permanente Eigentumsübertragung stattfindet. CC befindet sich also zwischen Teilen und marktbasiertem Warenaustausch, mit Elementen von Beidem (Belk, 2014).

Rachel Botsman und Roo Rogers (2010) verstehen unter dem CC eine Neuerfindung der traditionellen Formen des Teilens, Tauschens, Leihens und Handelns, ermöglicht durch die Technologie. Die SE ist der Bereich des CC, der das Teilen ungenutzter Ressourcen ohne oder gegen Bezahlung beinhaltet (Botsman, 2013) und von der CE, dem übergeordneten, dezentralen Wirtschaftssystem aus Netzwerken zwischen Privatpersonen und Gemeinschaften, überspannt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Collaborative Economy, vgl. Botsman 2013

In der Literatur gibt es jedoch wie oben bereits angedeutet verschiedene Sichtweisen auf die Begriffe und deren Inhalt. Doch was zählt genau zum CC? Sind Austauschprozesse mit monetären Gegenleistungen Teil des CC oder handelt es sich bei profitorientierten Motiven um eine Art Pseudo-Sharing (Belk, 2014b)? Das Problem liegt im Interpretationsspielraum des Begriffs Teilen. In der Literatur steht der ursprüngliche Begriff für nicht-kompensatorischen Austausch (vgl. Belk, 2014; Richter et. al, 2015; Botsman & Rogers, 2010). Heute wird der Begriff durch Medien und Unternehmen jedoch zunehmend ausgeweitet:

»ln many marketplaces the asset maybe shared, but the behaviour is rarely 'sharing'. My house is an asset being shared on Airbnb but the transaction I am using to charge the guests for money is renting. (...) I think the media is having a field day with the word 'sharing', because by definition it stands for giving someone access to something, without expecting much in return.« (Botsman, 2014)

Allen Begriffsverwendungen ist jedoch eins gemeinsam: Es geht um die geteilte, temporäre Nutzung eines Gutes mit jeweils unterschiedlichen Ausprägungen. Die vorliegende Arbeit versteht ähnlich wie Botsman die CE als übergeordnetes Wirtschaftssystem und die SE mit B2C- und P2P-Beziehungen als Teilbereich des CC. P2P als Abkürzung für Peer-to-Peer beschreibt das praktizierte Teilen zwischen Privatpersonen, wobei ein Intermediär (Vermittlungsplattform) die Ressourcen der Anbieter und die Interessen der Nachfrager zusammenbringt (Scholl et. al, 2015).

2.2 Differenzierung der Sharing Economy

»What is the Sharing Economy? When I posed this question to a few sharing innovators, they were pragmatic, rather than analytical: self-definition by the platforms and the press defines who is in and who is out.« (Schor, 2014b)

Eine exakte Definition der SE ist nicht möglich. Vielmehr lässt sich nur ein Rahmen um die SE spannen und auch dabei sind die Grenzen vage. Es besteht kein Konsens darüber, welche ökonomischen Aktivitäten zu der SE zählen und welche nicht. Versuchen wir zunächst Ordnung in die unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Aktivitäten zu bringen.

Nach Botsman und Rogers lässt sich die SE als Teil des CC in drei Bereiche unterteilen:

(1) Produkt-Dienstleistungssysteme (product service systems) mit zahlungspflichtigen, profes­sionalisierten Angeboten zur temporären Nutzung materieller Güter. Das heißt, für den Zugang zu einer gemeinsamen nicht-monetären Ressource müssen monetäre Mittel transferiert werden. Ein Beispiel hierfür ist das Carsharing oder Verleihplattformen wie Kleiderei.

(2) Redistributionsmärkte (redistribution markets) für die Umverteilung unerwünschter und ungenutzter Güter auf (digitalen) Flohmärkten oder über Vermittlungsplattformen. Und (3) der kollaborative Lebensstil (collaborative lifestyles) als geteilter Konsum zum Austausch und Handel von Gütern und Leistungen. Hierrunter fallen auch Transaktionen bei denen der Zugang und/oder die Nutzung einer Ressource ermöglicht werden, ohne dass finanzielle Mittel transferiert werden müssen z.B. Food-Sharing oder generell Barternetzwerke. Auch Dinge ohne Eigentumsrechte (z.B. Wissen) können geteilt werden (Botsman & Rogers, 2010).

