Entwicklung einer Software zur Auswertung von Messdaten zur Beurteilung von Bauteilqualitäten


Masterarbeit, 2017

99 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Formel- und Kurzzeichen

1 Einleitung

2 Stand der Technik
2.1 Fertigungsverfahren
2.1.1 Läppen
2.1.2 Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik
2.2 Qualitätsbeurteilung technischer Oberflächen
2.2.1 Oberflächenmessung
2.2.2 Datenvorbereitung und Filterung
2.2.3 Oberflächenkennwerte
2.3 Programmiertechnische Grundlagen
2.3.1 Programmierkonzepte
2.3.2 Programmierparadigmen
2.3.3 Programmiersprachen

3 Zielsetzung und Randbedingungen
3.1 Oberflächenmessgeräte
3.1.1 HOMMEL-ETAMIC nanoscan 855
3.1.2 FRT Microprof
3.2 Auswahl der Programmiersprache

4 Programmiertechnische Umsetzung
4.1 Programmlogik
4.2 Hierarchische Ordnerstruktur
4.3 Verwendete Python Bibliotheken
4.3.1 Python Standard Library
4.3.2 Matplotlib
4.3.3 NumPy
4.3.4 XlsxWriter
4.3.5 PyQt
4.4 Umsetzung der Programmkomponenten
4.4.1 Programmstart
4.4.2 Importieren der Oberflächenmessdaten
4.4.3 F-Operator
4.4.4 Filterung
4.4.5 Berechnung der Oberflächenkennwerte
4.4.6 Erstellen und Exportieren der Ergebnisdaten
4.4.7 Graphische Benutzeroberfläche

5 Zusammenfassung und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Softwarebibliothek

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang

0 Formel- und Kurzzeichen

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Industriell gefertigte Werkstücke unterliegen immer höheren Anforderungen hinsichtlich ihrer Bauteilqualität [IMK11]. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der technischen Oberfläche zu, da bei der industriellen Fertigung immer Gestaltabweichungen, in Form der Rauheit und Formabweichung, auf der technischen Oberfläche auftreten [XIN08, HEN11]. Weichen die Gestaltabweichungen zu stark von dem vorgegebenen Konstruktionsmaß ab, kann die Funktionalität des Werkstücks eingeschränkt sein [KEN09]. Es gibt Schätzungen nachdem 10 % der gefertigten Werkstücke aufgrund einer zu geringen Oberflächenqualität, ihre Funktion nicht optimal erfüllen können. Auch deshalb ist die technische Oberfläche Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchung. Weiterhin steigt der Bedarf zur Qualitätskontrolle von technischen Oberflächen, in der industriellen Fertigung [XIN08, LEA11].

Mit Hilfe der Fertigungsmesstechnik lassen sich, im Rahmen der Qualitätskontrolle von technischen Oberflächen, die Gestaltabweichungen feststellen und im Hinblick auf die Anforderungen prüfen [KEN09]. Die Qualitätskontrolle von technischen Oberflächen beinhaltet, die Erfassung der Oberfläche mit einem taktilen oder optischen Messgerät und die anschließende systematische Auswertung der erfassten Oberflächendaten. Dabei werden aussagekräftige Oberflächenparameter und Oberflächenmaße berechnet, um verschiedene, technische Oberflächen miteinander vergleichen zu können [XIN08, LEA11].

Im Rahmen dieser Arbeit, soll eine Anwendung entwickelt und softwaretechnisch umgesetzt werden, welche eine systematische Auswertung der erfassten Oberflächendaten von verschie- denen Messgeräten ermöglicht. Die Anwendung liest dabei die erfassten Daten von verschie- denen Messgeräten ein, berechnet verschiedene Oberflächenparameter und Oberflächen- maße und speichert die Analyseergebnisse persistent. Somit wird es möglich, Messdaten ver- schiedener Messgeräte zentralisiert und automatisiert auszuwerten, um die Bauteilqualität zu bewerten.

Die Anwendung wird zunächst für das Messgerät FRT Microprof 100 der Firma FRT GMBH, Bergisch Gladbach und für das Messgerät HOMMEL-ETAMIC nanoscan 855 der Firma JENOPTIK AG, Jena entwickelt. Diese beiden Messgeräte werden vorrangig am Fachgebiet, dass diese Arbeit betreut, eingesetzt. Durch den modularisierten Aufbau der Anwendung ist es jedoch möglich, sie mit geringem Aufwand weiterzuentwickeln und weitere Messgeräte und Funktionalitäten zu integrieren.

Die zur Verfügung stehenden Oberflächenmessdaten wurden mit den genannten Messgeräten an den planaren Flächen von gefertigten Werkstücken erfasst. Dabei wurden die technischen Oberflächen der Werkstücke mit dem Fertigungsverfahren Doppelseitenplanschleifen mit Pla- netenkinematik hergestellt. Das Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik ist ein Fer- tigungsverfahren mit „ geometrisch unbestimmten Schneiden “ und ermöglicht die Herstellung von hochwertigen, technischen Oberflächen mit engen Toleranzen [KLO05, PAU08]. Das Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik wurde aus dem Fertigungsverfahren Läppen weiterentwickelt [ARD00].

Zu Beginn der Arbeit erfolgt eine umfangreiche Literaturrecherche zum Stand der Technik im Bereich der Fertigungsverfahren. Es werden verschiedene Oberflächenparameter und Ober- flächenmaße vorgestellt, sowie in die Oberflächenmessung eingeführt. Anschließend werden programmiertechnische Grundlagen, für die Entwicklung und softwaretechnische Umsetzung der Anwendung, gelegt. Im Anschluss daran, werden die Zielsetzung und die Randbedingungen diskutiert. Weiterhin wird eine Programmiersprache für die Entwicklung und softwaretechnische Umsetzung der Anwendung festgelegt, sowie die zur Implementierung der Anwendung notwendigen Softwarebibliotheken beschrieben. Darauf aufbauend beinhaltet die Arbeit, die Dokumentation der softwaretechnischen Umsetzung. Ein Ausblick mit Vorschlägen, für die Implementierung weiterer Funktionen der Software, schließen die Arbeit ab.

2 Stand der Technik

Oberflächenmessdaten, die während der Entwicklung und softwaretechnischen Umsetzung der Anwendung zur Verfügung stehen, stammen von Werkstückoberflächen ab, die mit dem Fertigungsverfahren Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik hergestellt wurden. Aus diesem Grund, wird dieses Kapitel mit einer kurzen Einführung in die Fertigungsverfahren nach DIN 8580, eingeleitet.

Die mit dem Fertigungsverfahren Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik hergestell- ten planare Oberflächen weisen besondere Merkmale auf, die sich aus der Kinematik und dem Abtrennmechanismus des Doppelseitenplanschleifens mit Planetenkinematik ergeben. Die Ki- nematik wird in diesem Kapitel anhand des Fertigungsverfahrens Läppen eingeführt.

Um die Bauteilqualität von Werkstücken zu beurteilen, sind Kenntnisse zu Oberflächenparametern und Oberflächenmaße erforderlich, die im Folgenden beschrieben werden. Anschließend wird die Oberflächenmessung näher beschrieben, da mit ihrer Hilfe die zur Qualitätsbeurteilung von Werkstücken erforderlichen Oberflächenmessdaten erfasst werden.

In den darauffolgenden programmiertechnischen Grundlagen werden Programmierkonzepte und Programmierparadigmen beschrieben, die für die Entwicklung und softwaretechnische Umsetzung der Anwendung erforderlich sind. Zum Abschluss dieses Kapitels, werden einige ausgewählte Programmiersprachen vorgestellt, die für die Entwicklung und softwaretechnische Umsetzung der Anwendung in Frage kommen.

2.1 Fertigungsverfahren

Fertigungsverfahren werden in der Fertigungstechnik eingesetzt, mit dem Ziel geometrisch bestimmte Körper herzustellen. Die Fertigungstechnik wiederum, kann als ein Bestandteil der Produktionstechnik angesehen werden. Unter geometrisch bestimmten Körpern werden technische Konstruktionen, wie beispielsweise Maschinen, Fahrzeuge, Werkzeuge sowie Bestandteile dieser technischen Konstruktionen und Halbzeuge verstanden [DIN8580, KÜH15]. Einzelteile der technischen Konstruktionen werden weiterhin als Werkstücke bezeichnet. In der Fertigungstechnik, wird mit Hilfe eines Werkzeuges, die Form des Werkstücks gebildet oder verändert. Wichtige Einflussfaktoren zum Erreichen der gewünschten Werkstückform sind zum einen die Relativbewegung zwischen dem Werkzeug und Werkstück und zum anderen, die Energieübertragung auf das Werkstück [KÜH15].

Zur Herstellung von geometrisch bestimmten Körpern, werden häufig eine Vielzahl verschiedener Fertigungsverfahren eingesetzt und entsprechend kombiniert [KÜH15]. Werden verschiedene Fertigungsverfahren kombiniert, sodass sie gleichzeitig zur Wirkung gebracht werden, wird von einer Verfahrenskombination gesprochen [DIN8580].

Ausgehend von den Konstruktionsunterlagen werden, die in Frage kommenden und geeigne- ten Fertigungsverfahren ausgewählt. Die Konstruktionsunterlagen beinhalten alle für die Fer- tigungstechnik relevanten Informationen, bezüglich der herzustellenden Werkstücke. Unter anderem gehört dazu die technische Zeichnung, Angaben über die Abmessungen der Werk- stücke, die Maßtoleranzen und die Oberflächengüten. Neben den vorgegebenen Werkstück- merkmalen, sollte bei der Auswahl der Fertigungsverfahren auch auf die erreichbare Qualität, die Kosten, die Ergonomie und auf die Umweltverträglichkeit der Verfahren geachtet werden [KÜH15].

Damit die Vielzahl der existierenden Fertigungsverfahren systematisch eingeordnet werden können, ist in der DIN 8580 ein systematisches Ordnungssystem dargestellt. Das Ordnungs- system unterteilt die Fertigungsverfahren zunächst in die sechs Hauptgruppen „ Urformen “, „ Umformen “, „ Trennen “, „ Fügen “, „ Beschichten “ und „ Stoffeigenschaftändern “ (Bild 2-1).

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Bild 2-1: Einteilung der Fertigungsverfahren in die Hauptgruppen und deren Merkmale [DIN8580]

Die in dieser Arbeit betrachteten Fertigungsverfahren, gehören alle zur der dritten Haupt- gruppe „ Trennen “. Die dritte Hauptgruppe „ Trennen “, unterscheidet sich zur ersten Haupt- gruppe „ Urformen “ und sechsten Hauptgruppe „ Stoffeigenschaftändern “ durch das Kriterium „Ä ndern der Form “. Das gleiche gilt auch für die zweite Hauptgruppe „ Urformen “, für die vierte Hauptgruppe „ Fügen “ und die fünfte Hauptgruppe „ Beschichten “. Bezüglich des Stoffzusam- menhalts ist „ Zusammenhalt vermindern “ ein Merkmal der dritte Hauptgruppe „ Trennen “ [KÜH15].

Zur weiteren Unterteilung werden die sechs Hauptgruppen, wiederum in Gruppen und Untergruppen unterteilt (Bild 2-2). Die dritte Hauptgruppe „ Trennen “, wie bereits erwähnt und die Gruppe 3.3 „ Spanen mit geometrisch unbestimmten Schneiden “, wird in dieser Arbeit besonders hervorgehoben, da die Fertigungsverfahren Läppen und das Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik dort einzuordnen sind [KÜH15].

In der DIN 8589-0 ist Spanen als „ Trennen “ definiert, “bei dem durch die Schneiden eines Werkzeuges von einem Werkstück Werkstoffschichten in Form von Spänen auf mechani- schem Wege abgetrennt werden“ [DIN8589-0]. Die Fertigungsverfahren der Gruppe 3.3 „ Spa- nen mit geometrisch unbestimmten Schneiden “, nutzen ein Werkzeug dessen Schneidenanz- ahl, Geometrie der Schneidkeile und Lage der Schneiden zum Werkstück unbestimmt sind. Eine Form des Spanens ist das Planspanen, das zum Herstellen von planaren Oberflächen eingesetzt wird. Planare Oberflächen werden beispielsweise mit den Fertigungsverfahren Läppen und dem Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik erzeugt, auf die im Folgenden näher eingegangen wird [DIN8589-0].

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Bild 2-2: Einteilung der Hauptgruppe „ Trennen “ und der Gruppe „ Spanen mit geometrisch unbestimm- ten Schneiden “ [DIN8589-0]

2.1.1 Läppen

Läppen ist ein spanendes Fertigungsverfahren und nach DIN 8589-0, der Hauptgruppe 3 „ Trennen “ und der Gruppe 3.3 „ Spanen mit geometrisch unbestimmten Schneiden “ zuzuordnen (Bild 2-2). In der DIN 8589-15 ist das Läppen als „spanen mit losem, in einer Paste oder Flüssigkeit verteiltem Korn, dem Läppgemisch, das auf einem meist formübertragenden Gegenstück (Läppwerkzeug) bei möglichst ungeordneten Schneidebahnen der einzelnen Körner geführt wird“ definiert [DIN8589-15]. Das Läppen kommt zum Einsatz, wenn Funktionsflächen mit hohen Oberflächengüten und mit hohen Anforderungen an die Form- und Maßgenauigkeit benötigt werden [HEI14, FRI15]. Weiterhin wird das Läppen in die Verfahrensvarianten Planläppen, Rundläppen, Schraubläppen, Wälzläppen und Profilläppen untergliedert [DIN8589-15]. Mit Hilfe des Planläppens, dass in der industriellen Praxis häufig zum Einsatz kommt, lassen sich planare Funktionsflächen erzeugen [KLO05].

Beim Planläppen ist zwischen dem einseitigen Planläppen und dem zweiseitigen oder doppel- seitigen Planläppen zu unterscheiden. Das einseitige Planläppen findet auf einer Einscheiben- läppmaschine statt, auf der eine planare Fläche bearbeitet wird (Bild 2-3a). Beim doppelseiti- gen Planläppen, dass auf einer Zweischeibenläppmaschine durchgeführt wird, werden zwei parallele, planare Flächen gleichzeitig bearbeitet (Bild 2-3b). Durch das gleichzeitige Bearbei- ten von zwei parallelen, planaren Flächen, wird eine hohe Planparallelität erreicht [HEI14, FRI15]. Die Arbeitsscheibe, die als formübertragendes Gegenstück fungiert, ist beim Planläppen die Läppscheibe und besteht beispielsweise aus Gusseisen, Stahl oder Kupfer [ARD00].

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Bild 2-3: Planläppen; a) einseitiges Planläppen; b) doppelseitiges Planläppen [DIN8589-15]

Zum gleichzeitigen Bearbeiten von zwei planparallelen Flächen, wird eine obere und eine un- tere Läppscheibe als Arbeitsscheibe eingesetzt (Bild 2-3b). Beide Läppscheiben werden in der Zweischeibenläppmaschine rotativ angetrieben. In dem Bereich zwischen den rotierenden Läppscheiben befindet sich, die für das Planläppen charakteristische Planetenkinematik, wel- che die Relativbewegung zwischen Werkstück und Läppscheibe erzeugt (Bild 2-4).

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Bild 2-4: Planetenkinematik beim doppelseitigen Planläppen [ARD00, UHL09]

Die Werkstücke werden zwangsgeführt und befinden sich in den kreisförmigen Läuferschei- ben, die in Analogie zu Planeten im Sonnensystem, um die zentrale und um die eigene Achse rotieren. Die Läuferscheiben sind mit einem Zahnkranz ausgestattet und liegen zwischen ei- nem Innen- und Außenstiftkranz. Der Innenstiftkranz ist angetrieben, wodurch sich die Läufer- scheiben bewegen. Der zur Werkstofftrennung erforderliche Läppdruck wird hydraulisch oder pneumatisch auf die obere Arbeitsscheibe aufgebracht [KLO05, HEI14, FRI15].

Die Werkstofftrennung erfolgt bei allen Läppverfahren durch, dass in einer Paste oder Flüssig- keit verteilte lose Läppkorn. Das Läppgemisch dringt beim Läppprozess in den Arbeitsspalt zwischen der Arbeitsscheibe und dem Werkstück ein. Die losen Läppkörner im Läppgemisch fungieren als Schneiden, die wiederholt in die Werkstückoberfläche eindringen und für den Materialabtrag sorgen. Die Läppkörner rollen dabei entweder zwischen der Arbeitsscheibe und dem Werkstück ab oder verankern sich temporär in der Arbeitsscheibe. Die Werkstofftrennung von der Werkstückoberfläche unterscheidet sich, bei duktilen und spröden zu bearbeitenden Werkstoffen. Duktile Werkstoffe, werden durch die Schneiden des Läppkorns bis zur Ermü- dung umgeformt, sodass es zur Werkstoffablösung kommt. In spröden Werkstoffen hingegen, bilden sich Mikrorisse an der Werkstückoberfläche. Das führt schlussendlich zu einer Rissver- netzung und zum Ausbruch von Partikeln [HEI14].

Das Zusammenspiel des Abtrennmechanismus und der beschriebenen Planetenkinematik, führt beim Planläppen zu der typischen planaren Oberfläche, die ungerichtete Bearbeitungs- spuren aufweist (Bild 2-5). Durch die Läppkorneindrücke in die Werkstückoberfläche und die dadurch resultierenden kraterähnlichen Spuren, ist die Werkstückoberfläche bei metallischen Werkstoffen mattglänzend und bei keramischen Werkstoffen matt [KLO05]. Die durch das Planläppen hergestellten, planaren Flächen weisen eine hohe Formgenauigkeit und Oberflä- chengüte auf [HEI14].

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Bild 2-5: Geläppte Werkstückoberfläche aus Aluminiumoxid (Al2O3) mit ungerichteten Bearbeitungsspuren [KLO05]

2.1.2 Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik

Das Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik ist eine Weiterentwicklung des Läppens und verdrängt das Läppen zunehmend. Die Vorteile dieses Verfahrens gegenüber dem Läppen, liegen in der mittleren Schnittgeschwindigkeit vc, in der geringeren Randzonenbeschädigung und in den reduzierten Reinigungskosten der Werkstücke [ARD00, FRI15].

Genau wie das Läppen, ist das Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik ein spanen- des Fertigungsverfahren, dass nach DIN 8589-0 der Hauptgruppe 3 „ Trennen “ und der Gruppe 3.3 „ Spanen mit geometrisch unbestimmten Schneide n“, zuzuordnen ist (Bild 2-2) [DIN8589-0]. Aufgrund der besonderen Merkmale des Fertigungsverfahrens, lässt sich keine eindeutig, normgerechte Bezeichnung für dieses Verfahren festlegen. In der Literatur finden sich neben der Bezeichnung Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik, weitere Be- zeichnungen wie beispielsweise, Feinschleifen mit Läppkinematik, Flachhonen oder Läpp- schleifen. Die Bezeichnungen zielen dabei auf die Besonderheit des Verfahrens ab, die Pla- netenkinematik des doppelseitigen Planläppens und die Abtrennmechanismen von Schleif- scheiben zu kombinieren [ARD00, FRI15]. Durchgeführt wird das Verfahren auf einer Doppel- seitenplanschleifmaschine (Bild 2-6) unter Verwendung von Schleifscheiben als Arbeitsschei- ben [FRI15].

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Bild 2-6: Doppelseitenplanschleifmaschine DLM 705 der Firma STÄHLI LAPPING TECHNOLOGY LTD., Pieterlen, Schweiz [STÄ16]

Die Schleifscheiben bestehen dabei aus Schleifkörner, die wie in Bild 2-7 zu sehen, von einem Bindungsmaterial fixiert werden, dass in Abhängigkeit des Bindungstyps Poren aufweist. Dabei ergibt sich zwischen zwei Schleifkörnern ein Kornabstand λk und eine Brückenlänge lb, bestehend aus dem Bindungsmaterial. Sind die Schleifkörner durch den Schleifprozess abgestumpft, gibt die Bindung diese frei und die nachfolgenden noch scharfen Schleifkörner können zum Einsatz kommen. Die Bindungen der Schleifscheibe lassen sich in Kunstharz-, Keramikund Metallbindungen untergliedern. Durch die Poren in der Schleifscheibe wird Raum für den Kühlschmierstoff und das zerspannte Material geschaffen [KLO05].

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Bild 2-7: Aufbau einer konventionellen Schleifscheibe [UHL14]

Beim Schleifkornwerkstoff, auch Schleifmittel genannt, wird zwischen natürlichem oder synthetischem unterschieden. Natürliche Schleifmittel sind beispielsweise Quarz, Schmirgel, Granat, natürlicher Korund oder Diamant. Synthetische Schleifmittel sind Aluminiumoxid (Al2O3) auch Korund genannt, Siliciumcarbid (SiC), kubisch kristallines Bornitrid (cBN) und synthetischer Diamant [KLO05, HEI14].

Während des Prozesses des Doppelseitenplanschleifens mit Planetenkinematik, erfolgt die Werkstoffabtrennung durch die Schneiden der Schleifkörner. Die gebundenen Schleifkörner kommen dabei unterschiedlich stark in den Eingriff, da sie auch unterschiedlich weit aus der Bindung herausragen [KLO05]. In Bild 2-8 ist vereinfacht ein Schnitt durch eine Schleifscheibe und das Werkstück abgebildet. Alle Spitzen der Schleifkörner die aus der Bindung der Schleif- scheibe herausragen, werden als statische Schneiden bezeichnet (S1 bis S8). Dabei kann ein Korn mehr als eine statische Schneide besitzen. Statische Schneiden, die sich am Werkstück im Eingriff befinden und somit aktiv bei der Zerspanung beteiligt sind, werden kinematische Schneiden genannt (S2, S3, S5, S7 und S8). Weiterhin wird der Abstand zwischen statischen Schneiden als statischer Schneidenabstand Lstat und der Abstand zwischen kinematischen Schneiden als kinematischer Schneidenabstand Lkin bezeichnet [KLO05].

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Bild 2-8: Statische und kinematische Schneiden der Schleifscheibe [KLO05]

Bei duktilen Werkstoffen, dringen die kinematischen Schneiden der Schleifkörner in den Werk- stoff ein, wodurch sich zunächst eine elastische Verformung an der Werkstückoberfläche bil- det. Im weiteren Verlauf des Schneidvorgangs wandelt sich die elastische Verformung in eine plastische Verformung um, bis die Festigkeitswerte des Werkstoffs überschritten werden und sich ein Span ausbildet. Jede kinematische Schneide hat eine unterschiedliche Schnitttiefe und Schnittbreite [FRI15]. Da immer eine Vielzahl von kinematischen Schneiden der Schleif- scheibe im Einsatz sind, ergibt sich die Zerspanung als eine Summe dieser Einzeleingriffe [KLO05]. Aus diesem Grund hinterlässt die Schleifscheibe, auf der Werkstückoberfläche ein kinematisch verzerrtes Abbild der Schleifscheibentopographie [HEI14].

Beim Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik, überlagert sich die Bewegung der Schleifscheibe mit der Bewegung des Werkstücks aufgrund der Planetenkinematik. Dadurch entstehen die für dieses Fertigungsverfahren typischen, sich kreuzenden Bearbeitungsspuren auf der Oberfläche. Durch die Anordnung der Schleifscheiben entsteht die planare Oberfläche.

In Bild 2-9 ist eine, mit dem Fertigungsverfahren Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik geschliffene Oberfläche, der geläppten Oberfläche aus Bild 2-5 gegenübergestellt. Im Gegensatz zu der geläppten Oberfläche, entstehen bei der geschliffenen Oberfläche Schleifspuren, die sich in alle Richtungen und in unterschiedlichen Tiefen überlagern.

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Bild 2-9: Oberflächen aus Aluminiumoxid (Al2O3); a) Geläppte Oberfläche; b) Geschliffene Oberflä- che [ARD00]

2.2 Qualitätsbeurteilung technischer Oberflächen

Eine technische Oberfläche, ist die Oberfläche eines Werkstücks, die durch ein Fertigungsverfahren hergestellt wurde. Wenn in dieser Arbeit von Oberfläche gesprochen wird, ist damit immer die technische Oberfläche gemeint. Eine Charakterisierung der Werkstückgestalt und der Werkstückoberfläche ist durch die Grob- und Feingestalt möglich (Bild 2-10).

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Bild 2-10: Grobgestalt und Feingestalt [WES10]

Die Grobgestalt beschreibt die Maß-, Form- und Lagegenauigkeit des Werkstücks. Die Wel- ligkeit und die Rauheit der Werkstückoberfläche hingegen, wird durch die Feingestalt beschrie- ben [WES10].

Mit Hilfe von Kennwerten der Grob- und Feingestalt eines Werkstücks, lässt sich die Qualität der technischen Oberfläche beurteilen. Qualität ist nach DIN EN ISO 9000 der „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale eines Objekts Anforderungen erfüllt“ [DIN9000]. So sind bei- spielsweise, die Rauheit und die Formgenauigkeit dem Werkstück innewohnende Merkmale.

Anforderungen an das Objekt, dass in diesem Fall das Werkstück ist, kommen meist vom Kunden. Sie haben Erwartungen und Vorgaben an das Werkstück. Da, die von den Kunden formulierten Anforderungen oft subjektiv sind, müssen diese in Kennwerte, die als Qualitätsmerkmale dienen übersetzt werden. Qualitätsmerkmale der technischen Oberfläche, können beispielsweise Toleranzen der Formgenauigkeit oder verschiedene Rauheitswerte sein [PAU08]. Technische Oberflächen weisen immer Abweichungen von der festgelegten geometrischen Idealgestalt auf. Daher müssen die Qualitätsmerkmale bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, damit die Qualitätsansprüche der Kunden erfüllt werden und die Funktion des Werkstücks gewährleistet ist [DIN4760, WES10].

In der DIN 4760 ist ein Ordnungssystem zur Klassifizierung der Abweichungen der technischen Oberfläche definiert (Bild 2-11).

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Bild 2-11: Die sechs Ordnungen der Gestaltabweichung [DIN4760, PAU08]

Die Abweichungen werden dabei als Gestaltabweichungen bezeichnet. Die Gestaltabwei- chung ist die Abweichung der Ist-Oberfläche von der geometrischen Oberfläche. Als Ist-Ober- fläche wird diejenige Oberfläche bezeichnet, welche messtechnisch erfasst wurde. Die geo- metrische Oberfläche ist die Soll-Oberfläche und wird von der technischen Zeichnung definiert. Wie in Bild 2-11 dargestellt, sind die Gestaltabweichungen in sechs Ordnungen unterteilt [DIN4760]. Die erste Ordnung der Gestaltabweichungen, wird von den Formabweichungen gebildet. Diese lassen sich feststellen, indem die gesamte Oberfläche des Werkstücks betrachtet wird [PAU08]. Die Welligkeiten und Rauheiten der Oberfläche, bilden die Gestaltabweichungen der zweiten bis fünften Ordnung. Diese werden in der Regel durch einen repräsentativen Ausschnitt der Oberfläche ermittelt [PAU08]. Dabei zeichnet sich eine Welligkeit durch eine Abweichung aus, deren Länge ein beträchtliches Vielfaches ihrer Tiefe beträgt. Die Rauheit hingegen zeichnet sich durch eine Abweichung aus, deren Länge nur ein geringes Vielfaches ihrer Tiefe beträgt [VOL13]. Gestaltabweichungen der sechsten Ordnung sind durch den Aufbau der Materie bedingt und lassen sich nicht durch die gebräuchlichen Oberflächenmessverfahren erfassen. Die gesamte Abweichung des Werkstücks von der geometrischen idealen Oberfläche, besteht immer aus einer Überlagerung verschiedener Gestaltabweichungen [DIN4760].

2.2.1 Oberflächenmessung

Damit die Qualität der technischen Oberfläche beurteilt werden kann, muss diese zunächst messtechnisch erfasst werden, indem ein Oberflächenmessgerät zum Einsatz kommt [KEF14]. Auf dem Markt existieren eine Vielzahl an verschiedenen Oberflächenmessgeräten mit diversem Zubehör. Grundsätzlich wird zwischen Oberflächenmessgeräten unterschieden, die auf taktilen beziehungsweise berührenden Messverfahren basieren oder auf optischen beziehungsweise berührungslosen Messverfahren. In der Industrie werden taktile Messverfahren, wie die Tastschnittverfahren, sehr oft eingesetzt [VOL13].

Zum Durchführen des Tastschnittverfahrens wird ein Tastschnittgerät benötigt. Nach DIN EN ISO 3274 ist ein Tastschnittgerät ein „Messgerät, das Oberflächen mit einer Tastspitze ertastet, Abweichungen in Form des Oberflächenprofils erfasst, Kenngrößen berechnet und Profile aufzeichnen kann“ [DIN3274]. In Bild 2-12 ist schematisch ein Tastschnittgerät mit den Komponenten des Messkreises dargestellt. Der Messkreis enthält alle mechanischen Kompo- nenten, die mit dem Werkstück und der Tastspitze verbunden sind [DIN3274]. Die Tastspitze ist am Tastelement befestigt, besteht normalerweise aus Diamant und hat die Form eines Ke- gels oder einer Pyramide [HAR14]. Das Tastelement überträgt außerdem die Tastspitzenaus- lenkung zu dem mechanisch-elektrischen Wandler. Wie der Name schon vermuten lässt, wan- delt der mechanisch-elektrische Wandler, dass von der Tastspitze ertastete Profil in das vom Messgerät verwendete Signal um. Die Baugruppe, bestehend aus der Tastspitze, dem Tas- telement und dem mechanisch-elektrischen Wandler, wird als Taster bezeichnet [DIN3274]. Mit Hilfe der Geradführung wird die Tastspitze berührend über die Werkzeugoberfläche geführt und somit ein Profilschnitt der Oberfläche erfasst [KEF14]. Die Messung mit der Tastspitze wird immer quer zur Riefenrichtung durchgeführt. Durch viele parallele Messungen kann mit dem Tastschnittgerät auch eine Fläche erfasst werden [VOL13].

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Bild 2-12: Komponenten eines Tastschnittgerätes [KEF14]

Meistens kommen jedoch zur Erfassung von Flächen optische Messverfahren zum Einsatz, da taktile Messverfahren zur Erfassung eines Flächenausschnitts, in der Regel längere Mess- zeiten aufweisen [KEF14]. Optische Messverfahren lassen sich nach ihrem physikalischen Prinzip, in winkelbasierende und laufzeitbasierende Verfahren einteilen (Bild 2-13) [HAR14].

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Bild 2-13: Einteilung optischer Messverfahren nach ihrem physikalischen Prinzip [HAR14]

Die winkelbasierenden Verfahren lassen sich wiederum in Fokusverfahren und Triangulations- verfahren untergliedern. Sensoren, basierend auf dem Fokusverfahren ermitteln den Abstand zwischen der Werkstückoberfläche und dem Sensor, aus dem Fokuszustand. Die Lage des Punkts auf der Werkstückoberfläche, lässt sich durch die Position des optischen Sensors be- stimmen, bei dem der Kontrastwert des Sensors sein Maximum erreicht [CHR13]. Die Senso- ren die auf dem Triangulationsverfahren basieren, bestimmen den Abstand zur Werkstück- oberfläche mit Hilfe des Triangulationswinkels. Dabei wird die Werkstückoberfläche aus einer Richtung beleuchtet und aus einer anderen Richtung beobachtet. Der Triangulationswinkel spannt sich dazwischen auf [HÄU04]. Bei den laufzeitbasierenden Verfahren, wird der Abstand zwischen Sensor und Werkstückoberfläche aus der Laufzeitdifferenz zwischen Referenz und Messstrahl ermittelt [HAR14].

Im Rahmen dieser Arbeit stehen Oberflächenmessdaten aus einem optischen Messverfahren zur Verfügung, die mit einem chromatisch-konfokalen Sensor erfasst wurden. Aus diesem Grund soll das Funktionsprinzip des chromatisch-konfokalen Sensors, an dieser Stelle kurz erläutert werden. Weitergehende Informationen zu den Sensoren der Fokusverfahren, Trian- gulationsverfahren, sowie zu den laufzeitbasierenden Verfahren finden sich beispielsweise in den Arbeiten von LEACH [LEA11], CHRISTOPH ET AL. [CHR13] und KEFERSTEIN [KEF14].

Beim Messverfahren, mit einem chromatisch-konfokalen Sensor, wird eine punktförmige Weißlichtquelle durch ein Objektiv, auf die zu messende Werkstückoberfläche geleitet (Bild 2-14).

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Bild 2-14: Funktionsprinzip eines chromatischen-konfokalen Sensors [KEF14]

Durch das spezielle Objektiv wird das Weißlicht in seine Spektralfarben aufgetrennt. Jede Spektralfarbe hat einen anderen Brennpunkt und wird von der Werkstückoberfläche, in Ab- hängigkeit von seinem Abstand zum Sensor, mit einer anderen Intensität reflektiert. Das re- flektierte Licht wird durch einen Strahlteiler auf ein Spektrometer, vor dem eine Lochblende angebracht ist, geleitet. Die Lochblende sorgt dafür, dass nur das von der Werkstückoberflä- che reflektierte Licht auf das Spektrometer geführt wird. Das Spektrometer bestimmt die Wellenlänge des reflektierten Lichts mit der maximalen Intensität, wodurch auf den Abstand zwischen dem Objektiv und der Werkstückoberfläche geschlossen werden kann [ZAC03, HAR14, KEF14].

2.2.2 Datenvorbereitung und Filterung

Nachdem die Oberflächenmessdaten messtechnisch erfasst wurden, liegen Oberflächen- messdaten eines Oberflächenprofils (2D-Messdaten) oder einer Oberfläche (3D-Messdaten) vor. Das Oberflächenprofil ergibt sich, durch einen vertikalen Schnitt durch die Werkstückober- fläche (Bild 2-15). Das von einem Messgerät abgetastete und somit digitalisierte Oberflächen- profil, wird als Gesamtprofil oder auch als gemessenes Profil bezeichnet [DIN3274].

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Bild 2-15: Oberflächenprofil [DIN4287]

Die von einem Messgerät abgetastete und somit digitalisierte Oberfläche, wird als gemessene Oberfläche oder wie im Abschnitt 2.2 bereits erwähnt, als Ist-Oberfläche bezeichnet [DIN25178-2]. In diesen 2D- beziehungsweise 3D-Oberflächenmessdaten sind Ausrichtungs- fehler enthalten, die während der Oberflächenmessung auftreten. Durch eine mathematische Einpassung, dem sogenannten F-Operator (Form-Operator), müssen die Ausrichtungsfehler eliminiert werden. Dazu wird von den Koordinaten des Gesamtprofils und der gemessenen Oberfläche, die Nennform entfernt [SEE11, HAR14]. Die 2D- und 3D-Oberflächenmessdaten, die in dieser Arbeit zur Verfügung stehen, stammen von planaren Werkstückoberflächen. Da- her ist im 2D-Fall, die Nennform eine Gerade und im 3D-Fall, die Nennform eine Ebene [BAM12]. Das Ergebnis nach Anwendung des F-Operators auf das Gesamtprofil, ist das totale Profil und nach Anwendung auf die gemessene Oberfläche, ist die F-Oberfläche (Form-Ober- fläche) [SEE11].

Damit die, wie im Abschnitt 2.2 eingeführten, überlagerten Gestaltabweichungen der Oberflä- che differenziert werden können und sich Kennwerte zur Qualitätsbeurteilung der Werkstücke berechnen lassen, sind weitere Filteroperationen notwendig. Bei einer Filterung wird durch eine Transformation eines Schwankungsgraphen in einen anderen, dass Informationsniveau verringert. Ein Schwankungsgraph ist die „Schwankung eines Merkmals, dargestellt in einem Koordinatensystem“ [DIN17450-1]. Es wird zwischen einem Profil- und einem Flächenfilter unterschieden. Ein Profilfilter wird bei einem Oberflächenprofil verwendet, während ein Flächenfilter bei einer Oberfläche verwendet wird [DIN16610-1]. In Bild 2-16a ist die Messkette für die 2D-Oberflächenmessdaten dargestellt.

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Bild 2-16: Messkette; a) für 2D-Oberflächenmessdaten; b) für 3D-Oberflächenmessdaten [SEE11]

Ausgehend vom totalen Profil, ist eine Tiefpassfilterung mit der kurzwelligen Grenzwellen- länge λs notwendig. Die Grenzwellenlänge wird nach DIN EN ISO 16610-21 als „Wellenlänge eines sinusförmigen Profils bei der 50% der Amplitude durch den Profilfilter übertragen wer- den“ definiert [DIN16610-21]. Für diese λs-Filterung wird ein λs-Profilfilter verwendet, der die Wellenlängenanteile, die noch kurzwelliger, als die der Rauheit sind, herausfiltert. Die kurz- wellige Grenzwellenlänge λs, legt den Durchlassbereich des Filters für hohe Frequenzen fest.

Das Ergebnis der λs-Filterung wird, wie auch in Bild 2-16a zu sehen, P-Profil (Primärprofil) genannt. Das Primärprofil enthält langwellige und kurzwellige Gestaltabweichungen, die der Rauheit und Welligkeit zugeordnet sind [DIN4287]. Im nächsten Schritt, wird eine weitere Tief- passfilterung mit der langwelligen Grenzwellenlänge λc durchgeführt. Diese λc-Filterung wird mit Hilfe eines λc-Profilfilters realisiert, der die Wellenlängenanteile die langwelliger als die der Rauheit sind, herausfiltert. Das Ergebnis dieser Filterung ist das W-Profil (Welligkeitsprofil), das die langwelligen Gestaltabweichungen, die der Welligkeit zugeordnet sind, enthält. Um das R-Profil (Rauheitsprofil) zu erhalten, ist eine Hochpassfilterung durchzuführen. Die Hoch- passfilterung entfernt die langwelligen Wellenlängenanteile und führt zu dem R-Profil, dass die kurzwelligen Gestaltabweichungen, die der Rauheit zugeordnet sind enthält. Realisiert werden kann die Hochpassfilterung, indem vom P-Profil das W-Profil subtrahiert wird (Bild 2-16a) [DIN4287, SEE11].

In Bild 2-16b ist die Messkette für die 3D-Oberflächenmessdaten dargestellt. Die 3D-Oberflä- chenfilterung basiert auf der 2D-Profilfilterung, bei der die kurzwellige Grenzwellenlänge λs analog zum S-Filter (Small-Filter) und die langwellige Grenzwellenlänge λc analog zum L-Filter (Large-Filter) ist [HAR14]. Von der F-Oberfläche werden mit einem S-Filter, die kurzwelligen Anteile der Gestaltabweichungen, die noch kurzwelliger als die der Rauheit sind, entfernt. Diese Filterung entspricht ebenfalls einer Tiefpassfilterung. Die resultierende Oberfläche wird S-F-Oberfläche (Small-Form-Oberfläche) genannt und enthält die kurzwelligen und langwelli- gen Wellenlängenanteile, die der Rauheit und Welligkeit zugeordnet sind. Auch bei der Aus- wertung der 3D-Oberflächenmessdaten ist eine weitere Tiefpassfilterung notwendig. Diese zweite Tiefpassfilterung wird mit dem L-Filter durchgeführt. Das Ergebnis ist die L-Oberfläche (Large-Oberfläche), die die langwelligen Anteile der Gestaltabweichungen der Welligkeit ent- hält. Wird von der S-F-Oberfläche die L-Oberfläche subtrahiert, entspricht das einer Hoch- passfilterung und das Ergebnis ist die S-L-Oberfläche (Small-Large-Oberfläche). Die S-L-Oberfläche enthält die Anteile der Gestaltabweichungen, die der Rauheit zugeordnet sind [SEE11, HAR14].

2.2.3 Oberflächenkennwerte

Als Oberflächenkennwerte zur Qualitätsbeurteilung von technischen Oberflächen, werden in dieser Arbeit, die Toleranzen der Formgenauigkeit und die Rauheitswerte definiert. Die Tole- ranzen der Formgenauigkeit beziehen sich, wie schon im Abschnitt 2.2 erwähnt, auf die erste Ordnung der Gestaltabweichungen. Die Rauheitswerte hingegen auf die dritte bis fünfte Ord- nung der Gestaltabweichungen. Technische Oberflächen sind sehr vielfältig, mit komplexen Oberflächentopographien. Jede Veränderung der Maschinen- oder Werkzeugeinstellung be- einflusst das Aussehen der technischen Oberfläche. Ein weiterer Faktor, der die technische Oberfläche beeinflusst, ist der Werkzeugzustand. Der Werkzeugzustand verändert sich im Laufe des Fertigungsprozesses durch die Abnutzung kontinuierlich. Um die technische Ober- fläche zu beschreiben sind daher, eine Vielzahl von Oberflächenkennwerten notwendig [VOL13].

Da, die zur Entwicklung und zur softwaretechnischen Umsetzung der Anwendung zur Verfü- gung stehenden Messdaten, von planaren Funktionsflächen der Werkstücke stammen, soll im Folgenden die Ebenheit und einige ausgewählte Rauheitswerte betrachtet werden. Die Ebenheit ist eine Toleranz der Formgenauigkeit und lässt sich somit, an der im Abschnitt 2.2.2 ein- geführten S-F-Oberfläche berechnen. Ausgedrückt wird die Ebenheit durch eine Ebenheitsto- leranz und kann als ein Qualitätsmerkmal der technischen Oberfläche herangezogen werden. Beeinflusst wird die Ebenheit unter anderem durch Fehler in der Maschinenführung, durch die Maschinendurchbiegung und durch falsche Werkzeug- oder Werkstückeinspannungen. Damit eine planare Oberfläche die geforderte Ebenheitstoleranz einhält, muss diese komplett zwi- schen zwei parallelen Ebenen liegen. Diese zwei parallelen Ebenen bilden einen Toleranz- raum. Der Toleranzraum ist ein Raum, der durch Flächen begrenzt ist. Die zwei, den Toleranz- raum bildenden, parallelen Flächen, haben einen Flächenabstand t zueinander. In Bild 2-17a ist die Zeichnung eines einfachen Werkstücks dargestellt, dass eine geforderte Ebenheitsto- leranz erfüllen soll. Wie zu sehen, ist die symbolische Darstellung der Ebenheit ein Parallelo- gramm. Der Flächenabstand t ist in diesem Beispiel mit 0,08 mm angegeben. In Bild 2-17b ist der Toleranzraum abgebildet, der von zwei parallelen Flächen mit einem Flächenabstand t von 0,08 mm gebildet wird [DIN1101].

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Bild 2-17: Ebenheit; a) Ebenheitskennzeichnung; b) Toleranzraum [DIN1101]

Gebräuchliche 2D-Rauheitswerte, die auch im Rahmen dieser Arbeit betrachtet werden sollen, sind die gemittelte Rautiefe Rz und der arithmetische Mittenrauwert der Profilordinaten Ra. Die Rauheit einer technischen Oberfläche wird unter anderem durch die Werkzeugschneide, so- wie durch die Geometrie und Kinematik des Werkzeugs beeinflusst [WES10, KÜH15]. Die 2D-Rauheitswerte werden an dem, im Abschnitt 2.2.2 eingeführten, R-Profil berechnet. In Bild 2-18 ist beispielhaft ein R-Profil zu sehen. Um die Rauheitswerte daraus ableiten zu kön- nen, muss zunächst das Bezugsprofil und das Grundprofil festgelegt werden. Das Bezugsprofil geht durch die höchste Auslenkung der Einzelmessstrecke lr und das Grundprofil durch die niedrigste Auslenkung. Dazwischen wird eine Mittellinie gelegt, das sogenannte mittlere Profil [WES10]. Die Rauheitswerte sind an der Einzelmessstrecke lr definiert. Nach DIN EN ISO 4287 ist die Einzelmessstrecke lr die „Länge in Richtung der x-Achse, die für die Erkennung der Gestaltabweichungen des auszuwertenden Profils verwendet wird“ [DIN4287]. Die Länge der Einzelmessstrecke lr entspricht der langwelligen Grenzwellenlänge λc. Die Rauheitswerte werden mit einem Index i vermerkt, welcher die Zahl der Einzelmessstrecken lr angibt, auf die sich die Rauheitswerte beziehen [KEF14]. Wie aus Bild 2-18 hervorgeht, wird der Abstand zwischen dem mittleren Profil und dem Bezugsprofil als Glättungstiefe Rp1 be- zeichnet. Die Riefentiefe Rv1 ist der Abstand zwischen dem mittleren Profil und dem Grund- profil [WES10].

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Bild 2-18: Rauheitsprofil einer Oberfläche [WES10]

Die gemittelte Rautiefe Rzi ist die Summe aus der Glättungstiefe Rp1 und der Riefentiefe Rv1. Bezieht sich die gemittelte Rautiefe auf nur eine Einzelmessstrecke lr, wird von der Einzelrau- tiefe Rz1 gesprochen. Die Einzelrautiefe Rz1 entspricht somit der größten Höhe des Profils der Einzelmessstrecke lr [WES10]. Werden die Rauheitswerte aus mehreren Einzelmessstre- cken lr berechnet, werden sie arithmetisch gemittelt. Normalerweise wird die gemittelte Rau- tiefe Rzi aus fünf Einzelmessstrecken lr berechnet. Werden Rauheitsmaße auf fünf Einzel- messstrecken lr bezogen, wird standardmäßig der Index i weggelassen. Die gemittelte Rau- tiefe Rz, bezogen auf fünf Einzelmessstrecken lr berechnet sich nach Formel 2-1 [VOL13, KEF14].

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Der arithmetische Mittenrauwert der Profilordinaten Ra berechnet sich, als das arithmetische Mittel der absoluten Beträge der Abstände des R-Profils, vom mittleren Profil. Zur Berechnung des arithmetischen Mittenrauwerts der Profilordinaten Ra wird Formel 2-2 verwendet [WES10, DIN4287].

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Dabei ist die Messstrecke ln nach DIN EN ISO 4287 die „Länge in Richtung der x-Achse, die für die Auswertung des Profils verwendet wird“ [DIN4287]. Die Messstrecke ln kann aus einer oder mehrerer Einzelmessstrecken lr bestehen. Standardmäßig wird sie aus fünf Einzelmessstrecken lr berechnet [DIN4287]. Die Taststrecke lt setzt sich zusammen, aus der Messstrecke ln und einer Vor- und Nachlaufstrecke. Die Vor- und Nachlaufstrecke wird für die Filterung benötigt und entspricht längenmäßig, normalerweise mindestens einem Drittel bis zur Hälfte der Einzelmessstrecke lr (Bild 2-19) [KEF14].

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Bild 2-19: Einzelmessstrecke lr, Messstrecke ln und Taststrecke lt [VOL13]

Der Ordinatenwert Z(x) aus Formel 2-2 entspricht an einer beliebigen Stelle x der Höhe des R-Profils und kann sowohl positiv als auch negativ sein. Nach DIN EN ISO 4287 wird der arith- metische Mittenrauwert der Profilordinaten Ra ebenfalls an einer Einzelmessstrecke lr defi- niert. In diesem Fall ist die Messstrecke ln gleich der Einzelmessstrecke lr [DIN4287]. Wie in Bild 2-20 zu sehen, entspricht der arithmetische Mittenrauwert der Profilordinaten Ra, der Höhe eines Rechtecks, mit der Länge der Einzelmesstrecke lr. Außerdem entspricht die Flä- che des Rechtecks der Summe, der zwischen dem R-Profil und dem mittleren Profil einge- schlossene Fläche.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Bild 2-20: Arithmetischer Mittenrauwert der Profilordinaten Ra [JEN15a]

Die bisher erwähnten Rauheitswerte werden auf Grundlage einer 2D-Profilmessung ermittelt und sind somit 2D-Rauheitswerte. Oft reichen 2D-Rauheitswerte jedoch nicht aus; um die Ei- genschaften der Werkstückoberfläche ausreichend zu beschreiben. Aus diesem Grund wur- den 3D-Rauheitswerte entwickelt. Die gemittelte Rautiefe Rz wurde dabei, zu der maximalen Höhe der skalenbegrenzten Oberfläche Sz, die auch flächenbezogene gemittelte Rautiefe ge- nannt wird, weiterentwickelt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Entwicklung einer Software zur Auswertung von Messdaten zur Beurteilung von Bauteilqualitäten
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb)
Autor
Jahr
2017
Seiten
99
Katalognummer
V372504
ISBN (eBook)
9783668504073
ISBN (Buch)
9783668504080
Dateigröße
2913 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung einer Anwendung, Qualitätsbeurteilung, Technische Oberflächen, Programmiersprachen, Python, Programmlogik, Oberflächenmessgeräte, Doppelseitenplanschleifen mit Planetenkinematik, Oberflächenmessung, Softwarebibliotheken, Oberflächenmessdaten, Messgerät, FRT Microprof 100, HOMMEL ETAMIC nanoscan 855, Qualitätskontrolle, Gestaltabweichungen, Programmierparadigmen, Profilfilter, Flächenfilter
Arbeit zitieren
Carlo Carilli (Autor:in), 2017, Entwicklung einer Software zur Auswertung von Messdaten zur Beurteilung von Bauteilqualitäten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372504

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