Günter Grass: Deutschland wach getrommelt


Hausarbeit, 2004

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Die Gruppe 47
2.1 Die Anfänge der Gruppe 47
2.2 Günther Grass und die Gruppe 47

3. Die Blechtrommel
3.1 Stunde Null?
3.2 Eine neue Sprache
3.3 Das Kleinbürgertum
3.4 Schuld als Erzählmotor

4. Der weite Rock
4.1 Die Erzählperspektive und die Erzählebenen
4.2 Die Angemessenheit des Erzählens
4.3 Geschichtliche Schuld

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit befasst sich im Kern mit dem 1959 erschienenen, ersten Roman von Günter Grass, Die Blechtrommel, und speziell mit dem ersten Kapitel Der weite Rock dieses Werks. Im Folgenden möchte ich die Bedeutung dieses Textes für die deutsche Nachkriegsliteratur deutlich machen. Es soll sowohl das Verhältnis von Grass zur Gruppe 47, als auch der Beitrag, den Grass mit der Blechtrommel zur Diskussion um die Möglichkeiten der Literatur und die literarische Ethik im Deutschland der Nachkriegszeit und des Wirtschaftswunders geleistet hat, beleuchtet werden. Ich möchte anhand des ersten Kapitels deutlich machen, warum die Blechtrommel einen besondern Platz unter den Neuerscheinungen der 50er Jahre einnimmt, und somit einer der bedeutendsten Texte der deutschen Nachkriegsliteratur ist.

Beginnen möchte ich mit einem Exkurs über das Entstehen der Gruppe 47 mit den Intentionen und Hoffnungen des Initiators Hans Werner Richter und den anderen Gruppenmitgliedern, wobei sich schnell zeigen wird, dass dieser Terminus in Bezug auf die Struktur der Gruppe nicht ganz passend ist.

2. Die Gruppe 47

2.1 Die Anfänge der Gruppe 47

Es ist nicht ganz zutreffend in Bezug auf die Gruppe 47 von Mitgliedern zu sprechen, da es sich in soziologischem Sinne nicht wirklich um eine Gruppe handelte. Wer zu den Tagungen eingeladen wurde und wer nicht entschied Hans Werner Richter alleine. Er war somit also der einzige von dem feststand, dass er dazugehörte[1]. Mit dem ersten Treffen der Gruppe im September 1947, kam Ihr umgehend die Bedeutung eines literarischen und auch kulturellen Zentrums zu.

Das Bedürfnis nach einem solchen Zentrum war groß, obgleich die Frage Alfred Anderschs: „Was soll, so möchte man grübeln, die Frage nach der Literatur Deutschlands, da dieses Land ganz und gar (…) von einer Hoffnungslosigkeit ohne gleichen gezeichnet erscheint?“[2] berechtigt erscheint. Andersch stellt jedoch gleich im Anschluss fest, dass es die Aufgabe der Literatur und die Aufgabe der, während des Naziregimes in Deutschland verbliebenen Schriftsteller sei, die These einer „Teilhaberschaft an einer kollektiven Schuld“[3] am Geschehenen zu widerlegen. Die Kollektiv-Schuld-These zu bekämpfen war auch eine Grundtendenz der Zeitschrift Der Ruf, deren leitende Redakteure Hans Werner Richter und Alfred Andersch waren. Der Ruf bildete bis ins Frühjahr 1947 die politische und literarische Plattform für die junge deutsche Generation, wie Hans Werner Richter sie zu nennen pflegte. Nach dem durch die Amerikaner erlassenen Verbot des Rufs - die offizielle Begründung der Amerikaner war der Vorwurf des Nihilismus - war Hans Werner Richter bemüht ein neues Forum literarischer Arbeit und somit einen adäquaten Ersatz für den Ruf zu schaffen.

Im September 47 trafen sich somit unter der Leitung Richters zum ersten Mal ehemalige Mitarbeiter des Ruf, um die Leitlinien einer neuen literarischen Zeitschrift festzulegen und deren Erscheinen vorzubereiten.

Auf dieser ersten Tagung wurde bereits der Gruppenname Gruppe 47 von Hans Georg Brenner vorgeschlagen und von den anderen Teilnehmern akzeptiert.

Es gelang der Gruppe jedoch nicht, mit dem auf der ersten Tagung erarbeiteten Material eine Lizenz für eine neue Zeitschrift von der amerikanischen Militärregierung zu bekommen. Die Amerikaner lehnten die neue Lizenz mit der gleichen Begründung, mit der auch der Ruf verboten wurde, ab. Die Gruppe hatte sich zu diesem Zeitpunkt jedoch schon zu einer eigenständigen Institution[4] entwickelt, und den Charakter einer literarische Werkstatt, in der das ganze Spektrum der Literatur vorgetragen werden konnte, bekommen.

2.2 Günter Grass und die Gruppe 47

1955 tagte die Gruppe zum ersten Mal in Berlin. Hans Werner Richter lud, auf eine Empfehlung hin, den zu dieser Zeit in Berlin lebenden Schriftsteller Günter Grass zu dieser Sitzung ein. Grass las einige Gedichte, die am nächsten Tag im Berliner Tagesspiegel für ihren „‹kräftig, vital und bravourös› apostrophierten Ton“[5] gelobt wurden.

Von nun an war Günter Grass regelmäßiger Gast auf Tagungen der Gruppe 47. Er las zu Beginn Gedichte und Dramen, ehe er 1958 auf der 20. Tagung der Gruppe in Großholzleute im Allgäu Auszüge aus seinem Prosadebüt, der Blechtrommel, vorstellte und dafür den Preis der Gruppe 47 erhielt.

Grass las zwei Kapitel aus seinem fast vollendeten Roman, und auch hierfür bekam er eine durchweg positive Presse. Joachim Kaiser ließ in der Süddeutschen Zeitung keinen Zweifel daran, dass der Vortrag Grass´ der Beste und somit der verdiente Gewinner des Preises war, indem er feststelle, dass die Mitglieder der Gruppe 47 vor der Sprachgewalt des Textes „kapitulierten“[6].

Die Verleihung des Preises an Günther Grass markiert, im Nachhinein betrachtet, einen wichtigen Punkt in der Geschichte der Gruppe 47. Nicht nur Kröll benennt das Jahr 1958, das Jahr der Tagung in Großholzleute, als Beginn der Hochperiode der Gruppe[7], auch Hans Werner Richter stellte fest, dass erst nach dem großen Erfolg der Blechtrommel die Verlage anfingen die Gruppe 47 entsprechend zur Kenntnis zu nehmen[8]. Diese Äußerung Richters ist sicherlich übertrieben - denn schon vor dem Jahr 1958 schickten Verlage ihre Vertreter zu den Tagungen - und meint hauptsächlich den publizistischen Erfolg der Autoren und deren Möglichkeit bei einem Verlag angestellt zu werden. Kröll macht hingegen, indem er 1958 die Hochperiode der Gruppe 47 beginnen lässt, deutlich, dass der deutsche Literaturbetrieb nun wieder ein fester und wichtiger Bestandteil der Weltliteratur ist. Die Blechtrommel trug dazu einen nicht zu unterschätzenden Teil bei.

Es ist unstrittig, dass die Gruppe 47 für Günter Grass eine große Starthilfe für die Karriere als Schriftsteller bedeutete. Rückblickend bezeichnete Grass die Tagungen als ein Probierfeld und einen Ort der Konfrontation und der Kritik[9]. Grass macht hier selbst deutlich, wie wichtig die Gruppe für sein eigenes literarisches Schaffen war. Für ihn hatte sie den Charakter einer literarischen Werkstatt, in welcher an Texten gearbeitet und deren Wirkung erprobt werden konnte.

Es war jedoch nicht nur Grass, der von der Gruppe profitierte - Hans Werner Richter brachte es mit der Aussage „Wir haben den Grass berühmt gemacht“[10] auf den Punkt - auch die Gruppe 47 profitierte, wie bereits aufgezeigt, in großem Umfang vom weltweiten Erfolg der Blechtrommel.

3. Die Blechtrommel

Um die besondere Stellung des Romans in der Literaturgeschichte nach 1945 zu verdeutlichen, möchte ich zunächst die literarischen Tendenzen in Deutschland nach 45 behandeln, um die entstehungsgeschichtlichen Hintergründe der Blechtrommel deutlich zu machen.

Grass begann schon 1952 mit den ersten Arbeiten zur Blechtrommel[11]. Dies zeigt, dass auch die literarischen Tendenzen, welche zur Anfangszeit der Gruppe 47 vorherrschten und ihre Entwicklung bis zum endgültigen Erscheinen des Romans 1959 berücksichtigt werden müssen.

3.1 Stunde Null?

Stunde Null, Kahlschlag oder Trümmerliteratur sind nur drei Begriffe die verwendet werden, um die Literatur der frühen Gruppe 47 zu beschreiben. Volker Wehdeking bezeichnet das von Günther Eich verfasste Gedicht Inventur als den bekanntesten Kahlschlagtext[12], was sicherlich zutreffend ist. Diese Stunde Null wurde von Hans Werner Richter als eine notwendige Sprachkritik verstanden. Es galt eine korrumpierte Sprache[13], wie sie Günter Grass selbst beschreibt, welche durch die Naziherrschaft und den Krieg verunreinigt und missbraucht worden war, von ideologisch vorbelastetem Wortmaterial zu reinigen und mit dieser neuen sprachlichen Grundlage auf die junge Nation einwirken zu können[14].

Aus dieser sprachkritischen Sicht betrachtet trifft Wehdekings Kahlschlagbezeichnung für Eichs Gedicht durchaus zu. Die äußerst verknappte, trockene und sachliche Sprache Eichs macht die zu jener Zeit vorherrschende Unsicherheit in Bezug auf den Gebrauch der Sprache deutlich. Als Beweis für eine tatsächliche Stunde Null kann Eichs Gedicht jedoch nicht dienen. Im Gegenteil: Herbert Lehnert stellt fest: „Es ist schon lange erkannt worden, daß die Gruppe 47 kein totaler Neuanfang sein konnte; den kann es in einer entwickelten Literatursprache nicht geben“[15]. Die so genannte Stunde Null war also keineswegs ein Neuanfang, vielmehr herrschte Ende der 40er Jahre ein literarisches und kulturelles Vakuum. Es war zwar, gerade bei den Mitgliedern der Gruppe 47, der Wille und der Vorsatz zu erkennen, das Geschehene und die Folgen des Krieges aufzuarbeiten, man befand sich allerdings in einem, nicht nur das kulturelle Leben betreffenden, Ausnahmezustand, der eine wirkliche, schonungslose Aufarbeitung noch nicht zuließ. Das überall vorherrschende menschliche wie auch ideologische Elend verstellte den Blick[16].

[...]


[1] Leonhard, Rudolf Walter: Aufstieg und Niedergang der Gruppe 47, In: Deutsche Gegenwartsliteratur: Ausgangspositionen und aktuelle Entwicklungen. Hg: Durzak, Manfred. Stuttgart, 1981. S. 61.

[2] Andersch, Alfred: Deutsche Literatur in der Entscheidung. Volk und Zeit. Karlsruhe, Dezember 1947. S. 369.

[3] Vgl. Andersch (1948). S 369.

[4] Arnold, Heinz Ludwig (Hg.): Die Gruppe 47. Ein Kritischer Grundriss. Edition text + kritik. Sonderband. München, 1987. S. 68.

[5] Lettau, Reinhard (Hg.): Die Gruppe 47. Bericht Kritik Polemik. Neuwied/Berlin, 1967. S. 107.

[6] Vgl. Lettau (1967). S. 138

[7] Kröll, Friedhelm: Die Gruppe 47. Stuttgart, 1979.

[8] Vgl. Leonhardt (1981). S. 65.

[9] Vgl. Leonhardt (1981). S. 74.

[10] Vgl. Arnold (1987). S.188.

[11] Neumann, Bernd: Konturen ästhetischer Opposition in den fünfziger Jahren. In: Durzak, Manfred (Hg.): ZU Günter Grass: Geschichte auf dem poetischen Prüfstand. Stuttgart, 1985. S. 50.

[12] Wehdeking, Volker: Anfänge westdeutscher Nachkriegsliteratur: Aufsätze, Interviews, Materialien. Aachen, 1989. S.31.

[13] Vgl. Leonhard (1981). S.75.

[14] Lehnert, Herbert: Die Gruppe 47. Ihre Anfänge und ihre Gründungsmitglieder. In: Deutsche Gegenwartsliteratur: Ausgangspositionen und aktuelle Entwicklungen. Hg: Durzak, Manfred. Stuttgart, 1981. S. 33.

[15] Vgl. Lehnert (1981). S. 33.

[16] Vormweg, Heinrich: Deutsch Literatur 1945-1960: Keine Stunde Null. In: Deutsche Gegenwartsliteratur: Ausgangspositionen und aktuelle Entwicklungen. Hg: Durzak, Manfred. Stuttgart, 1981. S. 15.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Günter Grass: Deutschland wach getrommelt
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)
Veranstaltung
Gruppe 47
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V37290
ISBN (eBook)
9783638366779
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Günter, Grass, Deutschland, Gruppe
Arbeit zitieren
B.A. Yvonne Hoock (Autor:in), 2004, Günter Grass: Deutschland wach getrommelt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37290

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