Das Phänomen Hochsensitivität und der Zusammenhang mit AD(H)S. Eine kritische Reflexion


Bachelorarbeit, 2008

49 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. DAS KONZEPT HOCHSENSITIVITÄT ALS SENSORY-PROCESSING SENSITIVITY
2.1 Entwicklung und Stand der Forschung
2.1.2 Messung von Hochsensitivität
2.2 Deutsche Übersetzung und verwandte Begriffe innerhalb der Psychologie
2.3 Neuro-physiologische und -psychologische Aspekte von Sensory-Processing Sensitivity .
2.4 Wahrnehmungspsychologische Aspekte von Hochsensitivität
2.4.1 Begriffsbestimmung
2.4.2 Der Prozess der Wahrnehmung im Ü berblick
2.4.2.1 Aufmerksamkeit als Selektionsprozess
2.4.2.2 Die latente Hemmung
2.4.3 Exkurs- Die Rolle der Emotionen
2.5 Der Einfluss der Kultur auf Forschung und Individuum
2.6 Zusammenfassung und Interpretation

3. DIE PHÄNOMENOLOGIE DES AD(H)S
3.1. Historischer Abriss und Darstellung
3.2 Wahrnehmungspsychologische Aspekte von AD(H)S

4. RESUMéE HOCHSENSITIVITÄT UND AD(H)S

LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein.

-Albert Einstein-

Das Thema dieser Arbeit behandelt das Phänomen Hochsensitivität, dass sich zunächst auf die Forschungen von ARON UND ARON (1997, 2005) bezieht und nach großer Resonanz vorwiegend im populärwissenschaftlichen Bereich in Amerika, nun auch in Europa zu etablieren scheint. Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang auch von Highly sensitive persons (HSP) und legen als wesentliches Kennzeichen dafür eine Sensitivität für sensorische Verarbeitungsprozesse (Sensory-processing sensitivity) zugrunde. Es sind eine Reihe von Vereinsgründungen, Publikationen, Internetforen und Selbsthilfegruppen in Holland, Belgien, Österreich und aktuell seit Sommer 2007 auch in Deutschland zu verzeichnen, z.B. der Informations- und Forschungsverbund Hochsensibilit ä t e.V., so dass weitere wissenschaftliche Forschung zur Thematik und zur Phänomenologie sinnvoll erscheint. Nicht nur die gesellschaftliche Akzeptanz und augenscheinliche Identifikation mit dem Konstrukt der Hochsensitivität, sondern auch die nach Angabe der Autoren ermittelten Betroffenenzahlen von ca. 15%-25% innerhalb einer Bevölkerung bieten weitreichende Gründe für die wissenschaftliche Auseinandersetzung. Dies würde in Deutschland nach dem Bevölkerungsstand vom 31.12.2005 im statistischen Mittel immerhin ca. 16 Millionen Menschen betreffen (BUNDESINSTITUT FÜR BEVÖLKERUNGSFORSCHUNG, 2008).

Die Übersetzung der angloamerikanischen Begriffe ins Deutsche gelingt nur unscharf, denn es werden die Termini Hochsensitivit ä t, Hochsensibilit ä t, Feinf ü hligkeit, Hypersensibilit ä t, Reizoffenheit, soziale Sensibilit ä t und gelegentlich auch zart besaitet und Hellf ü hligkeit benutzt. Grundlegend handelt es sich hierbei um eine vergleichsweise offenere und subtilere Wahrnehmung, sowie um eine intensivere zentralnervöse Verarbeitung von inneren und äußeren Reizen. Auf der Verhaltensebene wird eher eine stille Wachsamkeit postuliert, die tendenziell zum Rückzug führt. Diese Reizoffenheit steht ebenfalls im Zusammenhang mit einer stärkeren Erregbarkeit, die in reizintensiven Situationen leicht zu Überstimulation führt.

In bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten wurde diese Phänomenologie eher negativ bewertet und u.a. als Introversion, angeborene Schüchternheit, soziale Angststörungen (social anxiety disorder), Vermeidungsverhalten (harm avoidance), Schizotypie, Schizophrenie und Neurotizismus interpretiert. Die Autoren ARON ET. AL. (1997; 2005) postulieren aufgrund ihrer Untersuchungen eine Neubewertung dieser Perspektive, da sie hohe Sensitivität konzeptionell von sozialer Introversion und negativer Emotionalität trennen.

