Rivalitäten im Sport. Der Einfluss kommunikativer Botschaften auf aggressive Verhaltenstendenzen der Fans


Hausarbeit, 2016

35 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Aggressivität
2.2 Social Identity Theory
2.3 Ansätze der Konfliktregulierung
2.4 Ansatz der Dualen Identität
2.5 Untersuchungsmodell und Hypothesen

3 Methodik

4 Statistische Auswertung und Ergebnisanalyse

5 Diskussion
5.1 Theoretische und praktische Implikationen
5.2 Limitationen der Untersuchung und Vorschläge für zukünftige Studien
5.3 Fazit

6 Literaturverzeichnis

Anhang

Anhang A: Fragebogen mit Pressetexten

Abstract

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Problematik von Rivalität im Sport und orientiert sich an der folgenden forschungsleitenden Frage: „Wie kann das Management im Teamsport durch kommunikative Botschaften im Vorfeld von Derby-Spielen aggressive Verhaltenstendenzen und aggressive Emotionen seitens der Fans reduzieren?“. Dafür wurde eine Studie mit Fans der rivalisierenden Vereine 1. FC Nürnberg und SPVgg Greuther Fürth durchgeführt. Es sollte untersucht werden, wie sich die Kommunikationsstrategie der Beschwichtigung im Vergleich zu der Kommunikationsstrategie der dualen Identität auf aggressive Verhaltenstendenzen und aggressive Emotionen seitens der Fans auswirkt. Dabei floss die Stärke der dualen Identität als vermittelnde Variable mit in die Beurteilung ein. Da dieses Thema noch nicht ausreichend erforscht wurde, ist die vorliegende Studienarbeit einer der ersten Versuche dem Management von Vereinen wertvolle Handlungsempfehlungen zur Steuerung und zum Einsatz dieser Kommunikationsstrategien zu geben.

Auf der Basis vorliegender Theorien und Literatur wurden fünf Hypothesen zu den genannten Variablen entwickelt. Ergebnis war, dass die bisher noch kaum eingesetzte Kommunikationsstrategie der dualen Identität der aktuell am häufigsten angewandten Strategie der Beschwichtigung vorzuziehen ist, weil sie positivere Effekt auf die Reduzierung aggressiver Verhaltenstendenzen und aggressiver Emotionen seitens der Fans vorweisen kann.

Diese Ansätze und Limitationen, Implikationen sowie Vorschläge für zukünftige Forschungsfelder werden in der vorliegenden Arbeit diskutiert.

Keywords: Rivalität, kommunikative Botschaften, Derby, aggressive Verhaltenstendenzen, aggressive Emotionen, Fans, Beschwichtigung, duale Identität

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Untersuchungsmodell

Abbildung 2. Auswirkungen der verschiedenen Kommunikationsbotschaften auf aggressive Verhaltenstendenzen

Abbildung 3. Auswirkungen der verschiedenen Kommunikationsstrategien auf aggressive Emotionen

Abbildung 4. Stärke der Dualen Identität bei den Nürnberger und Fürther Fans

Abbildung 5. Einfluss auf die Entwicklung der Stärke der Dualen Identität

1 Einleitung

Blau-Weiß oder Schwarz-Gelb? Herne-West oder Lüdenscheid-Nord? Schalke oder Dortmund?

Diese Fragen stellt sich womöglich jeder werdende Fußballfan im Ruhrgebiet in Deutschland und steht somit vor einer wichtigen, wenn nicht sogar zukunftsweisenden Entscheidung in seinem Leben. Denn: Er schließt sich damit einem der seit den 1960er Jahren rivalisierenden deutschen Fußball-Traditionsvereinen an (Schnittker, 2011) und muss sich der Bedeutung dieser Rivalität zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund sowie deren Auswirkungen auf die Faszination „Fußball“ bewusst sein.

