Arnold Böcklin "Die Toteninsel". Analyse und Interpretation


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

27 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhalt:

1. Einleitung

2. Entstehungsgeschichte

3. Frühe Fassungen der Toteninsel

4. Späte Fassungen der Toteninsel

5. Das Inselmotiv

6. Die Signatur Böcklins

7. Mögliche Naturvorbilder für das Toteninselmotiv

8. Böcklin und der Nationalsozialismus

9. Natur und Subjekt

10. Verschiedene Interpretationsansätze

11. Die Wirkung der Toteninsel

12. Schlussbetrachtung

13. Literaturverzeichnis

14. Abbildungsnachweis und Abbildungen

1. Einleitung:

Die folgende Arbeit wird sich mit dem Bild „Die Toteninsel“ von Arnold Böcklin auseinandersetzen. Insgesamt gibt es fünf Fassungen, von denen heute noch vier erhalten sind. (Abb. 1-5) Sie entstanden alle in dem Zeitraum zwischen 1880 und 1886. Die erste im Format etwas höhere Fassung ist auf Leinwand, drei sind auf Holz und die Vierte ist auf Metall gemalt. Alle Versionen zeigen eine sich aus dem Meer erhebende, mit Zypressen bestandene Felseninsel. Im vorderen zentralen Bildmittelpunkt befindet sich ein kleiner Kahn mit zwei Personen und einem Sarg.[1]

Es wird versucht, den besonderen Mythos des Bildes auszumachen, wobei die Fragestellung nach der Verbindung zwischen Natur und Subjekt eine entscheidende Rolle spielt. Ziel ist es, die Besonderheiten jedes einzelnen Bildes herauszuarbeiten, da es sich nicht um Kopien, sondern um eine vorhandene Bildkomposition handelt, die immer weiter entwickelt wurde. Es werden die verschiedensten Ansichten der Forschungsliteratur zu diesem Thema dargelegt, so dass die Vielzahl der möglichen Interpretationen deutlich wird. Dieses Bild prägte eine ganze Generation von Bürgern und Malern und wird auch heute noch reproduziert. Böcklin traf damit den Nerv der Zeit und den Geist einer Epoche.

2. Entstehungsgeschichte der Toteninsel:

Als die junge, verwitwete Marie Berna im April 1880 auf Anraten ihrer Freundin und Böcklin Verehrerin Mathilde von Guaita das Atelier Böcklins in Florenz aufsuchte, um ein „Bild zum Träumen“ zu bestellen, hatte dieser einen ersten Entwurf der Toteninsel bereits für seinen Mäzen Günther Alexander in Arbeit.[2] Marie Berna, geb. Christ, hatte 1864, achtzehnjährig, den Besitzer des Büdesheimer Schlosses, Dr. Georg Berna, geheiratet. Die Ehe war aber nur von kurzer Dauer, da ihr Ehemann 1865 an Diphtherie verstarb. Die Witwe verlobte sich erst fünfzehn Jahre später während eins Italienaufenthaltes in Siena an ihrem 34. Geburtstag, am 18. April 1880, mit dem Grafen Waldemar von Oriola; mit dem sie sich im Dezember des gleichen Jahres vermählte.[3]

Arnold Böcklin fertigte für Marie Berna eine zweite, kleinere Fassung der Toteninsel auf Holz an. Ein bisher unveröffentlichter Brief der Cousine Marie Bernas sagt aus, dass der erste Entwurf für die Gräfin ohne den Sarg und die weißverhüllte Figur gefertigt worden war. Diese zusätzliche Staffage muss Böcklin aber derart überzeugt haben, da er sie in jeder weiteren Fassung beibehalten hat und auch die erste Version durch sie ergänzt wurde. Böcklin vollendete die erste Toteninsel im Mai 1880 und schrieb, in einem bisher unbekannten Brief, an den Erstbesitzer Alexander Günther: „… Endlich ist die Toteninsel soweit fertig, dass ich glaube, sie werde einigermaßen den Eindruck machen, den sie machen soll…“ An diesem Brief widerlegen sich die bisherigen Aussagen, die Toteninsel bekam ihren Namen erst durch den Kunsthändler Franz Gurltt ab der dritten Version.[4] Die erste Toteninsel befindet sich heute in der öffentlichen Kunstsammlung in Basel. Im Juni vollendete er die zweite Fassung, die sich heute im Metropolitan Museum of Art, New York befindet. An die Auftraggeberin schrieb er am 29. Juni 1880:“Am letzten Mittwoch ist das Bild „Die Gräberinsel“ an sie abgegangen. Sie werden sich hineinträumen können in die Welt der Schatten, bis sie den leisen lauen Hauch zu fühlen glauben, den das Meer kräuselt. Bis sie Scheu haben werden die feierliche Stille durch ein lautes Wort zu stören.“[5] Es fällt auf, dass er diese Fassung „Gräberinsel“ nennt. Das Ehepaar Berna/Oriola behält diesen Titel auch zeitlebens bei, was sich im Glückwunschtelegramm zum 70. Geburtstag des Künstlers 1897 darlegt: „…die glücklichen Besitzer der Gräberinsel“.[6]

