Groteske Elemente bei E.T.A. Hoffmann und N. Gogol


Hausarbeit, 2004

16 Seiten, Note: 2-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Groteske in „Die Nase“
2.1. Die Sprache in Gogols Erzählung
2.2. Wirkung von Perspektiven
2.3. Groteske Figuren

3. Das Groteske in „Die Abenteuer der Silvester-Nacht“
3.1. Die Sprache in E.T.A. Hoffmanns Erzählung
3.2. Wirkung von Perspektiven
3.3. Groteske Figuren

4. Vergleich der Erzählungen

5. Bibliographie

6. Erklärung

1. Einleitung

In der folgenden Arbeit sollen die grotesken Erzählungen „Die Nase“ und „Die Abenteuer der Silvester-Nacht“ der Autoren Nikolaj Gogol und Ernst Theodor Amadeus Hoffmann genauer betrachtet werden. Es soll untersucht werden, inwieweit Gogol von Hoffmann, der einer der ersten Vertreter der phantastischen Erzählung war, beeinflusst wurde. Weiter soll die vorliegende Arbeit Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Autoren aufzeigen. Außerdem soll herausgearbeitet werden, wie sie die groteske Wirkung in ihren Erzählungen und Novellen erzeugen.

In der Literatur wird der Verlust der Nase in Gogols Erzählung „Die Nase“ immer wieder als „scherzhafte Verspottung des romantischen Doppelgänger-Motivs“[1] dargestellt, welches besonders in Hoffmanns „Die Abenteuer der Silvester-Nacht“ zu finden ist. Beide Erzählungen arbeiten mit ähnlichen Motiven: In der einen Erzählung verliert der Protagonist ein unabkömmliches Körperteil, in der anderen ist es das Spiegelbild, also eine Eigenschaft, die verloren geht.[2]

Im Allgemeinen werden in der literarischen Grotesken tragische und komische, aber auch grauenerregende und absurde Elemente miteinander verbunden.

Das Groteske arbeitet mit einer verfremdenden Wirkung in ihrer Gestaltung, einem Erleben außerhalb der gewohnten Realitätserfahrung. Im Gegensatz zum Phantastischen, das das Abwesende und das Niedagewesene darstellt, zeigt das Groteske etwas Bedrohliches und vor allem Komisches, um dem Betrachter beziehungsweise dem Leser eine Welt zu präsentieren, in der die natürliche Ordnung aufgehoben ist.

Michail Bachtin zufolge, der die verfremdende Wirkung der Groteske hervorhebt, ist diese nicht nur eine einfache Verletzung der Norm, sondern „die Leugnung jeglicher abstrakter, starrer Normen, die Absolutheit und ewige Gültigkeit beanspruchen. Sie negiert die Offenkundigkeit und die Welt des Selbstverständlichen“[3].

Im Grotesken Gogols ist die verfremdende Wirkung, nach Boris Eichenbaum, zu erkennen, wenn man bemerkt, dass das Groteske „Raum für das Spiel mit der Realität, für die Zersetzung und freie Verlagerung ihrer Elemente [schafft], so dass die gewohnten Bezüge und Bande [] in dieser neu errichteten Welt unwirklich werden“[4].

Verfremdung kann Ausdruck der Hilflosigkeit, der Unfähigkeit oder der Weigerung das Wesen der Dinge zu erkennen sein. In diesem Fall kehren die Dinge nicht mehr aus der Verfremdung zurück. Verfremdung kann jedoch auch das Ziel haben zu neuen Erkenntnissen oder Wertungen zu kommen oder eine indirekte kritische Wertung der Realität zu produzieren.

2. Das Groteske in „Die Nase“

Die Realität der erzählten Welt Gogols hat nichts gemein mit der russischen Wirklichkeit, wie sie ist oder wie sie zu seiner Zeit war. In seinen Erzählungen verfolgt er das Ziel Unwahrscheinliches und Unglaubliches festzustellen. Er driftet beim Erzählen nicht in die Welt des Mysteriösen und Ungeheuren sondern berichtet von außerordentlichen Begebenheiten in einer sehr nüchternen Sprache, so dass der Leser häufig das Gefühl bekommt es handele sich bei der erzählten Geschichte um eine tatsächlich vorgefallene Begebenheit.

In Gogols Erzählungen wird eine intensive Komik durch Aussagen, die sich auf einzelne, konkrete Sachverhalte beschränken, selten durch satirische Gesamtsituationen, geschaffen. Diese Stilgroteske ist bei Gogol ein wichtiges Mittel der Komikproduktion. Die Kompositionsgroteske dagegen, deren Wirkung durch die Witzigkeit eines größeren Kontextes hervorgerufen wird, nur eine untergeordnete Rolle für Gogols Komik spielt. Humoristische, ironische, satirische und groteske Elemente können den Leser gegebenenfalls auf die Produktion von Komik einstimmen. Für den komischen Effekt selbst ist somit immer der konkrete Bezug auf einzelne Sachverhalte notwendig.[5]

Das Groteske in Gogols Texten hat eine Doppelfunktion, da es nicht nur Trugbild des Diesseits, sondern auch ein geheimnisvolles Bild des Jenseits darstellt. Auffällig ist eine Unbestimmtheit und Unentscheidbarkeit, ein gezieltes Vermischen von Sinneskonturen.