Reizoffenheit wird jedoch auch mit Kreativität und Intelligenz in Zusammenhang gebracht, so dass sich hier zunächst ein Antagonismus in der Bewertung zeigt. Die Grundstruktur dieser Arbeit wird demnach auch von folgenden Fragen geleitet:

1. Was steckt hinter dem Konstrukt Hochsensitivität?
2. Stellt die bisherige, eher negative psychologischen Interpretationen nur eine Seite der Medaille dar?
3. Inwieweit verlangt die Thematik nach einer Neubewertung?

Dazu wird nach einer Einführung in die Arbeiten von ARON ET. AL. das Konstrukt Hochsensitivität als Sensory-processing Sensitivity in seine relevanten Bestandteile zerlegt. Da es sich zusammenfassend um ein heterogenes und auch interdisziplinäres Thema handelt, erschien es wichtig genau diese Vielschichtigkeit hier zum Ausdruck zu bringen und neurowissenschaftliche und philosophische Aspekte mit einzubeziehen. Hat die scientific community in dem meist mitschwingenden ersten akademischen Gebot:

„ Thou shalt not transgress thy disciplinary boundaries “ einer solchen Betrachtungsweise noch Grenzen gesetzt, so fordert KRUSE (2005, S. 54) ausdrücklich interdisziplinäres Lehren und Lernen über Fachgrenzen hinweg, damit neues Wissen geschaffen und komplexe Probleme analysiert werden können.

Auf der anderen Seite war es jedoch auch vonnöten den Rahmen dieser Arbeit nicht zu „sprengen“ und eine sinnvolle Eingrenzung zu erreichen. Aus diesem Grund liegt das Hauptaugenmerk auf einer erhöhten Wahrnehmung aufgrund von Reizoffenheit als ursächlichem Phänomen und der Darstellung aus wahrnehmungspsychologischer Sicht. Weiterhin handelt es sich hier um eine dem Selbstverständnis von Sozialpsychologie entsprechenden Argumentation, d.h. das Erleben und Handeln des Individuums im sozialen Kontext zu erforschen und damit auch zu beurteilen. Der sozialpsychologische Erklärungsansatz betont den Einfluss der Kultur, der sozialen Umwelt und den Einfluss durch andere Menschen, wie auch individuellen Unterschiede erst im Vergleich mit anderen Individuen erkennbar wird. Weiterhin soll hiermit auch auf ethische und moralische Prinzipien von Wissenschaftlichkeit hingewiesen werden und dies bedeutet gerade auch für die Sozialpsychologie die Hinwendung und kritische Prüfung von Themenfeldern, die zunächst vorwiegend in den Bereich der klinischen Psychologie fallen.

Diese Auseinandersetzung mit dieser Thematik und anschließender Interpretation nimmt den Großteil dieser Arbeit ein.

Der abschließende Teil widmet sich dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom [AD(H)S], das je nach Studie zwischen 3% und 15% einer Jahrgangsstufe bei Schulkindern betrifft und mittlerweile zu den häufigsten Vorstellungsgründen bei Psychologen zählt. Hier stellt sich die Frage, ob sich ein Zusammenhang zwischen Hochsensitivität und AD(H)S zeigt und ob es nach einer kritischen Prüfung gerechtfertigt ist, eine rein pathologische Sichtweise als Syndrom aufrechtzuerhalten.

2. DAS KONZEPT HOCHSENSITIVITÄT ALS SENSORYPROCESSING SENSITIVITY

2.1 Entwicklung und Stand der Forschung

Der Begriff und das Konstrukt Hochsensitivität wurde von ARON UND ARON (1997) in ihrer grundlegenden Veröffentlichung Sensory-Processing Sensitivity and its Relation to Introversion and Emotionality vorgestellt. Dabei gehen die Autoren von zwei Grundannahmen aus, die innerhalb der Psychologie als gut bestätigt gelten. Dies betrifft zunächst Untersuchungen, die 1927 von PAWLOW angeregt wurden und von HULL (1943, zit. nach AMELANG & BARTUSSEK, 1990) weiter ausdifferenziert wurden. Sie stellten fest, dass bei ein und demselben Reiz das Erregungsniveau des Nervensystems individuell unterschiedlich ist und führten diese Differenzen auf Erregungs- und Hemmungsprozesse zurück. Je nach Überwiegen eines dieser beiden Prozesse lassen sich Typen mit starkem Nervensystem feststellen, bei denen die Erregungsprozesse überwiegen und Typen mit schwachem Nervensystem, bei denen die Hemmungsprozesse überwiegen. Darauf aufbauend formulierte EYSENCK seine Theorie zum Drei-Faktoren Modell der Persönlichkeit, die im wesentlichen die Vorstellung beinhaltet, dass alle zentralnervösen Prozesse durch ein genetisch determiniertes, interindividuell unterschiedliches Verhältnis von nervösen Erregungs- und Hemmungsprozessen gekennzeichnet ist. Eysenck konnte drei voneinander unabhängige Faktoren der Persönlichkeit (Extraversion, Introversion und Neurotizismus) isolieren, die zusammen einen dreidimensionalen Persönlichkeits-Raum aufspannen, in dem sich jede individuelle Persönlichkeit punktuell verorten lässt. Aufgrund seiner umfangreichen Arbeit zum Thema Intelligenz, wird diese gelegentlich auch als vierter Faktor in seinem Persönlichkeitsmodell genannt. Introvertierte Personen ziehen ein ruhiges Leben vor, sind eher passiv und nachdenklich und wenden sich stärker nach innen. Extravertierte sind demgegenüber spontaner, geselliger, mögen Partys und pflegen viele freundschaftliche Kontakte.

EYSENCK konnte in seinen Untersuchungen psychobiologische Ursachen der Dimensionen nachweisen und fand heraus, dass bei Introvertierten die Erregungsprozesse überwiegen, so dass sie z.B. schneller etwas lernen und langsamer wieder vergessen als Extravertierte, bei denen die Hemmungsprozesse überwiegen.

Die Dimension Neurotizismus ist als Kontinuum zu begreifen, die an den beiden Polen die gegensätzlichen Extreme der emotionalen Stabilität bzw. emotionalen Labilität aufweisen. Die biologische Grundlage der Dimension Neurotizismus ist EYSENCKS Modell zufolge im autonomen Nervensystem zu finden, insbesondere im Limbischen System, dass für die Emotionen zuständig ist. Bei Personen mit hohem N-Wert reagiert dieses System schnell auf Erregung und beruhigt sich nur langsam wieder, so dass die Person „nervös“ erscheint. Neurotische Symptome entstehen durch ein Zusammenspiel genannter biologischer Systeme und Erfahrungen, die durch starke emotionale Reaktionen auf angstauslösende Reize ausgelöst werden (AMELANG & BARTUSSEK, 2001).

Der zweite Faktor auf den sich ARON ET. AL. beziehen, betrifft die anthropologisch fundierte Erkenntnis von zwei gegensätzlichen (Überlebens-) Strategien angesichts neuer Reize. Nämlich auf der einen Seite eine aktive Erforschung oder Erkundung und auf der anderen Seite eine stille Wachsamkeit, die tendenziell zum Rückzug führt. Die Autoren gehen dabei insb. auf Arbeiten von GRAY (1981, 1985, 1991; zit. nach ARON ET. AL., 1997) ein, die eine sorgfältige biopsychologischen Fundierung aufweisen und weit reichende Akzeptanz genießen. GRAY konnte zwei gegensätzliche Systeme nachweisen, die er als Verhaltensaktivierungssystem (behavioral activation system / BAS) und Verhaltenshemmsystem (behavioral inhibition system / BIS) bezifferte. Das BAS reagiert mit positiven Gefühlen und Annäherung auf konditionierte Reize, die Belohnung oder Nichtbestrafung signalisieren und löst zielgerichtetes Verhalten aus. Eine gesteigerte BAS Aktivität konnte bei neurotischen Extravertierten nachgewiesen werden, die in GRAYS Modell als impulsiv bezeichnet werden. Dem gegenüber reagiert das BIS auf Reize, die unbekannt, Bestrafung oder Nichtbelohnung signalisieren. Das BIS löst bei Individuen Reaktionen, wie passive Vermeidung, Verhaltensstop und Aktivierung der Aufmerksamkeit aus. Eine vermehrte BIS Aktivität findet sich in neurotischen Introvertierten, die GRAY als ängstlich identifizierte. Bezüglich des Lernens vertritt GRAY die Auffassung, dass Extravertierte nicht grundsätzlich schwerer zu konditionieren sind als Introvertierte, sondern nur unempfindlicher gegenüber Strafe oder deren Androhung. Er sieht den Grad der Sensitivität ausschlaggebend dafür, ob Extravertierte alles vermehrt „durch die rosarote Brille“ sehen und impulsiv handeln, ohne mögliche negative Reize ins Kalkül zu ziehen. Bei Introvertierten, die eher die Tendenz haben alles „schwarz zu sehen“, steigt der Grad der Ängstlichkeit mit zunehmender Sensitivität an und positive Reize spielen kaum mehr eine Rolle. Aus neurologischer Sicht wird das Verhaltenaktivierungssystem mit der Steuerung des Neurotransmitters Dopamin in Verbindung gebracht, während das Verhaltenshemmsystem eher mit Serotonin in Zusammenhang steht.

Diese beschriebenen gegensätzlichen Verhaltenstendenzen lassen sich auf der Dimension Impulsivität vs. Reflexitivität darstellen, dies wurde vor allem von KAGAN (KAGAN, MOSS & SIGEL, 1963; KAGAN, 1994) bei Kindern empirisch bestätigt. Dabei analysieren reflexive Kinder die gegebenen Reizvorlagen gründlicher, lassen sich mehr Zeit und machen wenige Fehler. Impulsive Kinder verlassen sich eher auf den ersten Eindruck, reagieren schneller und machen im Verhältnis zu den reflexiven VP mehr Fehler, dies wird auch als kognitiver Stil bezeichnet.

Diese exemplarisch dargestellten Systeme finden sich mit wechselnden Bezeichnungen in einer Vielzahl von Forschungsarbeiten die ARON ET. AL. belegen und sind der Grund für den fundamentalsten interindividuellen Unterschied in der Persönlichkeit des Menschen. Welchen hohen Stellenwert diese Persönlichkeit nicht nur für das einzelne Individuum, sondern auch für die gesamte Psychologie als Wissenschaft hat, begegnet DÖRNER (2001, S. 812) mit folgenden Worten:

„ Was w ä re die theoretische Psychologie, g ä be es nicht die Frage, ob nun eigentlich die Allgemeine Psychologie der Pers ö nlichkeitstheorie oder aber letztere der erstgenannten zu weichen hat? “

Die dargestellten Grundannahmen der Reizoffenheit und der damit verbundenen leichten Überstimulation sowie des „stop-to-check-systems“ fassen die Autoren ARON AL. AL. in dem Terminus Sensory-processing sensitivity zusammen, also in einer Sensitivität für sensorische Verarbeitungsprozesse.

Sie kritisieren an früheren Arbeiten die Zusammenfassung von Hochsensitivität mit sozialer Introversion, negativer Emotionalität, Schüchternheit oder Gehemmtheit. In ihrem Resumée stellen sie fest:

„ This summary of our view of the relation of sensory-processing sensitivity to other models of this fundamental trait- such as introversion, inhibitedness in Gray ´ s sense, or shyness- obviously raises the possibility that personality research is beeing muddled by a confusion of what is basic and what is secondary. In particular, research on introversion, fearful inhibitedness, and shyness is too valuable in its own right and too importend clinically to be hampered by such a confusion ( … ) ” (ebd., S. 349).

