Die Geschichte der Kräuterbuchliteratur


Bachelorarbeit, 2013

196 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definitionen
2.1 Abgrenzung der Begriffe Kräuterbuch und
Herbarium Kräuterbuch
2.1.1 Herbarium
2.1.2 Kr ä uterbuch
2.2 Botanik
2.2.1 Botanische Teilgebiete und Begriffe der Taxonomie
2.2.2 Beispiel Wegerich

3 Die Entwicklung und Bedeutung von Kräuterbuchliteratur
3.1 Geschichte der Kräuterbücher
3.1.1 Klassisches Altertum
3.1.2 Mittelalter
3.1.3 Renaissance
3.1.4 Aufkl ä rung
3.1.5 Fortschritt von Terminologie, Taxonomie und Nachschlagewerke ab dem 19. Jahrhundert
3.2 Geschichte der Herbarien
3.2.1 Herbarien des 16. Jahrhunderts
3.2.2 Bl ü tezeit der Herbarien im 17. und 18. Jahrhundert
3.2.3 Institutionalisierung der Herbarien im 19. Jahrhundert
3.2.4 Moderne Herbarien
3.3 Historische Entwicklung der Darstellungsformen

4 Das Herbarium Siegesbeckianum
4.1 Johann Georg Siegesbeck
4.1.1 Korrespondenznetzwerk
4.1.2 Siegesbeck und Linn é
4.2 Herbarium Siegesbeckianum
4.3 Restauratorische Bearbeitung, Digitalisierung und konservatorische Aufbewahrung

5 Literaturverweise im Herbarium Siegesbeckianum
5.1 Analyse der Verweise
5.2 Hilfsmittel zur Identifikation
5.3 Auflösung der Verweise

6 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Namensregister

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Der Wegerich

Abbildung 2: Das Deutsche Reich 1378 und 1740

Abbildung 3: Der Wegerich im Wiener Dioskurides (512)

Abbildung 4: Der Wegerich im Pseudo-Apuleius (800-900)

Abbildung 5: Der Wegerich im Pseudo-Apuleius (1481/1482)

Abbildung 6: Beginn des Kapitels A und die folgende Beschreibung der Aloe im Circa Instans (ca. 1175)

Abbildung 7: Der Wegerich im Herbarius Moguntinus (1484)

Abbildung 8: Der Wegerich im Gart der Gesundheit (1485)

Abbildung 9: Der Wegerich im Hortus Sanitatis (1491)

Abbildung 10: Der Wegerich im Contrafayt Kreuterbuch (1532) von Brunfels

Abbildung 11: Der Wegerich in der Historia Stirpium (1542) von Fuchs

Abbildung 12: Der Wegerich im New Kre ü tterbuch (1546) von Bock

Abbildung 13: Der Wegerich im Neuw Kreuterbuch (1591) von Tabernaemontanus

Abbildung 14: Der Wegerich im Hortus Eystettensis (1613) von Besler

Abbildung 15: Der Wegerich im De Europische Insecten (1730) von Merian

Abbildung 16: Der Wegerich im Curious herbal (1613) von Blackwell

Abbildung 17: Der Wegerich im Herbarium Blackwellianum (1757) von Trew

Abbildung 18: Der Wegerich im Buch Pflanzen der Heimat (1913) von Schmeil /Fitschen

Abbildung 19: Der Wegerich im Herbarium vivum (1576-1594) von Harder

Abbildung 20: Aufgenähte Pflanzen im Herbarium (1558) von Girault

Abbildung 21: Herbarkabinett im Natural Hitory Museum London

Abbildung 22: Mit Nadeln befestigte Pflanzen im Herbarium (1558) von Tournefort

Abbildung 23: Der Wegerich im Herbarium (1737) von Clifford

Abbildung 24: Der Wegerich im Herbarium (1778) von Linné

Abbildung 25: Das Herbarium Madon Delesserts (1771-1774) von Rousseau

Abbildung 26: Der Bernard Sunley Room im Natural Hitory Museum London

Abbildung 27: Der Wegerich im Herbarium (1845) von Hooker

Abbildung 28: Graphische Darstellung zur Gründung von Herbarien

Abbildung 29: Herbarium der Botanischen Staatssammlung in München

Abbildung 30: Die Siegesbeckia im Hortus Cliffortianus (1737) von Linné

Abbildung 31: Der Wegerich im Herbarium Siegesbeckianum (ca. 1735)

Abbildung 32: Buchrücken und Schnitt eines Herbarbandes des Siegesbeckianums

Abbildung 33: Abbreviaturenverzeichnis im Index plantarum (1710) von Boerhaave

Abbildung 34: Eintrag „Gmel.“ im Caroli Linnaei Systema, Genera, Species plantarum von Richter

Abbildung 35: Suchanfrage im KVK

Abbildung 36: Trefferanzeige im KVK

Abbildung 37: Titelanzeige im GVK

Abbildung 38: Betula im Herbarium Siegesbeckianum

Abbildung 39: Betula in der Flora Sibirica von Gmelin

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Überblick über die Herbarien Hieronymus Harders

Tabelle 2: Überblick über die weltweit umfangreichsten und fünf größten

Herbarien in Deutschland

Tabelle 3: Historische Entwicklung der Darstellungsformen

Tabelle 4: Gegenüberstellung der Lebensläufe Linn é s und Siegesbecks

Tabelle 5: Abkürzungen und Abkürzungsketten im Herbarium Siegesbeckianum

Die Herkunft der Darstellungen ist entweder direkt im Text nachgewiesen oder wird in einer Fußnote aufge- griffen.

ABSTRACT

Die Kräuterbuchliteratur gibt Aufschluss über das Studium der Pflanzen im Laufe der Jahrhunderte sowie über frühere Weltanschauungen und Denkweisen. Eng damit verbun- den sind die Geschichte der Botanik und die Entwicklung der Pflanzennamen. Verschiede- ne Wissenschaftsgebiete der historischen Forschung befassen sich heute mit den Kräuter- büchern und Herbarien. Die Bachelorarbeit verfolgt die Fragestellung nach dem geschicht- lichen Zusammenhang der beiden Literaturgattungen Kräuterbücher und Herbarien. Dabei werden zunächst die beiden Begriffe voneinander abgegrenzt und weitere, für diese Arbeit relevante Begriffe definiert. Zunächst wird die Entwicklung und Bedeutung der Kräuterbü- cher und Herbarien von der Antike bis zur heutigen Zeit dargelegt. Anhand einer Tabelle wird anschließend der Zusammenhang zwischen den Werken verdeutlicht. Im Folgenden wird das bisher weitgehend unbekannte Herbarium Siegesbeckianum aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert vorgestellt. Das Leben dessen Verfassers Johann Georg Siegesbeck und seine Beziehungen zu weiteren Botanikern werden erörtert. Weiterhin geht die vorlie- gende Arbeit der Analyse der sich im Herbarium Siegesbeckianum befindlichen Literatur- verweisen nach. Die Abbreviaturen werden nach Möglichkeit aufgelöst. Fazit und Aus- blick geben Anregungen zur Verwendung der gewonnenen Erkenntnisse.

1 EINLEITUNG

Das Interesse des Menschen an der Beobachtung der Natur und an den Pflanzen reicht zu- rück bis in die Antike, aus der bereits die ersten pflanzenkundlichen Texte stammen. Seit jeher wurden Pflanzen und Pflanzenteile medizinisch verwendet. Pflanzenbeschreibungen und -darstellungen halfen dabei die Gewächse zu identifizieren. Die Frage, wie der Mensch darauf kam, diese als Heilmittel einzusetzen, lässt sich heute nicht mehr beantworten. Vor- stellbar ist zum einen die Nachahmung von dem Verhalten erkrankter Tiere, die instinktiv bestimmte Pflanzen fraßen oder der Zufall der Entdeckung heilsamer Kräfte von Pflanzen bei der Nahrungsaufnahme. Zum anderen ist es der mündlichen Überlieferung von einer Generation zur Nächsten zu verdanken, dass das vorgeschichtliche Wissen weitergegeben und mit der Zeit in Kräuterbüchern schriftlich festgehalten wurde.1 Volksbücher über Arz- nei- und Nutzpflanzen dienten oft zur Vermittlung arzneikundlichen Wissens. Im Mittelal- ter wurde die Arzneimittellehre an den Universitäten eingeführt. Mit der Entdeckung Ame- rikas, der sogenannten Neuen Welt und der Erforschung der weltweiten Floren kam es zu einem raschen Anstieg neuer Pflanzenarten. Dies erforderte eine Identifizierung und mög- lichst einheitliche Benennung der Gewächse. In der Neuzeit versuchten Naturwissenschaft- ler die Pflanzen nach der naturgegebenen Ordnung zu systematisieren und bestimmten aus Beobachtungen und Experimenten Naturgesetzte. Eigenständiges Denken, Verständnis, Vernunft und Logik waren Teil der neuen Auffassung der Naturphilosophie. Dies legte sich auch auf die Kräuterbuchliteratur nieder, die immer mehr zur pflanzenkundlichen Fachliteratur wurde und das heutige Wissen prägte.2 Die Pflanzenkunde löste sich von dem medizinisch-pharmazeutischen Schrifttum und die Lehre der Botanik wuchs zur eigenen Wissenschaft heran.

Die Idee Sammlungen von getrockneten Pflanzen anzulegen und in Büchern aufzubewah- ren, um diese zu wissenschaftlichen Zwecken zu studieren und einheitlich zu benennen, kam zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf.3 In Kräuterbüchern wurden Abbildungen und Erstbeschreibungen von Pflanzen veröffentlicht, deren Typusexemplare auf Herbarbelegen befestigt und aufbewahrt wurden. Aus den ersten Herbarbüchern mit ein paar hundert Ge- wächsen entwickelten sich ganze wissenschaftliche Sammlungen mit Millionen von Bele- gen, die bis heute anwachsen. Wissenschaftlichen Bibliotheken und naturwissenschaftli- chen Forschungsinstituten ist es zu verdanken, dass die Kräuterbücher und Herbarien ver- gangener Jahrhunderte bis heute gut konserviert erhalten sind und nachfolgenden Generationen zur historischen Forschung zur Verfügung stehen.

Die geschichtliche Entwicklung der Kräuterbuchliteratur beeinflusste die botanische Wissenschaftsgeschichte und somit die gegenwärtige Kenntnis über Pflanzen mehr, als es zunächst den Anschein hat. Vieles in den heutigen naturwissenschaftlichen Lehrbüchern ist nur verständlich, wenn man geschichtlich zurückblickt. Kräuterbücher und Herbarien faszinieren noch heute die Wissenschaftler und sind dafür verantwortlich, dass die Pflanzen einen einheitlichen Namen bekamen.

Für verschiedene Fachgebiete der historischen Forschung, bietet die Kräuterbuchliteratur eine wertvolle Quelle an Informationen. Nicht nur dem bibliophilen und kulturgeschicht- lich Interessierten geben die Werke Aufschluss sondern auch dem Sprachforscher, der aus den Texten seine Rückschlüsse ziehen kann. Die Abbildungen der Pflanzen in den Kräu- terbüchern eignen sich hervorragend für Untersuchungen des Kunsthistorikers. Dem Medi- ziner und Pharmazeuten beschäftigen dagegen das Wissen über die Heilpflanzen und ihre Wirkung. Doch vor allem beinhalteten die Kräuterbücher und Herbarien Material für den Botaniker, der damit in der Lage ist die Pflanzenwelt vergangener Jahrhunderte zu studie- ren und rekonstruieren.4

In der vorliegenden Arbeit soll in Kapitel 2 vorab dargelegt werden, was unter dem Begriff Kräuterbuchliteratur zu verstehen ist und in wie fern sich Kräuterbücher von Herbarien unterscheiden. In Kapitel 3 wird zudem ihre Entwicklung und Bedeutung erläutert und die bedeutendsten Werke sowie ihre Verfasser werden vorgestellt. Weiterhin wird ein Über- blick über die Darstellungsform der Kräuterbuchliteratur gegeben. Bei der Betrachtung des Themas soll der Zusammenhang zwischen den Kräuterbüchern und Herbarien verdeutlicht werden, welche Faktoren dazu führten, dass sich aus Kräuterbüchern Herbarien entwickel- ten und warum es erforderlich war Herbarien anzulegen, damit neue Kräuterbücher entste- hen konnten. Eng damit verbunden ist die Geschichte der Botanik. Im weiteren Verlauf der Bachelorarbeit findet das Herbarium Siegesbeckianum aus dem 18. Jahrhundert im Kon- text der Geschichte der Kräuterbuchliteratur besondere Berücksichtigung. Das Werk sowie sein Verfasser, Johann Georg Siegesbeck (*1699-†1755) sowie seine Beziehungen zu an- deren Botaniker jener Zeit werden im Kapitel 4 vorgestellt. Eine intensive Beschäftigung mit dem Herbarium führt zu der Fragestellung der Bachelorarbeit nach der Analyse und Auflösung der Literaturverweise. Deren Abbreviaturen sind auf zahlreichen Herbarbelegen vorhanden. Diesem Aspekt wird in Kapitel 5 nachgegangen. Mit der Entschlüsselung der Literaturverweise wäre ein Einblick in die von Siegesbeck zur Identifizierung seiner Pflanzen verwendete Kräuterbuchliteratur möglich.

Bei der Auswertung wissenschaftlicher Literatur fiel auf, dass besonders im Bereich der Entwicklung der Herbarien aber auch bei der Geschichte der Kräuterbuchliteratur oft wi- dersprüchliche, unpräzise und zum Teil falsche Angaben gemacht wurden. Alle verwende- ten Informationen wurden daher, wenn möglich an Hand der Originalquellen geprüft.

2 DEFINITIONEN

Das Thema der Arbeit umfasst die Geschichte der Kräuterbuchliteratur im Laufe der Jahrhunderte. Eng damit verknüpft sind die Begrifflichkeiten „Kräuterbuch“ und „Herbarium“. In diesem Kontext ist es notwendig die weitläufigen Begriffe voneinander abzugrenzen und zu definieren. Weiterhin ist es zum Verständnis der Arbeit erforderlich, Grundbegriffe der botanischen Fachsprache zu erläutern. Dieses Vokabular wird im Kontext der Entwicklung der Kräuterbuchliteratur benötigt.

2.1 ABGRENZUNG KRÄUTERBUCH UND HERBARIUM

Eine Erläuterung der beiden Benennungen „Kräuterbuch“ und „Herbarium“ bringt mehrere Schwierigkeiten mit sich. Zum einen werden die Bezeichnungen in der Fachliteratur oft synonym benutzt, zum anderen richtet sich ihre Wortbedeutung stark nach der jeweiligen geschichtlichen Epoche.5 Plinius war es, der den Begriff Herbarium prägte indem er einen Botaniker als „Herbarius“ bezeichnete, woraus sich das Wort später ableitete.6 Beide Be- griffe stammen von dem lateinischen Wort „Herba“ (dt.: Kraut, Pflanze) ab. Im Spätlatei- nischen wurde aus „Herbarium“ die deutsche Bezeichnung Kräuterbuch abgeleitet.7 Hin- sichtlich der etymologischen Bedeutung, verstand man im 8. Jh. unter dem deutschen Wort „Kraut“ allgemein eine Blatt- oder Gemüsepflanze. Im 14. Jh. entstand der Pluralbegriff „Kräuter“, unter dem man Gewürze und Heilpflanzen zusammenfasste. Die Wortbedeu- tung wandelte sich wiederum bis in das 15. Jh. hin zur „Heilpflanze“.8 „ Der Terminus ‚ Herbarius ‘ bezeichnet zun ä chst alles, was f ü r die Restitution der Gesundheit dem ‚ Garten der Natur ‘ an Kr ä utern zu gewinnen war. “ 9 Auf Grund der Wortherkunft werden die bei- den Bezeichnungen sinntragend gleichgesetzt, unerheblich davon, in welcher Wissenschaft die Ausdrücke verwendet wurden. Seit dem 19. Jh. versteht man unter einem „Herbarium“ und einem „Kräuterbuch“ im Allgemeinen eine geordnete Sammlung auf Papier befestig- ter, getrockneter und gepresster Pflanzen.10 Die Geschichte und Entwicklung von Kräuter- büchern wird in Kapitel 3.1 beschrieben, die der Herbarien in Kapitel 3.2.

2.1.1 KRÄUTERBUCH

Der Ausdruck Kräuterbuch umfasst mehrere Definitionen. Die gängige Definition als Literaturgattungsbegriff des medizinisch-pharmazeutischen Schrifttums setzte mit dem Beginn des Buchdrucks ein und enthält im erweiterten Sinn auch ältere pflanzenkundliche Literatur.11 Des Weiteren gibt es die Definition als historische Bezeichnung für, illustrierte medizinisch-botanische Werke über mittelalterliche Heilpflanzen, die zwischen 1470 und 1670 gedruckt wurden. Insbesondere die Werke der V ä ter der Botanik12 Brunfels, Bocks und Fuchs tragen den Namen „Kräuterbücher“.13 Eine Definition aus der botanischen Literatur beschreibt das Kräuterbuch als „ Buch mit Namen und Beschreibungen der Eigenschaften von Kr ä utern oder generell Pflanzen sowie deren Verwendung “.14

In dieser Arbeit soll unter dem Terminus „Kräuterbuch“ die Gattung von literarischen Werken (Handschriften sowie Bücher) verstanden werden, in denen es um die Beschreibung von Form und Aussehen oder die medizinische Verwertbarkeit von Pflanzen geht,15 mit oder ohne Pflanzenillustrationen.

Im Sinne einer Ansammlung von Pflanzen kann ein Kräuterbuch auch den Oberbegriff Pflanzenbuch tragen. Unterbegriff der Literaturgattung der Kräuterbücher sind die Herba- rien. Zudem gibt es noch verwandte Literaturgattungen: Arzneibücher, Lapidarien und Bestiarien. Diese enthalten Beschreibungen von Drogen und Rezepten, Steinen bzw. Tie- ren und wurden bis ins Mittelalter teilweise auch in Kräuterbüchern mit abgehandelt.16

2.1.2 HERBARIUM

Die Bedeutung des Wortes Herbarium ist ebenso vielfältig, wie die des Kräuterbuches. Weiterhin wird der Begriff in zwei Literaturgattungen aufgeteilt und in Herbarium pictum sowie Herbarium vivum unterschieden. Unter dem Herbarium pictum versteht man ein Buch mit gemalten Pflanzenabbildungen. Herbaria picta sind bereits seit der Antike be- kannt und fallen in dieser Arbeit unter die Definition der Kräuterbücher. Anders die in der Neuzeit geprägten Herbaria viva, sie enthalten getrocknete oder im Naturselbstdruck ab- gebildete Pflanzen.17 Die Wissenschaft des Naturselbstdruckes, zeichnet sich u.a. durch den Druck mit Pflanzen oder Pflanzenteilen aus und ist für diese Arbeit nicht weiter rele- vant.

Der erste Gebrauch des Begriffes Herbarium als eine zum Buch gebundene Sammlung getrockneter Pflanzen, stammt aus dem Jahre 1556 und ist auf den Botaniker Gesner zu- rückzuführen.18 Im Universallexikon Zedler wird das Herbarium vivum als „ Lebendig Kr ä uter=Buch [ … ] in welches die frisch=gelesenen Kr ä uter eingesammelt, und ausge- trocknet eingelagert werden. “ 19 beschrieben. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich diese Definition weiter. Durch den Botaniker Tournefort wurde der wissenschaftliche Begriff Herbarium als „ systematisch angelegte Sammlung getrockneter, meist gepresster Pflan- zen “ neu geprägt.20 Diese Definition des Wortes soll auch für diese Arbeit gelten. Dabei ist es nicht von Belang, ob in den Werken Text enthalten ist oder lediglich die bloßen Pflan- zen fixiert sind, sich die Pflanzenbelege in einem Buch befinden oder lose aufbewahrt werden, z.B. in Kabinetten oder Schränken.21 Die lateinische Bezeichnung Herbarium (Plural lt.: Herbarien) wird in der deutschen Sprache bis heute benutzt. Weiterhin wurde die Benennung zu Herbar (Plural dt.: Herbare) eingedeutscht. Herbarien gehören zu der Gattung der Kräuterbücher.

Weiterhin wird die Begrifflichkeit des Herbariums heute für moderne Forschungs- institutionen verwendet, die Millionen von Herbarbelege aufbewahren und verwalten. Sie sind mit den ursprünglichen Herbarien inhaltlich und geschichtlich eng verknüpft.22

2.2 BOTANIK

Die Kräuterbuchliteratur war bis zur Renaissance eng mit dem pharmazeutisch- medizinischen Schrifttum verbunden. Aus der Heilpflanzenkunde (lat.: Pharmacognosie), die sich mehr mit der medizinischen Wirkung der Pflanzen befasst, entwickelte sich die reine Pflanzenkunde. Diese Wissenschaft konzentriert sich auf die Pflanze als Individuum und untersucht deren Lebenszyklus, Stoffwechsel, Wachstum und Aufbau. Der Begriff Botanik stammt von dem griechischen Wort ȕȠIJĮȞȚțȒ =botanik é ab. Dioskurides benutze die Bezeichnung für die Lehre der Pflanzenkunde und prägte damit den Namen.23 Nach dem Botaniker Boerhaave „ ist die Botanik der Teil der Wissenschaften, mit dessen Hilfe die Pflanzen am gl ü cklichsten und mit der geringsten M ü he erkannt und im Ged ä chtnis behalten werden. “ 24

2.2.1 BOTANISCHE TEILGEBIETE UND BEGRIFFE DER TAXONOMIE Im Kontext der Kräuterliteratur stehen folgende Teilgebiete der Botanik.

1) Taxonomie = Beschreibung und Ordnung der Pflanzenwelt
2) Morphologie = Aufbau der Pflanze nach ihrer Struktur und Form - Anatomie = innerer Bau der Pflanzen
3) Physiologie = allgemeinen Funktionsabläufe der Pflanzen
4) Geobotanik = Beeinflussung der Pflanzen von der Standortabhängigkeit - Pflanzenökologie = Beziehungen der Pflanzen zu ihrer Umwelt.25

Naturwissenschaftler, wie z.B. Linn é meinen, dass die Suche nach einem natürlichen Sys- tem das „ Endziel der Botanik ist und sein wird “ 26 . Mit dem natürlichen System ist die be- stehende Ordnung der Natur gemeint. In diesem Zusammenhang werden bis heute Taxo- nomien aufgestellt, in denen die Pflanzen eingeordnet werden. Dies erfolgt, indem man die Gewächse zunächst nach ihrer Art, Gattung und Familie vom kleinsten gemeinsamen Nen- ner hin zum größten gemeinsamen Nenner ordnet. Als Pflanzenart (lat.: spezies) wird eine Klasse von Pflanzen verstanden, deren Morphologie enorme Ähnlichkeiten aufweist. Eine Gattung (lat.: genus) hingegen besteht aus einer Gruppe von Arten mit gemeinsamer Ab- stammung und gleichen morphologischen Merkmalen. Die Pflanzenfamilie (lat.: familia) steht in der Systematik noch über der Gattung. Sie stellt sozusagen den Oberbegriff einer Gattung dar. In der Botanik endet die Familienbezeichnung grundsätzlich auf -aceae.27

Um die botanischen Begriffe zu verdeutlichen, werden sie nachfolgend am Beispiel der Wegerich-Pflanze (wissenschaftlicher Begriff Plantago L.) erläutert.

2.2.2 BEISPIEL WEGERICH

Die Entwicklung der Pflanzenabbildungen in der Kräuterbuchliteratur, wird in den folgenden Kapiteln durch Illustrationen unterstützt. Soweit in den Werken Darstellungen des Wegerichs vorhanden sind, werden diese zum direkten Vergleich verwendet.

Seinen Namen verdankt der Wegerich seinem Wachstumsort, dem Wegrand. Er ist aber auch auf Weiden und Äckern zu finden. Die lateinische Bezeichnung Plantago ist von dem lateinischen Wort Planta (dt.: Fu ß sohle) abgeleitet.28 Weitere Bezeichnungen der Pflanze lauten: Wegrich, Wegerichkraut, Sohlenkraut, Wegebreit, Wegetritt, Wegwart, Hundsrip- penkraut, Plantaginis und die ursprüngliche griechische Benennung Arnoglossa. Das Ge- wächs ist in ganz Europa verbreitet und wurde nach Amerika eingeführt. Je nach Standort sind die Arten verschieden ausgeprägt. Bereits in der Antike war der Wegerich als Heil- pflanze bekannt. Galen und Dioskurides zählen in ihren Schriften medizinische Anwen- dungen des Wegerichs auf, z.B. war bereits damals die entzündungshemmende Wirkung seiner Blätter und Samen bekannt.29 Insgesamt gibt es 190 Arten dieses Gewächses. Die bekanntesten sind der Breitwegerich (Plantago major L.), Mittlerer Wegerich (Plantago media L.), Kleiner Wegerich (Plantago intermedia Gilib.), Krähenfuß-Wegerich (Plantago coronopus L.) oder der Spitzwegerich (Plantago lanceolata L.). Die verschiedenen Arten sind in der Gattung der Wegeriche zusammengefasst. Die Familie der Wegerichgewäch- se nennt sich Plantaginaceae. Sie gehört zur Ordnung der Lippenblütlerartigen (Lamiales). Der Wegerich ist ein mehrjähriges, jährlich blühendes, dunkelgrünes Kraut. Morphologi- sche Merkmale sind die rosettenförmig angeordneten, elliptisch geformten Blätter, auf de- ren Unterseite die parallelen Blattnerven stark hervortreten sowie der starke, langgezogene Blütenstiel, an dem sich ährenförmig ange- ordnete Blüten befinden, die zunächst lila und später gelblich blühen.30 Die Abbil dung 1 zeigt von links nach rechts, die Pflanze des Mittleren Wegerichs, Spitzwegerichs und Breitwegerichs.

Abb. 1: Der Wegerich31

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3 DIE ENTWICKLUNG UND BEDEUTUNG DER KRÄUTERBUCH- LITERATUR VON DER ANTIKE BIS ZUR NEUZEIT

Jede Generation der Kräuterbuchliteratur griff das vorhandene Wissen über die Pflanzen auf, vermehrte und prägte es mit eigenen Erkenntnissen. Die Entwicklung der Pflanzen- kunde vollzog sich über die Jahrhunderte hinweg von antike Schriften, mittelalterliche Handschriften, Inkunabeln, Alten Drucken hin zur modernen Kräuterbuchliteratur. Aus mündlichen Überlieferungen entstanden Kräuterbücher. Aus Kräuterbüchern entwickelten sich weitere Literaturgattungen, unter anderem die Herbarien. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Pflanzen der Welt einen Namen bekamen, katalogisiert und geordnet werden konnten.

Die Geschichte der Kräuterbuchliteratur wird nachfolgend erläutert. An Hand einzelner geschichtlicher Epochen werden in den Kapiteln 3.1 und 3.2 die historisch relevantesten literarischen Werke der Kräuterbücher und Herbarien sowie ihre Verfasser vorgestellt. Um die Werke auf einen Blick miteinander vergleichen zu können, gibt eine tabellarische Übersicht in Kapitel 3.3 die Entwicklung ihrer Darstellungsform wieder.

Häufig wird heute davon berichtet, dass sich das Zentrum der Ent- wicklung der Kräuterbuchliteratur in Deutschland befand. In die- sem Zusammenhang ist es notwendig darauf zu verweisen, dass im 15. Jh. die Bezeichnung des damaligen deutschen Herrschaftsberei- ches Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation (962-1806) laute- te. Ende des 19. Jh. entstand im Anschluss daran das Deutsche Reich (1871-1945). Der Begriff „Deutsches Reich“ wird jedoch für beide Reiche gebraucht, daher findet er auch in den einzelnen Epo- chen seine Verwendung. Werden in dieser Arbeit Ortschaften bzw. Länder erwähnt, ist es dienlich, sich die damaligen Ländergrenzen vor Augen zu führen. Abbildung 2 zeigt das Gebiet 1378 und 1740.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Das Deutsche

Reich 1378 und 174032

artikelbildder /Breitwegerich.jpg, zuletzt geprüft am 30.12.2012

3.1 GESCHICHTE DER KRÄUTERBÜCHER

Die literarische Gattung der Kräuterbücher erlangte mit der Erfindung des Buchdrucks und im Zuge der Renaissance großes Ansehen. Schon in der Antike hielten die Gelehrten das Wissen über Heil- und Nutzpflanzen fest und verdeutlichten die Texte mit Pflanzenillustra- tionen. Bis zum Ausgang des Mittelalters gingen die Arznei- und Pflanzenkenntnisse nicht über die der Antike hinaus. Die Kräuterbücher zählten bis dahin zum medizinisch- pharmakologischen Schrifttum. Mit der Zunahme von Drucken wurde ein Vergleich von altem und neuem Wissen möglich. Die Gelehrten beschäftigten sich intensiv mit heimi- schen- und exotischen Gewächsen. Es wurde unumgänglich die Pflanzen zu identifizieren und zu ordnen. Eigene Naturbeobachtungen flossen in die Kräuterbücher mit ein und es wurde eine neue Wissenschaft hervorgebracht, die Botanik.33 Die reine Pflanzenkunde bemühte sich um eine eindeutige Benennung und Klassifizierung der Gewächse, die wei- terhin in Büchern festgehalten wurde. Im 18. Jahrhundert spezialisierte sich die Botanik in weiteren Teilgebieten. Die Geschichte der Botanik ist daher eng verbunden mit der Ent- wicklung der Kräuterbücher. Unser heutiges botanisches Wissen, das uns aus Lehrbüchern und Nachschlagewerken bekannt ist, sowie die wissenschaftlichen Bezeichnungen der Pflanzen resultieren aus den Kräuterbüchern.

Der Überlieferung von Pflanzenbildern in der Kräuterbuchliteratur, kommt nur ein Teil der künstlerischen Darstellungsform zu, da Tafelmalereien oder Plastiken ebenso beliebt wa- ren.34 In den Handschriften des Altertums und des Mittelalters spielen Illustrationen der Naturobjekte lediglich eine gestalterische und symbolische Rolle. Sie sind entweder gar nicht bebildert oder waren nicht dazu gedacht, eine Pflanze zu identifizieren, da die Illust- rationen nur wenige botanische Merkmale aufweisen. Erst in der Renaissance bzw. mit Erfindung des Buchdruckes setzte eine rege Bebilderung der Kräuterbücher ein. In diesen Werken versuchte man Pflanzen naturnah und koloriert darzustellen, um sie letztendlich auch bestimmen zu können.35 Die Abbildungen wandelten sich im Laufe der Jahrhunderte von Zeichnungen über Holzschnitte, Kupferstiche und Radierungen, bis hin zu den „Le- bendigen Kräuterbüchern“, den Herbarien . Bis zur Renaissance waren die Illustrationen nicht besonders naturgetreu, da u.a. der Aberglaube im Denken der Menschen noch stark verankert war und mit in die Bilder einfloss. Seit dem 19. Jh. ist die vorherrschende Druck- technik die Lithographie.36

Die Gliederungspunkte des Kapitels 3 geben in der jeweiligen Epoche zunächst einen Ab- riss der Geschichte der Kräuterbücher wieder, welchen Einflüssen sie ausgesetzt waren und welche Bedeutung sie hatten. Die Entwicklung von Aufbau und Inhalt der Kräuterbücher wird erläutert, ebenso wie die Illustration der Pflanzen. Im Anschluss werden einzelne Werke beschrieben, die die Kräuterbuchliteratur prägten. Da die Schriften eng mit dem Leben und Wirken ihrer Verfasser zusammenhängen, werden diese ebenfalls vorgestellt.

Vernachlässigt werden dabei früheste Überlieferungen bzw. Nachweise der Pflanzenkunde, wie sie aus frühzeitlichen Höhlenmalereien, von Tontafeln der Babylonier oder Überresten von Papyri der Ägypter bekannt sind. Die folgenden Ausführungen beginnen mit dem Einstieg in die griechische Antike. Denn erst ab diesem Zeitalter lassen sich erste (Buchstaben)schriftliche Werke der Pflanzenkunde finden.37

3.1.1 KLASSISCHES ALTERTUM 800 V. CHR. BIS ZUM BEGINN DES MITTELALTERS

Das klassische Altertum zeichnete sich durch erste Naturbeobachtungen aus. Häufig sind jedoch keine Urtexte mehr vorhanden, sondern lediglich Abschriften oder Übersetzungen.

Durch die Schriften des griechischen Gelehrten und „Vaters der Medizin“Hippokrates (*460-†370 v. Chr.) wurde die Grundlage der europäischen Kräuterkunde oder auch Pflan- zenheilkunde (lat.: Phytotherapie) geschaffen, an der sich die antike und mittelalterliche Heilkunst orientierte.38 Waren Hippokrates‘ Konzepte jedoch theoretisch und spekulativ ausgelegt, beschäftigten sich weitere Werke späterer Gelehrter bereits mit den Pflanzen an sich sowie deren praktischem Nutzen und ihrer Anwendungen in der Medizin. Hintergrund waren die Erforschung der Natur und einhergehend die (Pflanzen)Heilkunde. In diesem Kontext sind die Autoren Aristoteles (*384-†322 v. Chr.), Theophrast (* 370-†287 v. Chr.), Krateuas (um 70 v. Chr.) und Plinius (*23-†79 n. Chr.) zu nennen. Als Vater der Kräuter- bücher gilt Dioskurides (um 100 n. Chr.). Sein Werk De Materia medica bestimmte den

Standard der medizinischen Pflanzenbeschreibung bis ins 17. Jh. hinein. Auf ihn gehen sämtliche noch heute in der Nomenklatur gültigen Pflanzennamen zurück.39 Als Autoren der griechisch-byzantinischen Spätantike lassen sich neben Dioskurides noch Galen (*130- †200) und der Pseudo-Apuleius (4. Jh.) nennen. Die Werke der Antike bestimmten das Denken der Nachwelt und dienten den folgenden Generationen als wissenschaftliches Quellenmaterial, welches ihre Auffassung der Natur prägte. Grundlegende Naturbeobach- tungen, Begriffsbildungen und Systematiken stammen aus dieser Zeit und bilden die Grundlagen des heutigen Wissens.

Die Naturphilosophie des Altertums lehrte die Gemeinsamkeit von Mensch, Tier und Pflanze und das jedes Lebewesen eine von den Göttern gegebene Psyche habe. Der Glau- be, dass die Psyche des Menschen durch die der Pflanzen beeinflussbar wäre, hielt sich bis ins späte Mittelalter und erklärt „ die geheimnisvollen, oft phantastischen Anschauungen ü ber die Pflanze “ 40 . Mit Beginn der Beobachtung von Naturgesetzmäßigkeiten und deren Bezug zum gesundheitlichen Zustand des Menschen nahm der Glaube, dass das Wohlbe- finden von den Göttern allein bestimmt werde, immer mehr ab. Die Ärzte des Altertums begannen Ursachen, Krankheiten und Arzneimittel zu systematisieren. Galens Viersäftelehre prägte bis ins Hochmittelalter das Denken der Menschen. Nach der Viersäftelehre finden die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde ihre Entsprechungen in den vier Lebenssäften Blut, Schleim, gelbe- und schwarze Galle. Ist der Mensch gesund, besteht ein Gleichgewicht der Körpersäfte, ist er krank, herrscht ein Ungleichgewicht. Die Säfte werden in den vier Qualitäten heiß und kalt sowie trocken und feucht bestimmt. Zur Genesung müssen demnach die Körpersäfte wieder ausgeglichen werden.41

Schon in der griechischen und römischen Pflanzenliteratur ist ein Streben der Autoren nach einer Ordnung zu erkennen, z.B. die grobe Gliederung der Wuchsformen der Pflanzen in Algen, Moose, Farn- und Samenpflanzen sowie Kräuter. Obwohl sich die Kriterien zur Einordnung der Pflanzen, wie Morphologie, Physiologie, Größe, Verwendbarkeit oder alphabetische Anordnung, von Gelehrtem zu Gelehrtem unterschieden, dienten ihre Werke der Nachwelt als wesentliche Grundlage der Pflanzenkunde und der Klassifikation der Gewächse.42 Der Aufbau und Inhalt dieser Drogenmonographien erfolgte in der Antike traditionell nach der Primärstruktur. Damit ist ein zweiteiliger Aufbau des Buches gemeint.

Im ersten Teil wird die Pflanze beschrieben, im zweiten ihre Anwendung und Dosierung.43

Die Bebilderung der Texte spielte bei den Gelehrten des Altertums noch keine Rolle. Mit dem Werk Krateuas ‘, der seinem Kräuterbuch naturgetreue, kolorierte Abbildungen zufüg- te, änderte sich dies. Erste Pflanzenillustrationen gehen folglich auf die Spätantike zurück. Das Bild erläuterte den Text und erlangte als eigenes Element die Aufmerksamkeit des Lesers. Kraetuas ‘ Illustrationen galten als Vorbild für nachfolgende bebilderte Kräuterbü- cher. Das Bild wurde Teil der botanischen Fachliteratur, entwickelte sich zunächst jedoch nicht weiter.44

Im Folgenden werden die Werke und Autoren der altertümlichen sowie spätantiken Kräuterbuchliteratur vorgestellt.

Hippokrates

Der griechische Arzt Hippokrates von Kos (*460-†370 v. Chr.) gilt als der berühmteste Mediziner des Altertums. Er betrachtete die Medizin als Wissenschaft des ganzen Men- schen, sah Körper, Seele und Geist als eine Einheit. Auf dieser Basis sollten Krankheiten geheilt werden. Im 4. Jh. v. Chr. schuf er die Grundlagen des medizinischen Denkens und der Pflanzenheilkunde. Aus dem 4. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr. sind 61 von Hippokrates ‘

(Ab)Schriften erhalten. Daraus entstand nach und nach das Sammelwerk mit dem Originaltitel Corpus Hippocraticum. Es kann auf Hippokrates zurückgeführt werden, obwohl die sich darin befindlichen Schriften von vielen unterschiedlichen Autoren verfasst und ergänzt wurden und besteht aus einzelnen wissenschaftlichen Lehrbüchern, Vorträgen sowie Notizen. Darin werden Hippokrates ‘ Überlegungen zu den Wirkstoffen einzelner Pflanzen zu über 200 Heilpflanzen aufgeführt.45

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Aristoteles

Der griechische Philosoph Aristoteles (*384-†322 v. Chr.), Schüler Platos ‘, gehörte zu den einflussreichsten und wohl bekanntesten Personen der Geschichte. Zahlreiche Wissen- schaften wurden von ihm entweder selbst begründet oder stark beeinflusst, darunter auch die Biologie. In seinen nicht erhaltenen Schriften fasste er sämtliches Wissen über die Na-

tur zusammen und fügte dem eigene Beobachtungen und Forschungsergebnisse bei. Die

Werke der über die Naturlehre Aristoteles existieren heute nicht mehr, wohl aber die seines Schülers Theoprast, der sein Wissen über die Pflanzenkunde aufgriff und fortführte.46

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Theophrast

Theophrastos von Eresos (*371-†287 v. Chr.) war griechischer Gelehrter und widmete sein Leben der Naturwissenschaft. Er setzte das Werk seines Lehrers Aristoteles fort, betrachte- te speziell die Pflanzenkunde und verfasste mehrere hundert Schriften. Seine beiden Werke ȓĮȢ (dt. : Ge schichte ק ޥ ijȣIJ ࠛ ȣ ݨ ıIJȠ ק ޥ ijȣIJ ࠛ ȣ (d t.: Urs ach e n de s Pflanzenwu c hses) und ʌİ ק ʌİ der Pflanzen) waren Lehrbücher über die allgemeine und die angewandte Botanik sowie über die Pflanzen und ihre Eigenschaften und verdienen besondere Beachtung. Die Arz- neikräfte der Pflanzen wurden in einem eigenen Kapitel behandelt. Die Geschichte der Pflanzen diente der Wissenschaft zur Begriffsbildung für das Vokabular der Botanik. Unter Verwendung von Worten der Volkssprache beschrieb Theophrast die Gestalt und Funktion der Pflanze, die spätere Terminologie. Gegliedert wurden die Pflanzen nach ihrer Gattung: Bäume, Sträucher, Stauden und Kräuter, die mit Beschreibungen von Wachstum, Klima, Boden und Fortpflanzung angereichert wurden. Theoretische Schlussfolgerungen waren ihm fremd, er ließ nur die Naturbeobachtung gelten. Nicht nur heimische Pflanzen sondern auch indische, Wüsten- und Tropengewächse werden vorgestellt. Seine Werke sind die botanisch-wissenschaftlich bedeutendsten der Antike.47

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Krateuas

Der griechische Arzt und Pharmakologe Krateuas (um 70 v. Chr.) war Leibarzt des König Mithridates VI von Pontos und leidenschaftlicher Kräutersammler. Er war der Erste, der seinem dreiteiligen Kräuterbuch mit unbekanntem Namen farbige Abbildungen hinzufügte, um die Pflanze möglichst naturgetreu darzustellen. Die Pflanzen wurden mit ihren medizi- nischen Eigenschaften beschrieben und waren alphabetisch geordnet. Sein Werk ist nicht mehr erhalten, jedoch ließen sich Fragmente davon in verschiedenen Abschriften finden. Krateuas ‘ Kräuterbuch wurde das Vorbild für Pflanzenillustrationen, u.a. auch für den Wiener Dioskurides.48

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Plinius

Als römischer Berufsoffizier gilt Gajus Plinius Secundus (*23-†79) als einer der meist gereisten Männer des Altertums. Sein Ziel war es, aus der Literatur des gesammelten na- turwissenschaftlichen Wissens der antiken Welt und eigenen Beobachtungen von exoti- schen und heimischen Pflanzen ein umfassendes, enzyklopädisches Werk über die Natur zu erschaffen. Das Kompendium sollte dem einfachen römischen Volk zum praktischen Nutzen dienen und beinhaltete Anekdoten ebenso wie Fabelhaftes. Im Jahre 77 begann die Veröffentlichung unter dem Originaltitel Naturalis Historia (dt.: Naturgeschichte), jedoch ohne jegliche Illustrationen, da Plinius der Meinung war, Sprache und Schrift wären die passendste Beschreibung für die Natur. Nach seinem Tod führte sein Neffe Plinius der J ü ngere (*61-†113) die Veröffentlichung fort. Die 37 Bände zählen zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Im Mittelalter entstanden Abschriften und später Drucke, denen oft kritische und erläuternde Kommentare angehängt wurden.49 Der erste deutsche Druck der Naturgeschichte erschien 1543 in Straßburg. Das Werk wurde nach Wissenschaften gegliedert und gilt als älteste vollständig überlieferte systematische Enzyklopädie. Die Bo- tanik wurde in den Bänden 12-17 behandelt und unter medizinischen Aspekten in den Bänden 20-32 fortgesetzt.50

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Dioskurides

Der griechische Arzt Pedanios Dioskurides (um 70 n. Chr.) stammt aus Kilikien (Kleinasi- en). Er diente als Militärarzt unter dem römischen Kaiser Nero. Dioskurides ist der be- rühmteste Pharmakologe des Altertums und wird auch als „Vater der Kräuterbücher“ be- zeichnet.51 Unter Heranziehung umfangreicher griechischer Literatur und anhand von prak- tischer Autopsie aller bekannten griechischen und kleinasiatischen Heilpflanzen verfasste ޥ ވȜȘȢקer um 60 n. Chr. sein fünfbändiges Hauptwerk. In der weltber ü hmt e n ʌİ ȒȢ =per ì h ý les iatri é s (dt.: A rzneimittellehre) bess er bekannt unter dem lateinischenצȚקݧĮIJ Titel Materia Medica sind über 1.000 Arzneimitteldrogen anhand von Kennzeichen, Ge- brauch und Wirkung beschrieben. Davon stammen 813 aus dem Pflanzenreich. 4.740 me- dizinische Anwendungen der Heilpflanzen werden erläutert. Im ersten Buch werden Sal- ben, Bäume, Pflanzensäfte und Früchte behandelt; im zweiten Tiere, Honig, Milch, Fett, Getreide, Gemüse und Gewürze; im dritten und vierten Buch die Kräuter und im fünften

Wein, Essig sowie Metalle.52 Herausragend ist Dioskurides ‘ Idee, die Textgliederung nach

Qualitäten der Pflanzen anzuordnen. Somit erkannte er als erster Familienzugehörigkeiten. Des Weiteren werden die ägyptischen und römischen Synonyme der Pflanzen genannt. Trotz der naturnahen Beschreibung blieb sein Werk aber nicht von abergläubischen Ein- flüssen verschont. Diese sind auch gelegentlich in den Abbildungen wiederzufinden. Die Bücher sind weder im Original noch in zeitgenössischen Abschriften erhalten. Erste schriftliche Überlieferungen stammen aus dem 6. Jahrhundert. Weitere folgten ebenso wie Übersetzungen ins Lateinische, Syrische, Arabische, Englische, Hebräische und Türkische. Die ursprüngliche Gliederung der Pflanzen wurde durch die alphabetische Ordnung ersetzt. Die Überlieferungen des Dioskurides bestimmten den Standard der medizinischen Pflan- zenbeschreibungen, der bis ins 17. Jh. andauerte. Er führte die Unterscheidung in „Simplicia“ und „Composita“53 ein. Noch heute gültige, in die Nomenklatur übergegange- ne Pflanzennamen lassen sich auf den Vater der Kräuterbücher zurückführen. Ebenso präg- te er die wissenschaftliche Bezeichnung „Botanik“.54

Die bekannteste Handschrift ist der sogenannte Wiener Dioskurides, der sich in der Österreichischen Nationalbibliothek (Cod. med. gr. 1) befindet. Von den ursprünglich 546 Sei- ten sind heute noch 482 erhalten. Das Buch wurde 512 in Konstantinopel als Geschenk für die Kaisertochter Julia Anicia angefertigt und in griechischen Minuskeln verfasst. Eine Be- sonderheit sind seine 383 blattgroßen Abbil- dungen, die die Materia Medica zum einzig erhaltenen, durchgehend illustrierten Werk der Antike machen. Die Abbildung 3 zeigt Blatt 29 verso des o.g. Werkes. Zu sehen ist das Pflan- zenbild des Wegerichs (Plantago asiatica L.) und die dazugehörige Beschreibung.55

Abb. 3

Der Wegerich im Wiener Dioskurides (512)

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Galen

Der griechisch-römische Arzt Galenos von Pergamon (ca. *130-†200) befasste sich aus- giebig mit der Wissenschaft der Medizin auf der Basis Aristoteles ‘. Er gilt als „Vater der Arzneimittellehre“. Nach ihm wurde das Fachgebiet der „Galenik“ benannt, welches sich mit der Herstellung von Arzneimitteln auseinandersetzt. Sein Grundgedanke war es, dass alle Erscheinungen in der Natur zu einem bestimmten Zweck geschaffen sind. Galen trat dafür ein Theorie und Praxis gleichzusetzen und dies zu verankern. In seinem 16- ĮʌİȣIJȚȤ߱Ȣ ȝİކ ݸ įȠȣ besse r bek an nt unter dem lateinischen Titel Methodiקİתbändig enWerk medendi beschrieb er im sowohl die einfachen als auch die zusammengesetzten Heilmit- tel.56 Von ihm wurde u.a. die von Aristoteles schon angedeutete Viersäftelehre (Humoral- pathologie) entwickelt, die das Denken der Menschen von der Spätantike bis zur Neuzeit prägte und daher von großer Bedeutung ist.57

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Pseudo-Apuleius

Das Kräuterbuch aus dem 4. Jh. ist unter dem Namen Pseudo-Apuleius bekannt, da es zu- nächst fälschlicher Weise einem Apuleius Madaurensis zugeschrieben wurde. Die Verfas- serfrage konnte bis heute nicht geklärt werden. Das Kräuterbuch enthält Textfragmente von Dioskurides und Plinius. Es besteht aus 131 Kapiteln und behandelt ebenso viele Pflanzen. Namen, Synonyme, Fundorte sowie ihre medizinischen Eigenschaften und An- wendungen wurden auf Latein beschrieben. Im Text finden sich u.a. Gebete, Zaubersprü- che sowie volksmedizinisches Heilwissen. Maßgebend für den Erfolg des Werkes waren die naturgetreuen Pflanzenillustrationen, die sich durch zahlreiche Abschriften verbreite- ten. Das älteste erhaltene Exemplar stammt aus dem 6. Jahrhundert. Der Pseudo-Apuleius stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen der antiken und mittelalterlichen Kräuterbuchlite- ratur dar.58

Die folgende Abbildung 4 zeigt die Blätter 23 recto und Blatt 24 verso des Pseudo- Apuleius datiert auf 800-900 aus der Bibliothèque nationale de France (Ms. Latin 6862). In dem linken Bild sind die Beschreibung sowie die kolorierten Zeichnungen des Wegerichs zu erkennen. Auf dem rechten befindet sich die zweite Illustration des Wegerichs (H(e)rba

Plantagine II.). Darunter befinden sich synonyme Benennungen u.a. auch der griechische

Name der Pflanze Arnoglossa.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Der Wegerich im Pseudo-Apuleius (800-900)

Die folgende Abbildung 5 zeigt Blatt 14 recto des Pseudo-Apuleius von 1481/1482 aus der Bayrischen Staatsbibliothek (4 Inc. s. a. 179). Auf dem Bild ist der kolorierte Holzschnitt des Wegerichs sowie den Anfang der fünfseitigen Beschreibung des Gewächses zu sehen. Der Vergleich der Abbildung 3 und 4 mit Abbildung 5 verdeutlicht die Rückentwicklung des antiken Wissens und den Verlust an Informationen im Mittelalter.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Der Wegerich im Pseudo-Apuleius (1481/1482)

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3.1.2 MITTELALTER 6. BIS 15. JAHRHUNDERT

Das Mittelalter ließ sich in drei große Sprach- und Kulturbereiche einteilen, den griechisch-byzantinischen, den arabisch-islamischen und den lateinisch-christlichen.59 Da der griechisch-byzantinische ebenfalls als Epoche der Spätantike angesehen wird wurde dieser in Kapitel 3.1.1 mit behandelt.

In dieser Epoche steht weiterhin der praktische, heilkundliche Nutzen der Pflanzen sowie deren Anwendung im Vordergrund. Obwohl mittelalterliche Kräuterbücher Werke der Medizin sind und nicht auf die naturwissenschaftliche Beschreibung der Pflanze eingehen, lassen sie sich weder von der Geschichte der Pharmazie noch von der Botanik unterschei- den.60

Basierte die Entwicklung der Pflanzenkunde im Mittelalter auf kopierten Handschriften und Überlieferungen der Antike sowie des Abendlandes, vermittelten nach der Einführung des Buchdruckes arzneikundliche Volksbücher das Wissen über Heilpflanzen.61 Zum Prob- lem der damaligen Gelehrten wurden die Vielfalt der Pflanzen aus den verschiedenen Kul- turkreisen, sowie synonyme Benennungen. Die in der Literatur beschriebenen ausländi- schen Pflanzen waren oft nicht zu identifizieren. Daher suchte man nach heimischen Pflan- zen, die die gleiche Wirkung aufweisen konnten. Erste Lehrgedichte dazu wurden von den Kolstermedizinern Walafried Strabo (*808-†849) und Odo von Meung (ca. 1100) ver- fasst.62 Sie markierten den eigentlichen Beginn der Kräuterbuchliteratur im Mittelalter.63

Nach dem Zerfall des römischen Reiches und zur Zeit der Völkerwanderung wurden viele der römisch-griechischen Schriften nach Syrien und Arabien gebracht. In der arabisch- islamischen Welt wurden sie von den dortigen Gelehrten ins Arabische übersetzt. Die be- kanntesten waren Mesue (*777-†857), Abulcasis (*936-†1013), Avicenna (*980-†1037) und Ibn el Beithar (*1190-†1248), die ihre eigenen Interpretationen der antiken Pflanzen- kunde in ihre Werke mit einfließen ließen. Ihre Werke wurden im europäischen Raum ins Lateinische übersetzt und dienten als Quellen für die weitere Kräuterbuchliteratur.64

Im späteren Heiligen Römischen Reich, das lateinisch-christlichen Einflüssen unterlag, ging das Wissen der antiken Pflanzenkunde nach und nach an die Kirche und Klöster über. Mönche und Priester übernahmen die heilkundige Praxis ebenso wie den theologischen Einfluss in ihre Übersetzungen von Werken antiker Gelehrter. Beispielhaft dafür sind die Schriften der Äbtissin Hildegard von Bingen (*1098-†1179) oder des Benediktiners Alber- tus Magnus (ca. *1200-†1280). Bedingt durch die Eröffnung erster medizinischer Schulen im italienischen Salerno und französischem Montpellier wurde das bisherige pflanzenkundliche Wissen zusammengetragen und auf lateinisch übersetzt, sodass ab dem 11. Jh. volkstümliche Ansichten sowie botanische Kenntnisse der Araber in die Kräuter- kunde mit einflossen. Bis ins 14. Jh. wuchs die Anzahl der Universitäten und jede größere Stadt konnte einen Stadtarzt vorweisen. Der theologische Einfluss verlor an Geltung. Da- gegen wuchs das Bedürfnis nach einem allgemein zugänglichen Nachschlagewerk über Krankheiten und Heilmittel, wie z.B. jene von Cantimpr é (*1201-†1270) oder Megenberg (*1309-1374†). Mit der Erfindung des Buchdruckes wurden nicht nur theologische Schrif- ten verbreitet, es waren maßgeblich medizinische Werke mit denen man dem Wunsch nach Vervielfältigung des praktischen Wissens entsprach. Dies führte zu einer enormen Zunah- me an Kräuterbuchliteratur.65

Dachte man im Altertum, Krankheiten seien übernatürlicher Herkunft spielte im Spätmittelalter neben der Magie die Religion eine wesentliche Rolle.66 Die Menschen glaubten, durch Sünden würden Krankheiten verursacht, da im Sinne der Viersäftelehre das Gleichgewicht der Körpersäfte gestört würde. 67 Im 13. Jh. wurde der Begriff „magia naturalis“ (dt.: g ö ttliche Magie) geprägt.

In den spätantiken Texten gab es keine einheitlichen Benennungen für die Gewächse. Dies setzte sich im Mittelalter fort. Bedingt durch regionale Bezeichnungen, vermehrten sich die Namen stetig. Dies hatte zur Folge, dass die Pflanzen auf Grund der vielen Synonyme nicht mehr richtig zugeordnet werden konnten. 68

Die Beschreibungen der Pflanzen in der mittelalterlichen Kräuterbuchliteratur sind allge- mein geprägt durch kurze lateinische Texte, die gut geeignet waren, sie in Enzyklopädien und Kompendien zu übernehmen. Der Aufbau der Monographien wandelte sich im ara- bisch-lateinischen Hochmittelalter von der aus dem Altertum übernommenen Primärstruk- tur hin zu Kombinationsprinzipien (Sekundärstruktur). Erste Versuche einer botanisch, taxonomischen Gruppierung der Pflanzen nach ihrer Familienzusammengehörigkeit wur- den unternommen und ein Ordnungsprinzip nach dem ersten Buchstaben der mittellateini- schen Pflanzennamen eingeführt, z.B. im Circa Instans (ca. 1150) (s. Abb. 6). Später ka- men der zweite und dritte Buchstabe dazu. Dies führte letztendlich zu einer alphabetischen Gliederung. Um 1400 setzte mit der Etablierung der Universitäten die Zusammenführung verschiedener Texte ein. Neue Bücher, sogenannte Kompendien entstanden, die nach Pa- ragraphen oder Kapiteln gegliedert wurden. Als Kriterien dienten z.B. Arzneistoff oder Herkunft einer Pflanze. Beispielhaft dafür sind der Herbarius Moguntinus (1484) und der Gart der Gesundheit (1485). Der Hortus Sanitatis (1485) dagegen gehört bereits der nächs- ten Entwicklungsstufe (Quartärstruktur) an. Diese bezieht sich auf den zusammengesetzten Text, der aus mehreren Kompendien entnommen wurde. Weiterhin besteht die Form der unselbstständigen Kräuterbuchliteratur. Sie folgt keiner der genannten Aufbaustrukturen, sondern versucht das Weltbild von der Antike bis zum Mittelalter zu repräsentieren. Glie- derungsarten waren z.B. Lebensdauer oder Wuchsform einer Pflanze. Vertreter dieser Gat- tung war u.a. Cantimpr é. Nicht nur der Aufbau der Kräuterbücher änderte sich zusehends, sondern auch die sprachliche Gestaltung. War es bis ins Hochmittelalter üblich, lateinische Monographien hervorzubringen, führte die geschichtliche Entwicklung landessprachige Kräuterbücher für den allgemeinen, volkssprachigen Gebrauch ein. Diese gewannen ab dem 12. Jh. große Bedeutung. Häufig gab es Parallelausgaben, wie z.B. den Gart der Ge- sundheit dem die lateinische Ausgabe des Hortus Sanitatis folgte.69 Ursprünglich stammt die Systematik der mittelalterlichen Kräuterbücher aus der antiken Literatur. Die Werke des Mittelalters in denen es um den medizinisch-botanischen Zweig geht nennt man Simplicialiteratur. Heilmittel lassen sich kategorisch in „Simplicia“ und „Composita“ ein- teilen. Einfache Arzneimittel die „Simplicia“ bestehen aus einem Grundstoff. Als „Composita“ werden hingegen zusammengesetzten Arzneimittel bezeichnet. Diese werden in der eigenen Literaturgattung der Arzneibücher behandelt und sind für die vorliegende Arbeit nicht weiter von Interesse.70

Im Gegensatz zu der naturnahen Darstellungsweise der Pflanzen in den Handschriften der Antike ist im Mittelalter ein Wandel hin zur formenhaften Gestaltung erkennbar.71 Die Abbildung der Pflanzen diente im Frühmittelalter als Sinnbild, Symbol oder Ornament (vgl. Abb. 4 und 5) . Es setzt jedoch ein Prozess der Verselbstständigung der Pflanzenillust- ration ein, in welchem das Bild zum Ausdruck der Natur wird. Da die Heilmittel aus der ganzen Pflanze gewonnen werden, ist es folglich üblich, Abbildungen von der ganzen Pflanze darzustellen. Das wichtigste bebilderte Kräuterbuch für die Pharmakologie dieser Epoche ist das Circa Instans. Im Mittelalter entstanden neben der Buchmalerei, die ersten Buchholzschnitte von natürlichen Pflanzengestalten. Die Ausdrucksstärke der Illustratio- nen wurde jedoch durch Text-Bild-Diskrepanzen und aufgrund mangelnder Umsetzung durch die Zeichner sowie Fehler beim Kopieren der Texte geschmälert. Hinzu kam das Problem, dass sich das Aussehen der Pflanzen tages- und jahreszeitlich bedingt ändert. Um 1481 erschien in Rom das erste gedruckte Kräuterbuch mit 132 Umrissholzschnitten, ein Pseudo-Apuleius. Im deutschen Sprachraum brachte der Mainzer Drucker Peter Sch ö ffer 1484 den lateinischen Herbarius Moguntinus heraus. Ein Jahr später druckte er bereits den weltberühmten Gart der Gesundheit. Es folgte noch der ebenfalls in Mainz gedruckte Hortus Sanitatis. Die letzten drei genannten Werke, werden als „Mainzer Kräuterbuchin- kunabeln“ bezeichnet. Sie bilden inhaltlich, gestalterisch sowie systematisch den Ab- schluss der mittelalterlichen Pflanzenkunde und leiten damit die Renaissance ein.72

Zunächst werden die Autoren und ihre Werke der arabisch-islamischen Kräuterbuchliteratur vorgestellt.

Mesue

Y nj hann Ɨ ibn M Ɨ sawayh (*777-†857) oder auch Johannes Mesue war persischer Arzt und Schriftsteller. Er verfasste 57 Schriften u.a. über die Arzneimittellehre und Rezepturvor- schriften. Als Verfechter von Hippokrates, Aristoteles und Galen hatten seine Werke große Auswirkungen auf die mittelalterliche Medizin. 1471 erschienen sie erstmals in Venedig, Italien im Druck.73

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Abulcasis

Der andalusisch-arabische Arzt und Wissenschaftler Abu l-Qasim (*936-†1013), auch als Abulcasis bekannt, war wahrscheinlich der bedeutendste mittelalterliche Arzt muslimischer

Herkunft. Seine umfangreichen medizinischen Schriften, die arabische und klassische grie- chisch-römische Lehren kombinieren, prägten die europäische Medizin bis zur Renais- sance. Abulcasis verfasste um 1000 die medizinische Enzyklopädie al-Tasrif, eine 30- bändige Sammlung medizinischen Wissens. Deren Buch 27 behandelt die Simplicia, Buch

28 ihre Verbreitung und Benutzung.74

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Avicenna

Der arabische Universalgelehrte Ibn Sina (ca. *980-†1037), besser bekannt als Avicenna, schloss 1025 sein fünfbändiges medizinisches Werk den Canon medicinae ab und kompi- lierte somit griechisches, römisches und persisches Schrifttum. Seine Schrift enthält aus- führliche Angaben über Heilpflanzen und Arzneimittel. Er stellte als Erster Regeln auf, wie ein Medikament zu prüfen sei, bevor es bei einem Patienten angewendet werden könne.75

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Ibn el Beithar

Abu ibn el Beithar (ca. *1197-†1248) war arabischer Arzt und Pharmakologe. Der spätere „Chefbotaniker“ und Oberaufseher der Apotheken sowie Drogenläden Ägyptens sammelte auf seinen Reisen nach Spanien, Nordafrika, Kleinasien und Kairo Pflanzen, die er nach medizinisch-pharmakologischen Gesichtspunkten systematisierte. Dabei orientierte er sich stark an Dioskurides und Galen sowie Hippokrates und Aristoteles. Sein Hauptwerk ist das Kitab al-gami von 1230. Er beschreibt mehr als 1.400 Arzneimittel sowie Rezepturen, und stellt die Heilpflanzen vor. Ibn el Beithar fasste das gesamte botanisch-arabische Wissen zusammen, welches als oberste Quelle der Pflanzenkunde in das europäische Mittelalter überging.76

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Im Folgenden werden die Kräuterbücher der lateinisch-christlichen Welt erläutert.

Walafried Strabo

Der Reichenauer Abt Walafried Strabo (*808-†849) war einer der berühmtesten Dichter des Frühmittelalters. Er schrieb 827 das Werk Liber de cultura hortorum, das Buch ü ber die Gartenpflege. Dort sind in Versform 23 Heilpflanzen beschrieben, die in seinem benediktinischen Klostergarten wuchsen. Unter dem Namen Hortulus verbreitete sich das Lehrgedicht weiter.77

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Odo Magdunensis

Der französische Arzt Odo von Meung (ca. 1070) verfasste sein Lehrgedicht De Viribus Herbarum, besser bekannt als Macer Floridus, über 65 Heilpflanzen im Jahr 1070. Ab 1200 breitete sich das Gedicht im deutschen Sprachraum aus. Bereits 1500 wurden dem Gedicht in Paris Pflanzenabbildungen hinzugefügt. Es wurde zum meist genutzten Heilpflanzenbuch des Mittelalters.78

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De Simplicia medicina oder Cira Instans (ca. 1150)

Als erste medizinische Schule lässt sich die in Salerno, Italien nennen. Sie brachte zwi- schen 1100 und 1150 wegweisende medizinische und pharmazeutische Werke hervor. Die Urheberschaft des De Simplicia medicina oder Cira Instans (nach den ersten Wörtern des Textes) ist unklar. Sie kann vermutlich einem der beiden Salerner Gelehrten, Mattheaus Platearius oder Salernitanus, zugeschrieben werden. Das lateinische Kompendium orien- tiert sich u.a. an Galens und Dioskurides ‘ Schriften und behandelt die ca. 270 gebräuch- lichsten Heilkräuter der Simplicia in alphabetischer Ordnung. Im ersten Teil der jeweiligen Beschreibung steht die Pflanze im Vordergrund. Ihre Synonyme, Aussehen, Vorkommen, Standort, Teile, Lagerung sowie Qualitätsmerkmale werden benannt. Der zweite Teil stellt Arzneistoff, Zubereitung und Rezepte vor. Ab dem 13. Jh. erschienen bebilderte Hand- schriften die sich den Macer Floridus als Vorbild nahmen, darunter befindet sich auch ein französischer Secreta Salernitana von 1350. Dieser wurde seit der Antike als Erster wieder mit neuen naturgetreuen Pflanzendarstellungen ausgestattet. 1482 entstand die erste deut- sche Fassung. Das Circa Instans wurde zum Standardwerk der Arzneimittelversorgung des Mittelalters und begründete die Fachliteratur der Pharmazie. Es gilt neben dem Gart der Gesundheit als erfolgreichstes Kräuterbuch des Mittelalters.79

Die folgende Abbildung 1 zeigt die Seiten 5 und 6 des Circa Instans aus der New York Botanical Garden Mertz Library (QK 99 .P575 1190). Zu sehen ist das Inhaltsverzeichnis zum Kapitel A sowie der Beginn der Beschreibung der Aloe.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Beginn des Kapitels A und die folgende Beschreibung der Aloe im Circa Instans (ca. 1175)

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Hildegard von Bingen

Die heilige Äbtissin Hildegard von Bingen (*1098-†1179) verfasste Schriften zur Religion, Medizin, Musik, Ethik sowie Kosmologie. Sie brachte das lateinische Fach- wissen mit dem der Volksmedizin zusammen und beobachtete die Wirkungen der Pflan- zen. In einem ihrer bekanntesten medizinischen Werke, der Physica oder auch Liber simplicis medicinae, erklärt sie die Heilkräfte der Natur. Im Ersten der neun Bände De plantis= ü ber Pflanzen beschreibt sie um die 300 einheimische sowie ca. 20 exotische Pflanzen und deren Rezepturen. Dabei orientierte sie sich an Galen und der religiösen Vor- stellung der Vielsaftlehre. Trotz ihres umfassenden Wissens hatte ihr Werk, welches um 1150 entstand, im Mittelalter nur einen geringen Einfluss und kam erst 1533 in Druck.80

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Thomas von Cantimpré

Der Belgier Thomas von Cantimpr é (*1201-†1270) war Theologe und Naturwissenschaft- ler sowie ein Schüler Magnus ‘. Er sammelte 15 Jahre lang Material, wie z.B. von Aristote- les und Plinius, um 1225 das lateinische elfbändige Werk Liber de natura rerum =Enzyklop ä die der Natur herauszugeben. Die Enzyklopädie umfasste das gesamte mittel- alterliche Wissen über die Naturkunde in alphabetischer Ordnung. Es gab über 100 Ab- schriften von denen lediglich noch zwei mit Originaltext erhalten sind. Megenberg über- trug den Text ins Deutsche und brachte seine Überarbeitung unter dem Titel Buch der Na- tur heraus.81

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Albertus Magnus

Albert von Lauingen, bekannt als Albertus Magnus (ca. *1200-†1280), war Gelehrter und Bischof von Regensburg. Er befasste sich nicht nur mit der Theologie, sondern war auch Philosoph, Jurist und Naturwissenschaftler sowie Anhänger Aristoteles ‘ und Avicennas. Auf diesen Gebieten brachte er über 70 Schriften heraus. Wegweisend für die Botanik war innerhalb seiner Gesamtausgabe das siebte Buch De vegetabilibus libri VII=das Buch ü ber Pflanzen von ca. 1260. Sein Ziel war es in der Pflanzenkunde die wissenschaftliche Denk- weise anhand von wissenschaftlichen Nachweisen zu verankern, also eine Art „ christli- chen Aristotelismus “ zu schaffen. Magnus befasste sich mit der Fortpflanzung der Ge- wächse und unterteilte die Pflanzen geschlechtlich in männliche und weibliche. Weiterhin ordnete er sie in Kategorien nach Bäumen, Sträuchern und Kräuter und teilte die Pflanzen in folgende Klassen auf: mit verholztem Stängel (lt.: olera) und ohne verholztem Stängel (lt.: herba). Seine Erkenntnisse gingen denen, der damaligen Zeit weit voraus, setzten sich im Mittelalter jedoch nicht durch.82

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Konrad von Megenberg

Der Magister und Regensburger Domherr Konrad von Megenberg (*1309-†1374) verfasste sämtliche theologische, politische und juristische Schriften. Bekannt wurde er jedoch durch seine naturwissenschaftlichen Werke. Für seine Schüler verfasste er 1350 das erste natur- wissenschaftliche Werk in deutscher Sprache, das Buch der Natur. Zum Vorbild nahm sich Megenberg Cantimpr é s Liber de natura rerum. Er übertrug seine Vorstellung der göttli- chen Schöpfung in die Ordnung der Natur und gliederte demnach auch sein Werk neu. Das Lehrbuch ist in 12 Kapiteln unterteilt, eines davon ist den Kräutern gewidmet. In alphabe- tischer Reihenfolge sind 90 Heilpflanzen beschrieben. Der erste Druck, der zudem schon

12 Holzschnittillustrationen zur Einleitung der verschiedenen Abschnitte enthält, erschien 1475 in Augsburg.83

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Die drei Mainzer Kräuterbuchinkunabeln

Herbarius Moguntinus

Der Druck des Herbarius Moguntinus erfolgte im Jahr 1484 bei dem Mainzer Verleger und Schüler Gutenbergs Peter Sch ö ffer. Der Herbarius basierte auf den Vorarbeiten des Gart der Gesundheit und wurde nur herausgebracht, da Sch ö ffer im Vorab bereits ein illustrier- tes Kräuterbuch zur Frankfurter Buchmesse desselben Jahres angekündigt hatte und der

Gart noch nicht abgeschlossen war. Zum textlichen Vorbild nahm sich der unbekannte

Verfasser zum einen den französischen Secreta Salernitana und zum anderen den ersten, mit groben Holzschnitten bebilderten, botanischen Druck eines Pseudo-Apuleius des Itali- eners de Lignamine von ca. 1482 sowie sämtliche Schriften der mittelalterlichen Pflanzen- kunde. Der lateinische Herbarius Moguntinus enthält Beschreibungen (lateinischer und deutscher Name der Pflanze, Art, Erkennungsmerkmale, Standorte sowie ein weiterer Ab- schnitt über die Arzneimittel) von ca. 150 einheimischen Heilpflanzen. Diese sind mit Ab- bildungen versehen und nach alphabetischer Reihenfolge des lateinischen Namens geglie- dert. Die Holzschnitte lassen sich auf das Circa Instans zurückführen, wobei der Künstler versuchte die Blüten- und Blattform genau wiederzugeben. Die Illustrationen sind jedoch konturenhaft mit nur wenigen Schraffuren. Trotz des ein Jahr späteren Druckes des Gart der Gesundheit, verbreitete sich der Herbarius Moguntinus rasant und es gab sämtliche Nachdrucke von bearbeiteten Fassungen.84

Die Abbildung 7 zeigt Seite XIX des Herbarius Moguntinus aus der Bayerischen Staatsbibliothek München (4 Inc.c.a. 364 m). Zu sehen ist das Pflanzenbild des Wegerichs (Arnoglossa - Wegebreide) und die dazugehörige lateinische Beschreibung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Der Wegerich im H erbarius Moguntinus (1484)

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Gart der Gesundheit

Das erste Kräuterbuch in deutscher Sprache erschien 1485 wiederum bei Peter Sch ö ffer. Auftraggeber des Werkes war Bernhard von Breidenbach (ca. *1440-†1497), ein führender Beamter und Politiker des Erzbistums Mainz. Er beauftragte den erzbischöflichen Leibarzt Johann Wonnecke von Kaub (ca. *1430-†1504), auch genannt Johannes de Cuba, ein me- dizinisches Kräuterbuch zusammenzustellen. Das Kompendium umfasst 435 Kapitel, in denen es um die Heilmittel von Pflanzen, Tieren, Steinen und Metallen geht. 382 größten- teils heimische Heilpflanzen werden beschrieben und nach ihrem lateinischen Namen al- phabetisch angeordnet. Als Textquellen werden u.a. das Circa Instans, Megenberg, Meung und Hippokrates, Dioskurides, Galen, Plinius, Avicenna sowie Mesue genannt. Die 381 Holzschnitte des Werkes stammen maßgeblich von dem Utrechter Künstler und Buchge- stalter Erhard Reuwich (ca. *1450-†1505). Sie stellen die eigentliche Besonderheit dar, da die Pflanzenbilder naturgetreu gezeichnet sind und sich nicht, wie im Mittelalter üblich, an traditionellen oder fehlerhaften Illustrationen der Handschriften orientierten. Das Werk fand reißenden Absatz. Bereits ein halbes Jahr später kam es zu Nachdrucken in Augsburg. Der Gart der Gesundheit wurde in sämtliche Sprachen übersetzt, erschien in 60 Ausgaben und hielt sich 400 Jahre lang an der Spitze der Kräuterbuchliteratur. Er wurde zum ein- flussreichsten Kräuterbuch der damaligen Zeit.85 Die folgenden Abbildung 8 zeigt Seite 490 und 492 des Gart der Gesundheit aus der Technischen Universitätsbibliothek Braun- schweig (2001-6964). Zu sehen sind die Pflanzenbilder der Wegeriche (Plantago maior -

Wegerich und Planta-

go minor - klein

Wegerich oder spitz Wegerich) sowie die

dazugehörige erste

Seite der jeweiligen

Beschreibung des

dazugehörigen Kapi- tels.

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Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Der Wegerich im Gart der Gesundheit (1485)

Hortus Sanitatis

1491 gab es eine erweiterte Ausgabe des Gart der Gesundheit, jedoch in lateinischer Spra- che unter dem Titel Hortus Sanitatis. Drucker war diesmal der Mainzer Jakob Meydenbach, Sch ö ffers einziger Konkurrent in der Stadt. Das Werk orientierte sich weit- gehend am Gart der Gesundheit und wies nur wenige, aber dafür bedeutende Neuerungen auf. Die Abschnitte des Buches wurden nach Art der Heilmittel getrennt (Pflanzen, Tiere, Steine und Metalle). Jedes Kapitel enthielt eine bildliche Darstellung und einen Absatz über die Heilwirkung. Von den insgesamt 1.066 Abbildungen, können 530 den Heilpflan- zen zugerechnet werden. Der Künstler brachte zudem einige Alltagsszenen als Holzschnit- te mit ein. Auf Grund der hohen Herstellungskosten erschienen erst Jahre später Nachdru- cke und es gab lediglich fünf Ausgaben.86

Die folgende Abbildung 9 zeigt Seite 303 und 305 des Hortus sanitatis aus der Bayrischen Staatsbibliothek München (Inc.c.a. 2576). Zu sehen ist links das Pflanzenbild des Breitwe- gerichs (Plantago maior, Kapitel CCCXXXII) und der Anfang der nachfolgenden Be- schreibung. Auf dem rechten Bild sieht man in der rechten Spalte die Illustration des Klei- nen Wegerichs (Plantago minor, Kapitel CCCXXXIII) und darüber die dazugehörige Be- schreibung des Kapitels.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Der Wegerich im Hortus Sanitatis (1491)

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3.1.3 RENAISSANCE 15. BIS 17. JAHRHUNDERT

In der Renaissance änderte sich die Weltanschauung. Die Menschen griffen auf die Inte- ressen und Werte der Antike zurück. Das Bestreben das menschliche Dasein zu verbessern trat in den Vordergrund. Der Humanismus leitete die Gedanken der Naturwissenschaftler. Deren Ziele waren es die Synonyme der Pflanzennamen zu standardisieren, die genaue Identifizierung der Pflanzen anhand von Illustrationen zu ermöglichen sowie den arabi- schen Einfluss in der Kräuterliteratur zu entfernen und Composita aus ausländischen Heil- pflanzen durch einheimische Simplicia zu ersetzen. 87 Des Weiteren wurde die Renaissance durch die Reformation und die Entdeckung der „Neuen Welt“ geprägt. Mit der Erfindung des gedruckten Buches kam es zu einer explosionsartigen Wissenszunahme. Zentrum des Buchdruckes war weiterhin das Deutsche Reich, dehnte sich aber schnell bis nach Italien, England und Frankreich aus. Durch die Gründung von öffentlichen Schulen, kam es zu einem rapiden Rückgang des Analphabetismuses. Immer mehr Universitäten wurden ge- gründet in denen sich im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts erste einzelne naturwissen- schaftliche Fächer etablierten.88

Das im 16. Jahrhundert aufkommende Interesse an der Erforschung der Umwelt des Men- schen beherrschte die Wissenschaft. Daher kam es zu einer Wiederentdeckung und kriti- schen Auseinandersetzung der Gelehrten mit den antiken Schriften, woraus zahlreiche me- dizinisch-pharmazeutische Drucke resultierten.89 Die Lehrmeinungen der islamisch- arabischen Welt wurden quasi zensiert und aus der Kräuterliteratur gestrichen. Nach der humanistischen Auffassung waren diese vom Weg der einzig richtigen antiken Lehren ab- gekommen. Das Umdenken führte zum einen zu einer Abkoppelung der Pharmazie von der Medizin und zur Entwicklung des Apothekerwesens. Zum anderen brachte es eine Reform der Kräuterbuchliteratur mit sich. Alle Composita aus ausländischen Heilpflanzen wurden durch einheimische Simplicia ersetzt.90 Der pharmazeutische bzw. medizinische Begriff der Materia medica wurde geprägt und steht für die Verkörperung der Arzneimittel aus den drei Naturbereichen Pflanzen, Tiere und Mineralien. Die Materia Medica wurden häu- fig in einem Werk abgehandelt. Somit gehören sie mit zu der Kräuterbuchliteratur der Re- naissance. Ein Beispiel dafür ist das Werk von Matthioli (*1501-†1577).91

[...]


1 vgl. Dressendörfer 2003, S. 13f. und Dillemann 1982, S. 1723

2 vgl. Feuerstein-Herz 2007, S. 11-14

3 vgl. Baumann, Baumann und Baumann-Schleihauf 2001, S. 21

4 vgl. Schmid 1939, S. 68

5 vgl. Baumann 1974, S. 8f.

6 vgl. Hurka und Neuffer 2011, S. 142

7 vgl. Duden 2012

8 vgl. Etymologisches Wörterbuch 1989b. Kraut, S. 925

9 Schmitz 1998, S. 385

10 vgl. Etymologisches Wörterbuch 1989a. Herbarium, S. 678

11 vgl. Dilg 1989, S. 1476; Dressendörfer 2003, S. 11f. und Müller 2011, S. 101

12 nähere Erläuterung s. S. 31. Wissenschaftlicher Begriff, geprägt durch den Botaniker Kurt Sprengel. Sprengel 1817, S. 258

13 vgl. Reallexikon der Medizin 1971. Kräuterbücher, S. 223 und Heilmann 1973, S. 3

14 Arber 1986, S. XXV (eigene Übersetzung)

15 vgl. Schnell 2009, S. 397 und Baumann, Baumann und Baumann-Schleihauf 2001, S.21

16 vgl. Dilg 1989, S. 1476

17 vgl. Friedrich und Müller-Jahncke 2005, S. 47; Nissen 1951, S. 243-246 und Müller-Jahnke 1987, S. 75

18 vgl. Hurka und Neuffer 2011, S. 143

19 Großes vollständiges Universal-Lexikon 1735. Herbarium vivum, S. 1612f.

20 Etymologisches Wörterbuch 1989a, S. 678

21 vgl. Stafleu 1987, S. 160

22 vgl ebd., S. 155

23 vgl. Mägdefrau 1973, S. 9f.

24 Ebd., S. 60

25 vgl. Brockhaus Enzyklopädie 2006. Botanik, S. 490f.

26 Mägdefrau 1973, S. 193

27 vgl. Jahn (Hg.) 1998, S. 67, 222, 242f.

28 vgl. Dörfler und Roselt 1962, S. 321

29 vgl. Hager 1949, S. 484f.

30 vgl. Schauer und Caspari 1982, S. 114, 188, 216

31 Abbildungen Mittlerer Wegerich, Spitzwegerich, Breitwegerich. Online verfügbar unter http://www.natur kundemuseum-bw.de/bioforum/cms/data/files/Pflanzen/Mittlerer_Wegerich_2122.jpg, http://www.naturk undemuseum-bw.de/bioforum/cms/data/files/Pflanzen/Spitzwegerich_2126.jpg, http://www.juglan.com/

32 Wikipedia: Heiliges Römisches Reich. Online verfügbar unter http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=D Datei:HRR.gif&filetimestamp=20071030175655, zuletzt aktualisiert am 04.10.2007, zuletzt geprüft am 30.12.2012

33 vgl. Feldmann 1996, S. 9-11 und Schmid 1939, S. 67-69

34 vgl. Kunze 1975, S. 320f.

35 vgl. Feuerstein-Herz 2007, S. 37

36 vgl. Klinkow 2007, S. 5f.

37 vgl. Mägdefrau 1973, S. 4 und Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 9f.

38 vgl. Dressendörfer 2003, S. 14f.

39 vgl. Schulze 2011, S. 9, 17 und Dressendörfer 2003, S. 22f.

40 Heilmann 1973, S. 18

41 vgl. Birkhan 2012, S. 16 und Jahnke-Wurm 2009, S. 2-4

42 vgl. Schulze 2011, S. 9, 17

43 vgl. Dilg 1989, S. 1477

44 vgl. Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 13

45 vgl. Dressendörfer 2003, S. 14f.; Marzell 1967, S. 13f. und Lexikonartikel 2012. Hippokrates.

46 vgl. Mägdefrau 1973 S. 4f. und Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 10-13

47 vgl. Mägdefrau 1973, S. 6-8 und Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 11f.

48 vgl. Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 13, 28 und Arber 1986, S. 8f., 185

49 Feuerstein-Herz 2007, S. 33-35 und Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 11-15

50 Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 14f. und Busse und Carter 1968, S. 54-56

51 Dressendörfer 2003, S. 22f.

52 vgl. Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 15-17

53 Erläuterung s. S. 21

54 vgl. Nissen 1951 S. 16-20; Birkhan 2012, S. 17 und Mägdefrau 1973, S. 10f.

55 vgl. Busse und Carter 1968, S. 77f.; Mazal 1999, S. 72

56 vgl. Schmitz 1998, S. 187-189 und Friedrich und Müller-Jahncke 2005, S. 366f.

57 vgl. Birkhan 2012, S. 16

58 vgl. Friedrich (Hg.) 2009, S. 398f.; Fischer 1967, S. 116 und Lexikon des gesamten Buchwesens 1955. Kräuterbücher, S. 331

59 vgl. Schmitz 1998, S. 187

60 vgl. Schnell 2009, S. 397 und Birkhan 2012, S.15

61 vgl. Baumann, Baumann und Baumann-Schleihauf, 2001, S. 21

62 vgl. Schmid 1939, S. 70

63 vgl. Dilg 1989, S. 1478

64 vgl. Heilmann 1973, S. 17-21 und Birkhan 2012, S. 22

65 vgl. Schmid 1939, S. 68-71

66 vgl. Dillemann 1982, S. 1723f.

67 vgl. Birkhan 2012, S. 24 und Heilmann 1973, S. 18

68 vgl. Müller-Jahncke 1987, S. 77

69 vgl. Schneider 1953, S. 1477f.

70 vgl. Schmitz 1998, S. 385

71 vgl. Baumann, Baumann und Baumann-Schleihauf 2001, S. 21

72 vgl. Kunze 1975, S. 320-322

73 vgl. Müller 2011, S. 83 und Dillemann 1982, S. 1726f.

74 vgl. Fischer 1967, S. 47f.

75 vgl. Dressendörfer 2003, S. 24

76 vgl. Fischer 1967, S. 46-50

77 vgl. Fischer 1967, S. 15f. und Dillemann 1982, S. 1727

78 vgl. Birkhan 2012, S. 22; Lexikon des gesamten Buchwesens 1955. Kräuterbücher, S. 331 und Schmid 1939, S. 70

79 vgl. Fischer 1967, S. 20-24; Keil 2005, S. 262f. und Richter 2005, S. 1137-1139

80 vgl. Dressendörfer 2003, S. 29f.; Birkhan 2012, S. 23-25 und Mägdefrau 1973, S. 13-15

81 vgl. Fischer 1967, S. 30

82 vgl. Mägdefrau 1973, S 15-19; Heilmann 1973, S. 70f. und Birkhan 2012, S. 26f.

83 vgl. Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 85-88 und Heilmann 1973, S. 150f.

84 vgl. Dressendörfer 2003, S. 33; Schmid 1939, S. 71-73 und Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 90

85 vgl. Fischer 1967, S. 79-82; Dressendörfer 2003, S. 33-36 und Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 92

86 vgl. Schmid 1939, S. 80-82; Dressendörfer 2003, S. 36f. und Müller und Dressendörfer (Hg.) 2011, S. 94

87 vgl. Müller-Jahncke 2011, S. 7 und Friedrich und Müller-Jahncke 2005, S. 102

88 vgl. Berg, Hammerstein und Buck 1996, S. 62, 198f., 443

89 vgl. Klinkow 2007, S.9

90 vgl. Dilg 1978, S. 67

91 vgl. Friedrich und Müller-Jahncke 2005, S. 403

Ende der Leseprobe aus 196 Seiten

Details

Titel
Die Geschichte der Kräuterbuchliteratur
Hochschule
Hochschule Hannover  (Fakultät III – Medien, Information und Design Abteilung Information und Kommunikation)
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
196
Katalognummer
V371344
ISBN (eBook)
9783668493742
ISBN (Buch)
9783668493759
Dateigröße
4701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Kräuterbücher, Herbarien, Herzog August Bibliothek, Pflanzennomenklatur, Botanik, Kräuterbuch, Herbarium, Siegesbeck
Arbeit zitieren
Henrike Fricke (Autor:in), 2013, Die Geschichte der Kräuterbuchliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/371344

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