Rivalitäten zwischen Fans von Vereinen sind ein weit verbreitetes Phänomen in vielen Sportarten und -Ligen. Speziell im Fußball wird oft von „Erzrivalen“ oder einer „großen Rivalität“ zwischen zwei Mannschaften und deren Anhängern gesprochen. In der Sport- und Verhaltensliteratur gibt es die unterschiedlichsten Erklärungsansätze für den Begriff Rivalität, jedoch existiert bislang noch keine einheitliche Definition. Nach Havard et al. (2013) versteht man unter einer Rivalität im Sport eine Wettbewerbsbeziehung zwischen zwei feindlichen Mannschaften, Spielern oder Gruppen von Fans. Zweimal in der Saison treffen die Erzrivalen Schalke und Dortmund im sogenannten „Revierderby“ aufeinander. „Derbys sind im Mannschaftssport Begegnungen zweier Vereine aus derselben Region, zwischen denen eine starke Rivalität besteht“ (Gottschlich, 2015). Seit es den Fußball gibt, üben Derbys auf Fans und Spieler eine ganz besondere Wirkung aus. Egal ob Schalke gegen Dortmund spielt, Gladbach gegen Köln oder Nürnberg gegen Fürth, bei allen Beteiligten steigen die Emotionen und der Puls vibriert. Unabhängig objektiver Charakteristika wie sportlicher Erfolg oder der aktuellen Tabellensituation nehmen diese Aufeinandertreffen für die Vereine selbst, das Umfeld und die Anhänger der Klubs einen außergewöhnlichen Stellenwert ein und sind von einer besonders hohen symbolischen Bedeutung geprägt (Kilduff et al., 2010).

„Es ist kein Bundesligaspiel, es ist etwas ganz Besonderes. Egal, wie gut der Gegner drauf sein mag, es ist alles möglich.“ - Ralf Fährmann, Torhüter des FC Schalke 04, vor dem Revierderby gegen den BVB im April 2016 (Süddeutsche Zeitung, 2016)

Gemäß Converse und Reinhard (2015) sind die Begegnungen mit Rivalen so stark psychologisch und historisch verankert, dass sich der Ausgang des Spiels auf die Zukunft bzw. das Erbe der Beteiligten auswirkt und somit zu einem hohen Identitätsgewinn oder Identitätsverlust beitragen kann. Bei diesen Spielen geht es somit nicht nur um den bloßen Sieg, es geht um Ehre, Religionen und Status. Berendt und Uhrich (2015) haben Rivalitäten im Sport als zweischneidiges Schwert mit positiven als auch negativen Konsequenzen bezeichnet. Die negative Seite von Derbyspielen ist, dass es immer wieder zu Ausschreitungen in Form von Gewalt und Anfeindungen, hervorgerufen durch aggressives Verhalten und aggressive Emotionen seitens der Fans, kommt. Da die Gewalttaten im deutschen Fußball sowohl an Intensität als auch an Häufigkeit zunehmen (DOSB, 2011), stellt sich die Frage nach präventiven Methoden. Eine Maßnahme, der sich die Verantwortlichen im Vorfeld dieser sogenannten „Risikospiele“ bedienen, ist die Kommunikationsstrategie der Beschwichtigung.

"Auch wenn die Emotionen auf und neben dem Platz hochkochen - in diesem SüdwestDerby ist kein Platz für Anfeindungen und Hasstiraden, für Gewalt und Pyrotechnik. Wer dieses Spiel dafür zum Anlass nimmt, versteht den Fußball und seine Faszination falsch.“ - gemeinsamer Aufruf im Vorfeld des Südwest-Derbys zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem Karlsruher SC im März 2015 an die Fans durch das Management beider Vereine (Süddeutsche Zeitung, 2015)

Mit Hilfe solcher Aussagen versuchen die Verantwortlichen der Vereine die Bedeutung dieser Spiele herunterzuspielen, zu gegenseitigem Respekt aufzurufen und an das Gewissen der Fans zu appellieren. Ob diese Kommunikationsstrategie jedoch tatsächlich einen positiven Effekt auf das Verhalten der Fans hat, wurde bis heute noch nicht ausreichend untersucht.

Des Weiteren versuchen die Vereine in Zusammenarbeit mit der Polizei Ausschreitungen mit Maßnahmen wie z.B. Stadionverboten, Fangruppentrennungen oder Bußgeldern entgegenzutreten (DOSB, 2011). Dennoch lösen solche Sanktionen die Problematik bis jetzt noch nicht, sondern dämmen sie lediglich ein. Trotz weitreichender Maßnahmen kommt es somit nach wie vor zu gewalttätigen Ausschreitungen und Anfeindungen im deutschen Fußball. Folgerichtig gibt es noch kein Rezept, das bei strikter Anwendung ein erfolgreiches Fanmanagement und somit eine Reduzierung aggressiven Verhaltens und aggressiver Emotionen seitens der Anhänger garantiert. Deshalb müssen sowohl Verein als auch Verband weiterhin die Nähe zu den Fans suchen. Jedoch liegt genau darin das Problem. Obwohl Fußball die Sportart Nummer eins in Deutschland ist (An der Heiden et al., 2015), schöpfen die Vereine ihr enormes Potenzial an kommunikativen Mitteln und Strategien bei weitem noch nicht aus.

Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke leisten. Das Ziel dieser Analyse ist es daher, unterschiedliche Kommunikationsbotschaften auf Basis vorliegender Theorien und Literatur zu identifizieren und deren Einfluss auf aggressive Verhaltenstendenzen vergleichend zu untersuchen. Zusätzlich soll die Arbeit eine neue Kommunikationsstrategie entwickeln und dem Management Empfehlungen zur Steuerung und zum Einsatz dieser Kommunikationsstrategien im Vorfeld von Derbyspielen geben.

Zur Realisierung dieser Zielsetzungen ist die Studienarbeit wie folgt aufgebaut: Um zu verstehen, warum sich Fans rivalisierender Mannschaften aggressiv verhalten, ist es förderlich, sich vorerst gründlich mit den einzelnen Merkmalen der Thematik Aggressivität auseinanderzusetzen. Deshalb wird zu Beginn ein kurzer theoretischer Überblick über den aktuellen Stand der Literatur zu dem Begriff Aggressivität gegeben und versucht, eine Verbindung zu der Thematik Rivalität herzustellen. Anschließend werden theoretische Grundlagen der Social Identity Theorie, Merkmale von Intergruppen Beziehungen und Ansätze zur Lösung von Identitätskonflikten vorgestellt. Diese Hintergrundinformationen sollen der besseren Nachvollziehbarkeit der Problematik dienen und einen konzeptionellen Rahmen für diese Arbeit schaffen. Aufbauend darauf werden das Untersuchungsmodell und die identifizierten Hypothesen vorgestellt. Die genaue methodische Vorgehensweise, sowie die Beschreibung und Auswertung der Ergebnisse einer Online-Befragung der rivalisierenden Vereine 1. FC Nürnberg und SPVgg Greuther Fürth schließt sich dem theoretischen Hintergrund an. Auf die Ergebnispräsentation folgt die Interpretation und Diskussion der Ergebnisse, die Darstellung theoretischer und praktischer Implikationen sowie ein Ausblick auf zukünftige Forschungsfelder. Ein Fazit rundet die vorliegende Studienarbeit ab.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Aggressivität

Im Alltag und in der Wissenschaft wird der Begriff Aggressivität sehr uneinheitlich verwendet. Es stellt sich die Frage, was genau man unter Aggressivität versteht, wie es zu aggressivem Verhalten kommt und in welcher Verbindung Aggressivität zu Rivalität steht.

Jeder kann sich unter dem Begriff Aggressivität etwas vorstellen. Jedoch gibt es keine eindeutige Definition für Aggression, weshalb die Unterschiede im individuellen Begriffsverständnis sehr vielfältig sein können. Die vorhandenen Definitionen decken ein breites Spektrum ab und reichen von abfälligen Äußerungen, Erpressungen und Nötigungen bis zur Anwendung körperlicher Gewalt (Nolting, 2000). Es fällt schwer eine Grenze zwischen aggressivem Verhalten und nicht-aggressivem Verhalten zu ziehen. Nicht jedes aggressive Gefühl drückt sich auch in aggressivem Verhalten aus, und nicht jedes aggressive Verhalten beruht auf aggressiven Gefühlen. Aggressive Emotionen und aggressives Verhalten müssen demnach gesondert betrachtet werden.

