Mitarbeiterbindungsmaßnahmen in kleinen und mittleren Unternehmen

Eine maßnahmenorientierte Bewertung


Bachelorarbeit, 2016

58 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Danksagung

Hiermit bedanke ich mich ganz herzlich bei Frau Prof. Dr. Manuela Weller für ihre zu- verlässige und bekräftigende Betreuung meiner Bachelorarbeit.

Des Weiteren dient mein Dank all denen, die diese Bachelorarbeit unterstützt haben: Den Unternehmen, in denen ich meine Umfrage durchführen durfte, den Mitarbeitern dieser Unternehmen, die an dieser Umfrage teilgenommen haben und den Menschen, die meine Arbeit korrekturgelesen haben.

Schließlich gilt mein ganz besonderer Dank meiner geliebten Familie, die mich auch in schwierigen Zeiten immer unterstützt hat.

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Zwei Konzepte zur Mitarbeiterbindung
2.1 Das Drei-Komponenten-Modell von Allen und Meyer
2.1.1 Affektives Commitment
2.1.2 Kalkulatorisches Commitment
2.1.3 Normatives Commitment
2.1.4 Die verschiedenen Foci von Commitment
2.2 Der Ansatz der sozialen Identität
2.2.1 Soziale Identitätstheorie
2.2.2 Selbstkategorisierungstheorie

3 Retention Management
3.1 Ziele des Retention Managements
3.1.1 Stärkung der Leistungsbereitschaft
3.1.2 Abschwächung von Fluktuation und Abwesenheit
3.2 Chancen und Risiken
3.3 Phasen des Retention Managements

4 Ausgewählte Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung
4.1 Cafeteria System
4.2 Sabbatical
4.3 Vertragliche Bindungsmaßnahmen
4.4 Materielle Anschaffungen
4.5 Leistungen hervorheben und würdigen
4.6 Handlungsspielräume erweitern und verändern

5 Datenerhebung und theoretische Bewertung
5.1 Instrumente für die Messung der Sachverhalte
5.2 Aufbau des Fragebogens
5.3 Ziele der Befragung
5.4 Zusammenhänge innerhalb und zwischen den Modellen
5.4.1 Der Ansatz der sozialen Identität und die Foci im Drei-Komponenten- Modell
5.4.2 Die Komponenten des Drei-Komponenten-Modells
5.4.3 Die Ziele von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen und das Drei- Komponenten-Modell
5.5 Auswertung der Daten

6 Bewertung der Maßnahmen
6.1 Ergebnisse des Fragebogens
6.2 Diskussion der Ergebnisse

7 Zusammenfassung

8 Ausblick..

Literaturverzeichnis

Anhang I: Fragebogen

Anhang II: Auswertung des Fragebogens

Anhang III: Mittelwerte und Standardabweichungen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Das Drei-Komponenten-Modell

Abbildung 2 Das Drei-Komponenten-Modell als multidimensionales Modell

Abbildung 3 Zusammenhänge zwischen dem Drei-Komponenten-Modell und den Folgen der Mitarbeiterbindung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Ergebnisse der Auswertung

Tabelle 2 Vergleich der Foci

Tabelle 3 Ausprägung der Komponenten

Tabelle 4 Bewertung der Maßnahmen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Der Rückgang unbefristeter Vollzeit-Beschäftigungsverhältnisse stellt einen wesentli- chen Veränderungstrend der modernen Arbeitswelt dar (vgl. Felfe, 2008, S. 17). Dabei werden Loyalität und Treue gegenüber dem Unternehmen zunehmend unwichtiger und die Mitarbeiter stellen ihr eigenes Kosten-Nutzen-Kalkühl in den Vordergrund (vgl. Felfe, 2008, S. 19). Angesichts zunehmender Globalisierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist es durchaus nachvollziehbar langfristige Bindungen zwischen Mitar- beitern und Unternehmen als veraltetes Modell in Frage zu stellen (vgl. Felfe, 2008, S. 17). Besonders hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte sind selbstbewusster als jemals zuvor. Laut der Studie Attraktive-Arbeitgeber in Zentral- und Osteuropa sind 92% der Mitarbeiter zuversichtlich, dass sie schnell bei einem neuen Arbeitgeber einen Job finden würden (vgl. Perspektive Mittelstand, 2007). Perspektive Mittelstand (2007) behauptet sogar, dass die Zeiten in denen selbst hoch qualifizierte Mitarbeiter um ihren Job bangen mussten vorbei seien.

Angesichts dieser Entwicklung stehen Unternehmen vor neuen Herausforderungen. Schließlich möchte kein Unternehmen, dass Mitarbeiter den Arbeitsplatz wechseln, wenn es in diese Mitarbeiter viel investiert hat (vgl. Liebhart, 2009, S. 23). Werden Ar- beitsplätze gewechselt, wird von Fluktuation gesprochen. Dabei ist die Fluktuation an sich als unproblematisch zu verstehen (vgl. Meifert, 2008, S. 268, 269). Unter bestimm- ten Bedingungen jedoch, wie beispielsweise in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, kann die Fluktuation als unerwünscht und somit als problematisch angesehen werden (vgl. Meifert, 2008, S. 267). Schließlich sind Unternehmen besonders in diesen Zeiten auf Mitarbeiter angewiesen, die sich ausdrücklich über das Geforderte hinaus engagieren und sich für das Unternehmen einsetzen. Folglich kann zu Recht behauptet werden, dass Mitarbeiter die Quelle nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolgs sind (vgl. Cooper-Hakim & Viswesvaran, 2005). Mitarbeiter, die sich über das Geforderte hinaus engagieren, fühlen sich dem Unternehmen verbunden, verhalten sich eher im Sinne ihres Arbeitge- bers und sind die Leistungsträger des Unternehmens (vgl. Nink, 2008, S. 27). Ohne die- se Mitarbeiter sieht es für ein Unternehmen düster aus. Schon Conger und Kanungo (1998, S. 5, 6) fassten das in diesem Absatz beschriebene Dilemma gut zusammen: Auf der einen Seite gehen zentrale Voraussetzungen für eine nachvollziehbare Mitarbeiterbindung verloren. Auf der anderen Seite sind Unternehmen in zunehmendem Maße auf eine hohe Bindung ihrer Mitarbeiter angewiesen.

Besonders interessant scheint die Thematik der Mitarbeiterbindung für kleine und mittlere Unternehmen (kurz: KMU) zu sein. KMU sind von Fluktuationsrisiken stärker gefährdet als Großunternehmen und bieten außerdem bessere Vorrausetzungen, um geeignete Maßnahmen auszuwählen und durchzuführen (vgl. Felfe, 2008, S. 21).

Bei Mitarbeiterbindungsmaßnahmen geht es darum die psychologische Einstellung der Mitarbeiter in die gewünschte Richtung zu lenken, um von den Folgen profitieren zu können (vgl. Herscovitch & Meyer, 2002). Das ist nicht von heute auf morgen möglich, weshalb ein längerer zeitlicher Vorlauf benötigt wird, der sogenannte time lag. Der time lag besagt, dass ein bestimmter zeitlicher Vorlauf benötigt wird, damit personalwirt- schaftliche Maßnahmen wirken können (vgl. Meifert, 2008, S. 280, 281). Speziell bei Mitarbeiterbindungsmaßnahmen liegt der time lag dadurch vor, dass der Fluktuations- prozess erst mit einer unumkehrbaren Kündigung offensichtlich wird. Deshalb muss schon vorher auf die Mitarbeiter mit entsprechenden Maßnahmen eingewirkt werden, die wiederum auch einen gewisse Zeit benötigen um zu wirken (vgl. Meifert, 2008, S. 275-277). Daher wird eine zielgerichtete Planung und Durchführung der Maßnahmen durch die KMU benötigt. Für die Planung ist es wichtig die entsprechenden Instrumente zu kennen, um die richtigen Mitarbeiterbindungsmaßnahmen auszuwählen. Irgendeine Mitarbeiterbindungsmaßnahme auszuwählen, sollte für KMU kein Problem darstellen. Doch nicht zielgerichtete Maßnahmen verpuffen und kosten sowohl Geld als auch qua- lifizierte Mitarbeiter, was viel schlimmer ist. Da KMU vermutlich oft die Zeit und der Wille fehlt sich ausführlich in die Thematik einzuarbeiten, sollen hier bestimmte Maß- nahmen anhand von bestimmten Theorien systematisch bewertet werden, um den KMU eine sowohl praktische als auch modelltheoretische Orientierung zu geben.

Daher wird sich in dieser Arbeit mit der mit der folgenden Forschungsfrage beschäftigt: Wie können ausgewählte Mitarbeiterbindungsmaßnahmen in kleinen und mittleren Unternehmen bewertet werden?

1.2 Aufbau der Arbeit

Um den Bezug zu den Mitarbeiterbindungsmaßnahmen herzustellen soll am Anfang der Arbeit auf den theoretischen Hintergrund der Mitarbeiterbindung im Detail eingegangen werden. Dafür wird sich der theoretischen Konstrukte des Commitments in Form des Drei-Komponenten-Models (kurz: DKM), der sozialen Identitätstheorie (Social Identity Theory, kurz: SIT) und der Selbstkategorisierungstheorie (Self Categorisation Theory, kurz: SCT) in Kapitel 2 bedient, um die psychologischen Zusammenhänge und Prozesse zu verdeutlichen, die für Mitarbeiterbindungsmaßnahmen von Relevanz sind.

Darauf aufbauend wird in Kapitel 3 die unternehmerische Ebene mithilfe des Retention Managements verdeutlicht. Hier soll eine besondere Bedeutung den angestrebten Zielen der Mitarbeiterbindung im Retention Management zukommen. Des Weiteren werden die strategische und operative Durchführung der Maßnahmenplanung kurz angespro- chen.

In Kapitel 4 werden die Mitarbeiterbindungsmaßnahmen, welche im späteren Verlauf dieser Arbeit bewertet werden sollen, erst vorgestellt und anschließend hinsichtlich ihrer vermuteten Wirkungen eingeschätzt, basierend auf dem Wissen der vorherigen Kapi- teln.

Nach dieser ersten groben Abschätzung wird ein Fragebogen vorgestellt und ausgewertet, der zum Ziel hat für jede der Mitarbeiterbindungsmaßnahmen aus Kapitel 4 jeweils ein Profil zu erstellen und zu bewerten. Dabei sollen empirisch nachgewiesene und vermutete Zusammenhänge zwischen dem DKM, den Zielen von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen, der SIT und der SCT genutzt werden, um zu einer nachvollziehbare Argumentationsstruktur beizutragen.

Am Ende der Arbeit werden nochmals die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst und die Thematik mit einem Ausblick abgerundet.

2 Zwei Konzepte zur Mitarbeiterbindung

Wie in der Einleitung angesprochen, werden in dieser Arbeit Maßnahmen zur Mitarbei- terbindung genauer betrachtet. Doch was ist diese Mitarbeiterbindung überhaupt? Mit- arbeiterbindung ist „die Verbundenheit, Zugehörigkeit und Identifikation, die Mitarbei- ter gegenüber ihrem Unternehmen empfinden und erleben. In der wissenschaftlichen Literatur wird Mitarbeiterbindung auch als Commitment bzw. organisationales Com- mitment bezeichnet." (Felfe, 2008, S. 25). Das Commitment ist in der Organisations-, Personalpsychologie und des Organisationsverhaltens einzuordnen. Besonders interes- sant erscheint das Konzept, da es sich mit der Stärke und Qualität von Beziehungen zwischen Organisationen und Mitarbeitern auseinandersetzt und somit einen betriebs- wirtschaftlichen Nutzen haben kann (vgl. Weinert, 2004, S. 179). Gerade das Commit- ment ist im angloamerikanischen Raum schon lange fest als Forschungsthema veran- kert, weshalb sich viele Publikationen dort finden (vgl. Felfe & Six, 2006, S. 40). Dabei ist durch eine hohe Heterogenität der theoretischen Ansätze zur Konzeption des Com- mitments eine beachtliche Begriffsvielfalt entstanden (vgl. Schommers, 2009, S. 188), die an dieser Stelle durch ein genauere Definition von Commitment vermieden werden soll.

Zunächst soll auf die Herkunft des Begriffes Commitment kurz eingegangen werden.

Der Begriff Commitment bedeutet im Englischen: Bindung, Zusage, Engagement, Leis- tungsbereitschaft oder Einsatz (vgl. Thiele, 2009, S. 37). Daraus resultiert, dass Com- mitment gegenüber allen möglichen Sachverhalten existiert. In dieser Arbeit wird nur auf die Mitarbeiterbindung eingegangen, also dem Commitment gegenüber einer Orga- nisation, auch bekannt unter dem Schlagwort organizational Commitment. Im deutsch- sprachigen Raum gibt es keine eigenständige Übersetzung des Begriffes organizational, weshalb oft organisational dem Commitment vorangestellt wird (vgl. Meifert, 2005, S. 38).

Im Rahmen dieser Arbeit werden organizational Commitment und Mitarbeiterbindung als Synonyme betrachtet, die, wenn sie nicht genauer definiert werden, die allgemeine Bindung gegenüber einer Organisation darstellen. Die Organisation ist damit die allge- meine Richtung, in welche das Commitment, also die Mitarbeiterbindung, wirken soll. Wichtig ist, dass es innerhalb der Organisation nochmals verschiedenste speziellere Richtungen von Commitment gibt (z. B. das Commitment gegenüber dem Beruf, aber dazu mehr in Kapitel 2.1.4).

In dieser Arbeit soll auf das Voranstellen von organisational verzichtet werden. Wird das Commitment nicht genauer definiert, ist in dieser Arbeit das Commitment gegenüber der Organisation gemeint. Da der Bereich der Organisation die für diese Arbeit eine relevante Wirkungsrichtung von Commitment darstellt.

Wie bereits erwähnt ist das Commitment von besonderem Interesse, da es betriebswirt- schaftlich genutzt werden kann. Im Focus der nachfolgenden Kapitel stehen das DKM und der Ansatz der sozialen Identität. Das DKM ist von besonderer Relevanz, weil es alle drei Entwicklungslinien von Commitment (affektiv, normativ und kalkulatorisch) in einem einzigen Modell zusammenfasst und postuliert, dass diese gleichzeitig wirken (vgl. Meyer et al., 1998). Der Ansatz der sozialen Identität ist für die Mitarbeiterbin- dung wichtig, weil er sich mit der Identifikation von Individuen in und mit Gruppen beschäftigt und zusätzlich erklärt, warum sich Menschen überhaupt selber in Gruppen einteilen. Mit diesem Ansatz könnten Rückschlüsse auf die Stärke bzw. Bedeutung der Richtungen von Commitment geschlossen werden, weshalb er auch eine wichtige Rolle in dieser Arbeit spielt.

2.1 Das Drei-Komponenten-Modell von Allen und Meyer

Meyer und Allen entwickelten ihrer Anfangszeit ein zweidimensionales Konzept, das aus affektivem und kalkulatorischen Commitment bestand (vgl. Meyer & Allen, 1984). Erst später wurde im Jahre 1990 das Modell mit einer dritten Dimension abgerundet, dem normativen Commitment (vgl. Allen & Meyer, 1990). Die drei Dimensionen wer- den von Allen und Meyer zu einem drei dimensionalem Modell zusammengefasst, dem DKM.

An dieser Stelle soll auf die einzelnen Bestandteile und Entwicklungslinien des DKM im Detail eingegangen werden, die Abbildung 1 verdeutlicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Das Drei-Komponenten-Modell (eigene Darstellung)

2.1.1 Affektives Commitment

Bereits Kelman (1958) erwähnte, dass bestimmte Komponenten vorhanden sind, welche die Haltung von Menschen gegenüber Organisationen oder Personen verändern können. Er spricht in seiner Veröffentlichung von drei Komponenten: Übereinstimmung, Identi- fikation und Verinnerlichung. Jedoch würden diese drei Komponenten nur sehr ober- flächlich auf das Commitment zutreffen. Nachweisbar ist, dass bereits 1974 eine Defini- tion von Porter und Kollegen zum affektiven Commitment (kurz: AC) existierte. Sie definierten das AC als relative Stärke der Identifikation eines Individuums mit einer Organisation und des Eingebundenseins in eine Organisation (vgl. Porter et al., 1974). Später entwickelten Mowday et al. (1979) das erste Modell des Commitments. Ihrer Ansicht nach gibt es drei Faktoren, die Commitment erklären: 1. Das Verlangen, einer Organisation anzugehören, 2. Die Akzeptanz von Zielen, Werten und Normen der Or- ganisation und 3. Der Wille, sich für die Organisation einzusetzen (vgl. Mowday et al., 1979). In Hinblick auf das DKM ist das Modell von Mowday, Steers und Porter als ein- dimensional zu sehen, da alle drei Faktoren lediglich das AC erklären.

Im DKM wird das AC darauf zurückgeführt, dass seitens der Mitarbeiter ein positives emotionales Verlangen besteht in der Organisation zu verbleiben. Es liegt demnach ein frei empfundenes subjektives Wollen der Mitarbeiter vor (vgl. Meyer & Allen, 1991), was die logische Folge hat, dass Mitarbeiter eigenständiger, zielfokussierter und leis- tungsstärker handeln (vgl. Meyer et al., 2004). Wird also von AC gesprochen, so ist damit vor allem die emotionale Bindung an eine Organisation gemeint. Diese Bindung erklärt, warum den Mitarbeitern ihre Organisation wichtig ist und warum sie ihr weiterhin angehören möchten (vgl. van Dick, 2004, S. 3), auch wenn sie rational gesehen bessere Alternativen hätten.

Motivationstechnisch steht fest, dass AC auf intrinsischer Motivation aufbaut. Das bedeutet, dass die Motivation nicht durch externe Reize wie Anerkennung und Respekt der Außenwelt zu suchen sind, sondern in der Person selbst zu finden sind, angelehnt an der eigenen Bedürfnisbefriedigung (vgl. Thiele, 2009, S. 45).

Messbar ist das AC als eindimensionales Konstrukt durch einen von Mowday et al. (1979) entwickelten Fragebogen, den Organizational Commitment Questionnaire (kurz: OCQ). Auf diesen Fragebogen wird hier nicht weiter eingegangen.

2.1.2 Kalkulatorisches Commitment

Das kalkulatorische Commitment (kurz: KC) ist auch unter den Begriffen rationales Commitment oder fortsetzungsbezogenes Commitment bekannt (vgl. Thiele, 2009, S. 42). Seinen Ursprung hat das KC im Side-bets-Ansatz von Becker (1960). Laut seinem Ansatz sind rationale Kosten-Nutzen-Abwägungen für eine erfolgreiche Mitarbeiterbin- dung entscheidend (vgl. Becker, 1960). Dabei werden die zu erwarteten Kosten eines Organisationswechsels mit den bisher getätigten Investitionen verglichen, um als Resul- tat das Commitment zu bestimmen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Kostenvermei- dung der Mitarbeiter. Übersteigen die Kosten eines Wechsels den Nutzen, werden die Mitarbeiter mangels geeigneter Alternativen in der Organisation verbleiben (vgl. Ro- douli, 2004, S. 32).

Motivationstechnisch bedeutet das, dass in der Organisation verblieben wird weil es sich nicht rechnet die Organisation zu wechseln. Es liegt hier im Gegensatz zum AC kein Gefühl vor, sondern lediglich eine Wirtschaftlichkeitsrechnung, weshalb das KC sich auch signifikant vom AC unterscheidet (vgl. Schommers, 2009, S. 193).

Erfassbar ist das KC als eindimensionales Konstrukt mit der Skala von Ritzer und Trice (1969), die von Hrebiniak und Alutto (1972) modifiziert wurde. Auf beide soll in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden.

2.1.3 Normatives Commitment

Normatives Commitment (kurz: NC) kann als wertebasiertes Verhalten aufgrund von Normvorstellungen verstanden werden. Daraus lässt sich ableiten, dass NC aus der ge- fühlten Loyalität und Verpflichtung gegenüber der Organisation besteht. Das eigene Verhalten wird anhand von Normvorstellungen bewertet. Individuen verhalten sich in einer bestimmten Art und Weise, weil sie glauben, dass sie sich so verhalten sollten, weil es so richtig sei und es von ihnen erwartet werden würde (vgl. Wiener & Vardi, 1980).

Für die Motivation beim NC ergibt sich ein eher extrinsisches Bild, in welchem norma- tiv gebundene Mitarbeiter von außen gesteuert handeln. Hier spielt die Erwartungshal- tung von äußerlichen Einflüssen eine starke Rolle, da Mitarbeiter handeln um ihren Selbstwert zu erlangen oder respektiert zu werden über eine gefühlte Verpflichtung ge- genüber etwas, wie z. B. dem Unternehmen (vgl. Meyer & Allen, 1991). Die Mitarbei- ter haben beim NC eine Wahrnehmung, die auf Sicherheit, Verantwortung und Pflicht- erfüllung ausgerichtet ist und somit kann das NC als Prävention-Fokus (vgl. Meyer et al., 2004) der Mitarbeiter verstanden werden (vgl. Beinborn, 2007, S. 360).

Gemessen wird das NC mit dem Ausmaß in welchem eine Person der Organisation Lo- yalität und Opferbereitschaft entgegenbringt. In der Untersuchung des NC von Wiener und Vardi (1980) schnitt die Skala von Hrebiniak und Alutto (1972) dafür am besten ab.

2.1.4 Die verschiedenen Foci von Commitment

Durch einen stetigen Wandel der Arbeitswelt durch neue Organisations- und Arbeits- formen sind weitere Richtungen des Commitments in den Mittelpunkt gerückt, wie bei- spielsweise das Commitment gegenüber der Tätigkeit bzw. Beruf, der Karriere, usw. (vgl. Cooper-Hakim & Viswesvaran, 2005). Diese Ausrichtungen von Commitment werden als Foci bezeichnet (vgl. Felfe, 2008, S. 41). Foci verdeutlichen im unternehme- rischen Kontext, dass Commitment nicht nur gegenüber der Organisation als Ganzes besteht und gemessen werden kann, sondern auch gegenüber kleineren Unternehmens- einheiten die physisch und psychisch im Unternehmen bestehen, wie z. B. dem Projekt- team oder der Arbeitsgruppe (vgl. Kraus & Woschée, 2012, S. 189).

Im Rahmen des DKM gehen Meyer und Allen (1997, S. 93) davon aus, dass auch Foci in ihrem Modell integriert werden können, die außerhalb von Organisationen liegen. Dabei kann das Commitment des Individuums gegenüber einer unüberschaubaren Vielzahl von Foci gemessen werden, was folglich zu einem komplexen multidimensio- nalen Modell führt, wenn zusätzlich zu den drei Commitmentarten noch mehrere Foci hinzugezogen werden. In Untersuchungen sollte deshalb stets eine Auswahl der Foci getroffen werden, um den Untersuchungsgegenstand zu definieren (vgl. Meyer & Allen, 1997, S. 21). Abbildung 2 verdeutlicht die Bedeutung der Foci für das DKM.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Das Drei-Komponenten-Modell als multidimensionales Modell (eigene Darstellung)

Ein gutes Beispiel für die Bedeutung der Foci im DKM ist die Metaanalyse von Cooper-Hakim und Viswesvaran (2005). Dort wurden verschiedene Richtungen von Commitment aus der Literatur, die mit Work Commitment in Verbindung stehen, unter- sucht. Die Untersuchung verdeutlicht das komplexe Problem der gegenseitigen und hie- rarchischen Abhängigkeit zwischen den Foci. Es finden sich Foci auf verschiedensten Ebenen und oft befinden sie sich in gegenseitiger oder hierarchischer Abhängigkeit. Die große Schwierigkeit dabei ist, je nach Anzahl der Foci, die Datenstruktur angemessen abzubilden (vgl. Felfe, 2008, S. 53).

2.2 Der Ansatz der sozialen Identität

In Hinblick auf die allgemeine Definition von Identifikation, dass Identifikation den Prozess bezeichnet, durch den Individuen mit sozialen Kategorien verbunden werden (vgl. Wegge & van Dick, 2006, S. 27), ist es möglich einen nachvollziehbaren Bezug zu Unternehmen bzw. Organisationen herzustellen. Organisationen oder Organisationsbe- reiche können als soziale Gruppen (soziale Kategorien) betrachtet werden, mit denen sich ein Mitarbeiter identifiziert. Die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe kann zur Erklärung der sozialen oder organisatorischer Identität genutzt werden (vgl. van Dick et al., 2004). Doch warum fühlen sich Menschen mit sozialen Gruppen verbunden und welche Stellung haben für sie diese Gruppen? Der Ansatz der sozialen Identität widmet sich diesen Fragen mit zwei miteinander verknüpften Theorien: Der SIT (Turner et al., 1979; Tajfel & Turner, 1986) und der ergänzenden SCT (Turner et al., 1988), auf beide soll nachfolgend eingegangen werden.

2.2.1 Soziale Identitätstheorie

Die SIT wurde von Tajfel und Turner entwickelt, um Konflikte zwischen Gruppen (Intergruppenkonflikte) zu erklären. Den Ausgangspunkt für die Entwicklung der SIT bildeten die Erkenntnisse der Ferienlagerexperimente von Sherif et al. (1954/1961), wo Intergruppenkonflikte als Folge eines Ressourcenkonflikts erklärt wurden.

Die SIT basiert auf den sogenannten minimal group studies, die erstmals 1970 und 1971 durchgeführt wurden (vgl. Tajfel, 1970; Tajfel et al., 1971). Dort untersuchten Tajfel und seine Mitarbeiter die Frage, ob ein Ressourcenkonflikt notwendig ist, um feindseli- ge Intergruppenkonflikte auszulösen (vgl. Wagner & Butenschön, 2014). Im ersten Schritt des Experiments wurden zwei Gruppen auf Grundlage eines unbedeutenden Un- terschieds (z. B. die Präferenz für einen Maler) eingeteilt. Die Gruppenmitglieder waren alle anonym, hatten keine Möglichkeit miteinander zu kommunizieren und wussten nur zu welcher Gruppe sie gehören. Im zweiten Schritt sollte eine bestimmte Menge Geld unter zwei anderen Teilnehmern aufgeteilt werden. Die Person, die das Geld aufteilen sollte, wusste nur, dass eine Person zur eigenen Gruppe und die andere Person zur ande- ren Gruppe gehörten (vgl. Tajfel & Turner, 1986, S. 13). Die Ergebnisse dieser und ähn- licher Experimente zeigten, dass die Mitglieder der eigenen Gruppe bevorzugt wurden. Jedoch wurde nicht der Gewinn der eigenen Gruppe maximiert, sondern der Abstand zwischen beiden Gruppen (vgl. van Dick et al., 2004). Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass entgegen der Untersuchung von Sherif et al. (1954/1961) kein Ressourcen- konflikt notwendig ist, damit konfliktartige Intergruppenprozesse stattfinden. Allein das eigenständige Zuteilen zu einer Gruppe aufgrund von irrelevanten Kriterien reicht aus um Diskriminierungsprozesse (Intergruppenkonflikte) der eigenen Gruppe (in-group) gegenüber einer anderen Gruppe (out-group) auszulösen (vgl. Tajfel & Turner, 1986, S. 14).

Tajfel und seine Kollegen formulierten, um die Ergebnisse der minimal group studies zu erklären, die SIT. Die SIT bedient sich folgender Annahmen: 1. Individuen streben nach einer positiven Selbsteinschätzung, 2. Soziale Gruppen oder Kategorien und die Mitgliedschaft in diesen werden als positiv oder negativ bewertet. Daher kann dort die soziale Identität positiv oder negativ sein und sich auf die soziale Identität des Individuums auswirken, und 3. Die Bewertung findet durch Vergleiche der eigenen Gruppe mit anderen Gruppen statt (vgl. Tajfel & Turner, 1986, S. 16).

Aus diesen Annahmen resultieren einige theoretische Prinzipien: 1. Individuen streben danach eine positive soziale Identität zu erreichen oder aufrecht zu erhalten, 2. Eine positive soziale Identität basiert auf vorteilhaften Vergleichen der in-group gegenüber der out-group und 3. Wenn der Vergleich negativ ausfällt, gibt es zwei Möglichkeiten einen positiven Vergleich herbeizuführen: Es kann die Gruppe verlassen werden, da sie eine negative Identität besitzt und/oder es kann versucht werden die Gruppe aufzuwer- ten, so dass der Vergleich positiv ausfällt (vgl. Tajfel & Turner, 1986, S. 16). Tajfel und Turner (1986, S. 19, 20) nennen in diesem Zusammenhang die Schlagwörter Individual Mobility (das Wechseln der Gruppe), Social Creativity (Wechsel der Vergleichsdimen- sion) und Social Competition (Kampf der Gruppe, um besser in dem Vergleich abzu- schneiden), die diese zwei Möglichkeiten als Strategien zusammenfassen und leichter verständlich machen.

Werden diese drei theoretischen Prinzipien der SIT nun in Bezug zu den Ergebnissen der minimal group studies gesetzt, sind die Ergebnisse nachvollziehbar. Da das Indivi- duum eine positive Identität anstrebt und die Individualebene teilweise durch die Grup- penebene beeinflusst wird, muss die in-group einen positiven Vergleich gegenüber der out-group anstreben. Im Falle eines negativen Vergleiches fallen die Strategien indivi- duelle Mobilität und soziale Kreativität durch die Bedingungen des Experimentes weg. Deshalb bleibt nur noch der soziale Wettbewerb übrig. Das Individuum maximiert den positiven Vergleich für sich und seine Gruppe, indem es den Abstand zur out-group maximiert.

Um die SIT im unternehmerischen Kontext nutzbar zu machen, muss betrachtet werden, wann sich Individuen überhaupt einer Gruppe zugehörig fühlen und warum sie als Gruppe handeln.

2.2.2 Selbstkategorisierungstheorie

Wie bereits erwähnt, erklärt die SCT, warum Individuen überhaupt in der Lage sind als eine Gruppe zu handeln, ohne dabei auf ein spezifisches Gruppenverhalten einzugehen. Dafür bedient sie sich verschiedener Annahmen, wobei im Rahmen dieser Arbeit nur auf die zentralen Annahmen eingegangen werden kann. In Bezug zur SIT steht die SCT dahingehend, dass sie eine allgemeinere Theorie darstellt, von welcher sich die SIT ab- leiten lässt (vgl. Turner et al., 1988, S. 42). Inhaltlich spezifiziert die SCT die Prozesse der Selbstkategorisierung und erklärt den Prozess der Gruppenbildung (vgl. Felfe, 2008, S. 58). Unter Selbstkategorisierung wird verstanden, dass sich Individuen eigenständig einer Gruppe zuordnen.

Die SCT hat als Grundlage eine Mehrebenenbetrachtung. Dabei handelt es sich um verschiedene Kategorisierungsebenen bzw. Abstraktionsstufen (Turner et al., 1988, S. 45), die hierarchisch angeordnet sind. Ganz oben befindet sich die human Identity, wo sich Individuen als Menschen definieren. Darunter folgt die social Identity, welche die Kategorisierungen definiert und ganz unten folgt die personal Identity, dort definieren sich Individuen (vgl. Rohmann, 2003, S. 37).

Auf jeder Kategorisierungsebene gibt es verschiedenste Kategorien, wobei der Begriff Unterscheidungsmerkmale, den Felfe (2008, S. 59) nutzt, passender wäre. Kategorien können für einen Vergleich genutzt werden. Die SCT bedient sich drei Grundannahmen um zu erklären, warum welche Kategorie für einen Vergleich aktiviert wird: 1. Eine Kategorie muss salient (bedeutsam) sein, 2. Eine Kategorie wird salient, wenn sie zu- gänglich ist (accesibillity). Die Zugänglichkeit ist abhängig von den Erfahrungen, Zie- len und Erwartungen eines Individuums und 3. Die Passung (fit) hat einen Einfluss auf die Salienz einer Kategorie. Unter Passung sind die im relevanten Zusammenhang vor- handenen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Individuen einer Kategorie zu ver- stehen, die auf verfügbare Kategorien passen sollten (vgl. Rohmann, 2003, S. 37, 38).

[...]

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Mitarbeiterbindungsmaßnahmen in kleinen und mittleren Unternehmen
Untertitel
Eine maßnahmenorientierte Bewertung
Hochschule
Technische Hochschule Mittelhessen
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
58
Katalognummer
V369888
ISBN (eBook)
9783668473157
ISBN (Buch)
9783668473164
Dateigröße
874 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Commitment, Mitarbeiterbindung, Maßnahmen, Retention Management, Drei Komponenten Modell, Self Categorisation Theory, Social Identity Theorie
Arbeit zitieren
Marc Jelli (Autor:in), 2016, Mitarbeiterbindungsmaßnahmen in kleinen und mittleren Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369888

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