3. Frühe Fassungen der Toteninsel:

Das Bild zeigt eine aus Felsen bestehende Insel im Meer. In der Mitte der halbkreisförmigen Felsformation steht eine Gruppe dunkler, hoher Zypressen. In die Felswände sind schmale hohe Öffnungen eingehauen. Wahrscheinlich handelt es sich hier um Grabkammern. Der Zugang zur Insel, eine ins unbestimmte führende Treppe, wird von einer Steinmauer flankiert.[7] Auf der Insel sind keine Lebewesen zu erkennen. Der Blick des Betrachters fällt gleich auf einen kleinen Kahn im Vordergrund, der von einem Ruderer gesteuert wird. Auf dem Kahn befindet sich auch noch eine stehende, weiß verhüllte Gestalt und ein quergelagerter Sarg.[8] Allein aus statischer Sicht ist diese Zusammenstellung auf dem Kahn fast unmöglich. Der Ruderer sitzt mit dem Rücken zum Betrachter und auch die Stellung der Ruder lassen vermuten, dass sich der Kahn von der Insel wegbewegt. Böcklin hatte auch ursprünglich in seiner ersten Version nur einen Ruderer mit Kahn gemalt. Die stehende Figur und der Sarg kamen erst später, eventuell auf Wunsch Marie Bernas, hinzu.[9] Vielleicht war es seine ursprüngliche Intention ein sich von der Insel wegbewegendes Boot zu malen. Es könnte auch die These aufgestellt werden, dass der Sarg eventuell leer und die Beerdigung schon zu Ende war. Der sitzende Ruderer ist auch nur in der ersten Fassung zu sehen, in allen Folgenden steht er und die Wasserlinien zeigen deutlich, dass sich der Kahn auf die Insel zu bewegt. Die Gestalt und der Sarg weisen eventuell auf das Schicksal der Auftraggeberin hin, der Böcklin Trost spenden wollte. Da ihr Mann aber schon 15 Jahre tot war und sie sich auf einer Reise mit ihrem Zukünftigen befand, ist es schlüssiger, das Gemälde als ein Abschiedsbild zu sehen. Sie erweist ihrem ersten Mann die letzte Ehre und schließt mit der Vergangenheit ab, um bereit zu sein für ein neues Leben an der Seite eines neuen Mannes. Es ist eine würdevolle Verabschiedung, die regelrecht zelebriert wird.

Es ist ein sehr symmetrisches Bild, welches durch die Insel gegliedert wird. Es liegt eine besondere Betonung auf der Waagerechten (Meereshorizont) und der Senkrechten (Felsen, Zypressen).Dadurch, dass der Horizont auf beiden Seiten der Insel erkennbar ist, wird der Eindruck der Verlassenheit der Insel noch stärker betont. Die sehr weit unten angesetzte Horizontlinie lässt die Insel weit in der Ferne erscheinen. Die wenigen menschlichen Spuren lassen sich in der Einfahrt und dem Mauerwerk erkennen. Aber selbst das Mauerwerk scheint in den vielen Jahren wie mit dem Felsmassiv verwachsen zu sein. Durch den Kahn rückt die Insel weiter ins Meer hinein. Böcklin verwendet ganz bewusst Naturelemente, die Verlassenheit und Trauer ausdrücken, wie z. B. Zypressen, verwitterte Felsen, Natur darstellen will. Sie sind Stilmittel der Trauer und der Einsamkeit.