Die meisten Definitionsversuche von Aggression haben jedoch gewisse Gemeinsamkeiten, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Die Mehrheit der Theoretiker bezeichnet Aggression als ein Verhalten, das die Verletzung von Mitgliedern der eigenen Artgenossen intendiert (Merz, 1965; Scherer, Abeles & Fischer, 1975), welches oft mit einem willentlichen Zufügen von Leid einhergeht (Baron & Byrne, 2000). Ein solches Verhalten kann völlig unterschiedliche Ursachen haben. Während sich einige Autoren auf biologische (Riopelle, 1987), psychodynamische (Freud, 1930) oder ethologische (Lorenz, 1966) Ursachen berufen, möchte ich mich auf die psychosozialen und situationsbedingten Gründe für aggressives Verhalten beschränken, da sonst der Rahmen der Hausarbeit gesprengt werden würde. Anderson und Bushman (2002) haben Aggressionen in zwei Gruppen unterteilt: zum einen die instrumentelle Aggression (dem eigenen Vorteil dienend) und zum anderen die feindselige Aggression (emotionale Aggression, Ärger-Aggression). Oft genügt es schon zu wissen, dass ein anderer feindselige Absichten hegt, um Aggressionen auszulösen (Greenwell & Dengerink, 1973). Hinzu kommen noch die psychologischen Begleitumstände, wie zum Beispiel die aufgeheizte Stimmung im Stadium und Vorbehalte gegenüber anderen Gruppen, die eine Tendenz zur Aggressivität verstärken (Branscombe & Wann, 1992). Während einige Autoren festgestellt haben, dass die Identifikation mit einem Team oder die bloße Präsenz eines Rivalen das Aggressionsverhalten der Fans nicht wesentlich erhöht (Lewis, 2007), haben andere Autoren in ihren Studien herausgefunden, dass Fans eher zu gewalttätigen Handlungen gegenüber Fans und Spielern rivalisierender Teams bereit sind (Wann, Haynes, McLean & Pullen, 2003). Nach der Theorie von Zillmann und Cantor (1976), die ähnlich der Theorie der Schadenfreude von Melancor (2012) ist, empfinden Personen Freude, wenn ein Team, das sie unterstützen und mit dem sie sich identifizieren, gewinnt. Auf der anderen Seite empfinden sie Schadenfreude, darüber wenn der Rivale leidet oder verliert. Je mehr sich ein Mensch mit einer Gruppe identifiziert, desto mehr neigt er zur Schadenfreude gegenüber rivalisierender Teams (Melancor 2012). Dies wird vor allem an der Social Identity Theory von Tajfel und Turner (1979) deutlich und soll im Folgenden daran erklärt werden.

2.2 Social Identity Theory

Tajfel & Turner (1979) behaupten in ihrer Social Identity Theory, dass Menschen dazu neigen sich mit etwas zu identifizieren, um somit eine eigene soziale Identität entwickeln zu können. Individuen suchen nach Personen mit gleichen oder ähnlichen Interessen, denen sie sich anschließen oder mit denen sie teilweise völlig neue soziale Gruppen bilden können. Sie streben danach, eine positive soziale Identität zu erhalten, die vollständig durch die Mitgliedschaft zu einer Gruppe, wie zum Beispiel einer Sportmannschaft (Wann et al., 2008), definiert ist (Tajfel & Turner, 1979). Diese positive soziale Identität basiert teilweise auf vorteilhaften Vergleichen, die zwischen der In-Group (Eigengruppe) und einer relevanten Out-Group (Fremdgruppe) gezogen werden können. Die Eigengruppe wird dabei stets als die bessere wahrgenommen und es wird versucht, die Eigengruppe von der Fremdgruppe positiv abzugrenzen, um dadurch zu einer positiven sozialen Identität zu gelangen. Wenn die soziale Identität unbefriedigend ist, versuchen Individuen entweder ihre Gruppe zu verlassen und in eine positive Gruppe zu gelangen oder sie versuchen, ihre Gruppe stärker positiv von der Fremdgruppe abzusetzen. Gerade im Sport und vor allem im Fußball ist so eine kollektive Identität und konstitutive Abgrenzung von der Eigengruppe gegenüber der Fremdgruppe klar erkennbar. Freund-Feind Schemata sind gängig im Fußball (Lenhard, 2002). Fußballvereine prägen Identitäten durch Rivalität und Differenz. Vor allem Derbys mit dem Rivalen verdeutlichen diese identitätsstiftende Kraft von Fußballvereinen. Basierend auf Tyler und Cobbs (2015) stellt Rivalität eine Bedrohung für diese eigene soziale Identität dar. Wenn die eigene Identität bedroht ist, nimmt folglich auch die Gefahr für Aggressivität und Konflikte zu. Ebenfalls verantwortlich für die Entstehung dieser sozialen Konflikte ist die soziale Kategorisierung, verbunden mit der Identifikation mit der Eigengruppe und der Abgrenzung (Distinktheit) von der Fremdgruppe.

2.3 Ansätze der Konfliktregulierung

Die frühere Literatur, die sich mit den scheinbar unlösbaren Identitätskonflikten beschäftigt hat, hat eine ganze Reihe von Ansätzen identifiziert, wie man diese Konflikte versuchen kann zu lösen. In Bezug auf Lösungs- und Konfliktregulierungsstrategien beruft sich die Literatur vor allem auf die Kontakthypothese von Allport (1954). Diese besagt, dass ein Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Gruppen unter geeigneten Bedingungen zu einer Reduktion von Feindseligkeit und Vorurteilen führen kann. Der Erfolg dieses Ansatzes ist jedoch an eine ganze Reihe von Bedingungen geknüpft: der Kontakt sollte einen kooperativen Charakter haben, die Mitglieder beider Gruppen sollten bei der Kontaktaufnahme einen möglichst gleichen Status haben, die Mitglieder der Fremdgruppe sollten zu einer Verminderung der Stereotypisierung beitragen und zusätzlich sollte der Kontakt Unterstützung durch soziale Normen und Legitimation erhalten (Allport, 1954). Zwar konnte Allport die Bedeutung der beschriebenen Bedingungen anhand seiner Untersuchungen belegen (Allport, 1954), jedoch waren die Effekte auf eine erfolgreiche Konfliktreduktion oft gering und nur von kurzer Dauer. Hinzu kommt, dass die Herstellung der erforderlichen Bedingungen im Alltag so gut wie unmöglich ist und die Personen, mit denen man erfolgreich Kontakt hat, oft nur als Ausnahme von der Regel angesehen werden und sich somit die Einstellung auf die Fremdgruppe als Ganzes nicht positiv ändert. Nur weil ein Kölner Fan öfter mit einem Gladbacher Fan in Kontakt steht und mit diesem befreundet ist, heißt das nicht gleich, dass der Kölner Fan nun auch eine positive Einstellung gegenüber allen anderen Gladbacher Fans hat. Folglich ist diese Hypothese nur schwer generalisierbar und somit auch nicht optimal zur Lösung von Identitätskonflikten geeignet. Um eine solche Generalisierung zu erreichen, haben andere Theoretiker versucht Ansätze zu entwickeln, die die Kontakthypothese von Allport (1954) mit der Theorie der sozialen Kategorisierung kombinieren. Ein erster alternativer Ansatz ist der Ansatz der Dekategorisierung von Brewer und Miller (1984). Die beiden behaupten, dass eine Reduktion von Konflikten möglich ist, wenn man die Bedeutung sozialer Kategorien minimiert und andere nicht mehr als Gruppenmitglieder, sondern als Individuen wahrnimmt. Ein zweiter Ansatz ist das Modell der Rekategorisierung von Gaertner (2000). Laut Gaertner (2000) ist eine Konfliktlösung zwischen zwei verfeindeten Gruppen nur dann möglich, wenn eine gemeinsame übergeordnete Identität gebildet wird und sich die Mitglieder der unterschiedlichen Gruppen als eine einzige Gruppe wahrnehmen. Andere werden nicht mehr als Fremdgruppen-Mitglieder, sondern als Eigengruppen-Mitglieder beurteilt. Hornsey und Hogg (2000) hatten einen ähnlichen Vorschlag, den Ansatz der Assimilation. Hierbei versucht man die Ursprungsidentitäten aufzulösen und in einer gemeinsamen Identität aufgehen zu lassen. Im Bereich Teamsport erscheinen diese jedoch als nicht passende Strategien, weil es nicht zielsetzend sein kann, zwei (natürlich konkurrierende) Gruppen zu einer zu machen. Alle drei Modelle fokussieren sich auf die Auflösung von Gruppengrenzen und die Bildung von Subgruppen-Identitäten, was in der Praxis jedoch nur schwer erreichbar ist. Problem ist, dass sowohl eine Dekategorisierung als auch eine Rekategorisierung kaum über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten sind. Das liegt daran, dass Personen eine Vorliebe für soziale Kategorisierungen haben, um sich von anderen abzugrenzen, und nach einer „optimalen Distinktheit“ ihrer sozialen Identität streben (Brewer, 1991). Des Weiteren unterstützen soziale Strukturen wie zum Beispiel abgesondertes Wohnen in Wohnsiedlungen diese Kategorisierungen. Eine weitere Alternative zu diesen Modellen lieferten Hewstone & Brown (1986) mit dem Modell der wechselseitigen Differenzierung. Laut dieses Modells soll die Wahrnehmbarkeit der Gruppen bei der Kontaktsituation erhalten bleiben und der Kontakt als Intergruppen-Kontaktsituation ausgerichtet sein. Dadurch soll der Kontakt kooperativ, positiv und erfolgreich gestaltet werden. Wilder (1984) konnte mit Hilfe seiner Studie, in der er Studenten rivalisierender Colleges in Amerika miteinander kooperieren ließ, nachweisen, dass ein Kontakt erfolgreicher ist, wenn andere Personen als typisches Mitglied der Fremdgruppe angesehen werden und Mitglieder verschiedener Gruppen auch unterschiedliche Rollen übernehmen. All diese Modelle haben dazu beigetragen weitere Bedingungen für eine erfolgreiche Konfliktlösung zu generieren. Dazu zählen unter anderem, dass die Originalität der Gruppen bewahrt wird und der Kontakt nicht zu einer Bedrohung der sozialen Identität führen soll. Genau diese Bedingungen hat Simon (2015) in seinem Ansatz der Dualen Identität berücksichtigt.

