Nomeninkorporation


Hausarbeit, 2004

23 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1. Definition

2. Die Typen der Nomeninkorporation
2.1 Typ I der Nomeninkorporation: Lexikalisches Verbinden
2.1.1 Zusammensetzung durch Nebeneinanderstellung
2.1.2 Ozeanische Sprachen
2.1.3 Morphologisches Verbinden
2.1.4 Australische Ureinwohnersprachen
2.1.5 Quintessenz des Verbindens
2.2 Typ II der Nomeninkorporation: Die Manipulation von Kasus
2.2.1 Blackfoot
2.2.2 Quintessenz des Typs II der Nomeninkorporation
2.3 Typ III der Nomeninkorporation: Die Manipulation der Diskursstruktur
2.3.1 Huahtla Nahuatl
2.3.2 Quintessenz des Typs III der Nomeninkorporation
2.4 Typ IV der Nomeninkorporation: Klassifizierende Nomeninkorporation
2.4.1 Gunwinggu

3. Die Entwicklung der Nomeninkorporation

4. Der Verfall der Nomeninkorporation
4.1 Der Verfall in Phase I
4.2 Der Verfall in Phase II
4.3 Der Verfall in Phase III
4.4 Der Verfall in Phase IV

5. Schlussfolgerung

Literatur

Einleitung:

Im folgenden sollen die verschiedenen Typen und Phasen der Nomeninkorporation sowie deren Funktionen behandelt werden.

1. Definition

Der inkorporierende Sprachbau ist ein „von W. v. Humboldt (1836) unter morphologischen Aspekten aufgestellter Klassifikationstyp für Sprachen, die die Tendenz haben, die syntaktischen Beziehungen im Satz durch Aneinander- und Ineinanderfügen lexikalischer und grammatischer Elemente auszudrücken.“ (Bußmann 1983, 211).

Nomeninkorporation ist eine morphologische Konstruktion und wird in vielen Sprachen verwendet, die weder geographisch noch genetisch miteinander verwandt sind. Sie dient der Derivation lexikalischer Items und wird für vier unterschiedliche Zwecke verwendet, welche hierarchisch geordnet sind. Bei der Nomeninkorporation wird ein Nominalstamm mit einem Verbstamm verbunden, wobei ein größerer Verbstamm entsteht. Alle Sprachen, die diese morphologischen Strukturen enthalten, haben auch syntaktische Paraphrasen.

2. Die Typen der Nomeninkorporation

Die Nomeninkorporation hat verschiedene Funktionen, die alle in Beziehung zueinander stehen. Die vier Typen der Nomeninkorporation unterliegen einer implikationalen Hierarchie.

Unterschiede zwischen Sprachen bezüglich der Produktivität dieser Typen weisen darauf hin, dass die Entwicklung der Nomeninkorporation im Laufe der Sprachgeschichte an einem bestimmten Punkt stehen geblieben sein könnte.

2.1 Typ I der Nomeninkorporation: Lexikalisches Verbinden

Eine inkorporierende Sprache enthält immer grundlegende lexikalische Komposita. Strukturell besteht das Verbinden aus der Derivation eines komplexen lexikalischen Items aus einer Kombination zweier oder mehr Stämme. Die Konstituentenstämme können zu fast jeder grammatikalischen Kategorie, also Nomina, Verben, Adjektiven etc. gehören. Eine Sprache, die nur bestimmte Verbindungen vornimmt, enthält nicht unbedingt alle möglichen Kombinationen. Die in Sierra Leone gesprochene Sprache Mende beispielsweise deriviert nur Nomina von Nomina (N + N > N), während die nigerianische Sprache Igbo nur Verben von Verben deriviert (V + V > V) und die in New York State gesprochene Sprache Tuscarora nur Verben von Nomina und Verben deriviert (N + V > V). Einige Sprachen, wie das Englische und Türkische erlauben nur bestimmte Arten von Komposita, wie N + N > N; N + V > N; N + V > V; ADJ + N > N; N + ADJ > ADJ, etc. (Mithun 1984, 848).

Das Verbinden wird dann vorgenommen, wenn Einheiten, Eigenschaften oder Aktivitäten als nennenswert betrachtet werden. So sind beispielsweise im Englischen die nominalen Komposita bus money oder lunch money sehr viel wahrscheinlicher als die Komposita sock money oder screwdriver money (Mithun 1984, 848).

Komposita besitzen einen lexikalischen Status, den ihre lexikalische Pendants nicht haben.

Der Terminus „Inkorporation“ bezieht sich auf eine bestimmte Art des Verbindens, wobei ein Verb und ein Nomen zusammengesetzt werden, um ein neues Verb zu formen. Das Nomen übernimmt eine spezifische semantische Beziehung zu dem ihm hinzugefügten Verb, nämlich als Patiens, Lokativ oder Instrument. Die von der Nomen-Verb-Kombination bestimmte Aktivität oder Eigenschaft wird als ein erkennbarer, einheitlicher Begriff angesehen.

Diese Art des Verbindens hat einen starken Einfluss auf die Rolle des betreffenden Nomens. Das Wort berry im Satz He is off berry-picking bezieht sich nicht auf eine bestimmte Beere (berry), ebenso wenig auf einen bestimmten Strauch mit Beeren; es schränkt das Verb ein, indem es die Vorgehensweise des Pflückens (picking) beschreibt (Mithun 1984, 849).

Der Grad der Zusammengehörigkeit zwischen den Konstituenten eines Kompositums spiegelt grundsätzlich den gesamten morphologischen Charakter einer Sprache wider. In einigen Fällen behalten die Konstituenten ihre formale Eigenschaft als separate Wörter; in anderen Fällen jedoch verlieren sie ihren eigenen Charakter teilweise oder vollständig.

2.1.1 Zusammensetzung durch Nebeneinanderstellung

Viele Sprachen enthalten Konstruktionen, in denen ein Verb und sein direktes Objekt nebeneinandergestellt werden, um eine besonders enge Bindung zu formen. In diesem Fall bleiben sowohl das Verb als auch das Nomen separate Wörter, aber auch hier verliert das Nomen seinen syntaktischen Status als Argument des Satzes, und die Verb-Nomen-Einheit fungiert als ein intransitives Prädikat. Wie bei anderen Verbindungen, beschreibt die Phrase eine einheitliche Aktivität, in der die Komponenten ihre Haupteigenschaften verlieren.

2.1.2 Ozeanische Sprachen

In den ozeanischen Sprachen ist das Verbinden dieser Art weit verbreitet.

Die ozeanischen Sprachen sind relativ analytisch und enthalten eine weitgehend feste, kasusbasierende Wortanordnung, obwohl die eigentlichen Kasussysteme und die freien Wortanordnungen von Sprache zu Sprache variieren.

Mokilese (Mikronesien, Austronesien):

a. Ngoah kohkoa oaring-kai

I grind coconut-these

“I am grinding these coconuts”

b. Ngoah ko oaring

I grind coconut

“I am coconut-grinding”

(Harrison 1976 in Mithun 1984, 849)

Im Satz (a.) sind die Objekte unabhängig, während sie im Satz (b.) an ihre Verben gebunden sind, was als „Inkorporation“ bezeichnet wird.

Yapese (Mikronesien, Austronesien):

a. Gu bea chuwqiy ea mareaw

I PRES buy CONN copra

“I am buying copra”

b. Gu bea chuwaay’ mareaw

I PRES buy copra

“I am copra-buying”

(Jensen 1977 in: Mithun 1984, 850)

Die Nomen-Verben-Bindung ist sowohl semantisch als auch syntaktisch. Die Sätze mit unabhängigen Objekten würden verwendet werden, wenn die Objekte nennenswert wären, aber diejenigen mit inkorporierten Objekten zeigen einheitliche, institutionalisierte Aktivitäten, nämlich coconut-grinding und copra-buying an. Die Objekte modifizieren die Art der jeweiligen Aktivität. Diese Konstruktionen werden grundsätzlich verwendet, um Aktivitäten oder Ereignisse zu beschreiben, deren Patiens weder spezifisch noch zählbar sind. Die formale Einheit der Verb-Objekt-Konstituente ist weniger eindeutig. In den meisten der relevanten Sprachen werden sowohl das Verb als auch das Nomen als separate Wörter geschrieben, die ihre unabhängigen Betonungsmuster behalten.

Aspektsuffixe, die in den mikronesischen Sprachen normalerweise dem Verb folgen, folgen in den Konstruktionen mit inkorporiertem Objekt dem Verb-Nomen-Komplex.

Ponapean:

a. I kanga-la wini-o.

I eat-COMP medicine-that

“I took all that medicine”

b. I keng-winih-la.

I eat-medicine-COMP

“I completed my medicine-taking”

(Rehg 1981 in: Mithun 1984, 850)

Im transitiven Satz (a.) folgt das Suffix –la direkt dem Verb kang (eat), im Satz (b.), einer Konstruktion mit inkorporiertem Objekt, folgt das Suffix dem ganzen Verb-Nomen-Komplex.

Auch die Platzierung der Adverbien der Art und Weise gibt Aufschluss über die Bindung zwischen Verben und inkorporierten Objekten. Ein weiteres Anzeichen für die formale Bindung zwischen Verben und inkorporierten Sprachen in den ozeanischen Sprachen ist die Tatsache, dass der Verb-Nomen-Komplex syntaktisch als intransitives Prädikat dient. Dies ist in den ergativen Sprachen besonders offensichtlich. Hier stehen die Subjekte transitiver Sätze im ergativen Kasus, die Subjekte intransitiver Sätze hingegen im Absolutiv.

Im Tongan hängt die Form eines Relativsatzes von seiner Transitivität ab (vgl. Chung in Mithun 1984, 851). Die Subjekte transitiver Relativsätze erscheinen als Pronomina, und die Subjekte der 3. Person in intransitiven Sätzen sind entfernt.

Auch die Nominativ/Akkusativ-Sprachen stellen einen Beweis für den intransitiven Status von Verb-Objekt-Komposita dar. In den Sprachen Yapese und Kusaien können intransitive Verben als Nomina verwendet werden, während transitive Verben mittels eines Suffixes nominalisiert werden müssen.

In all diesen Sprachen ist der Prozess der Nomeninkorporation sehr produktiv. Wie bei allen lexikalischen Derivationen, werden die Formen häufig für bestimmte Zwecke erschaffen, ihre Hauptbedeutungen sind daher nicht unbedingt gleichwertig mit dem vollen Umfang an Bedeutungen ihrer verbundenen Konstituenten.

2.1.3 Morphologisches Verbinden

In vielen Sprachen ist die formale Bindung zwischen Verb und inkorporiertem Nomen wesentlich enger als beispielsweise im Mokilese. Die Komposita werden von den Sprechern als einzelne Wörter betrachtet und sind abhängig von allen regelmäßigen wortinternen phonologischen Prozessen.

2.1.4 Australische Ureinwohnersprachen

Viele australische Sprachen machen einen umfangreichen Gebrauch des morphologischen Verbindens, was teilweise aus dem Tabu resultiert, den Namen einer verstorbenen Person, oder, wie in vielen Fällen, ein dem Namen ähnelndes Wort auszusprechen. Dieses Tabu verlangte nach der Erschaffung neuer lexikalischer Items, die häufig durch neue Komposita vervollständigt werden. Für diesen Zweck geformte Komposita bezeichnen insbesondere vereinheitlichte Konzepte, seit sie zur Ersetzung einzelner lexikalischer Items bestimmt sind.

Besonders in den westlichen Sprachen ist der Anteil der Komposita in Relation zu monomorphologischen Verbstämmen erstaunlich hoch. Die Sprache Gurindji enthält über 1000 Kompositum-Verbstämme, jedoch nur etwa 30 monomorphologische Verbstämme (Dixon 1980 in: Mithun 1984, 855). In der Sprache Walmatjari sind von etwa 600 Verbstämmen nur ungefähr 60 monomorphologisch. Die monomorphologischen Verbstämme erscheinen sowohl allein, als auch als der zweite Bestandteil von Komposita (Hudson 1978 in: Mithun 1984, 855). Obwohl der lexikalische Prozess immer noch produktiv ist, hat die lexikalische Ersetzung die Transparenz bestehender Komposita beeinträchtigt. Das Verb kommt an einer anderen Stelle immer noch als unabhängiges lexikalisches Item vor, nicht aber die erste Konstituente.

[...]

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Details

Titel
Nomeninkorporation
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Sprachwissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Typologie und Universalienforschung
Note
gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V37104
ISBN (eBook)
9783638365468
ISBN (Buch)
9783638653848
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nomeninkorporation, Typologie, Universalienforschung
Arbeit zitieren
Sarah Jung (Autor:in), 2004, Nomeninkorporation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37104

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