Geht man von Belks ursprünglichen Definition des Teilens aus, würden jegliche Formen mit monetären Gegenleistungen von der SE ausgeschlossen. Unterschieden werden sollte jedoch, ob die monetären Gegenleistung durch die bereitstellende Plattform erhoben wird oder aber von Privatpersonen: Couchsourfing als kommerziellen Unternehmen, bei dem die Nutzer ihr Gut kostenfrei zur Verfügung stellen wäre eingeschlossen, Airbnb hingegen ausgeschlossen. Somit ist das Motiv der Partizipation das kritische Element zwischen Teilen und Kommerz (Belk, 2014b). Jedoch könnte der Geldvorteil irrelevant werden, wenn der Zugang zu einem Gut geteilt werden kann statt das Gut an sich. So können auch die Geschäftskonzepte mit monetärer Kompensation allgemein zur SE gezählt werden (Martin, 2016).

Vera Demary unterteilt die SE ebenfalls in kostenloses und kostenpflichtiges Teilen und Mieten. Beim Teilen fungieren die Unternehmen nur als Vermittler zwischen Anbieter und Nachfrager mittels einer Online-Plattform. Unter Mieten versteht sie die geteilte Nutzung von Gütern, welche sich im Eigentum der Unternehmen befinden. Allen Geschäftsmodellen gemein ist ihre disruptive Natur, die Eigentum verdrängt und das Kaufverhalten der Konsumenten in eine reine Nutzung verändert (Demary, 2015).

Martin Peitz und Ulrich Schwalbe fassen den Begriff der SE sehr viel enger. Laut ihrer Definition gehören zur SE alle von Privatpersonen bereitgestellten Angebote zur temporären Nutzung eines dauerhaften Gutes (Peitz & Schwalbe, 2016).

Ein signifikantes Merkmal dieser Betrachtung, ist der temporäre Zugang zu einem dauerhaften Gut. Bei der Nutzung findet demnach kein Eigentumsübergang statt. Hier werden alle Angebote ausgeschlossen, bei denen das Eigentum dauerhaft an den Käufer übergeht. Dabei handele es sich lediglich um digitale Flohmärkte. Außerdem werden alle flüchtigen Güter wie Dienstleistungen ausgeklammert. Das zweite Merkmal ihrer Definition ist die Bereitstellung durch Privatpersonen. Hierdurch grenze sich die SE von anderen ökonomischen Transaktionen ab, da auch traditionelle Unternehmen wie Taxibetriebe und Hotels temporären Zugang zu ihren Gütern bzw. Dienstleistungen bieten. Jedoch ist die Sachlage laut Peitz und Schwalbe eine andere: Während Taxibetriebe oder Car-Sharing-Anbieter Eigentümer der Fahrzeuge sind, gehören diese bei Online-Vermittlungsplattform Privatpersonen. Somit kann eine Differenzierung zwischen integrierten Unternehmen wie den Hotels und Taxibetrieben und zwischen Plattformen erfolgen, auch wenn die Grenzen zunehmend verschwimmen (Peitz & Schwalbe, 2016). Lisa Gansky bezeichnet diese zwei Arten der SE als Full-Mesh wenn Unternehmen die Bereitstellung und Unterhaltung der Ressourcen übernehmen und als Own- to-Mesh, wenn die Unternehmen nur als Plattformbetreiber für private Tauschanbieter fungieren (Gansky, 2010).

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Kollaborativer Konsum. Motive der Partizipation in Sharing Netzwerken
Untertitel
Chancen und Risiken für den Konsumenten
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
19
Katalognummer
V373347
ISBN (eBook)
9783668506671
ISBN (Buch)
9783668506688
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sharing Economy, Kollaborativer Konsum, Sharing, teilen, prosumption, peer-to-peer
Arbeit zitieren
Katharina Bongartz (Autor:in), 2017, Kollaborativer Konsum. Motive der Partizipation in Sharing Netzwerken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373347

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