Der Stellenwert naturwissenschaftlichen Fachwissens in der sachunterrichtlichen Lehrerbildung

Eine empirische Studie am Beispiel des Themas Schall


Bachelorarbeit, 2015

88 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Lehrerbildung im Sachunterricht
2.1 Anforderungen des Sachunterrichts
2.2 Sachunterrichtliche Hochschulbildung
2.3 Fachwissen
2.3.1 Fachwissen als Teil des Lehrerprofessionswissens
2.3.2 Zum Stellenwert des naturwissenschaftlichen Fachwissens in der Ausbildung von Sachunterrichtslehrkräften in Niedersachsen
2.3.3 Gefordertes Fachwissen der Sachunterrichtslehrkräfte in Niedersachsen

3 Anlage und Methodik der empirischen Untersuchung
3.1 Forschungsfragen
3.2 Forschungsdesign
3.3 Forschungsrahmen
3.4 Fachliche Klärung zum Themenfeld ‚Schall‘
3.5 Methoden der Datenerhebung
3.6 Methoden der Dateninterpretation und -auswertung

4 Ergebnisse der Erhebung
4.1 Fall 1: Anne
4.1.1 Darstellung der fallbezogenen Ergebnisse
4.1.2 Systematisch-kategoriale Interpretation der fallbezogenen Ergebnisse
4.2 Fall 2: Carmen
4.2.1 Darstellung der fallbezogenen Ergebnisse
4.2.2 Systematisch-kategoriale Interpretation der fallbezogenen Ergebnisse
4.3 Fall 3: Julia
4.3.1 Darstellung der fallbezogenen Ergebnisse
4.3.2 Systematisch-kategoriale Interpretation der fallbezogenen Ergebnisse
4.4 Fallübergreifende Zusammenfassung

5 Diskussion der Untersuchung
5.1 Diskussion der Ergebnisse und Beantwortung der Forschungsfragen
5.2 Reflexion des forschungsmethodischen Vorgehens

6 Resümee und Ausblick

Literatur

Selbständigkeitserklärung

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

In einer zunehmend technisch und naturwissenschaftlich geprägten Welt nimmt naturwissenschaftliches Verstehen einen besonderen Stellenwert ein (vgl. Prenzel 2004, S. 37). Der naturwissenschaftlichen Bildung der Gesellschaft kommt somit eine besondere Bedeutung zu. In der Bundesrepublik Deutschland wird das Unterrichtsfach, welches als grundlegend für die naturwissenschaftliche Bildung charakterisiert werden kann, weitestgehend als Sachunterricht bezeichnet. Der Sachunterricht setzt sich als vielperspektivisches Fach aus naturwissenschaftlichen Disziplinen sowie den Gesellschafts- und Sozialwissenschaften zusammen. Somit müssen sich Sachunterrichtslehrkräfte der besonderen Herausforderung stellen, Inhalte aus diversen Fachdisziplinen adäquat zu vermitteln. Dies impliziert eine universitäre Qualifizierung in den unterschiedlichen sachunterrichtlichen Disziplinen während der Ausbildung zur Lehrkraft. Vor diesem Hintergrund lässt sich dem fachwissenschaftlichen Element der Lehrerbildung seine zentrale Bedeutung zusprechen. Für das Fach Mathematik konnten Baumert und Kunter (2006, S. 493) in einer wissenschaftlichen Studie nachweisen, dass Fachwissen eine erforderliche, wenn auch nicht ausreichende Voraussetzung für verständnisorientierten Unterricht darstellt. Kaiser (2006, S. 258) untermauert diese Ergebnisse, indem sie davon ausgeht, dass sich ‚guter‘ Sachunterricht nicht allein durch eine breite fachliche Wissensbasis auszeichnet, aber dennoch von zentraler Bedeutung zu sein scheint. Ebenfalls betont Landwehr (2004, S. 107) die Auswirkungen des lehrkörperlichen Fachwissens auf seine Unterrichtsgestaltung. Sie weist vor allem bei mangelnden fachwissenschaftlichen Kenntnissen auf negative Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Aspekten hin. In Anbetracht der oben beschriebenen gesellschaftlichen Wichtigkeit naturwissenschaftlicher Bildung ist es erstaunlich, dass naturwissenschaftlich orientierter Sachunterricht in den Schulen einen tendenziellen Rückzug erleidet (vgl. Demuth et al. 1998, S. 69). Gleichzeitig wird die naturwissenschaftlich-technische Perspektive in Debatten der sachunterrichtlichen Didaktik der sozial- und gesellschaftswissenschaftlichen Perspektive als gleichbedeutend gegenüber gestellt (vgl. Landwehr 2002, S. 9). Weiterhin wird im aktuellen internationalen bildungspolitischen Kanon gefordert, naturwissenschaftliche Inhalte wieder vermehrt in den Unterricht und die Lehrpläne der Primarstufe zu implementieren (vgl. Möller 2004b, S. 80). Vom Rückgang im besonderen Maße betroffen, sind Inhalte aus technischen, chemischen und physikalischen Themenbereichen (vgl. Prenzel 2004, S. 40), wohingegen biologische Themen innerhalb des naturwissenschaftlichen Sachunterrichts dominieren (vgl. Möller 2004b, S. 69). Das legt die Vermutung nahe, dass Lehrkräfte sich im naturwissenschaftlichen Bereich, vor allem zu nicht-biologischen Themenfeldern, unzureichend befähigt fühlen (vgl. ebd., S. 81). Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die allgemeine Frage, ob Lehramtsstudierende mit ausreichend interdisziplinärem Fachwissen auf den praktischen Sachunterricht vorbereitet werden. Insbesondere werden die Kompetenzen in den naturwissenschaftlichen Fachbereichen hinterfragt. Weiterhin ist zu klären, welche Bedeutsamkeit die Lehrkräfte dem Fachwissen als Basis für lehrreichen Unterricht zuordnen.

Um Antworten auf die oben stehenden Fragen herauszuarbeiten, wird die vorliegende Abhandlung mithilfe einer empirischen Untersuchung den Stellenwert des naturwissenschaftlichen Fachwissens in der sachunterrichtlichen Lehrerbildung hinterleuchten und dessen subjektiven Stellenwert bei angehenden Lehrkräften untersuchen. Aus dieser Aufgabenstellung leitet sich folgender Aufbau ab. Zunächst wird im zweiten Kapitel, dem theoretischen Teil der Arbeit, die sachunterrichtliche Lehrerbildung in der Bundesrepublik Deutschland thematisiert, welche für die spätere analytische Betrachtung als Hintergrund dient. Das Kernstück der theoretischen Auseinandersetzung befasst sich mit dem Stellenwert der Vermittlung naturwissenschaftlichen Fachwissens in der sachunterrichtlichen Lehrerbildung, welcher exemplarisch für das Bundesland Niedersachsen herausgearbeitet wird.