Die ersten beiden Dunkelheit und düstere Wolken.[10] An dieser Stelle ist vielleicht ein kleiner Exkurs in die griechische Mythologie hilfreich, warum Zypressen immer als Totenbäume gehandelt werden. Cyparissus, ein Freund und Geliebter des Apoll, besaß einen zahmen Hirschen, den er abgöttisch liebte. Eines Nachts erschoss er diesen jedoch aus Versehen, was ihn unendlich traurig machte. Er bereute diese Tat so sehr, dass er aus Kummer selbst starb. Aus seinen Grab ließ Apoll dann Zypressen wachsen.[11]

Zypressen sind aber nicht nur die Bäume der Toten, sie sind auch gleichzeitig ein Symbol des Südens. Sie tauchen in Kunstwerken Böcklins öfter auf, aber er vermeidet sie, wenn er eine freundliche Stimmung oder eine unbeschwert blühende Fassungen haben einen sehr düsteren Grundtenor, was die geheimnisvolle Wirkung der Insel nur noch verstärkt. Dargestellt ist in etwa die Zeit nach Sonnenuntergang, Himmel und Meer liegen schon im Schatten. Es gibt wenige helle Punkte, in denen sich das letzte Licht des Tages noch widerspiegelt, wie den Sarg, das Gewand der Person und die Felsen. Die stehende Person wirft ihren Schatten auf das Bahrtuch. Es formen sich zwei verschiedene Welten, die der Lebenden und die der Toten. Der Kahn gelangt vom Diesseits ins Jenseits. Die hell erleuchteten Kahnteile bilden mit dem weißen Mauerwerk ein auf der Spitze stehendes Dreieck. Dieses Dreieck bildet einen Gegenpol zu den dunklen Umrissen der Inselarchitektur mit Zypressen, die auch die Form eines Dreiecks haben.[12] Der rechte Teil der Felsformation ist mit blühenden Sträuchern bewachsen, ein einziges Symbol des Lebens auf der Toteninsel. Drei Hauptfarbrichtungen dominieren das Gemälde: Das dunkle Blau-violett des Himmels, das Grün-schwarz der Bäume und das sandfarbene Braun der Felsen. Aus diesem Grund stechen die weißen Farbtupfen besonders hervor.[13]

[...]


[1] Vgl. Hubert Locher, Arnold Böcklin. Die Toteninsel. Traumbild des 19. Jahrhunderts, in: Kunsthistorische Arbeitsblätter. Zeitschrift für Studium und Hochschulkontakt, Ausg. 7/8 2004, S. 71.

[2] Vgl. Ausstellungskatalog, Arnold Böcklin. Gemälde, Zeichnungen und Plastiken. Ausstellung zum 150. Geburtstag veranstaltet vom Kunstmuseum Basel und vom Basler Kunstverein, Basel 1977, S. 201.

[3] Vgl. Hans Holenweg, Die Toteninsel. Arnold Böcklins populäres Landschaftsbild und seine Ausstrahlung bis in die heutige Zeit, in: Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstgeschichte, 54. Jahrgang, 3/2001, S. 236.

[4] Vgl. Ebd. S.237

[5] Andrea Linnebach, Arnold Böcklin und die Antike. Mythos, Geschichte, Gegenwart, München 1991, S.103.

[6] Vgl. H. Holenweg, in: Das Münster, 2001, S.237.

[7] Vgl. Norbert Schneider, Böcklins <<Toteninsel>>. Zur ikonologidchen und sozialpsychologischen Deutung eines Motivs, in: Ausstellungskatalog, Arnold Böcklin. Ausstellung zum 150. Geburtstag veranstaltet vom Magistrat der Stadt Darmstadt, Darmstadt 1977, S. 108.

[8] Vgl. H. Locher, in: Kunsthistorische Arbeitsblätter, 7/8 2004, S.71.

[9] Vgl. H. Holenweg, in: das Münster, S.236.

[10] Vgl. N. Schneider, 1977, S. 106 ff..

[11] Vgl. Ausstellungskatalog, Arnold Böcklin. Ausstellung zum 150. Geburtstag veranstaltet vom Magistrat der Stadt Darmstadt, Darmstadt 1977, S. 131.

[12] Vgl. Hans Günther Sperlich, Lichtregie, in: Ausstellungskatalog, Arnold Böcklin. Ausstellung zum 150. Geburtstag veranstaltet vom Magistrat der Stadt Darmstadt, Darmstadt 1977, S. 127 ff..

[13] Vgl. Julius Vogel, Böcklins Toteninsel und Frühlingshymne, Leipzig 1902, S. 21.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Arnold Böcklin "Die Toteninsel". Analyse und Interpretation
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Kunsthistorisches Seminar)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
2+
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V37194
ISBN (eBook)
9783638366113
ISBN (Buch)
9783640389087
Dateigröße
1098 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine Arbeit zum Thema "Fin de siécle in Deutschland". Bearbeitung der Bildvarianten der "Toteninsel", Besonderheiten, verschiedene Interpretationen.
Schlagworte
Arnold, Böcklin, Toteninsel, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Stefanie Breitzke (Autor:in), 2005, Arnold Böcklin "Die Toteninsel". Analyse und Interpretation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37194

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