2.4 Ansatz der Dualen Identität

Simon (2015) geht davon aus, dass Gruppenkonflikte und die negative Haltung einer Gruppe anderer Gruppen gegenüber gesenkt werden können, indem eine übergeordnete Identität geschaffen wird, ohne dabei die Unverwechselbarkeit der unterschiedlichen Gruppen zu gefährden. Auf unser Beispiel der Rivalität bezogen, sind Fans rivalisierender Vereine in ihren Gruppen zwar grundverschieden, besitzen jedoch oft auch eine gemeinsame übergeordnete Identität. Beide Fanlager stammen oft aus derselben Region und stehen für die gleichen Werte ein.

[...]

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Rivalitäten im Sport. Der Einfluss kommunikativer Botschaften auf aggressive Verhaltenstendenzen der Fans
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln  (Sportökonomie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
35
Katalognummer
V370385
ISBN (eBook)
9783668479937
ISBN (Buch)
9783668479944
Dateigröße
6139 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rivalität, kommunikative Botschaften, Derby, aggressive Verhaltenstendenzen, aggressive Emotionen, Fans, Beschwichtigung, duale Identität
Arbeit zitieren
Marc Andre Lenhard (Autor:in), 2016, Rivalitäten im Sport. Der Einfluss kommunikativer Botschaften auf aggressive Verhaltenstendenzen der Fans, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370385

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