Ist der Front National unter Marine le Pen noch rechtsextrem?

Eine Betrachtung des Parteiprogramms und des öffentlichen Auftritts nach Jaschke und Stöss


Hausarbeit, 2015

15 Seiten, Note: 2,7

Bianca Siebenaller (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichte des Front National bis 2011

3. Begriffsdefinitionen
3.1. Definition des Rechtsextremismus nach Jaschke
3.2. Klassifizierung der Parteien nach Stöss

4. Analyse des aktuellen Parteiprogramms in Auszügen

5. Der Front National in den Medien

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Mai 2014 erlangte der Front National (FN) unter der Führung Marine le Pens 24,86% der Stimmen bei der Europawahl und wurde somit stärkste Partei, während die etablierte Union pour un Mouvement Populaire (UMP) unter Sarkozy mit 20,81% und die Parti Socialiste (PS) des amtierenden Präsidenten Francois Hollandes mit 13,98% geschlagen wurden.1

Erstmals bekommt die Partei die Möglichkeit, eine Fraktion mit anderen rechten Parteien im Europaparlament zu formen. Die Fraktion nennt sich Europa der Nationen und der Freiheit mit 38 Sitzen. Durch die entstandene Fraktion erhalten die Parteien, darunter auch der FN, Gelder in Höhe von 17,5 Mio. Euro, Einfluss in Ausschüssen und Medienpräsenz. Mit diesem Ergebnis feiert Marine le Pen einen der größten Erfolge in der Parteigeschichte.2

Parteigründer Jean-Marie le Pen, der dem rechtsextremen Lager angehört und für antisemitische Äußerungen, als auch für die Verharmlosungen des Holocaust bekannt ist, gab im Januar 2011 den Parteivorsitz an seine Tochter Marine le Pen ab. Bevor sie den Parteivorsitz übernahm, verfolgte die Partei einen rechtsextremen Kurs. Seit dem Amtswechsel vollzieht der FN einen Wandel, in dem er sich als „weder rechts noch links“3 präsentiert und offensichtlich rechtsextreme Inhalte aus dem Parteiprogramm verbannt.

Diese Arbeit untersucht die Fragestellung, ob der FN nach der Definition von Jaschke nach der aktuellen Kampagne Marine le Pens rechtsextrem ist und welchem Parteityp nach Stöss der FN zugeordnet werden kann. Anhand ausgewählter Beispiele werden Programmatik und öffentlicher Auftritt der Partei auf rechtsextreme Inhalte untersucht.

Nicht im Interesse dieser Ausarbeitung liegt die vollständige Untersuchung des Parteiprogramms oder des öffentlichen Auftritts des FN, sondern nur der für die Analyse relevanten Programmpunkte. Zu Beginn in Kapitel zwei wird die Geschichte des FN kurz umrissen. In Kapitel drei wird die Basis der Analyse mit den

Begriffsdefinitionen nach Jaschke und Stöss gelegt, um schließlich in die Analyse des Parteiprogramms in Kapitel 4 einzusteigen. Einige ausgewählte öffentliche Auftritte aus den Jahren 2011 bis 2015 von Parteimitgliedern des FN werden im Kapitel 5 unter die Lupe genommen. Abschließend folgt ein Fazit.

2. Geschichte des Front National bis 2011

Der FN hat sich 1972 aus unterschiedlichen rechtsextremen Gruppen unter Jean-Marie le Pen geformt. Le Pen war seither Vorsitzender der Partei bis 2011, als seine Tochter Marine le Pen den Amtsvorsitz übernahm.4 Er amtiert seit dem als Ehrenvorsitzender.

Mit seinen rechtsextremen Parolen und antisemitischen, rassistischen Äußerungen konnte er bereits im Gegensatz zu anderen westeuropäischen rechtsextremen Parteien zweistellige Wahlergebnisse erzielen wie beispielsweise in der Kommunalwahl des Pariser Vororts Dreux im September 1983 mit knapp 17% der Wählerstimmen.5

Im Jahr 1984 erzielte die Partei 11% der Stimmen bei der Europawahl, seit der Le Pen einen Sitz als Abgeordneter im Europaparlament bis heute innehat. Seitdem spielt der FN eine ständige Rolle bei Frankreichs Wahlen, wobei den Höhepunkt seiner Amtszeit die Präsidentschaftskandidatur 2002 darstellt, bei der er den Sozialisten Lionel Jospin ausstechen konnte, die Stichwahlen gegen Jacques Chirac allerdings knapp verlor. Trotz innerer Richtungskämpfe und Abspaltungen, wie der von Bruno Mégret 1998 erzielte der FN stets mehr als 10% bei den Europawahlen mit Ausnahme des Jahres 2009, bei der die konservative Partei UMP unter Sarkozy dem FN viele Wählerstimmen abgriff, sodass der FN nur 6,3% erzielte, das niedrigste Ergebnis seiner ganzen Geschichte.6

Bereits im Jahr 2007 sind erste Öffnungsversuche des FN hin zu einem anderen Kurs zu erkennen. 2011 übernahm Marine le Pen den Parteivorsitz und begann ihre medienwirksame „Dédiabolisierungskampagne“.