Der empirische Teil der Arbeit setzt sich mit der exemplarischen Erhebung des naturwissenschaftlichen Fachwissens sachunterrichtlicher Studierender auseinander. Die Erhebung ist in das physikalische Thema ‚Schall‘ eingebettet. Dieses Themengebiet ist vor dem Hintergrund eines Rückzugs physikalischer Inhalte aus dem Sachunterricht der Primarstufe von besonderem Interesse. In diesem Kapitel werden Anlage und Methodik der empirischen Untersuchung und das Forschungsdesign genauer dargelegt sowie die zugrunde liegenden Forschungsfragen geklärt. Den theoretischen Forschungsrahmen der Untersuchung bildet die Didaktische Rekonstruktion, welche zur genaueren Passung eine Modulation erfahren hat. In ihrem Rahmen erfolgt die Klärung der fachwissenschaftlichen Hintergründe zum Gegenstandsfeld ‚Schall‘ .

Im vierten Kapitel der Arbeit werden die gewonnen Ergebnisse zunächst fallbezogen dargestellt und interpretiert, abschließend fallübergreifend zusammenfasst. Die Diskussion der Untersuchung mit ihren Ergebnissen im Hinblick auf eine Beantwortung der Forschungsfragen erfolgt im fünften Kapitel.

Die Abhandlung schließt mit einem Resümee und einem Ausblick auf die interdisziplinäre Ausbildung von Sachunterrichtslehrkräften mit dem sechsten Kapitel ab.

2 Lehrerbildung im Sachunterricht

Ausgelöst durch Bildungsreformen in der Bundesrepublik Deutschland, wurde der Sachunterricht als Schulfach erst Anfang der 1970er Jahre an Grundschulen etabliert (vgl. Thomas 2014b, S. 15). Er sollte die bis dahin unterrichtete Heimatkunde ablösen, welche vermehrt unter der Kritik stand unwissenschaftlich, unzeitgemäß und rückständig zu sein (vgl. Thomas 2014a, S. 38). Jedoch entwickelten sich das Schulfach sowie die universitäre Ausbildung von Sachunterrichtslehrkräften bundesweit sehr heterogen. Bis zum heutigen Tage „bleiben bestimmte Grundprobleme als ständige Entwicklungsaufgaben der Didaktik des Sachunterrichts bestehen“ (ebd.). Eine zentrale Bedeutung kommt dem Fachbezug der unterschiedlichen fachlichen Disziplinen des Sachunterrichts zu. Dieser Themenkomplex ist Hauptbestandteil dieses Kapitels.

2.1 Anforderungen des Sachunterrichts

In diesem Abschnitt werden zum Einstieg die Anforderungen eines zeitgemäßen Sachunterrichts als vielperspektivisches Fach an seine Lehrkräfte skizziert. Die Bedeutung des Sachunterrichts als eines der Kernfächer der Grundschule und seine fundamentale Bildungswirksamkeit bei gleichzeitiger Mehrdeutigkeit und Uneinheitlichkeit in seiner bundesweiten Konzeption sind zentraler Kern der Darstellung. Laut der Kultusministerkonferenz1, bildet der Sachunterricht neben Mathematik und Deutsch den ‚fachlichen Kernbereich‘ der Primarstufe (vgl. KMK 2015a, S. 12). Es ist das Fach, welches für die naturwissenschaftliche Bildung der Schülerschaft grundlegend ist (vgl. Möller 2004b, S. 65). Neben dem naturwissenschaftlichen Themenbereich Physik, Chemie und Biologie umfasst der Sachunterricht jedoch noch weitere Lernbereiche, welche aus den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften Geschichte, Geographie, Politik, Technik und sogar Haushaltswissenschaften gespeist werden (vgl. Möller 2004a, S. 456; Möller 2004b, S. 65). Weiterhin zählen Themengebiete, welche nicht eindeutig einer Fachrichtung zuzuordnen sind, zum Gegenstandsgebiet des Sachunterrichts, wie beispielsweise die Sexual-, Umwelt- und Verkehrserziehung (vgl. Möller 2004b, S. 65). Dieser Sachverhalt macht den Sachunterricht zu einem schwer zu fassenden vielperspektivischen Fach. Der Sachunterricht ist, verglichen mit anderen

Schulfächern, ein relativ ‚junges‘ Fach, ist es doch erst seit Anfang der 1970er Jahre als Schulfach und Nachfolger der Heimatkunde etabliert (vgl. Kaiser 2006, S. 1; Thomas 2014b, S. 15). Diese wurde zunehmend als „unmodern, rückwärtsgewandt und unwissenschaftlich“ (Thomas 2014a, S. 38) kritisiert. Dennoch gibt es bis heute keine bundesweit einheitliche Bezeichnung. So spricht man z.B. in Thüringen von Heimat- und Sachkunde, in Bayern von Heimat- und Sachunterricht und in Baden-Württemberg von dem Fächerverbund Mensch, Kultur, Natur (vgl. Baden-Württemberg Ministerium für Kultus, Jugend und Sport 2004; Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst 2014; Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport 2015). Die unterschiedlichen Namensnennungen lassen eine Uneindeutigkeit sowie Uneinheitlichkeit des bundesweiten sachunterrichtlichen Konzeptes erahnen. Die Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts2 versucht dieser Uneindeutigkeit entgegenzuwirken und treibt die konzeptionelle Entwicklung des Sachunterrichts als wissenschaftliche Disziplin maßgeblich voran (vgl. Köhnlein 2014, S. 113). Sie ist ein Konglomerat von Lehrenden aus Lehrerweiterbildung, Hochschule, Schule sowie Wissenschaftlern, Wissenschaftlerinnen und Studierenden (vgl. GDSU o. J.).

„Mit der Ausarbeitung und Vorlage des Perspektivrahmens Sachunterricht hat sich die Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts der bildungstheoretischen und bildungspolitischen Herausforderung gestellt, Aufgaben, Zielsetzungen und Bildungsinhalte des Sachunterrichts so zu beschreiben, dass dessen Relevanz für die Bildungsaufgabe der Grundschule und die Bedeutung des Sachunterrichts als wissenschaftliche Disziplin in der Lehrerbildung sichtbar wird.“ (GDSU 2002, S. 29)

Der Perspektivrahmen Sachunterricht bildet ein Rahmenkonzept, welches einen Beitrag zur Qualitätssicherung von Sachunterricht leistet, die didaktische Professionalisierung von Lehrenden fördert und das nötige Gleichgewicht zwischen inhaltlicher und methodischer Offenheit einerseits und bindende Zielen andererseits bewahrt (vgl. ebd.). Das Rahmenkonzept soll „als Grundlage für die kompetenzorientierte Planung, Durchführung und Evaluation von Sachunterricht dienen“ (GDSU 2013, S. 9). Der Perspektivrahmen hat sich bundesweit als Referenzfolie für die Lehrplangestaltung durchgesetzt, welches in einer Abnahme der Heterogenität der bundesländlichen Lehrpläne des Sachunterrichts zu verzeichnen ist (vgl. Blaseio 2014, S. 27). Trotz dessen existierten im Jahr 2013 immer noch 14 unterschiedliche Lehrpläne für das Unterrichtsfach Sachunterricht in den 16 Bundesländern (vgl. ebd., S. 26). Wie bereits erwähnt, bildet der Sachunterricht als vielperspektivisches Fach ein nur schwer zu fassendes Konstrukt. Daraus erwachsen Anforderungen im herausragenden Maße:

„Die besondere Aufgabe des Sachunterrichts besteht darin, Schülerinnen und Schüler darin zu unterstützen, ihre natürliche, kulturelle, soziale und technische Umwelt sachbezogen zu verstehen, sie sich auf dieser Grundlage bildungswirksam zu erschließen und sich darin zu orientieren, mitzuwirken und zu handeln.“ (GDSU 2013, S. 9)

Das impliziert zum einen ein vielperspektivisches Verständnis von Sachunterricht, welches Inhalte aus unterschiedlichen Fachdisziplinen vereint, zum anderen trägt der Sachunterricht in diesem Sinne wesentlich zur fundamentalen Bildung bei. Die GDSU (ebd.) charakterisiert ein Bildungsverständnis als „solidarisches und verantwortungsvolles Handeln in der natürlichen, kulturellen, sozialen und technischen Umwelt, welches einen bewussten, reflektierten und verständigen Umgang mit erworbenen Kompetenzen voraussetzt“. Darüber hinaus hat der Sachunterricht eine doppelte Anschlussaufgabe, indem er anknüpfend an die außer- und vorschulischen Lernvoraussetzungen der Schülerschaft, eine Basis für den Fachunterricht der weiterführenden Schulen schafft (vgl. ebd., S. 10). Daraus ergeben sich gegenwärtig drei wesentliche Bezugspunkte des Sachunterrichts, welche für die Begründung und Gestaltung sachunterrichtlichen Handels konstituierend sind. In der sogenannten ‚didaktischen Trias‘ stehen Kind, Sache und Welt im Wechselverhältnis zueinander beziehungsweise die Lebenswelten der Kinder, das wissenschaftliche Wissen und der Bildungsanspruch der Gesellschaft (vgl. Pech 2009, S. 4). Zusammengenommen ergeben sich Anforderungen einer verständnis- und schülerorientierten Auffassung von Unterricht, welche „Möglichkeiten für selbstgesteuerte [und (Anm. d. Verf.)] individuelle Lernwege eröffnen“ (Möller 2004b, S. 74). Die GDSU postuliert zusammenfassend als Anforderungen an eine Sachunterrichtslehrkraft:

„Entscheidende Bedingung für einen nachhaltig bildungswirksamen Sachunterricht ist die professionelle Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrern, Sachunterricht vorzubereiten, durchzuführen und zu analysieren. Sie müssen im Stande sein, die dargestellten Perspektiven kompetent in ihrem Unterricht umzusetzen und sie auch miteinander zu verbinden. Hierzu sind in gleichem Maße fachliches, fachdidaktisches und pädagogisch-psychologisches Wissen erforderlich.“ (GDSU 2013, S. 155)

Vor allem das an dieser Stelle erwähnte fachliche Wissen, als eine geforderte Kompetenz der Lehrkraft, steht in dieser Arbeit im Zentrum des Interesses und wird im späteren Verlauf eingehender thematisiert. Das Erlangen fachlichen Wissens ist ein Ziel der universitären Lehrerbildung. Wie diese allgemein und im Genauen für den Sachunterricht aufgebaut ist, wird im Folgenden erläutert.

2.2 Sachunterrichtliche Hochschulbildung

Dieser Abschnitt widmet sich detailliert der sachunterrichtlichen Hochschulbildung, welche hauptsächlich in der Grundschullehramtsausbildung zu verorten ist. Es wird eine grobe Unterscheidung von Typen der sachunterrichtlichen Studiengänge beschrieben und ein aktueller bundesweiter Überblick gegeben.

In den letzten Jahrzenten sind häufige Veränderungen in den unterschiedlichen Lehramtsstudiengängen zu verzeichnen (vgl. Einsiedler 2004, S. 315; Terhart 2004, S. 52). Ursächlich dafür sind stetige Reformbewegungen. Somit lassen sich Lehramtsausbildungen nur schwer beschreiben. Im Folgenden wird ein grober Einblick in die universitäre Lehrerausbildung allgemein gegeben, um dann etwas genauer über die Grundschullehrerausbildung explizit zur Ausbildung von Sachunterrichtslehrkräften zu gelangen.

In der Bundesrepublik Deutschland findet die Lehramtsausbildung grundsätzlich in drei Phasen statt (vgl. Blömeke 2004, S. 262). In der ersten Phase wird das Lehramtsstudium an Universitäten beziehungsweise pädagogischen Hochschulen absolviert (vgl. ebd.). Hier findet die überwiegend theoretische Ausbildung statt (vgl. ebd.). Im Studium werden fachwissenschaftliche sowie fachdidaktische Kompetenzen einschließlich Arbeits- und Erkenntnismethoden grundgelegt (vgl. KMK 2015b, S. 3). In der zweiten Phase wird anschließend Handlungswissen im Referendariat an Studienseminaren und an Schulen erworben (vgl. Blömeke 2004, S. 262). Die Aneignung unterrichtspraktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten verläuft somit vor allem im Vorbereitungsdienst (vgl. KMK 2015b, S. 3). Um das erworbene theoretische sowie praktische Wissen zu festigen und zu erweitern folgt die dritte Phase der Ausbildung, welche durch Fort- und Weiterbildung geprägt ist. Dies soll unter anderem die Weiterentwicklung und Festigung der beruflichen Rolle ermöglichen (vgl. Blömeke 2004; KMK 2015b, S. 3). Es wird deutlich, dass sich die Lehrerausbildung in Phasen aufteilen lässt, welche mit einer institutionellen Trennung einhergeht (vgl. Blömeke 2004, S. 262). Durch das föderale System in der Bundesrepublik und der damit verbundenen Kulturhoheit der Länder sind es die Bundesländer, die für Bildung sowie für das Schul- und Hochschulwesen ansässig sind (vgl. Terhart 2004, S. 39). Das Resultat ist ein bundesweit uneinheitliches Lehrerausbildungssystem. Seit Beginn des Bologna-Prozesses3 und der damit einhergehenden Lehrerausbildungsreformen, befinden sich die Lehramtsstudiengänge in stetiger Veränderung (vgl. Gläser und Schomaker 2014, S. 43). Viele lehramtliche Studiengänge wurden im Zuge dessen zur konsekutiven Bachelor-Master-Struktur umstrukturiert, dennoch gilt in einigen Bundesländern weiterhin das erste Staatsexamen als Studienabschluss (vgl. Gläser und Schomaker 2012, S. 8). Somit ergeben sich zwei verschiedene Abschlussarten der Lehramtsstudiengänge, welche die Lehrerausbildung zusätzlich heterogenisieren anstatt sie einheitlicher zu machen. Zu diesen divergierenden Abschlüssen werden noch verschiedene Typen von Lehramtsstudiengängen unterschieden. Um die Ausbildung der Sachunterrichtslehrkraft zu untersuchen wird sich im Folgenden auf die Grundschullehramtsstudiengänge fokussiert, da das Fach Sachunterricht vorwiegend an Grundschulen gelehrt wird. Einige Ausnahmen bilden sonderpädagogische Studiengänge. Die KMK unterscheidet grundsätzlich zwei unterschiedliche Typen von Grundschullehramtsstudiengängen4. Die Studiengänge des Lehramtstypen 1 bilden für das spezifische Lehramt der Grundschule beziehungsweise der Primarstufe aus (vgl. KMK 2013a, S. 5). Studiengänge nach dem Lehramtstyp 2 bilden für mehrere Schulstufen aus, in übergreifenden Lehrämtern der Primarstufe und Schularten der Sekundarstufe I (vgl. KMK 2013b, S. 4). In den Studiengängen des Lehramtstypen 1 ist die zielgerichtete Ausrichtung auf die Arbeitsfelder in der Primarstufe beziehungsweise Grundschule vorrangig. Laut Wolfgang Einsiedler, einem Professor für Grundschulpädagogik und -didaktik, ist hier positiv zu sehen, dass Studierende explizit auf die Profession der Grundschullehrkraft und damit einhergehenden Anforderungen an das Grundschullehramt vorbereitet werden (vgl. Einsiedler 2004, S. 316). In einzelnen Fällen könnte jedoch die fachliche Ausbildung in den Fächern Einbußen erleiden (vgl. ebd.). Die ausgiebigere fachliche Ausbildung ist gleichzeitig der Vorteil der Studiengänge des Lehramtstypen 2, indem mehr Zeit auf das Studium der Fachwissenschaften verwendet wird (vgl. ebd., S. 316 f.). Jedoch bestehe die Gefahr, dass für professionelles Unterrichten und Erziehen in der Primarstufe kein ausreichendes Verständnis aufgebaut beziehungsweise vermittelt wird (vgl. ebd.). „Es liegt in der Natur der Sache, dass bei lehramtsübergreifenden Modellen eine De- Spezialisierung hinsichtlich des Lehramts Grundschule eintritt.“ (ebd., S. 317) Zugleich beschreibt Einsiedler (ebd.), dass dieses nicht die Regel sein muss und es durchaus lehramtsübergreifende Studiengangmodelle mit hohen grundschulpädagogischen Anteilen gibt. Um der Heterogenität der Lehrerbildung in den unterschiedlichen Bundesländern entgegenzuwirken hat sich die KMK in ihren ‚Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung‘ auf einen Rahmen inhaltlicher Ansprüche und zu erwerbender Kompetenzen für das Fachstudium in den Lehrämtern verständigt (vgl. KMK 2015b, S. 4). Innerhalb dieser Fachprofile können die Länder eigenständig Akzente und Schwerpunkte setzen sowie Variationen in den Anforderungen formulieren (vgl. ebd., S. 2). Auf diese Weise entsteht zumindest ein Minimum an Homogenität (vgl. Terhart 2004, S. 39). Die Ausbildung der Grundschullehrkräfte betreffend, findet sich eine circa einseitige Darstellung allgemeiner primarstufenspezifischer Kompetenzen, wie z.B. „Lern- und Entwicklungsprozesse in heterogenen Gruppen auf der Basis entwicklungsorientierter Diagnostik und Beobachtung förderlich ... gestalten“ (KMK 2015b, S. 52). Die Beschreibung der Studieninhalte der einzelnen Fächer der Primarstufe ist relativ gering und wenig konkret auf circa zweieinhalb Seiten dargestellt (vgl. ebd., S. 52 ff.). Sie sind aufgeteilt in fachwissenschaftliche und fachdidaktische Inhalte. Im Vergleich dazu umfasst alleine die Beschreibung der Studieninhalte für das Fach Sport in den Lehrämtern der Sekundarstufe I und II circa eine Seite (vgl. ebd., S. 51). Die ebenfalls allgemein gehaltene Darstellung zum Studienbereich Sachunterricht enthält keine expliziten Vorgaben zur Orientierung (vgl. ebd., S. 54). Es wird deutlich, dass eine allgemeingültige umfassende und detaillierte Charakterisierung der Voraussetzungen von Sachunterrichtslehrkräften auf bundespolitischer Ebene ein Desiderat bleibt. Vor allem der fachwissenschaftliche Teil erscheint von äußerst unkonkreter Gestalt. Der Sachunterricht weist demnach nicht nur als Schulfach bundesweit heterogene Strukturen auf, sondern gestaltet sich ebenfalls in der Konzeption seiner didaktischen Hochschulbildung uneinheitlich (vgl. Pech 2009, S. 1; Gläser und Schomaker 2012, S. 8). Wie bereits erläutert etablierte sich der Sachunterricht erst in den 1970er Jahren als Unterrichtsfach. Die ersten universitären Professuren für den Sachunterricht entstanden jedoch erst zehn Jahre später (vgl. Thomas 2014a, S. 38). Aus dieser zeitlich uneinheitlichen Konstituierung des Sachunterrichts an Universitäten und Schulen erwuchs eine ‚hochschulmäßige Anschlusslücke‘ zwischen der Heimatkunde und dem Sachunterricht (vgl. ebd.). In diesem Zeitraum verschwanden heimatkundliche Studienangebote, ohne durch neue sachunterrichtliche ersetzt zu werden (vgl. ebd.). Aber auch nach 1980 vollzog sich keine bundesweit einheitliche Entwicklung sachunterrichtsbezogener Studiengänge. Im Gegenteil, der Sachunterricht bringt als universitäres Studienfach eine „schier atemberaubende Vielfalt der Formen und Strukturen in den sechzehn Bundesländern unserer Republik“ (Fischer 2012, S. 12) hervor. Hinzu kommen laut Fischer (ebd.) auffallende Unterschiede innerhalb der Quantität des Studienvolumens. Es können grob drei unterschiedliche Typen von Sachunterrichtsstudiengängen charakterisiert werden: disziplinäre beziehungsweise fachbezogene, lernbereichsbezogene und integrative Studiengänge (vgl. Möller 2004a, S. 457; Kaiser 2007, S. 83; Fischer 2012, S. 12; Gläser und Schomaker 2012, S. 8). Diese Formen unterscheiden sich im Umfang der fachdidaktischen und fachlichen Inhalte sowie in der Fülle der beinhalteten Bezugsdisziplinen (vgl. Gläser und Schomaker 2014, S. 44 f.). Im Folgenden werden diese drei Typen genauer erläutert.

Bei den disziplinären Studiengängen spricht Fischer (2012, S. 12) von der „einzelfachlichen Lösung, die auf das Studium eines Einzelfachs setzt“. Hier wählen die Studierenden aus den Bezugsdisziplinen des Sachunterrichts ein Fach und studieren ausschließlich dieses. Selten sind hierbei sachunterrichts- beziehungsweise grundschulspezifische Anteile beinhaltet (vgl. Schmidt 2014, S. 15). In der Literatur wird diese Form von Sachunterrichtsstudiengängen als bedenklich eingestuft. Sie widerspricht offensichtlich der Auffassung des vielperspektivischen Sachunterrichts, welcher Inhalte aus unterschiedlichen Fachdisziplinen vereint (vgl. Möller 2004b, S. 65; GDSU 2013, S. 9). Derzeit ist diese Form der ausschließlich fachbezogenen Studiengänge an keiner Universität mehr zu finden (siehe Tabelle 1).

Bei den lernbereichsbezogenen Studiengängen handelt es sich um die Einbindung mehrerer gesellschafts- oder naturwissenschaftlicher Disziplinen in einer ‚Verbundlösung‘ (vgl. Fischer 2012, S. 12). In der Regel erfolgt eine Zweiteilung in einen gesellschafts- beziehungsweise sozialwissenschaftlichen und einen naturwissenschaftlichen Lernbereich (vgl. Schmidt 2014, S. 15). Die Studierenden entscheiden sich für einen davon. Die Zusammensetzungen der Bezugsdisziplinen in den Lernbereichen variieren zum Teil zwischen den unterschiedlichen Studienorten. Der naturwissenschaftliche Lernbereich setzt sich in der Regel aus Physik, Biologie, Chemie und Technik zusammen. Der gesellschaftswissenschaftliche aus Geschichte, Geographie, Politikwissenschaft, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Dies ist beispielsweise in Berlin der Fall (siehe Tabelle 1).

Die integrativen Studiengänge vereinen das gesamte fachliche Spektrum des Sachunterrichts als interdisziplinäres und vielperspektivisches Fach. Hierbei werden „fachlich-fachdidaktische Vertiefungen mit sachunterrichtsdidaktischen und grundschulpädagogischen Angeboten“ (Fischer 2012, S. 12) verbunden. Es werden gesellschaftswissenschaftliche sowie naturwissenschaftliche Fachdisziplinen ins sachunterrichtliche Studium integriert. Es existieren zwei Formen von integrativen Sachunterrichtsstudiengängen. Zum einen wird der Sachunterricht als eigenes, vielperspektivisches Fach studiert, zum anderen ist es in das schulartenspezifische Fach Grundschulpädagogik beziehungsweise -didaktik integriert (vgl. Schmidt 2014, S. 17). Die erste beschriebene Form ist z.B. in Nordrhein-Westfalen anzutreffen, die zweite beispielsweise in Bayern (siehe Tabelle 1). Ein besonders auffälliger Unterschied zwischen den beiden Formen ist der Umfang des Studienvolumens des Sachunterrichts, welcher anhand der Studienordnungen und den zu erreichenden Leistungspunkten erkennbar wird. Es wird deutlich, dass Studierende der zweiten Variante integrativer Studiengänge eine geringere Anzahl an Leistungspunkten erreichen müssen (vgl. z.B. Carl von Ossietzky Universität Oldenburg o. J.a; Universität Leipzig o. J.a).

Aktuell kann an 45 Standorten das Fach Sachunterricht studiert werden (vgl. Gläser und Schomaker 2012, S. 7; Tabelle 1). Die nachfolgende Tabelle liefert einen aktuellen bundesweiten Überblick über den Aufbau sachunterrichtlicher Studiengänge. Sie beinhaltet sowohl grundschulbezogene sowie sonderpädagogische Studiengänge, da der Sachunterricht in Deutschland in diesen beiden Studiengängen angesiedelt ist. Auslaufende Studiengänge sowie Modellversuche fanden keine Berücksichtigung. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.

Tabelle 1: Bundesweite Übersicht der Sachunterrichtsstudiengänge (in Anlehnung an Fiebig & Merkens 2012; zit. n. Schmidt 2014, S. 19 f.; aktualisiert durch eine Internetrecherche: Bergische Universität Wuppertal o. J; Carl von Ossietzky Universität Oldenburg o. J.b; Europa Universität Flensburg o. J; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg o. J., Julius-Maximilians-Universität Würzburg o. J.a, o. J.b; Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt o. J; Ludwig-Maximilians-Universität München o. J; Pädagogische Hochschule Freiburg o. J; Pädagogische Hochschule Heidelberg o. J; Pädagogische Hochschule Karlsruhe o. J; Pädagogische Hochschule Ludwigsburg o. J., Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd o. J.a, o. J.b; Pädagogische Hochschule Weingarten o. J; Stiftung Universität Hildesheim o. J; Technische Universität Dresden o. J; Universität Bielefeld o. J; Universität Bremen o. J; Universität des Saarlandes o. J; Universität Duisburg-Essen o. J; Universität Erfurt o. J; Universität Koblenz-Landau o. J., Universität Leipzig o. J.a, o. J.b; Universität Osnabrück o. J; Universität Paderborn o. J; Universität Potsdam o. J; Universität Regensburg o. J; Universität Siegen o. J; Universität Vechta o. J; Universität Würzburg o. J; Universität zu Köln o. J; Westfälische Wilhelms-Universität Münster o. J; Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main 2008; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2008; Universität Hamburg 2010; Universität Rostock 2013; Justus- Liebig-Universität Giessen 2014, Technische Universität Dortmund 2014a, 2014b; Universität Kassel 2014; Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover 2014; Freie Universität Berlin 2015; Otto-Friedrich-Universität Bamberg 2015;

Universität Passau 2015; ZLbiB 2015; Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover 2015; Leuphana Universität Lüneburg 2015; Der Präsident der Humboldt Universität zu Berlin 2015)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten5 6

8). In fünf Bundesländern ist der Sachunterricht als obligatorischer Bestandteil in dem Studienfach Grundschulpädagogik/-didaktik enthalten (siehe Tabelle 1). Die GDSU (2002, S. 28) fordert im Studium eine angemessene Berücksichtigung des integrativen Anspruches des Sachunterrichts, das heißt die Berücksichtigung aller Perspektiven in der universitären Ausbildung von Sachunterrichtslehrkräften. Dieses spräche für die integrativen sachunterrichtlichen Studiengänge, welche naturwissenschaftliche und gesellschaftswissenschaftliche Aspekte und Inhalte als verpflichtende Bestandteile der Ausbildung zur Sachunterrichtslehrkraft innehaben. Laut Bodemann (2003, S. 200) ist diese Form der Lehrerausbildung zu präferieren.

2.3 Fachwissen

Zunächst wird zur besseren Verständlichkeit der Begriff des Fachwissens genauer erläutert. Die Abhandlung setzt sich fokussiert mit dem Fachwissenserwerb von angehenden Lehrkräften auseinander, weshalb zur besseren Orientierung eine kurze Einbettung in das Gesamtkonstrukt des Lehrerprofessionswissens7 erfolgt und ein lehramtsunspezifischer Überblick über erwartete fachwissenschaftliche Kompetenzen gegeben wird. Anschließend wird sich exemplarisch auf die Ausbildung sachunterrichtlicher Lehrkräfte in Niedersachsen bezogen und der Stellenwert des naturwissenschaftlichen Fachwissens in den unterschiedlichen Studiengängen des Bundeslandes herausgearbeitet. Abschließend wird das geforderte naturwissenschaftliche Fachwissen einer Sachunterrichtslehrkraft in Niedersachsen herausgearbeitet und dargestellt. Dies bildet einen Referenzrahmen für die Ergebnisanalyse aus dem empirischen Teil der Arbeit.

2.3.1 Fachwissen als Teil des Lehrerprofessionswissens

Das Fachwissen stellt einen Teil des Lehrerprofessionswissens dar. Im deutschsprachigen Raum hat sich die Unterscheidung der Lehrerprofessionalität in die folgenden drei Hauptbereiche durchgesetzt: Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und pädagogisches Wissen (vgl. Baumert und Kunter 2006, S. 482). Diese geht auf Shulmans (1987, S. 8)

Untergliederung in content knowledge, pedagogical content knowlegde und general pedagogical knowledge zurück. Beim Lehrerprofessionswissen handelt es sich um theoretisches Wissen, welches die Voraussetzung für wirksames und erfolgreiches Unterrichten bildet und vor allem in der universitären ersten Phase der Lehrerbildung angeeignet wird (vgl. Blömeke 2004, S. 262; Neuweg 2014, S. 588, 594). In diesem Sinne kann man Lehrerprofessionswissen als Kompetenz beschreiben, welche die Professionalität von Lehrkörpern kennzeichnet (vgl. Baumert und Kunter 2006, S. 428). Das stellt jedoch nur einen Teil professioneller Handlungskompetenzen dar. Baumert und Kunter (ebd., S. 482) beschreiben dazu ein Modell, welches neben dem bereits beschriebenen Professionswissen zusätzlich motivationale Orientierungen, selbstregulative Fähigkeiten und Wertehaltungen beziehungsweise Überzeugungen aufführt. Im Folgenden werden die drei Hauptbereiche des Professionswissens näher erläutert, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Fachwissen liegt und dementsprechend pädagogisches und fachdidaktisches Wissen nur kurz dargestellt werden. Pädagogisches Wissen Neuweg (2014, S. 594) beschreibt das pädagogische Wissen als fachindifferentes, allgemeines pädagogisches Wissen. Demnach ist es nicht an spezifische Fachinhalte gebunden, sondern bezieht sich auf allgemeine, fächerübergreifende pädagogische Aspekte. Baumert und Kunter (2006, S. 485) benennen dazu konzeptuelles bildungswissenschaftliches Grundlagenwissen, allgemeindidaktisches Konzeptions- und Planungswissen, Unterrichtsführung und Orchestrierung von Lerngelegenheiten und fächerübergreifende Prinzipien des Diagnostizierens, Prüfens und Bewertens.

Fachdidaktisches Wissen

Die Art und Weise der Vermittlung von Fachinhalten sowie Fachwissen wird als fachdidaktisches Wissen beschrieben (vgl. Neuweg 2014, S. 590). Ähnlich dazu charakterisiert Bromme (1995, S. 105) fachdidaktisches Wissen in Anlehnung an Shulman (1987, S. 8) als „die Verbindung von curricularem Fachinhalt und unterrichtsmethodischem Know-how“. In diesem Sinne besteht die Fachdidaktik für jedes Unterrichtsfach aus spezifischem fachdidaktischen Wissen und ist somit für jedes Fach eine für sich eigene.

Fachwissen

Die Vermittlung fachwissenschaftlicher Aspekte findet hauptsächlich in der ersten, universitären Phase der Lehrerbildung statt und ist laut Merzyn (2004, S. 397) von zentraler Bedeutung. Das Fachwissen ist dabei nicht als bloßes Faktenwissen bezüglich der Lehrplaninhalte zu verstehen, darüber hinaus umfasst es Konzeptionen, Methoden sowie inhaltliche Strukturen des Faches (vgl. Fischer et al. 2011, S. 360). Ebenso hat es die Aufgabe Selbstvertrauen der angehenden Lehrkraft und das Interesse am Fach zu fördern (vgl. Merzyn 2004, S. 397). Nach Baumert und Kunter (2006, S. 492) stellt das Unterrichtsfach den wesentlichen Handlungsrahmen des Lehrkörpers dar. Somit lässt sich sagen, dass fachdidaktischem Wissen sowie Fachwissen eine zentrale Bedeutung im Zusammenhang professioneller pädagogischer Kompetenzen zukommt (vgl. ebd., S. 489). Weiter führen Baumert und Kunter (ebd., S. 492) dazu an:

„Das Fach bestimmt bis in Einzelheiten hinein die Textur des Unterrichts. Dies beginnt mit Vorstellungen über die Sequenzialität und Anordnung von inhaltlichen Komponenten und reicht bis hin zum Modus der Repräsentation und Erklärungen.“

Es wird deutlich, dass der Aufbau fachdidaktischen Wissens ohne einer fachwissenschaftlichen Grundlage nicht möglich ist und sich fachdidaktisches Wissen in Abhängigkeit von Fachwissen entwickelt (vgl. ebd.). Dies wurde insbesondere für den mathematischen Bereich festgestellt (vgl. Baumert und Kunter 2006). Das impliziert den unumgänglichen und nötigen Aufbau von Fachwissen in der Lehrerausbildung und verdeutlicht den besonderen Stellenwert fachwissenschaftlicher Inhalte (vgl. Neuweg 2014, S. 588 ff.). Dennoch ist Fachwissen allein keine ausreichende Voraussetzung für qualitativ hochwertigen Unterricht (vgl. Baumert und Kunter 2006, S. 493).

Bezüglich des Lehrerberufs gibt die KMK (2015b, S. 3) folgende Beschreibung fach- und fachrichtungsbezogener Kompetenzen, welche überwiegend im Studium erlangt werden sollen:

„Die inhaltlichen Anforderungen an das fachwissenschaftliche und fachdidaktische Studium für ein Lehramt leiten sich aus den Anforderungen im Berufsfeld von Lehrkräften ab; sie beziehen sich auf die Kompetenzen und somit auf Kenntnisse; Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, über die eine Lehrkraft zur Bewältigung ihrer Aufgaben im Hinblick auf das jeweilige Lehramt verfügen muss.“

Demnach müssen Absolventen und Absolventinnen eines Lehramtsstudiengangs anschlussfähiges Fachwissen in Form von strukturiertem und solidem Fachwissen zu den fundamentalen Fachrichtungen, beziehungsweise -gebieten vorweisen. Weiterhin ist ein Überblickswissen zu den bedeutenden und gegenwärtigen Fragestellungen der Fachrichtung, beziehungsweise des Faches sowie Metawissen in Form von reflektiertem Wissen bezüglich wissenschaftsorientierten und ideengeschichtlichen Konzepten des Faches Grundlage für konstruktiven Unterricht (vgl. ebd.). Vervollständigt werden diese Voraussetzungen mit dem Verfügen über Erkenntnis- und Arbeitsmethoden der Fächer sowie deren Anwendung und der Kenntnis über anschlussfähiges didaktisches Wissen (vgl. ebd.). Ähnlich dazu fasst Merzyn sechs Ziele und Inhalte der fachwissenschaftlichen Lehrerbildung zusammen:

1. Das Kennenlernen der jeweiligen studierten Fachdisziplin in voller Breite, einschließlich ihrer wesentlichen Arbeitsmethoden, Systematik und Struktur.
2. Das Erlangen eines beträchtlichen Hintergrundwissens, als Voraussetzung einer fachlich-kompetenten Unterrichtsplanung und -durchführung, auch über den im Unterricht zu vermittelnden Unterrichtsstoff hinaus.
3. Die Förderung fächerübergreifender Zusammenarbeit und den Einbezug von Nachbardisziplinen, um fächerübergreifenden Unterricht zu ermöglichen.
4. Das Einordnen des Faches in politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenhänge und das Kennen ihrer Konzeptionen.
5. Die Förderung von Freude und Interesse an der Fachdisziplin.
6. Fachwissenschaften sollen einen Prüfstein für die Berufseignung darstellen, Motivation und Selbstbewusstsein für diesen aufbauen und stärken. (vgl. Merzyn 2004, S. 400 f.)

Daraus ergeben sich zwei Konklusionen: zum einen müssen sich fachwissenschaftliche Studienanteile abhängig von der gewählten Schulstufe in Tiefe und Umfang unterscheiden, zum anderen wird eine besondere Herausforderung geboten, wenn Unterrichtsfach und universitäre Fachdisziplin wenig deckungsgleich sind, wie beispielsweise im Sach- oder Technikunterricht (vgl. ebd., S. 401). Laut Merzyn (ebd.) gilt die Divergenz zwischen fachwissenschaftlichen Studieninhalten und die Berücksichtigung des praktischen Unterrichts als zentrales Problem. Dabei geht erneut hervor, welche Aufgabe die Konzeption der sachunterrichtlichen Lehrerbildung zukünftig zu bewältigen hat. Die Befundlage zur Auswirkung des Grades an Fachwissen einer Lehrkraft auf Schülererfolge und -leistungen ist zur Zeit nicht sehr konkret und aussagefähig (vgl. Baumert und Kunter 2006, S. 469). Dennoch lässt sich annehmen, „dass zur Initiierung erfolgreicher Lehr- und Lernprozesse in der Grundschule ein gewisses Maß an fachlichem Wissen bei der Lehrkraft vorhanden sein muss“ (Fischer et al. 2011, S. 361). Nach der Begriffsdefinition, wird im Folgenden näher auf die Bedeutung des naturwissenschaftlichen Fachwissens in der sachunterrichtlichen Lehrerbildung eingegangen.

2.3.2 Zum Stellenwert des naturwissenschaftlichen Fachwissens in der Ausbildung von Sachunterrichtslehrkräften in Niedersachsen

Im Nachfolgenden wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung der Erwerb von Fachwissen in der Qualifizierung angehender Sachunterrichtslehrkräfte zukommt. Reinhold et al. (2011, S. 290) postulieren: „Kognitiv anregender Unterricht kann nur mit entsprechend fundiertem Verständnis fachlicher Konzepte auf Seiten der Lehrkräfte gestaltet werden.“ Dementsprechend fordert die GDSU (2002, S. 5) von Lehrkräften für die angemessenen Gestaltung von Sachunterricht Expertisen in allen fünf Perspektivbereichen. Demnach sollte eine Sachunterrichtslehrkraft generell über Fachwissen im naturwissenschaftlichen, technischen, historischen, geographischen sowie sozialwissenschaftlichen Bereich verfügen (vgl. GDSU 2013, S. 155). Die Besonderheit im Sachunterricht ist gerade durch diese zu vernetzende Vielperspektivität gekennzeichnet. Dementsprechend und ebenfalls bedingt durch diese Interdisziplinarität zeichnet sich seine Fachdidaktik „durch multivalente Bezüge zu Fachwissenschaften aus“ (Möller 2004a, S. 456). Aus diesem Aspekt der vielfältigen Bezugswissenschaften erwächst eine große Herausforderung an die Ausbildung von Sachunterrichtslehrkräften, vor allem in fachwissenschaftlicher Hinsicht. Im weiteren Verlauf der Abhandlung liegt der Fokus hauptsächlich auf dem naturwissenschaftlichen Bereich der Lehrerbildung im Sachunterricht, mit besonderem Augenmerk auf dem fachlichen Wissen. Das nachfolgende Zitat lässt die Bedeutsamkeit naturwissenschaftlicher Bildung in unserer heutigen Gesellschaft erkennen:

„Naturwissenschaftliches Verständnis ist in Alltags- wie Berufssituationen und im gesellschaftlichen Kontext erforderlich, um zweckmäßig und verantwortlich entscheiden und handeln zu können. In Anbetracht der dynamischen Entwicklung des naturwissenschaftlichen Wissens gilt es mehr denn je, anschlussfähig zu bleiben, also über Grundkonzepte zu verfügen, die eine Einordnung von neuen Wissensbeständen und ein Weiterlernen erleichtern.“ (Prenzel 2004, S. 38)

Da der Sachunterricht der Grundschulen als Basis naturwissenschaftlicher Bildung gilt, wird an dieser Stelle die Wichtigkeit qualitativ hochwertigen naturwissenschaftlichen Sachunterrichts prägnant. Möller (2004b, S. 75) formuliert diesbezüglich folgendes Kompetenzverständnis:

„Lehrkräfte benötigen … allgemeindidaktische und lernpsychologische Kenntnisse wie auch fachliche und fachdidaktische Kenntnisse in Bezug auf biologische, physikalische, chemische und technische Aspekte des Sachunterrichts und ihre interdisziplinären Verflechtungen, um einen verständnisfördernden und motivational aktivierenden Unterricht im naturwissenschaftlichen Bereich des Sachunterrichts gewährleisten zu können“.

Für einen konstruktiven naturwissenschaftlichen Unterricht ist demnach

Lehrerprofessionswissen nötig, welches sich auf das gesamte Spektrum des interdisziplinären Sachunterrichts bezieht. Für die naturwissenschaftliche Perspektive des Sachunterrichts erweitert die GDSU (2002, S. 7) das Spannungsfeld zwischen methodischen und inhaltlichen Angeboten der Naturwissenschaften um die Erfahrungswelt der Kinder und ihre Erlebnisse. Im Folgenden wird der Versuch unternommen den Stellenwert der naturwissenschaftlichen Fachdisziplinen der sachunterrichtlichen Lehrerbildung zu skizieren. Dabei wird der Fokus exemplarisch auf Niedersachsen gelegt. In Niedersachsen hat die in Kapitel 2.2 beschriebene integrative Form der sachunterrichtlichen Studiengänge bestand, in welcher die naturwissenschaftlichen Fachdisziplinen einen obligatorischen Bestandteil der Ausbildung darstellen. Die Ausbildung der niedersächsischen Sachunterrichtslehrkräfte entspricht somit der Ausbildungsform, welche der Idealvorstellung einer Sachunterrichtsausbildung am nächsten kommt (siehe Kapitel 2.2). Bundesweit ist dies an 24 von 45 Standorten der Fall (siehe Tabelle 1). Bei fach- und lernbereichsbezogenen Studiengängen, kann es je nach Präferenz der/des Studierenden unter Umständen dazu kommen, dass naturwissenschaftliche Inhalte während der universitären Ausbildungsphase überhaupt nicht vermittelt werden und somit der Aufbau naturwissenschaftlichen Fachwissens de facto nicht stattfindet. Bodemann (2003, S. 200) gibt für die Sachunterrichtsstudierenden in Nordrhein-Westfalen eine achtzigprozentige Tendenz an, sich für den gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereich des Sachunterrichts zu entscheiden.8 Er spricht damit zugleich die Befürchtung aus, dass sich zukünftige Sachunterrichtslehrkräfte unter Umständen zu keiner Zeit mit naturwissenschaftlichen Themen auseinandergesetzt haben (vgl. ebd.). Das kann laut Bodemann (ebd.) dazu führen, dass sich Lehrkräfte vor nicht erlernten Themen scheuen. Explizit davon betroffen seien physikalische und chemische Inhalte (vgl. ebd.). Als Referenzmaterial zur Herausarbeitung des Stellenwertes naturwissenschaftlichen Fachwissens dienen die einzelnen Studienordnungen beziehungsweise Modulhandbücher der unterschiedlichen Studienstandorte in Niedersachsen, welche in Bezug auf naturwissenschaftliche Inhalte miteinander verglichen werden. Auf diese Weise entsteht ein Überblick über naturwissenschaftliche Inhalte und deren Umfang in den sachunterrichtlichen Studiengängen.

[...]


1 Im Folgenden KMK abgekürzt.

2 Im Folgenden GDSU abgekürzt.

3 Der Bologna-Prozess wurde durch die Bologna-Erklärung im Jahr 1999 ausgelöst. Dabei handelt es sich um einen Annäherungsprozess europäischer Länder zur Harmonisierung ihrer Hochschulsysteme (vgl. Otto und Witte 2003, S. 29).

4 In Deutschland werden grundsätzlich Lehrkräfte nach Schulstufe, Schulart oder einer Kombination aus mehreren Lehrämtern ausgebildet (vgl. Terhart 2004, S. 39). Die KMK-Klassifizierung der Lehramtstypen baut darauf auf (vgl. KMK 2014, S. 4).

5 In allen Bundesländern findet die sachunterrichtliche Lehrerbildung an Universitäten statt. Die Ausnahme bildet Baden-Württemberg, hier wird an Pädagogischen Hochschulen ausgebildet (vgl. Blömeke 2004, S. 262). Sozialwissenschaft oder Arbeitslehre/Technik

6 Nur an der Universität Osnabrück kann das Schwerpunktfach Arbeit/Wirtschaft studiert werden. 15

7 Literatur zum Thema Professionswissen beziehungsweise pädagogische Professionalität vgl. z.B. Dewe et al. (1992); Combe und Helpser (1996); Timperley und Robinsohn (2000).

8 Aktuell wird der Sachunterricht in Nordrhein-Westfalen als eigenes integratives Fach studiert und nicht mehr ausschließlich in Lernbereiche oder Fachdisziplinen aufgeteilt (siehe Tabelle 1).

Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Der Stellenwert naturwissenschaftlichen Fachwissens in der sachunterrichtlichen Lehrerbildung
Untertitel
Eine empirische Studie am Beispiel des Themas Schall
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Sonderpädagogik, Abteilung für inklusive Didaktik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
88
Katalognummer
V370183
ISBN (eBook)
9783668485464
ISBN (Buch)
9783668485471
Dateigröße
1006 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sachunterricht, Fachwissen, Lehrerbildung, Naturwissenschaftliches Fachwissen
Arbeit zitieren
Olga Usselmann (Autor:in), 2015, Der Stellenwert naturwissenschaftlichen Fachwissens in der sachunterrichtlichen Lehrerbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370183

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Stellenwert naturwissenschaftlichen Fachwissens in der sachunterrichtlichen Lehrerbildung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden