Energiesicherheit und Zusammenarbeit in Nordostasien. Chancen und Hürden

Exposé zur Masterarbeit


Essay, 2013

14 Seiten


Leseprobe


1. Relevanz des Themas

Die wenigsten politischen und wirtschaftlichen Beobachter werden bezweifeln, dass sich in den kommenden Jahrzehnten Ostasien als regionaler Akteur in den internationalen Beziehungen verstärkt etablieren wird. Die unipolare Konstellation in der politischen Weltordnung als Folge des Verschwindens der Sowjetrepubliken transformiert sich in ein multipolares Gefüge. Der US-amerikanische Präsident Barack Obama wurde in seiner ersten Amtszeit als der erste pazifische US-Präsident bezeichnet. Dies manifestierte sich in einer stärkeren strategischen Ausrichtung auf die ostasiatische Region. Das stärkere Gewicht der Region Ostasiens in den internationalen Beziehungen drückt sich alleine durch die ökonomische Größe von Ländern wie Südkorea, China und Japan aus. Darüber hinaus ist die Wirtschaftsleistung der Mitgliedsländer der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) mit 2,5 Billionen US Dollar im Jahr 2009 beträchtlich.[1]

Da die industrialisierte Welt, und Deutschland als Exportnation im Besonderen, mit der Wirtschaft dieser Länder stark verflochten ist, ist die Stabilität sowie politische und wirtschaftliche Entwicklung dieser Region für sie von großem Interesse. Jedoch sind die Regionen untereinander, mit der Ausnahme von ASEAN, institutionell nur gering verflochten. Bekenntnisse zu einer verstärkten regionalen Kooperation, unterstützt durch institutionelle Organe, wie sie beispielsweise durch die East Asian Vision Group (EAVG) 2001 geäußert wurden,[2] sollten nicht fälschlicherweise als Absichtserklärungen der Staaten verstanden werden, auch wenn sich die Staaten der Region hinter diese Erklärungen stellten. Stattdessen ist das Handeln der zwei regionalen Großmächte Japan und China von Realpolitik geprägt, und zudem haben die schwächeren ASEAN-Staaten Vorbehalte, da sie den institutionellen Prozess nicht durch starke Staaten dominiert sehen wollen.[3]

Die Erklärungen der EAVG setzten Ziele wie die Förderung von Frieden, Wohlstand, Human Security, und die Schaffung einer ostasiatischen Identität.[4] Der erste East Asian Summit (EAS) im Jahr 2005 knüpfte an diese Bekundungen an.[5] In der Tat wurde vor zwei Jahren, im Jahr 2010, eine ASEAN-China Freihandelszone geschaffen.[6] Jedoch bleibt die institutionelle Landschaft spärlich. Gerade auf dem Gebiet der Sicherheitskooperation ist die Region auf das verteidigungspolitische Engagement der USA angewiesen, und weist sonst keinerlei institutionelle Absicherung auf. Der erst kürzlich an die Europäische Union (EU) verliehene Friedensnobelpreis ist Ausdruck des Beitrages einer europäischen Institution für die Stabilität auf dem europäischen Kontinent. Zudem leisten die NATO und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einen wesentlichen Beitrag zu harmonischen Beziehungen zwischen den europäischen Ländern.

Das Ziel dieser Arbeit ist, zum Forschungsstand hinsichtlich der Wahrung von Sicherheit und Stabilität in der Region Nordostasiens beizutragen. Der Beitrag dieser Studie ergibt sich im Genaueren, wie im Abschnitt Problemstellung noch weitergehend dargestellt wird, durch eine Untersuchung der Kooperationsaussichten im Bereich der Energiesicherheit.

2. Literaturüberblick

2.1 Die Verknüpfung von Umwelt und Sicherheit: die Perspektive der ökologischen Sicherheit

Laut Ansicht mancher Autoren sollte die Sicherheit eines Staates breiter aufgefasst werden, sodass andere Faktoren wie jene mit einer Umweltdimension miteinbezogen werden können. Wie Miranda Schreurs und In-Taek Hyun betonen, besteht gerade in der Region Nordostasien[7] erhöhter Bedarf, Entwicklungen, die sich dem Umweltsektor zuschreiben lassen, auf deren Auswirkungen auf die Sicherheit der Region zu prüfen.[8] Sicherheit besitze demnach eine deutliche umweltpolitische Komponente, und bedinge damit eine veränderte Konzeptualisierung. Die in dem Sammelband vertretene Perspektive plädiert für eine Öffnung der Wissenschaft hinsichtlich eines Einbezugs nicht-traditioneller Sicherheitskategorien, wie eben jene der Umwelt. In dem Sammelwerk The Environmental Dimension of Asian Security: Conflict and Cooperation over Energy, Resources, and Pollution werden in mehreren Beiträgen mögliche Auswirkungen von Wasser- und Nahrungsknappheit, Luftverschmutzung, Energiesicherheit und Überfischung auf die Sicherheit der Region und der einzelnen Staaten aufgezeigt.[9]

Die Betrachtung dieser Zusammenhänge in der Region Nordostasiens erfolgt insbesondere aus dem Grunde, dass in dieser Region akuter Bedarf einer internationalen Regelung zur Prävention von möglichen negativen Umweltauswirkungen besteht. Wie auf anderen möglichen Kooperationsfeldern weist die Region auch hinsichtlich multilateraler Antworten auf Umweltprobleme Handlungsbedarf auf.[10] Daneben wird argumentiert, dass multilaterale Regelungen von Umweltproblematiken sich positiv auf andere Bereiche auswirken könnten, und so die institutionelle Dichte ansteigen könnte. Kooperation in diesen Bereichen trage beispielsweise zu gegenseitigem politischen Vertrauen bei.[11] Eine funktionalistische Herangehensweise könnte zudem zu einer Perspektive auf geteilte Sicherheitsinteressen verhelfen. Eine intensivierte Zusammenarbeit, zum Beispiel im Bereich der Energiesicherheit durch die Schaffung von Verwaltungseinheiten und ähnlichem, könnte mittels gemeinsamen Arbeitens und der Betonung gemeinsamer Interessen und Gewohnheiten die Bedeutung von Staatsgrenzen oder Gebietsansprüchen schmälern.[12]

Die Basis für die Untersuchungen dieses Sammelwerkes sowie weiterer Studien auf diesem Gebiet wurde geschaffen durch die Pionierarbeit von Autoren wie Thomas F. Homer-Dixon, die den Begriff der environmental security (ökologischen Sicherheit) prägten.[13] Homer-Dixon gehört zu den ersten, welche überzeugend darlegten, dass die zunehmende Verknappung von Umweltgütern ein zunehmendes Sicherheitsrisiko darstellen wird.[14] Hierbei gilt zu betonen, dass dies Entwicklungen sind, welche die verstärkte Aufmerksamkeit von Regierungen erfahren sollten. Analog bedeute dies, dass nationale Sicherheit in Zukunft breiter aufgefasst werden müsse, und die Relevanz ökologischer Faktoren anerkennen, und darauf reagieren müsse. Die Tatsache, dass das Konzept der ökologischen Sicherheit im Jahre 1991 in die US National Security Strategy einbezogen wurde, ist überdies ein Anzeichen, dass die Erweiterung des Sicherheitsbegriffes seitens Regierungen nicht ignoriert wird. Fünf Jahre später verwies der frühere US-Außenministers Warren Christopher in einer einflussreichen Rede ebenfalls auf Umweltfaktoren und deren Signifikanz für die nationale Sicherheit. Jedoch lässt seine Rede offen, in welcher konkreten Weise Umweltauswirkungen eine Sicherheitsbedrohung darstellen.[15]

Dies trifft eine zentrale Schwäche der Befürworter der ökologischen Sicherheit, denn bisher sind die kausalen Zusammenhänge zwischen Umwelt und Sicherheit nicht systematisch erforscht. Demnach gestehen die Herausgeber eines zentralen Sammelbandes zu diesem Forschungsgebietes - Environment and Security: Discourses and Practices - ein, dass noch viele offene Fragen bestehen.[16] Eine der zentralsten dabei ist, wie die Umwelt, oder eine sich ändernde Umwelt, sich auf Sicherheitsumstände auswirke. Darüber hinaus ist ein wichtiger Aspekt, ob Umweltumstände oder Umweltveränderungen eher Zusammenarbeit oder Konflikt zwischen Staaten oder Gemeinschaften fördern. Hier setzt diese Arbeit an, ebenso wie an der Frage, über welche Kooperationsformen ökologische Sicherheitsaspekte effektiv adressiert werden können. Darüber strebt die Arbeit danach, Antworten darauf zu finden, was die Erfordernisse für die Schaffung von internationalen Umweltinstitutionen in Nordostasien sind.[17]

2.2 Neorealismus als Konkurrenztheorie: Energiesicherheit ohnehin sicherheitsrelevant im klassischen Sinn?

Von dieser Perspektive aus wird diese Arbeit das Themengebiet der Energiesicherheit in der Region Nordostasien bearbeiten. Laut der Perspektive kann die Verknappung von Ressourcen zu einem Sicherheitsproblem für Staaten werden.[18] Diese Studie wird sich dabei auf die Rohstoffe Öl und Gas konzentrieren, und im Besonderen auf die Bedeutung einer zunehmend geringeren Verfügbarkeit dieser Ressourcen für die Länder Nordostasiens. Hingegen wird nicht rigide an dieser Perspektive festgehalten. Stattdessen werden ihre Hypothesen kritisch hinterfragt, und anhand der Ergebnisse der Fallbeispielauswertung eine Bewertung getroffen.

Denn in ihrem Erklärungspotential steht diese Perspektive auf diesem Gebiet vor allem in Konkurrenz mit dem Neorealismus. An erster Stelle steht nämlich die Frage, ob Energiesicherheit nicht von klassischer Bedeutung für die Sicherheitsinteressen eines Landes ist. Demnach ließe sich eine Verknappung der Rohstoffe Öl und Gas nicht neben Umweltfaktoren wie Wasser- und Nahrungsknappheit aufsummieren. Laut Jaewoo Choo, welcher in seinem Artikel auf die Aussichten auf eine Zusammenarbeit nordostasiatischer Länder auf dem Bereich der Energiesicherheit eingeht, würde die Behandlung des Potentials für Zusammenarbeit von einer verstärkt sicherheitspolitischen Betrachtung profitieren.[19] Denn seiner Auffassung nach sei Energiesicherheit nicht lediglich geleitet von wirtschaftlichen, sondern vor allem sicherheitspolitischen Interessen.[20] Damit lässt sich folgern, dass die Energie­Interessen der Staaten viel direkter eine Sicherheitskomponente annehmen, als dass es die Vertreter der ökologischen Sicherheit einschätzen würden. Die Anwendung der Neorealismus-Perspektive erscheint zudem plausibel, als dass fossile Brennstoffe eine entscheidende Determinante der Wirtschaftsleistung eines Landes sind. Der Neorealismus legt einen starken Fokus auf die Machtdeterminanten von Staaten, und könnte deswegen wichtige Erklärungen zur Frage der Kooperation im Interesse der Energiesicherheit liefern. Es lässt sich bereits vorwegnehmen, dass diese Theorie generell mit Skepsis auf die Chancen und Gewinne durch internationale Kooperation blickt. Vor allem in Bereichen mit elementarer Bedeutung für die nationale Sicherheit würden Staaten eine Abgabe von Befugnissen an internationale Instanzen blockieren.

Darüber hinaus sprechen weitere Gründe für einen möglichen Mehrwert der Neorealismus Perspektive hinsichtlich dieses Szenarios. Weithin bekannt ist die Aussprache von US-Präsident Jimmy Carter, als er im Jahre 1979 die Energiebedrohung einer nationalen Sicherheitsbedrohung gleichsetzte, und diese als Carter-Doktrin geläufig wurde. Darüber hinaus ist die Energiestrategie der Volksrepublik China ein weiteres Anzeichen für die Priorisierung des Energieinteresses. Kurz nachdem das Reich der Mitte in den 90er Jahren zunehmend von Ölimporten abhängig wurde, wurde mit der Verkündigung ihrer „Neuen Energiepolitik“ eine Versicherheitlichung des Energieinteresses deutlich, welche sich unter anderem an einer Erweiterung der beteiligten Akteure über Ministerien und Institute hinweg erkennbar machte.[21]

Anhand dieser Darstellung sollte deutlich werden, dass eine Einreihung des Aspektes Energiesicherheit in die Reihe traditionell relevanter Sicherheitsfaktoren oder eine Typisierung als Umweltfaktor einen wesentlichen Unterschied macht. Denn abhängig von der getroffenen Einordnung ergeben sich abweichende Einschätzungen hinsichtlich der Kooperationswahrscheinlichkeit. Wird der Zugang zu fossilen Rohstoffen als entscheidend für die nationale Sicherheit aufgefasst, so wird Energiekooperation als Null-Summen Spiel aufgefasst, bei dem des einen Staaten Gewinns des anderen Verlustes ist. Diese Logik mag erkennbar machen, weshalb sich der politische Streit um Ansprüche zu den unter dem Meer liegenden Öl und Gasvorkommen im südchinesischen Meer fortsetzt. In den gegenseitigen Verhandlungen zwischen einerseits China und andererseits Vietnam und den Philippinen scheut sich China nicht davor, den politischen Druck zu erhöhen.[22] Schätzungen zufolge entsprechen die Ölvorkommen achtzig Prozent der saudi­arabischen Ölreserven.

[...]


[1] Table 1, Selected Basic ASEAN Indicators, zugänglich auf www.asean.org. Tabelle heruntergeladen am 09.01.2013

[2] East Asia Vision Group (EAVG) Report. Towards an East Asian Community, 2001, zugänglich über http://www.aseansec.org/4918.htm Gesehen am 08.01.2013

[3] Amitav (2007)

[4] East Asia Vision Group (EAVG) Report. Towards an East Asian Community, 2001, zugänglich über http://www.aseansec.org/4918.htm Gesehen am 08.01.2013

[5] Kuala Lumpur Declaration des ersten East Asian Summit, 2005, zugänglich über <http.7/www.aseansec.org/18098.htm> Gesehen am 08.01.2013

[6] Handelsblatt. http://www.handelsblatt.com/politik/intemational/zusammenschluss-china-asean- freihandelszone-gestartet/3338222.html#image Gesehen am 09.01.2013

[7] Zu dieser Region werden im Rahmen dieser Arbeit die folgenden Länder gezählt: Japan, Republik Korea, Taiwan, Volksrepublik China und die Volksrepublik Korea.

[8] Schreurs und Hyun (2007)

[9] Ibid.

[10] Schreurs (2007): 258-263

[11] Hyun und Kim: (2007): 21 - 22

[12] Valencia (1997): 102

[13] Homer-Dixon (1994)

[14] Homer-Dixon (1994): 5 - 6

[15] Matthew (2000): 33

[16] Lori und Shaw (2000)

[17] Lori und Shaw (2000): 2 - 3

[18] Hyun und Kim (2007): 6 - 11

[19] Choo (2006): 94

[20] Ibid.

[21] Choo (2006): 94 - 95

[22] Le Monde (2013)

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Energiesicherheit und Zusammenarbeit in Nordostasien. Chancen und Hürden
Untertitel
Exposé zur Masterarbeit
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Lehrstuhl für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Master Arbeit Exposé
Autor
Jahr
2013
Seiten
14
Katalognummer
V373218
ISBN (eBook)
9783668508125
ISBN (Buch)
9783668508132
Dateigröße
744 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
energy cooperation, energy security, security, security politics, regional cooperation, Umwelt, Umwelt und Sicherheit, Umweltverschmutzung, Rohstoffkonflikt, Internationale Beziehungen, Ostasien, Internationale Organisation, Neo-Realism, security cooperation
Arbeit zitieren
Benjamin Lueber (Autor:in), 2013, Energiesicherheit und Zusammenarbeit in Nordostasien. Chancen und Hürden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373218

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