Sie stellen also hier das Problem der Kausalität heraus und der daraus resultierenden Definition, was Ursache und was Wirkung ist. Mit ihrer Forschungsarbeit bringen sie erste empirische Evidenz dafür, dass Hochsensitivität zwar mit sozialer Introversion korreliert, jedoch konzeptionell zu trennen ist:

„ Low sociability, or introversion, in the sense of avoiding strangers and large groups, is an intelligent strategy for those born highly sensitive ( … ) “ (ebd.).

Die mit der Introversion verbundenen Verhaltensweisen sind demnach eine Folge von Hochsensitivität und nicht die Ursache per se. Auch zeigen ARON, ARON UND DAVIES (2005), dass die mit Hochsensitivität korrelierende Schüchternheit und negative Emotionalität in erster Linie bei den hochsensitiven Personen zu finden ist, die von einer ungünstigen elterlichen Umwelt während ihrer Kindheit berichten.

Zusammenfassend geht die Forschungsarbeit zur Hochsensitivität von der Verteilung innerhalb einer Population von ca. 15%-25% aus und beinhaltet für den genannten Personenkreis ebenfalls eine vergleichsweise leichte Ablenkbarkeit, Geräusch-, Geruchs- und Schmerzempfindlichkeit, visuelle Reizsensitivität, Empathie und Kreativität. Weiterhin wird ein Versagen bei eher einfachen Aufgaben postuliert, während bei zunehmender Komplexität eine signifikant bessere Leistung erwartet wird.

Bei den genannten Darstellungen der Sensitivität für sensorische Verarbeitungsprozesse bleibt jedoch relativ offen, was sich hinter diesem Konstrukt verbirgt:

„ By sensory processing we refer to a difference not in the sense organs per se but to something that occurs as sensory information is transmitted to or processed in the brain “ (ebd., S. 347) .

und genau hier setzt die folgende Arbeit an und versucht „einen Blick hinter die Kulissen zu werfen“.

2.1.2 Messung von Hochsensitivität

Die Messung von Hochsensitivität wird mit der von ARON ET. AL. (1997) entwickelten Highly Sensitiv Person Scale (HSPS) vorgenommen. Es handelt sich hierbei um eine aus 27 Fragen bestehenden psychometrischen Skala. Eine deutschsprachige Adaptation der Skala befindet sich derzeit in der Validierungsphase (BERTRAMS & DICKHÄUSER, in Vorbereitung). Während ARON ET. AL. eine eindimensionale Struktur der Skala und damit des Konstrukts Hochsensitivität feststellen, finden SMOLEWSKA, MCCABE UND WOODY (2006) die drei schwach korrelierenden Faktoren ästhetische Sensibilität, niedrige Reizschwelle und Erregbarkeit.

2.2 Deutsche Übersetzung und verwandte Begriffe innerhalb der Psychologie

Die Übersetzung des Wortes Sensibility wird mit den deutschen Begriffen Empfindsamkeit und Sensibilität angegeben, während bei (to be) sensitive (Sensitivity) noch der Aspekt der Einfühlsamkeit, also Emotionen im weitesten Sinne, hinzukommt (WÖRTERBUCH, 2006, S. 316).

Es zeigt sich also eine enge Wortverwandtschaft zwischen Sensibilit ä t und Sensitivit ä t und oftmals werden diese Begriffe in unterschiedlichen Konzepten und durchaus auch synonym verwendet. Allgemein wird eher der Begriff (soziale) Sensibilit ä t benutzt, der jedoch dem Konstrukt nicht hinreichend entspricht, da die Komponente der Gefühle nicht mit einbezogen wird. Auch wird im allgemeinsprachlichen Gebrauch Sensibilit ä t oftmals mit „Sensibelchen“ und Schüchternheit assoziiert, so dass in dieser Arbeit der Terminus Sensitivit ä t angemessener erscheint und eher der der Übersetzung des angloamerikanischen Begriffes entspricht.

FRÖHLICH (2000, S. 398) definiert ausschließlich den Begriff Sensibilit ä t (sensibility) als:

„ [1] (a) Empfänglichkeit für Sinnesreize. (b) Die besondere Ansprechbarkeit in Bezug auf Mitgegebenheiten und Hintergrundbedingungen (z.B. der Sinn für Humor). [2] Gütekriterium von Verfahren zur Erfassung komplexer Merkmale … S. gibt an, in welchem Ausprägungsbereich des Merkmals ein Test besonders gut differenziert. “

Eine weitere Definition aus eher philosophischer Perspektive liefert KIRCHNER (1907), indem er wie folgt schreibt:

„ Sensibilit ä t (v.lat. sensibilis = empfindbar) hei ß t die F ä higkeit sinnlich zu empfinden. Diese setzt dreierlei voraus: ein Organ, das einen Reiz von au ß en aufnehmen kann, ein anderes, das ihn umsetzt, und ein Bewusstsein, das ihn empfindet. Die Sensibilit ä t ist erfahrungsm äß ig an ein Nervensystem gekn ü pft ( … ) Die Sensibilit ä t des Nervensystems ist den Tieren und Menschen eigen. Im engeren Sinne versteht man unter Sensibilit ä t die Feinheit des Empfindens. “

Bei der Übersetzung des englischen Begriffes sensory mit sensorisch stößt man ebenfalls auf Kontroversen. Während sensorisch im angelsächsischen Sprachgebrauch für jede Sinnesempfindung gebraucht wird, unterscheidet man im deutschsprachigen Raum zwischen sensorisch und andererseits wiederum sensibel. Allgemein zählen zu den sensorischen Wahrnehmungen Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und der Gleichgewichtssinn. Als sensible Empfindungen betrachtet man den Tastsinn, der durch die verschiedenen Sinnesqualitäten, wie Druckempfindung, Berührungsempfindung, Vibrationsempfindung, Schmerzempfindung und Temperaturempfindung charakterisiert wird.

2.3 Neuro-physiologische und -psychologische Aspekte von Sensory-Processing Sensitivity

Sensorische Verarbeitungsprozesse (sensory-processing) werden als übergreifendes Konstrukt verstanden, dass sich nicht nur auf die Datenverarbeitung von Sinnesreizen beschränkt, sondern auch auf die Art und Weise, wie das Nervensystem den sensorischen Input regelt, organisiert und versteht. In funktionalistischer Hinsicht befähigt es den Menschen aufgrund dieser gewonnenen Informationen auf Umwelt-Anforderungen zu reagieren und Kenntnis darüber zu erhalten, was um ihn herum vor sich geht. Dieses schließt auch Informationen ein, die aus der Person selber kommen.

Nach KANDEL UND SCHWARTZ (1985) wird hierbei zwischen sensorischen Prozessen und sensorischer Genauigkeit oder Schärfe (sensory acuity) unterschieden. Als sensorische Schärfe wird die tatsächliche physische Fähigkeit der Organe und Rezeptoren bezeichnet, die den Input erhalten. Dies lässt sich anschaulich mit Brillen oder Hörgeräten vergleichen. Sensorische Verarbeitung meint demgegenüber die Fähigkeit zur Interpretation der Informationen im Gehirn.

Nach DUNN (1997, Internet vom 10.02.08) sind diese Verarbeitungsprozesse und die damit verbundenen Reaktionen wesentlich durch zwei Faktoren determiniert, nämlich neurologische Reizschwellen und Strategien der Selbstregulation:

“ When we were beginning to study sensory processing, we learned that there were two primary factors that contributed to our understanding of the overall concept of sensory processing. The first factor to consider is neurological thresholds, or the way the nervous system responds to sensory input. The second factor to consider is self regulation strategies that a person uses; these may be associated with your temperament and personality. Self regulation strategies are the ways that people manage the input that is available to them. ”

[...]

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Das Phänomen Hochsensitivität und der Zusammenhang mit AD(H)S. Eine kritische Reflexion
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Sozialpsychologie)
Note
1
Autor
Jahr
2008
Seiten
49
Katalognummer
V372886
ISBN (eBook)
9783668572225
ISBN (Buch)
9783668572232
Dateigröße
1353 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hochsensitivität, Hochsensibilität, AD(H)S, Sensory Processing Sensitivity
Arbeit zitieren
(M.A.) Birgit Trappmann (Autor:in), 2008, Das Phänomen Hochsensitivität und der Zusammenhang mit AD(H)S. Eine kritische Reflexion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372886

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