In „Die Nase“ entsteht durch die totale Verwischung der Grenzen zwischen phantastischen und realen Vorgängen eine Atmosphäre der Absurdität, die sich im Aufbau der Novelle niederschlägt. Die groteske Erzählung stellt sich als außergewöhnliche Geschichte vor, bemüht sich aber die Handlung auf einer reellen, alltäglichen Ebene zu halten. Durch diesen scheinbaren Realismus wirkt die Geschichte noch abwegiger. Die Vermischung von Phantastik und Realität ist eine spielerische Konstruktion, die auch eine satirische Funktion hat. Wenn Gogol die Reaktion der Petersburger Öffentlichkeit auf den Verlust von Kowalews Nase beschreibt, kommt diese Funktion zutage.[6]

Zwischen dem ersten Teil der Erzählung, in dem der Barbier die Nase seines Kunden im Brot findet, und dem zweiten Teil, in dem sich die Nase des Majors verselbstständigt, besteht keine Verbindung. Durch formale Hinweise auf Gemeinsamkeiten der Protagonisten entsteht beim Leser die Illusion eines Zusammenhangs der Geschichten. Beide Teile beginnen mit dem Erwachen des jeweiligen Protagonisten und enden mit der irritierenden Aussage des Erzählers, dass der weitere Hergang der Geschichte nun im Nebel verschwinde. Während Gogol auf formaler Ebene Zusammenhänge schafft, stellt er sie auf der Ebene des Inhalts in Frage. Die Ähnlichkeit von Anfang und Ende der beiden Teile täuschen über deren Zusammenhanglosigkeit hinweg. Der Major Kowalew glaubt nämlich gar nicht an die Schuld des Barbiers am Fehlen seiner Nase, denn beim Abschneiden „hätte er ja einen Schmerz verspürt, und ohne Zweifel hätte auch die Wunde nicht so rasch zuheilen [...] können.“[7] Am Ende des zweiten Teils stellt der Polizist, der Major Kowalew seine Nase zurückbringt, jedoch einen Zusammenhang zu dem Barbier Jakowlewitsch her: „der Hauptbeschuldigte ein Gauner von Barbier aus der Wosnesenkijstraße [...] sitzt jetzt hinter Schloss und Riegel“[8]. Im dritten Teil, als Jakowlewitsch den Major rasiert, fällt kein Wort über die Nase, was sehr absurd wirkt. Es fällt nur der Hinweis darauf, dass der Barbier beim Anfassen von Kowalews Nase besondere Vorsicht zeigt, was eine assoziative Verbindung herstellt.

2.1. Die Sprache in Gogols Erzählung

Die von Gogol beschriebene Realität des Ungewöhnlichen wird durch das Widerlegen von Zweifeln des Helden hervorgehoben: „Erschrocken ließ Kowalew sich Wasser bringen und rieb sich mit dem Handtuch die Augen: Tatsächlich, die Nase war nicht da. Er begann sich mit der Hand zu betasten, um festzustellen, ob er schliefe. Anscheinend schlief er nicht.“ Später überlegt Kowalew: „ Aber vielleicht ist es mir nur so vorgekommen: es kann doch nicht sein, dass eine Nase auf so dumme Weise verloren geht.“ Als er noch einmal darüber nach denkt, findet er es so unwahrscheinlich, dass er sich fast sicher ist zu träumen. Doch diese Zweifel werden schnell wieder entkräftet: „Um sich wirklich zu überzeugen, dass er nicht betrunken sei, kniff sich der Major so heftig, dass er selber aufschrie. Dieser Schmerz überzeugte ihn vollkommen, daß er im Wachsein handle und lebe.“.[9]

Der Leser hat hier die Möglichkeit sich selbst eine Idee vom Geschehen zu machen, da aber jede Möglichkeit von Gogol in Frage gestellt wird, steht der Leser häufig im Dunkeln.

Ein beliebtes sprachliches Stilmittel Gogols ist die Hyperbel, durch die er den Leser auf bestimmte Dinge verstärkt aufmerksam macht. Es ist sicherlich eine Übertreibung, dass Kowalew aufschreit, als er sich selber kneift, um festzustellen ob er träumt.

[...]


[1] Berger, Willy: Drei phantastische Erzählungen. In: Arcadia. Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft. Berlin, New York 1978. S. 107.

[2] Gorlin, Michael: N.V. Gogol und E.Th.A. Hoffmann. Liechtenstein: Kraus 1968. S. 80.

[3] Bachtin, Michail: Die Ästhetik des Wortes: Hrsg. Rainer Grübel. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1979. S. 347.

[4] Eichenbaum, Boris: Aufsätze zur Theorie und Geschichte der Literatur. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1965. S. 137.

[5] Vgl. Hans Günther: Das Groteske bei N.V. Gogol. Formen und Funktionen. München: Sagner 1968. S.42f.

[6] Ebd. S. 126.

[7] Gogol, Nikolaj: Petersburger Novellen. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1984. Die Nase, S. 103.

[8] Ebd. S. 104.

[9] Vgl. Hans Günther: Das Groteske bei N.V. Gogol. S. 137.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Groteske Elemente bei E.T.A. Hoffmann und N. Gogol
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Grotesk(e)
Note
2-
Autor
Jahr
2004
Seiten
16
Katalognummer
V36926
ISBN (eBook)
9783638364270
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Groteske, Elemente, Hoffmann, Gogol, Grotesk(e)
Arbeit zitieren
Lenka Eiermann (Autor:in), 2004, Groteske Elemente bei E.T.A. Hoffmann und N. Gogol, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36926

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