3. Begriffsdefinitionen

Rund um den Extremismusbegriff findet eine Forschungsdebatte statt, die keine einheitliche Definition zu diesem Begriff zulässt, viel mehr gibt es unterschiedliche Modelle und Theorien zur Erfassung des Begriffs, als auch kritische Kommentare. Manche Kritiken reichen von Vorwürfen über unangemessene Rechts-Links- Unterscheidung und Eindimensionalität des Modells, über die Verwendung des Extremismus als politischen Kampfbegriff bis hin zum Vorwurf des Historikers W.Wippermann, der mit seiner Kritik des Extremismus als „nicht existierendes Konstrukt“7 dem Begriff jegliche Grundlage entzieht.8

Da es nicht Ziel der Arbeit ist, den Extremismusbegriff ausführlich zu diskutieren, werden im Schwerpunkt der Analyse des Parteiprogramms und des öffentlichen Auftritts des FN auf rechtsextreme Inhalte und Gefahrenpotential zwei gängige Extremismusdefinitionen vorgestellt. Für weiterführende Information können Nachschlagewerke, wie der jährlich erscheinende Sammelband „Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung“, herausgegeben von Armin Pfahl-Traughber, oder der ebenfalls jährlich erscheinende Band „Extremismus & Demokratie“, herausgegeben von Uwe Backes und Eckhard Jesse, herangezogen werden. Neben den bereits genannten Autoren sind die Definitionen von Hans-Gerd Jaschke und Richard Stöss, auf die sich die Arbeit im Folgenden bezieht, weitgehend anerkannt.

3.1. Definition des Rechtsextremismus nach Jaschke

Jaschke geht in seiner Definition von den drei Ebenen „Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen“ aus, charakterisiert durch soziale Ungleichheit, die von rassischer oder ethnischer Herkunft herrühren. Daraus resultiert das Streben nach ethnischer Homogenität von Völkern, womit das Gleichheitsgebot der Menschrechts-Deklarationen abgelehnt wird. Es wird ein starker Staat gefordert, der die Rolle der Gemeinschaft über das Individuum stellt. Daraus folgen die Ablehnung des Wertepluralismus der liberalen Demokratie und schließlich auch die

Abschaffung dieser. Des Weiteren definiert Jaschke rechtsextremistische Zielsetzungen als solche, die sich aus den eben genannten Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen ergeben. Die Schaffung einer homogenen Gemeinschaft in einem starken Nationalstaat wird angestrebt, indem Individualismus und Multikulturalismus abgelehnt und aufgehoben werden. Er bezeichnet Rechtsextremismus als Protestform, die aus der Reaktion sozialen Wandels und Verwerfungen durch industriegesellschaftliche Entwicklung entsteht und europaweit in Ansätzen verbreitet ist.9

3.2. Klassifizierung der Parteien nach Stöss

Richard Stöss10 geht mit seiner Klassifizierung der Parteitypen weiter ins Detail und macht es möglich, die diversifizierte Parteienlandschaft in drei Extremismustypen zu gruppieren. In der Klassifizierung der zu untersuchenden Kriterien sind „Bedeutung bzw. Intensität von Nationalismus und Ethnozentrismus in Programm und Praxis“ als auch „Haltung gegenüber den jeweiligen herrschenden Systemen“, welches die Ausprägung systemkonform, systemkritisch oder systemfeindlich annehmen kann, wobei der Übergang von systemkritisch zu systemfeindlich fließend ist.11

Typ 1 zeichnet sich durch Systemkonformität und gemäßigten Nationalismus sowie Fremdenfeindlichkeit aus, wobei durchaus Kooperationen mit liberalen und konservativen Parteien aus dem etablierten politischen Spektrum möglich ist, aber nicht mit rechtsextremistischen Parteien des Typs 2 und 3. Diesen Parteityp bezeichnet Stöss als „Extremismus light“.12

Typ 2 ist nationalistisch-völkisch und systemkritisch eingestellt. Er lehnt eine Zusammenarbeit mit Parteien des Typs 1 ab, da er von seinen Mitgliedern nicht als Mitglied des nationalistischen Lagers wahrgenommen wird. Von Parteien des

Typs 3 grenzt er sich ab. In Programmatik, Strategie und Wahlerfolg nimmt er eine mittlere Position zwischen dem Typ 2 und Typ 3 ein.13

Typ 3 ist (neo-)faschistisch bzw. (neo-)rassistisch eingestellt, systemfeindlich und geht, wie Typ 2, keine Kooperation mit Typ 1 ein. Er sympathisiert allerdings mit Parteien des Typs 2. Parteien mit faschistischem Bezug in Form von Splittergruppen kommen in fast jedem Land vor. Ohne großen Einfluss in der Parteienlandschaft besteht dennoch ein hohes Extremismuspotential durch Kontakt zur gewalttätigen Szene.14

4. Analyse des aktuellen Parteiprogramms in Auszügen

„Le Projet“, das Programm des FN ist in die fünf Kapitel „Autorität des Staates“, „die Zukunft der Nation“, „Außenpolitik“, „Wirtschafts- und Sozialreformen“ und „Republikanische Erneuerung“ [Übers. d. Verf.] gegliedert.15 Rechtsextremistische Elemente sind nur in wenigen Forderungen zu finden, aber der rote Faden „ni droite, ni gauche, français“ zieht sich durch das ganze Programm.

Nach Jaschke ist ein Merkmal des Rechtsextremismus die Ungleichheit der Menschen, rassisch oder ethnisch. Der FN unterscheidet zwar nicht nach Rassen und Ethnien, macht allerdings die Zugehörigkeit zur „privilegierten Klasse“ von der französischen Staatsbürgerschaft abhängig. Das Staatsangehörigkeitsgesetz soll durch den Wegfall des Geburtsortsprinzips gründlich reformiert und die doppelte Staatsbürgerschaft abgeschafft werden. „être français est un honneur“16, die man sich verdient, wenn man sich legal auf französischem Staatsgebiet länger aufhält, die Sprache beherrscht und bereit ist, sich zu assimilieren.17 Durch die französische Staatsbürgerschaft sollen die Menschen viele Vorteile, wie den Zugang zu Sozial- und Gesundheitssystemen18, sowie die bevorzugte Einstellung bei gleicher Qualifikation im Beruf19 erhalten.

[...]


1 Vgl. http://www.europarl.europa.eu/elections2014-results/de/country-results-fr-2014.html

2 Vgl. http://www.treffpunkteuropa.de/instabile-rechtsfraktion-im-eu-parlament

3 Vgl. Camus, Jean-Yves: Der Front National - eine rechtsradikale Partei?, Friedrich-Ebert-Stiftung 2014, S. 5.

4 Vgl. Camus, Jean-Yves: Der Front National (FN) - eine rechtsradikale Partei?, S.2.

5 Vgl. http://www.zeit.de/1983/51/rechte-an-die-front

6 Vgl. Camus, Yves-Jean: ebd. S.2.

7 Vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Kritik der Kritik der Extremismustheorie. Eine Auseinandersetzung mit einschlägigen Vorwürfen, in: Pfahl-Traughber, Armin: Jahrbuch für Extremismus und Terrorismusforschung, Brühl/Rheinland 2013, S.34.

8 Vgl. ebd., S.34-52.

9 Jaschke, Hans-Gerd (Hg.): Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Begriffe, Positionen, Praxisfelder, Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden, 2001, S.30.

10 Deutscher Politikwissenschaftler (*1944), tätig als außerplanmäßiger Professor an der FU Berlin mit den Forschungsschwerpunkten Rechtsextremismus und Parteienforschung

11 Stöss, Richard: Rechtsextremismus im Wandel., Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2010, S.183-194

12 Vgl. ebd.

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. ebd.

15 Vgl. http://www.frontnational.com/le-projet-de-marine-le-pen/

16 Vgl. http://www.frontnational.com/le-projet-de-marine-le-pen/autorite-de-letat/immigration/

17 Vgl. ebd.

18 Vgl. http://www.frontnational.com/le-projet-de-marine-le-pen/avenir-de-la-nation/sante/

19 Vgl. http://www.frontnational.com/le-projet-de-marine-le-pen/autorite-de-letat/immigration/

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Ist der Front National unter Marine le Pen noch rechtsextrem?
Untertitel
Eine Betrachtung des Parteiprogramms und des öffentlichen Auftritts nach Jaschke und Stöss
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Politischer Extremismus im demokratischen Verfassungsstaat
Note
2,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
15
Katalognummer
V370965
ISBN (eBook)
9783668494213
ISBN (Buch)
9783668494220
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Front National, Marine le Pen, Rechtsextremismus, FN, UMP, PS, Jean-Marie le Pen
Arbeit zitieren
Bianca Siebenaller (Autor:in), 2015, Ist der Front National unter Marine le Pen noch rechtsextrem?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370965

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ist der Front National unter Marine le Pen noch rechtsextrem?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden