Sanktion des Jugendarrests. Der Jugendarrest aus Sicht straffällig gewordener Heranwachsender

Eine exemplarische Analyse und Parxiskonsequenz


Bachelorarbeit, 2015

102 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

III. Abbildungsverzeichnis

A. Theoretische Grundlagen
1. Einleitung
2. Abweichendes Verhalten im Jugendalter
2.1 Jugenddelinquenz in Deutschland
2.2 Theorien zu abweichendem Verhalten
2.3 Pädagogische Handlungsansätze
3. Jugendstrafrecht und Jugendhilfe
3.1 Erziehungsmaßregeln
3.2 Zuchtmittel
3.3 Jugendstrafe
3.4 Jugendgerichtshilfe und Jugendbewährungshilfe
4. Der Jugendarrest
4.1 Ziele des Arrests und pädagogische Umsetzung
4.2. Forschungsstand
4.3 Aktuelle Meinungen
5. Zusammenfassung und Erkenntnisinteresse

B. Methodik und Ergebnisse
6. Methodik und Durchführung
6.1 Auswertung und kritische Reflexion
6.2 Beschreibung der Stichprobe
7. Ergebnisse der Forschung
7.1 Ergebnisse der Fragebogenkategorie „Straffälligkeit und Arrest“
7.2 Überprüfung der Hypothesen

C. Reflexion und Perspektiven
8. Reflexion der Ergebnisse
8.1 Weiterer Forschungsbedarf
8.2 Praxiskonsequenzen
9. Fazit

IV. Literaturverzeichnis

V. Rechtsquellenverzeichnis

VI. Anhang

II. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Straftaten

Abb. 2: Anzahl Jugendarreste

Abb. 3: Zeitpunkt des letzten Arrests

Abb. 4: Nachdenken über die Straftat

Abb. 5: Bereuen der Straftaten

Abb. 6: Tätigkeiten im Arrest

Abb. 7: Sinn der Sanktion des Jugendarrests

Abb. 8: Der Arrest als Schockerlebnis

Abb. 9: Der Arrest war nicht so schlimm

Abb. 10: Straffreiheit erste Zeit nach dem Arrest

Abb. 11: Straffreiheit nach dem Arrest

Abb. 12: Ausgestaltung des Arrests

A. Theoretische Grundlagen

1. Einleitung

Das Thema der Jugendkriminalität wird in den Medien durch erschreckende Videos von U- Bahn-Schlägereien und brutalen Raubüberfällen sehr häufig öffentlich diskutiert. Dabei wird vielfach das Bild einer immer krimineller werdenden Jugend vermittelt und es werden Fragen über die Effizienz der Jugendkriminalrechtspflege aufgeworfen.

Es stellt sich die Frage, welche Reaktionen effizient und notwendig sind, um kriminellem Ver- halten entgegenzuwirken und wie diese Reaktionen gestaltet werden müssen, damit sie eine erzieherische Wirkung haben. Das Jugendgerichtsgesetz bietet verschiedene Sanktionsmög- lichkeiten, um in erzieherischer Weise auf jugendliche Straftäter1 einzuwirken. Die am häufigs- ten diskutierte und umstrittenste Sanktion des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) ist das Zucht- mittel des Jugendarrests.2 Die kurze Hafterfahrung von maximal vier Wochen stellt trotz zahl- reicher kritischer Meinungen zum Jugendarrest eine beliebte Sanktion dar. Bei etwa 19 % aller nach dem JGG verurteilten Personen, wurde im Jahr 2012 das Zuchtmittel des Jugendarrests ausgesprochen.3 Von hoher Aktualität ist die Sanktion des Jugendarrests durch den im Jahr 2013 eingeführten Warnschussarrest, der im Zusammenhang mit einer zur Bewährung ausge- setzten Jugendstrafe verhängt wird.

Diese Strafmaßnahme wird seit der Einführung immer häufiger genutzt, für das Jahr 2014 zeichnet sich eine erhöhte Zahl der Warnschussarreste im Vergleich zum Jahr 2013 ab.4 Trotz der aktuellen Thematik gibt es in der Literatur nur eine geringe Anzahl an aktuellen Stu- dien zum Jugendarrest aus Sicht der Jugendlichen und Heranwachsenden. In der nachfolgen- den Arbeit wird thematisiert, wie die kurze Hafterfahrung auf die straffällig gewordenen Ju- gendlichen und Heranwachsenden wirkt. Dabei stehen die subjektiven Sichtweisen der ehe- maligen Arrestanten im Fokus.

Durch diese Arbeit soll in Erfahrung gebracht werden, inwiefern der Arrest eine abschrecken- de Wirkung vor weiteren Straftaten und einer damit verbundenen längeren Haftstrafe hatte. Weitere Forschungsinteressen liegen auch darin, ob den Jugendlichen nach dem Arrest be- wusst geworden ist, dass sie für ihr begangenes Unrecht einzustehen haben und wie nach dem Jugendarrest die Einstellungen der Jugendlichen und Heranwachsenden zu Straftaten aussehen.

Darüber hinaus soll ermittelt werden, ob sich die Lebenssituation der Jugendlichen und Her- anwachsenden nach dem Arrest verändert hat und inwiefern die Ausgestaltung des Jugendarrests von den Jugendlichen als veränderungsbedürftig angesehen wird. Im Folgenden wird dafür zunächst der theoretische Hintergrund erläutert, wie es zum abweichenden Verhalten im Jugendalter kommt, was unter dem Begriff Delinquenz zu verstehen ist und welche Theorien es zur Entstehung von Jugendkriminalität gibt. Daraufhin werden die Sanktionen des Jugendstrafrechts, insbesondere das Zuchtmittel des Jugendarrests dargestellt und die Wirksamkeit des Arrests wird anhand von bereits geführten Studien beschrieben. Desweiteren werden die aktuellen Meinungen und Ansichten zum Jugendarrest vorgestellt und die Forschungshypothesen werden erläutert.

Im zweiten Teil der Arbeit wird die Methodik und Durchführung der Datenerhebung beschrieben, daraufhin werden die Ergebnisse der Forschungsstudie dargestellt. Abschließend wird im Teil der Reflexion und Perspektiven ein Ausblick über weitere Forschungsinteressen gegeben und es werden Praxiskonsequenzen zur Veränderung und Ausgestaltung des Jugendarrests vorgestellt. Besonderer Schwerpunkt liegt dabei darauf, wie der Jugendarrest aus sozialpädagogischer Sicht verändert werden könnte.

2. Abweichendes Verhalten im Jugendalter

Jugendliche und Heranwachsende fallen in der Gesellschaft vor allem dann auf, wenn sie Handlungen begehen, die als problematische Abweichung von Regeln und Normen wahrge- nommen werden. In der sozialwissenschaftlichen Forschung wird dieses abweichende Verhal- ten im Jugendalter als ubiquitär und transitorisch bezeichnet. Damit ist gemeint, dass abwei- chendes Verhalten im Jugendalter nicht die Ausnahme sondern eher den Regelfall darstellt und hauptsächlich ein Übergangsphänomen ist, welches im Erwachsenenalter nicht mehr ge- zeigt wird.5

Nach Scherr sind unter abweichendem Verhalten „…alle diejenigen Verhaltensweisen und Handlungen zu verstehen, die nicht übereinstimmen mit sozialeinflussreichen Erwartungen (Regeln, Normen und Werten) von Gruppen, Institutionen bzw. der Gesellschaft insgesamt.“6 Abweichendes Verhalten wird in der Literatur synonym mit dem Begriff des devianten Verhal- tens verwendet.7

Abweichendes Verhalten wird als delinquentes oder kriminelles Verhalten bezeichnet, wenn Jugendliche oder Heranwachsende gegen strafrechtliche Normen verstoßen und wenn von den Strafverfolgungsbehörden Sanktionen gegen dieses Verhalten ausgesprochen werden.8

2.1 Jugenddelinquenz in Deutschland

Das delinquente Verhalten von Jugendlichen und Heranwachsenden ist, im Gegensatz zu kriminellen Handlungen von Erwachsenen, oft leichter zu bemerken und nachzuweisen, zum Beispiel auf Grund geringerer Tatplanung oder erhöhter Geständnisbereitschaft.9 Jugendliche und Heranwachsende halten sich zudem häufig in Peergruppen an öffentlichen Orten auf, an denen sie eher polizeilicher Kontrolle unterliegen.

Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) aus dem Jahr 2013 betrug der Anteil der tatver- dächtigen Jugendlichen und Heranwachsenden in Deutschland, gemessen an allen Tatver- dächtigen, 18,1 %. Die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen ist im Vergleich zum Vorjahr um 0,1 % gesunken und die Zahl der tatverdächtigen Heranwachsenden um 3,9%. Trotz der in den letzten Jahren rückläufigen Zahlen bedarf es einer ganzgesellschaftlichen Anstrengung, um Jugendkriminalität entgegen zu wirken.10 Anhand der PKS lassen sich keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung ziehen, da nur das Hellfeld betrachtet wird und keine Aussagen über die Entwicklungen im Dunkelfeld gemacht werden können.11 Zum Dun- kelfeld gehören die kriminellen Handlungen, die nicht zur Anzeige gebracht werden.12

Die tatverdächtigen Jugendlichen, die 14 aber noch keine 18 Jahre alt sind, wurden haupt- sächlich bei den Delikten der Körperverletzung, des Ladendiebstahls, der Straßenkriminalität oder der Sachbeschädigung registriert. Bei den Heranwachsenden, die 18 aber noch keine 21 Jahre alt sind, wurden die Delikte der Körperverletzung, des Betrugs und des Diebstahls am häufigsten erfasst.13

Desweiteren lässt sich aus der PKS erkennen, dass deutlich mehr männliche Jugendliche (70%) und Heranwachsende (77%) als weibliche Jugendliche und Heranwachsende, als Tatverdächtige ermittelt wurden.14

Nach den regelmäßig durchgeführten Dunkelfeldstudien von Dünkel und Geng kann Delin- quenz als normales Phänomen interpretiert werden. In der Befragung von Studierenden ergab sich, dass 80-90 % der befragten Personen in ihrem Leben delinquentes Verhalten gezeigt haben.15

Desweiteren ist delinquentes Verhalten in allen Bereichen der Gesellschaft anzutreffen, unab- hängig von sozialer Schicht, der Nationalität oder Gruppenzugehörigkeiten.16

Häufig werden im Rahmen von Jugendkriminalität Bagatelldelikte begangen und die Mehrzahl der Jugendlichen und Heranwachsenden steigt von selbst aus einer kriminellen Entwicklungsrichtung aus, ohne mit der Polizei oder der Justiz in Berührung gekommen zu sein.17 Oft endet das delinquente Verhalten durch den persönlichen Reifeprozess und durch die gesellschaftliche Integration.18 Eine kleine Gruppe Jugendlicher und Heranwachsender ist jedoch als Intensivtäter zu identifizieren, die für eine relativ große Anzahl von Straftaten verantwortlich sind.19 Bei diesen jungen Menschen sind kontinuierliche Entwicklungen zu einer straffälligen Karriere zu erkennen und das delinquente Verhalten kann nicht als reifebedingt eingestuft werden.20 Besonders bei dieser Gruppe der Intensivstraftäter stellt sich die Frage, wie ein Abbruch der kriminellen Verhaltensweisen erreicht werden kann.

2.2 Theorien zu abweichendem Verhalten

Abweichendes Verhalten kann in verschiedenen Formen und in unterschiedlicher Intensität auftreten. Kastner und Sessar weisen darauf hin, dass delinquentes Verhalten von Jugendli- chen besonders vor den mit der Jugendphase einhergehenden Veränderungen betrachtet werden muss. Dazu zählen z. B. die Veränderungen des eigenen Körpers, die Geschlechts- rollenausbildung, veränderte Beziehungen zu Familie und Freunden und die persönliche und soziale Identitätsfindung.21

Jugendliche befinden sich dementsprechend im Prozess in die Erwachsenenrolle hineinzuwachsen, dies ist häufig mit dem Austesten von Grenzen verbunden. Dabei findet ein Lernprozess statt, um die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht zu erkennen.22 Nicht unerwartet kommt es also dazu, dass sich in diesem Lebensabschnitt Normen und Erwartungen der Gesellschaft entgegengesetzt werden.23

In verschiedenen Disziplinen wird sich mit delinquentem Verhalten auseinandergesetzt und es wurden unterschiedliche theoretische Erklärungsansätze entwickelt.

Biologische Erklärungsansätze gehen davon aus, dass kriminogene Faktoren durch genetische Anlagen vererbt werden.24 Sozialpsychologische Ansätze beruhen auf der Annahme, dass das delinquente Handeln mit der Persönlichkeit eines Menschen zusammenhängt und erlernt sowie wieder verlernt werden kann.

Weitere sozialpsychologische Ansätze gehen davon aus, dass starke soziale Bindungen, Be- ziehungen und Verantwortlichkeiten als Kontrollfaktor eine große Rolle zur Verhinderung de- linquenten Verhaltens spielen.25 Soziologische Theorien sind der Ansicht, dass gesellschaftli- che Bedingungen für kriminelle Verhaltensweisen verantwortlich sind. Nach der soziologi- schen Anomietheorie von Merton entsteht abweichendes Verhalten und Kriminalität dann, wenn nicht über ausreichend legale Mittel verfügt wird, um kulturelle Werte und Ziele zu errei- chen.26 Nach einem weiteren soziologischen Ansatz, dem Etikettierungsansatz, wird davon ausgegangen, dass Kriminalität vor allem durch Zuschreibungsprozesse der Instanzen sozia- ler Kontrolle und durch Reaktionen auf abweichendes Verhalten entsteht. Kriminalität wird nicht als menschliche Eigenschaft gesehen, sondern sie wird der Person zugeschrieben. Durch diese Stigmatisierungsprozesse als Straftäter verändere sich das Selbstbild hin zu ei- nem kriminellen Selbstbild.27

In Kombinationsansätzen werden die verschiedenen Ansätze und Einflussfaktoren kombiniert, um zu einer umfassenderen Erklärung von delinquentem Verhalten zu gelangen. In dem Mehrfaktorenansatz von Liszt und Göppinger wurden als Risikofaktoren für kriminelles Verhal- ten unter anderem die Straffälligkeit eines Elternteils, wechselnder oder inkonsequenter Erzie- hungsstil, Lernschwierigkeiten, störendes und auffälliges Verhalten, niedrige Bildungsqualifika- tion, unstrukturiertes Freizeitverhalten, familiäre Disharmonie, genetische Faktoren, untere so- ziale Schicht, schwieriges Temperament, Impulsivität, kognitive Defizite und Anschluss an de- viante Peer-Gruppen herausgestellt.28

Aus pädagogischer Sicht wird abweichendes Verhalten im Jugendalter als Bewältigungsverhalten angesehen. Dieses wird unabhängig von den begangenen Delikten betrachtet. Es wird danach gefragt, was Jugendliche in ihr „antisoziales Befindlichkeits-, Orientierungs-, und Handlungsdilemma“29 gebracht hat, welche Chancen sie nicht hatten, um sich aus diesem abweichendem Verhalten herauszuhalten und welchen Kontroll- und Kriminalisierungsprozessen sie ausgesetzt waren. Aus der pädagogischen Perspektive wird ein interdisziplinärer Ansatz benötigt um diese Spannungen zu erklären.30

Gemäß dem interdisziplinären Bewältigungsmodell von Böhnisch verweist das abweichende Verhalten auf die kritischen Lebenskonstellationen des Betroffenen und tritt dann auf, wenn konforme Bewältigungsmittel nicht vorhanden sind um Handlungsfähigkeit zu erreichen. Lebenskonstellationen werden von dem Einzelnen dann als kritisch erlebt, wenn die Kompo- nenten des Selbstwerts, der sozialen Anerkennung und der Selbstwirksamkeit gestört sind.31

Häufig werden Delikte begangen, um auf sich aufmerksam zu machen oder Anschluss in de- linquenten Cliquen zu finden.32

Es kann zusammengefasst werden, dass es unterschiedliche Ansätze zur Erklärung von De- vianz und Delinquenz im Jugendalter gibt. Sie betrachten verschiedene Entstehungsbedin- gungen und es werden nicht alle Formen von Kriminalität durch die einzelnen Ansätze be- gründet. Es kann keine universelle Erklärung zu delinquentem Verhalten gegeben werden, da das menschliche Verhalten und gesellschaftliche Prozesse zu komplex sind, um diese in einer Theorie zu verallgemeinern. Außerdem besteht die Schwierigkeit, direkte Ursächlichkeiten zwischen bestimmten Ausgangsbedingungen und delinquentem Verhalten herzustellen.33

Trotzdem liefern diese Erklärungsansätze notwendiges Hintergrundwissen zu abweichendem Verhalten und besonders die pädagogischen Sichtweisen sind für die Soziale Arbeit als relevant anzusehen.

2.3 Pädagogische Handlungsansätze

Nach Böhnisch ist es die Aufgabe der Pädagogik, zur Entkriminalisierung des Jugendalters beizutragen und die Verfestigung von abweichenden Karrieren über das Jugendalter hinaus zu verhindern.34

Besonders im Arbeitsfeld der Jugendhilfe soll auf abweichendes Verhalten eingegangen werden. Dies erfolgt durch soziale Kontrolle und durch pädagogische Hilfen bei Entwicklungs- und Bewältigungsproblemen.35

Als pädagogischen Handlungsansatz erläutert Böhnisch, dass zunächst die Bewältigungsdimensionen der Straftat verstanden und akzeptiert werden müssen. Es ist wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung zu entwickeln, bei der aber auch Grenzen aufgezeigt und als eigener Standpunkt vertreten werden müssen.36 Diese Grenzsetzung muss in der pädagogischen Beziehung anhand einer ablehnenden Haltung zu den begangen Delikten erfolgen.37

Als Kernprinzip der pädagogischen Arbeit mit Jugendlichen Straftätern wird die Trennung von Person und Tat gesehen. Den Jugendlichen und Heranwachsenden muss eine wertschätzende Haltung entgegengebracht werden, damit sie über ihre Delikte sprechen können ohne sich defizitär fühlen zu müssen.38

Nach Enke muss einfühlend auf die hinter den delinquenten Handlungen verborgenen, Be- dürfnisse und Bewältigungsprobleme eingegangen werden um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Nur so werden die angebotenen Hilfen akzeptiert.39 Eine ausschließliche Defizitori- entierung muss vermieden werden, da bei den sozialpädagogischen Interventionen vor allem das Selbstwertgefühl und die Handlungskompetenz der jungen Menschen gestärkt werden sollen.40

Insgesamt kann die Pädagogik das Phänomen der Kriminalität nicht bekämpfen, aber sie kann den Jugendlichen in ihrer Individualität Hilfestellungen leisten und mit ihnen biografische Alter- nativen finden.

Nach Ansicht von Böhnisch braucht die Sozialpädagogik vor allem Konzepte, wie mit Mehrfachstraftätern so umgegangen werden kann, dass die Sicherheitsinteressen der Gesellschaft wahrgenommen werden, aber gleichzeitig dem Jugendlichen biografische Entwicklungsmöglichkeiten offen gehalten werden.41

3. Jugendstrafrecht und Jugendhilferecht

Die rechtlichen Regelungen des Jugendhilferechts sind Handlungsgrundlagen, um Jugendliche in ihrer Entwicklung zu fördern und präventiv kriminelles Verhalten zu verhindern. Auf der Grundlage des Jugendstrafrechts können gerichtliche Maßnahmen und Sanktionen eingeleitet werden, um Jugenddelinquenz entgegenzuwirken.

Nach dem Achten Sozialgesetzbuch ist es Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen.42

Durch Delinquenz kann eine Entwicklungsbenachteiligung vorliegen. Jugendliche, die Straftaten begangen haben, gehören also zu den Adressanten der Kinder- und Jugendhilfe.43 Besonders die Hilfen zur Erziehung nach § 27 - § 35 SGB VIII können präventive Wirkungen vor erneuter Straffälligkeit leisten.

Die Angebote der Hilfen zur Erziehung setzen jedoch die Bereitschaft der Erziehungsberechtigten oder bei Volljährigen des jungen Leistungsempfängers voraus.44

Die Leitidee des Jugendstrafrechts ist der Erziehungsgedanke. Es soll durch verschiedene Maßnahmen in erzieherischer Weise auf den jungen Menschen eingewirkt werden.

Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll nach § 2 I JGG „…vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.“45

Angewendet wird das Jugendstrafrecht nach § 1 I JGG auf Jugendliche und Heranwachsende. Jugendlicher ist, wer zum Tatzeitpunkt mindestens 14 Jahre aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Heranwachsender ist, wer zur Zeit der Tat 18 Jahre aber noch keine 21 Jahre alt ist.46 Bei Heranwachsenden gilt das Jugendstrafrecht nur, wenn sie Reifeverzögerungen aufweisen oder es sich bei der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.47

Das Jugendstrafrecht zeichnet sich besonders dadurch aus, dass es verschiedene Reakti- onsmöglichkeiten auf delinquentes Verhalten gibt. Der Richter hat somit die Möglichkeit, Sank- tionen auszusprechen, die auf jeden Einzelnen ausgerichtet sind. Ziel ist es eine bedarfsge- rechte erzieherische Wirkung zu erreichen.48 Da es unterschiedliche Formen delinquenten Verhaltens gibt, muss bei Reaktionen darauf vor allem zwischen kriminellen Handlungen Ju- gendlicher im Rahmen des Entwicklungsprozesses und kriminellen Intensivtätern unterschie- den werden.

Es gibt drei im Jugendgerichtsgesetz festgelegte Kategorien von Sanktionsarten: die Erzie- hungsmaßregeln, die Zuchtmittel und die Jugendstrafe.49 Des Weiteren kann die Staatsan- waltschaft oder das Gericht bei geringeren Vergehen das Verfahren gegen den Jugendlichen oder Heranwachsenden einstellen. Diese sogenannte Diversion wird angewendet, wenn eine förmliche Verurteilung als erzieherisch nicht erforderlich gesehen wird. Durch die Einstellung des Verfahrens wird denen mit einer Sanktionierung oft verbundenen Stigmatisierung entge- gengewirkt.50 Grundsätzlich gilt die Vorrangigkeit von Interventionen der Jugendhilfe vor stra- fenden Sanktionen.51

3.1 Erziehungsmaßregeln

Die Erziehungsmaßregeln sind in den §§ 9- 12 JGG festgelegt. Sie werden angeordnet, wenn die Sanktion ausschließlich der Erziehung des Jugendlichen oder Heranwachsenden dienen soll. Es ist nicht das Ziel, die Tat des Jugendlichen zu ahnden.52 Die Erziehungsmaßregeln un- tergliedern sich in die Erteilung von Weisungen (§ 10 JGG) und Hilfen zur Erziehung (§ 12 JGG).

Die Hilfe zur Erziehung kann in Form der Erziehungsbeistandsschaft sowie der Heimerziehung oder Erziehung in einer betreuten Wohnform als Maßregel ausgesprochen werden.53

Nach § 10 JGG sind Weisungen „..Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. […]“54 Weisungen können u.a. sein, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen, einen sozialen Trainingskurs zu absolvieren oder am Verkehrsunterricht teilzunehmen.55

3.2 Zuchtmittel

Durch die Anwendung von Zuchtmitteln ahndet der Richter die Straftaten des Jugendlichen oder Heranwachsenden. Zuchtmittel sollen nach § 13 I JGG dann erteilt werden, wenn eine Jugendstrafe noch nicht geboten ist, aber dem jungen Menschen eindringlich bewusst ge- macht werden soll, dass er für das von ihm begangene Unrecht einstehen muss. Zuchtmittel sind nach § 13 II JGG die Verwarnung, die Erteilung von Auflagen und der Ju- gendarrest. Durch die Verwarnung durch den Jugendrichter nach § 14 JGG soll dem jungen Menschen seine Straftat eindringlich vorgehalten werden. Diese wird häufig in Verbindung mit anderen Sanktionen ausgesprochen.56

Es gibt vier Arten der vom Gericht erteilten Auflagen. Diese sind die Wiedergutmachung des Schadens durch Geld- oder Arbeitsleistungen, die Entschuldigung beim Geschädigten, die Ab- leistung gemeinnütziger Arbeit oder die Zahlung eines Geldbetrags an eine gemeinnützige In- stitution.57

Durch die Erbringung von Leistungen soll der Jugendliche oder Heranwachsende in intensiverer Weise präventiv beeinflusst werden als durch die Verwarnung.58

Die Ziele des Jugendarrests werden in § 90 JGG erläutert.

„ Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewußtsein bringen, daßer für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Der Vollzug des Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet werden. Er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben. “ 59

Der Jugendarrest kann in Form eines Freizeitarrests, eines Kurzzeitarrests oder eines Dauerarrests vollstreckt werden. Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt. Die Sanktion bemisst sich auf eine oder zwei Freizeiten.60

Nach § 25 JAvollzO beginnt der Freizeitarrest am Samstag um 8 Uhr oder um 15 Uhr, wenn der Jugendliche an diesem Tag noch arbeitet oder die Schule besucht. Der Freizeitarrest en- det am Montag um 7 Uhr. Der Kurzzeitarrest wird anstatt des Freizeitarrests verhängt, wenn ein zusammenhängender Vollzug als erzieherisch zweckmäßig erscheint. Der Kurzzeitarrest beträgt maximal vier Tage.61 Der Dauerarrest beträgt gemäß § 16 IV JGG mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Die Dauer ist abhängig von der Schwere der Tat, der Höhe der Schuld und inwieweit der Jugendliche bereits vorher auffällig geworden ist.62

Auch der erst kürzlich eingeführte Warnschussarrest wird in diesen Arrestformen verhängt. Dieser wird ausgesprochen, wenn eine Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde und ein Arrestaufenthalt geboten ist, um dem jungen Menschen seine Verantwortlichkeiten und Folgen weiterer Strafen zu verdeutlichen und um ihn für eine Zeit aus seinem Lebensumfeld herauszunehmen und eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung im Jugendarrest auf den Jugendlichen zu erreichen.63

Eine besondere Form der Anwendung des Jugendarrests ist der sogenannte Ungehorsamsarrest oder Beugearrest. Dieser wird nach § 15 III JGG bei schuldhafter Nichtbefolgung von Weisungen und Auflagen des Gerichts in Form des Freizeit-, Kurzzeit-, oder Dauerarrests ausgesprochen.

3.3 Jugendstrafe

Die Jugendstrafe ist nach § 17 I JGG die Freiheitsentziehung in einer Jugendstrafanstalt, sie ist die einzige Rechtsfolge mit dem Charakter einer Kriminalstrafe.64 Eine Jugendstrafe wird verhängt, „…wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat her- vorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichend sind oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.“65 Die Jugendstrafe wird mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten und maximal fünf Jahren verhängt.66

Gemäß § 21 I JGG kann die Vollstreckung einer Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, dass der Jugendliche oder Heranwachsende auch ohne die Hafterfahrung im Strafvollzug die Verurteilung als Warnung erkennt und zukünftig keine weiteren Straftaten begeht.

Dabei sollen besonders die „[…] Persönlichkeit des Jugendlichen, sein Vorleben, die Umstän- de der Tat, sein Verhalten nach der Tat [und] seine Lebensverhältnisse […]“67 berücksichtigt werden sowie die Wirkungen, die mit der Aussetzung der Strafe für ihn zu erwarten sind.

3.4 Jugendgerichtshilfe und Jugendbewährungshilfe

In der Jugendstraffälligenhilfe sind die Bereiche der Jugendgerichtshilfe und der Jugendbewährungshilfe damit betraut, straffällig gewordene Jugendliche und Heranwachsende zu unterstützen. Sie verfolgen u.a. das Ziel, erzieherisch auf den Jugendlichen oder Heranwachsenden einzuwirken und eine Strafrückfälligkeit zu vermeiden, aber sie haben auch kontrollierende Aufgaben gegenüber den Klienten.68

Die Jugendgerichtshilfe hat zum einen die Aufgabe als Entscheidungshilfe für das Gericht zu fungieren und zum anderen soll sie eine Hilfe für den jugendlichen oder heranwachsenden Beschuldigten darstellen.69 Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit freien Trägern der Jugendhilfe ausgeübt.70

Den Jugendlichen und Heranwachsenden werden bei Bedarf Leistungen der Jugendhilfe an- geboten und sie werden während des gerichtlichen Verfahrens betreut.71 Nach § 38 JGG bringt die Jugendgerichtshilfe die „…erzieherischen, sozialen und fürsorgeri- schen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind.“72

Die zweite Unterstützungsinstitution ist die Jugendbewährungshilfe. Wenn eine Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, wird dem Jugendlichen nach § 24 JGG ein Bewährungshelfer unterstellt, der dem jungen Menschen helfend und betreuend zur Seite steht und die Erfüllung der Auflagen und Weisungen überwacht.

Die Jugendbewährungshilfe ist in Niedersachsen im Ambulanten Justizsozialdienst eingegliedert. Der AJSD gehört neben der Staatsanwaltschaft, der Strafgerichtsbarkeit und dem Justizvollzug zu den vier Säulen der Strafrechtspflege.73

Die Jugendbewährungshilfe hat die Aufgaben, die Auflagen und Weisungen des Gerichts zu überwachen und Berichte an das Gericht über den Stand der Erfüllung und über die persönli- che Entwicklung des Jugendlichen zu verfassen. Außerdem soll der Bewährungshelfer Hilfe- stellungen und Unterstützungen in verschiedenen Lebensbereichen geben.74 Die straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden werden bei allen Fragen und Problemen, welche die Resozialisierung und Eingliederung in die Gesellschaft betreffen, beraten und be- treut.75

4. Der Jugendarrest

Bei etwa 19 % der nach dem Jugendstrafrecht verurteilten Personen wurde im Jahr 2012 die Sanktion des Jugendarrests erteilt, dies betraf somit 15.394 Jugendliche und Heranwachsen- de. Im Vergleich zum Jahr 2006 zeigt sich, dass die relativen Anteile der zum Jugendarrest verurteilten Personen mit einem Rückgang von 0,9 % leicht gesunken sind.76 Insgesamt ist die Anwendung der Sanktion seit 1970 rückläufig. Im Jahr 1960 wurde noch bei 45 % der Verur- teilten die Sanktion des Jugendarrests ausgesprochen.77 Eine eindeutige Aussage über die aktuelle Entwicklung der Sanktion des Jugendarrests kann nicht gegeben werden, da in den statistischen Erfassungen der sogenannte Ungehorsamsarrest nach § 15 III JGG nicht mit einbezogen wird und die statistischen Aussagen nur für den Urteilsarrest, also für die verhäng- ten Freizeit-, Kurz-, und Dauerarreste, gelten.78 Außerdem sind die seit dem Jahr 2013 ver- hängten Warnschussarreste noch nicht in diesen Zahlen enthalten.

Über den Vollzug des Arrests gibt es in § 90 JGG keine konkreten Ausführungsvorschriften. Richtlinien sind in der Arrestvollzugsordnung festgelegt, diese lassen jedoch einen großen Handlungsspielraum, sodass die Praxis des Jugendarrests uneinheitlich ist. In einigen Bun- desländern wird ein strenger Vollzug praktiziert, in anderen wird vor allem auf erzieherische Methoden Wert gelegt.79

Die einzelnen Bundesländer erarbeiten derzeit Jugendarrestvollzugsgesetze. In Brandenburg und in Nordrhein-Westfalen wurden diese bereits eingeführt.80

Insgesamt wird der Jugendarrest aufgrund verschiedener Aspekte kritisiert. Trotzdem wurde erst kürzlich der Warnschussarrest als eine weitere Form des Jugendarrests eingeführt. Im Folgenden wird das Ziel des Jugendarrests und dessen pädagogische Umsetzung am Beispiel der Jugendarrestanstalt (JAA) Emden aufgeführt.

Daraufhin wird die Wirksamkeit des Jugendarrests anhand von verschiedenen Studien erläu- tert und ein aktueller Meinungsstand zum Jugendarrest aufgezeigt.

4.1 Ziele des Arrests und pädagogische Umsetzung

Nach dem ursprünglichen Ziel ist der Jugendarrest ein kurzfristiger, möglichst rasch einsetzender Freiheitsentzug mit sühnendem und erzieherischem Charakter, aber keine Strafe.81 Das gesetzliche Ziel ist es, dem Jugendlichen oder Heranwachsenden eindringlich bewusst zu machen, dass er für seine Straftaten einzustehen hat. Der Jugendarrest soll erzieherisch gestaltet sein, damit den Jugendlichen geholfen werden kann, die Schwierigkeiten zu überwinden, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen.82

Daraus abgeleitet sind die Sanktionsziele des Jugendarrests die Abschreckung vor einer Jugendstrafe bei erneuter Straffälligkeit, die Besinnung im Hinblick auf das Tatunrecht und die Erziehung im Hinblick auf das künftige Legalverhalten.83

Die pädagogische Ausgestaltung des Jugendarrests wird anhand der Basiskonzeption der JAA Emden aus dem Jahr 2010 erläutert. Nach der Konzeption muss es die Aufgabe des Jugendarrests sein, den Jugendlichen und Heranwachsenden klare Grenzen aufzuzeigen. Desweiteren sollen im Jugendarrest neue Perspektiven erarbeitet werden und den Jugendlichen und Heranwachsenden soll verdeutlicht werden, welche Hilfsmöglichkeiten durch die ambulante Jugendhilfe wahrgenommen werden können.84

Die erzieherische Ausrichtung des Jugendarrests in Emden wird durch einen geregelten Tagesablauf und Beschäftigung im Rahmen von Arbeit und Schulunterricht sowie durch spezielle Maßnahmen wie dem sozialen Training, Sport, Seelsorge und dem sozialen Dienst umgesetzt. In dem sozialen Training werden die Problembereiche Geld und Schulden und Suchtprävention bearbeitet sowie Bewerbungstrainings angeboten.

Einige soziale Trainingskurse werden wöchentlich, andere nur monatlich angeboten. Deswei- teren finden einmal wöchentlich Sportaktivitäten und ein Kirchenkreis statt.85 Im sozialen Dienst werden Einzelgespräche und Gruppenmaßnahmen zu den Themen Gewaltprävention, Straftatenreflexion und Reflexion für Schulverweigerer angeboten, außerdem finden Konflikt- bewältigungstrainings und Kommunikationstrainings statt. In der Gruppenmaßnahme der Straftatenreflexion wird sich vor allem mit den Ursachen und Folgen der Straftaten auseinan- dergesetzt. Die Täter- und Opfersituation im eigenen Leben sowie das individuelle Konfliktver- halten werden thematisiert.

Die Arrestanten sollen sich gegenseitig beim Entwickeln von Handlungsstrategien unterstüt- zen, es soll eine Veränderung der eigenen Perspektive stattfinden und die eigene Verantwortung soll verdeutlicht werden.86

Neben den Gruppenmaßnahmen werden u.a. Kriseninterventionen geleistet, Zu- und Abgangsgespräche geführt, Perspektiven mit dem Arrestanten erarbeitet und Beratung in allen Lebensbereichen angeboten.87

4.2. Forschungsstand

Trotz der umstrittenen Wirkung des Jugendarrests gibt es nur wenige aktuelle Studien die zu diesem Thema geführt wurden. Die meisten Studien wurden in den 80er oder 90er Jahren ge- führt. Diese müssen kritisch betrachtet werden, da sich die Wirkung des Arrests und die Ar- restbedingungen innerhalb der letzten 20 bis 30 Jahre erheblich verändert haben können. Trotzdem bieten diese Studien elementare Ansätze, die für die folgende Forschungsstudie als relevant anzusehen sind. Auch heute wird in Fachzeitschriften auf die meisten dieser Studien Bezug genommen.88 Ein Forschungsbedarf lässt sich auch daran erkennen, dass momentan eine bundesweite Studie zur Evaluation des Warnschussarrests durchgeführt wird, welche im Juli 2015 endet.89

Im Weiteren werden die Forschungsstudien und Ergebnisse von Thilo Eisenhardt, welche im Jahr 1977 veröffentlicht wurden, von Edwin Keiner aus dem Jahr 1989, von Karl Friedrich Schumann aus dem Jahr 1985, von Bernhard Bruns aus dem Jahr 1984 und die Forschungsstudie von Karin Schwegler aus dem Jahr 1999 vorgestellt.

Die Studie von Eisenhardt wurde in insgesamt 27 Jugendarrestanstalten durchgeführt. In der Studie wurde durch Analyse von Tagebüchern und anhand von Befragungen herausgefunden, dass der Arrest bei den meisten Jugendlichen eine Schockwirkung auslöst, die jedoch nach spätestens zehn Tagen mit einer Phase der Gewöhnung abnimmt.90

In Eisenhardts Studie stellte sich heraus, dass der Arrest überwiegend negative Auswirkungen auf die Jugendlichen und Heranwachsenden hat.91

Die Aggressivität, antisemtische und egoistische Tendenzen nehmen während des Arrests zu. Es treten bei den Befragten Ängste auf, die sich durch Nervosität oder Schlafstörungen äu- ßern.92

Karl F. Schumann befragte in seiner Studie insgesamt 158 Arrestanten während des Arrest- vollzugs zu ihren Empfindungen in der Arrestanstalt Bremen-Lessum.

In Schumanns Studie gaben 63 % der Befragten an, dass eine längere Haftstrafe „wohl weni- ger schlimm wäre als Arrest“93, daraus interpretiert Schumann, dass durch den Arrest der Schrecken vor einer längeren Haftstrafe genommen wurde und die Angstschwelle vor einer Jugendstrafe sinkt. Außerdem ergab die Bremer Studie, dass die Rückfallquote nach dem Ar- rest bei etwa 80 % liegt.94

Desweiteren gaben fast 60 % der Befragten an, dass sie nicht das Bewusstsein erlangt haben, dass sie für ihr begangenes Unrecht einstehen müssen. Bei ihnen ist im Jugendarrest kein Ve- rantwortungsgefühl für die Tat entstanden.95 Das Arrestziel der Besinnung sowie das Ziel der Abschreckung wurden bei den meisten Jugendlichen und Heranwachsenden nicht erreicht. In der Arrestanstalt Bremen- Lessum wurde kein pädagogisches Konzept angewandt.96

In der Studie von Bruns wurden insgesamt 100 Freizeitarrestanten in Osnabrück befragt. Fazit seiner Studie war , dass es die Jugendlichen zwar als tragisch empfanden eingesperrt zu sein, aber keiner seine Straftaten bereute.97 Von den Inhaftierten wurden mehr Gespräche über die Straftat mit Psychiatern, Sozialarbeitern oder Mitarrestanten gewünscht. Auch Bruns ermittelte in seiner Studie, dass der Arrestaufenthalt eine Schockwirkung bei den Arrestanten ausgelöst hat, Symptome wie Schlafstörungen führten zu diesem Schluss. Der Schock führt nach seinen Ergebnissen jedoch nicht dazu, dass keine Straftaten mehr be- gangen werden.98 Die Schockwirkung wirkt sich negativ auf die Motivation aus, sich mit der Straftat auseinanderzusetzen.99 Es wird während des Arrests nicht an die Straftaten gedacht, sondern an etwas Angenehmes, wie z.B. an die eigenen Freunde, um die unangenehme Situ- ation durch diese Gedanken zu überwinden.100 Nach Bruns kann ein Bewusstsein für das be- gangene Unrecht durch den Arrest nicht erreicht werden.101

In der Befragung von Edwin Keiner wurden alle Dauerarrestanten aus der Jugendarrestanstalt Gelnhausen erfasst.102 Der Vollzugsleiter der Jugendarrestanstalt berichtete, dass in dieser Jugendarrestanstalt besonders sozialpädagogische Maßnahmen im Vordergrund stehen. Die Ergebnisse der Befragung zeigten, dass die meisten Jugendlichen und Heranwachsenden mit dem Arrestvollzug zufrieden waren. Besonders positiv wurden die Kurs- und Freizeitange- bote beurteilt.103

Desweiteren konnte E. Keiner die kontrastierenden Ergebnisse ermitteln, dass insgesamt etwa die Hälfte der Arrestanten den Arrest als objektiv sinnvoll und nützlich, dagegen die andere Hälfte diesen als sinnlos oder gar schädlich ansah. In den von ihm gestellten offenen Fragen bewerteten 80 % den Arrest als objektiv sinnlos. Im Gegensatz dazu gaben 80% der Proban- den an, dass der Arrest für die eigene aktuelle Situation und für die Zukunft einen subjektiven Nutzen hatte.104

Die Hälfte der positiven Einschätzungen zum subjektiven Nutzen beruht jedoch darauf, dass die Jugendlichen und Heranwachsenden sich Vorsätze für die Zukunft gemacht haben und sie die Gewissheit erlangt haben, dass sie nicht noch einmal in den Arrest möchten.105 Insgesamt wird in dieser Studie keine Aussage über Rückfälligkeiten der Jugendlichen und Heranwach- senden gemacht.

In der Studie von Karin Schwegler wurden 86 männliche Dauerarrestanten zu ihrer Person, zum Arrest, zur Rechtseinstellung und zur Moralentwicklung befragt. Die Fragen zur Rechts- einstellung und zur Moralentwicklung wurden zu Beginn und am Ende des Arrestaufenthalts durchgeführt.106

Das Ergebnis ihrer Forschungsstudie ist, dass häufig bei arrestungeeigneten Jugendlichen und Heranwachsenden ein Jugendarrest verhängt wird. Als arrestungeeignet wurde einge- stuft, wer kriminell vorbelastet sowie in persönlichen und sozialen Lebensumständen belastet ist. Außerdem spielt der Schweregrad der Tat eine Rolle bei der Arresteignung. Der Arrest soll bei Taten, die einen mittleren Schweregrad haben, ausgesprochen werden.107 Der Dauerarrest kann nach Schwegler das Ziel der Erziehung nicht erfüllen. Nach der Studie von Schwegler gaben 57% der Arrestanten an, dass sie von dem Arrest beeindruckt waren. 58% dachten während der Arrestzeit lange über ihre Straftaten nach.108 Allerdings ergaben sich laut dieser Studie keine dauerhaften Veränderungen der Rechtsein- stellung oder der moralischen Entwicklung.109 Eine Wirkung im Hinblick auf zukünftiges Legalverhalten konnte bei den befragten Personen nicht erkannt werden und es konnte kein Zusammenhang zwischen Unrechtseinsicht und Legalbewährung bestätigt werden.110

Als Schlussfolgerung kann aus den aufgeführten Studien erkannt werden, dass durch den Ju- gendarrest die Arrestziele der Abschreckung, Besinnung und Erziehung nicht vollständig er- reicht werden können. Es kann keine eindeutige gemeinsame Aussage im Bezug auf die Ziele ermittelt werden.

Durch die geführten Studien wird jedoch ein insgesamt eher negatives Bild über die Wirkung des Jugendarrests vermittelt. Nach Schumann, Eisenhardt und Bruns wird der Jugendarrest von den Arrestanten sehr negativ bewertet. Im Gegensatz dazu ermittelte Keiner eine hohe Zufriedenheit mit dem Jugendarrest.

Das Ziel der Abschreckung wurde nach Bruns Studie dadurch erreicht, dass durch den Schock des Arrests Schlafstörungen aufgetreten sind. Auf eine langfristige Abschreckung vor neuen Straftaten kann daraus eher nicht geschlossen werden, da kein Unrechtsbewusstsein erreicht werden konnte. Eisenhardt sieht das Ziel der Abschreckung nur als kurzfristig erreicht, da der Schock des Arrests nach kurzer Zeit nachlässt. Schumann sieht das Ziel als eher nicht erreicht an.

Das Nachdenken über die Straftat wird laut Schumann von einigen Arrestanten bestätigt, bei Bruns gab niemand an, dass durch den Arrest die Tat bereut wurde. Nach Schwegler dachte etwas mehr als die Hälfte der Probanden über die Straftaten nach.

Aufgrund der unterschiedlichen Ergebnisse kann bisher keine eindeutige Aussage zur Erreichung des Ziels der Besinnung gemacht werden.

Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass ein reines Nachdenken über die Straftaten eher nicht zu einer dauerhaften Legalbewährung führt. Nach Schwegler konnten keine Veränderung der moralischen Urteilsfähigkeit und der Rechtseinsicht ermittelt werden und nach Schumann würden viele Arrestanten einen längeren Strafvollzug weniger schlimm empfinden als den Arrest. Auch die ermittelte Rückfallquote war sehr hoch.

Auf das Ziel der Erziehung kann Schumann in seiner Studie nicht eingehen, da es kein pädagogisches Konzept der Arrestanstalt Bremen- Lessum gab. Eisenhardt und Bruns fordern eine pädagogischere Ausgestaltung des Arrests u.a. durch Gruppengespräche und Trainingsangebote.111 Es lässt sich daraus schließen, dass auch bei ihnen bisher keine pädagogischen Angebote verwirklicht wurden.

Eine positive Bewertung des Arrests wurde vor allem von den Probanden der Studie von E. Keiner gegeben. In der JAA in der seine Befragung stattfand wurde explizit auf ein pädagogisches Konzept wertgelegt.

Schwegler prüfte die erzieherische Wirkung über die moralische Urteilsfähigkeit und die Einstellungen zum Rechtsverhalten. Da sich diese am Ende des Arrests nicht veränderten, kommt sie zu dem Schluss, dass das Ziel der Erziehung nicht erreicht wird.112 Die geringe pädagogische Ausgestaltung des Arrests kann dadurch erklärt werden, dass diese zur Zeit der geführten Studien gesetzlich noch nicht umfassend verankert war. Die begonnene Pädagogisierung des Jugendarrests, mit der JAVollzO aus dem Jahr 1976, wurde inhaltlich durch das JGGÄndG aus dem Jahr 1990 weiterentwickelt.113

Erst im Änderungsgesetz ist zu den gesetzlichen Vorgaben in § 90 hinzugekommen, dass der Arrest erzieherisch gestaltet werden soll und den Jugendlichen geholfen werden soll, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.114 Dass in den letzten Jahren eine pädagogische Ausgestaltung des Arrests stattgefunden hat, zeigt die Basiskonzeption der Arrestanstalt Emden aus dem Jahr 2010. Inwiefern das Ziel der Erziehung erreicht wird, ist jedoch unklar.

4.3 Aktuelle Meinungen zum Jugendarrest

Der derzeitige Meinungsstand zum Jugendarrest wurde anhand von aktueller Literatur und Artikeln in Fachzeitschriften ermittelt. Es sind sowohl positive als auch negative Berichte zum Thema des Jugendarrests zu finden, wobei die kritischen Ansichten deutlich überwiegen. Die kritischen Stimmen erklären, dass sich der Jugendarrest in einem Spannungsfeld von Zielkonflikten befindet und die verschiedenen Strafzwecke der Abschreckung, Besinnung und Erziehung unterschiedliche Arrestvollzugsbedingungen benötigen.115

In der Praxis ist es außerdem nicht möglich, die Strafzwecke zu verwirklichen, da z.B. durch eine überwiegende Schockwirkung des Arrests bei den Jugendlichen eine Ablehnung gegenüber der erzieherischen Betreuung vorliegen könnte.116

Besonders im Hinblick auf das Ziel der Erziehung wird kritisiert, dass eine umfassende päda- gogische Ausgestaltung mehr Zeit benötige. Hilfestellungen zur Bewältigung von Schwierigkei- ten, die zu Straftaten geführt haben, sind aufgrund der kurzen Arrestzeit kaum möglich.117 Häufig können pädagogische Ansätze auch aufgrund knapper personeller oder materieller Ressourcen nicht umfassend realisiert werden.118 Um die Lebensbedingungen der jungen Straftäter zu verbessern, wird eine längerfristige Betreuung nach dem Arrest gefordert.119

Vor allem das Ziel, die Jugendlichen und Heranwachsenden abzuschrecken, wird aus pädagogischer Sicht kritisch gesehen, da durch einen Schock lediglich Angst erzeugt wird. Kommunikation und Zusammenarbeit werden dadurch verhindert.120

Es wird außerdem bezweifelt, dass besonders bei psychisch unreifen und impulsiven Straftätern die Abschreckung eine Verhaltensänderung bewirkt, wenn nicht gleichzeitig neue Verhaltensweisen erlernt und die eigene Einstellung geändert werden.121

Als weitere Kritik am Jugendarrest wird genannt, dass die Rückfallgefahr nach einem Jugend- arrest sehr hoch ist. Laut aktueller Rückfallstudie beträgt die Rückfallrate nach einem Jugendarrest 65%.122

Zudem wird kritisiert, dass der Jugendarrest auch bei den Jugendlichen und Heranwachsenden als Sanktion angewendet wird, die z.B. auf Grund ihrer Vorbelastung oder ihrer Straftaten für den Arrest nicht geeignet sind.123

Laut den Kritikern hat der Jugendarrest viele negative Wirkungen für die Arrestanten. Das Wegschließen der jungen Menschen ändere nichts an der Lebenssituation. Durch den Arrest können keine Schulden verringert werden, es ist schwierig die Arbeitsstelle zu erhalten und die Sozialisationsdefizite verstärken sich. Außerdem kann der Arrest zu einer Stigmatisierung als Straftäter führen.124

Eine häufige Annahme ist desweiteren, dass der Arrest seine Wirkung durch den großen Zeitabstand zwischen der Straftat und der Verbüßung des Arrests verfehlt.125 Dem Arrest wird jedoch in der Form des Beugearrests durch die Inaussichtstellung der Maßnahme eine abschreckende Wirkung zugeschrieben. Häufig werden die Auflagen und Weisungen in letzter Minute erfüllt, wenn der Jugendarrest angedroht wird.126

In den aktuellen Meinungen zum Jugendarrest gibt es unterschiedliche Vorschläge zur Veränderung des Jugendarrests, die von der Reformierung bis hin zu einer vollkommenen Abschaffung des Jugendarrests reichen.

Allerdings gibt es auch positive Aussagen über den Arrest und Argumente, die für die Beibehaltung des Jugendarrests sprechen. Der Jugendarrest ist nach Ansicht der Befürworter notwendig, um „kriminelle Karrieren“ auszubremsen. Im Gegensatz zu ambulanten Maßnahmen können Jugendliche oder Heranwachsende für eine kurze Zeit aus dem gewohnten und oft schwierigen Umfeld herausgenommen werden. Ohne Ablenkung oder negative Einflussfaktoren kann der Jugendliche oder Heranwachsende ein Nachdenken zulassen.127

Ein bloßes Wegsperren wird als unsinnig erachtet. Durch eine umfassende pädagogische Ausgestaltung des Arrests können die jungen Menschen jedoch positive Erfahrungen machen und sie lernen, dass ihnen Respekt entgegengebracht wird und gute Entwicklungen und Leistungen wertgeschätzt werden.128

Nach Ansicht der Befürworter stellt der stationäre Jugendarrest außerdem eine günstige Grundlage für pädagogisches Handeln dar, weil sich die Jugendlichen den pädagogischen Gesprächen und Maßnahmen nicht entziehen können.129

Auch die Meinungen zum Warnschussarrest sind nicht einheitlich. Kritiker sind der Ansicht, dass der Jugendarrest bereits gezeigt hat, dass viele Jugendliche und Heranwachsende durch ihn nicht von weiteren Straftaten abgehalten werden und deshalb auch der Warnschussarrest Jugendkriminalität nicht wirksam reduzieren kann. Gefordert wird keine Ausweitung der frei- heitsentziehenden Sanktionen sondern der sozialpädagogischen Maßnahmen.130 Als positiver Aspekt im Bezug auf den Warnschussarrest wird genannt, dass auf Grund der Bewährungszeit nach der Entlassung aus dem Arrest eine Nachbetreuung durch den Bewäh- rungshelfer stattfindet. Es können im Jugendarrest Veränderungsprozesse angestoßen wer- den, die anschließend durch die weitergehende Betreuung verfestigt werden.131

5. Zusammenfassung und Erkenntnisinteresse

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass abweichendes Verhalten im Jugendalter ein verbreitetes Phänomen ist, welches häufig nur vorrübergehend im Entwicklungsprozess gezeigt wird. Es gibt jedoch einige Jugendliche und Heranwachsende, die wiederholt auffallen und für eine große Anzahl der Straftaten verantwortlich sind.

Die Erklärungsansätze zu delinquentem Verhalten sind sehr verschieden und komplex. Aus pädagogischer Sicht müssen bei Mehrfachstraftätern besonders die Bewältigungsprobleme und Bedürfnisse, die hinter den delinquenten Handlungen stehen sowie ihre Entwicklungsdefi- zite betrachtet werden, um erzieherisch auf die Jugendlichen und Heranwachsenden einzu- wirken.

Die Zusammenarbeit von Jugendhilfe, speziell der Jugendgerichtshilfe sowie Jugendbewährungshilfe und den Strafverfolgungsbehörden ist von Bedeutung, damit individuelle Lösungen gefunden werden können, um delinquentem Verhalten entgegenzuwirken.

Vom Gericht werden als strafrechtliche Sanktionen Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe ausgesprochen, um auf den jungen Menschen einzuwirken. Die umstrittenste Sanktion ist der Jugendarrest. Dieser wird häufig kritisch betrachtet und es liegen wenig aktuelle Studien zur Wirkung des Jugendarrests vor.

Aus den Ergebnissen der bereits geführten Untersuchungen sowie den aktuellen Ansichten zum Jugendarrest ergeben sich folgende Fragen für die weitere Betrachtung:

Hat der Jugendarrest wirklich eine langfristig abschreckende Wirkung und werden dadurch keine Straftaten mehr begangen?

Wird das gesetzliche Ziel erreicht, dass die Jugendlichen und Heranwachsenden durch den Jugendarrest für ihr begangenes Unrecht einstehen und wie sehen die Rechtseinstellungen nach dem Jugendarrest aus? Hat sich die Lebenssituation der Jugendlichen und Heranwachsenden nach dem Jugendarrest verändert?

Um diese Fragen in den empirischen Teil der Arbeit aufzunehmen, wurden drei Forschungs- hypothesen aufgestellt. Die bereits veröffentlichten Studien wurden als Orientierungsrahmen genutzt und es wurden einzelne Aspekte aus mehreren Studien zur Begründung der Hypothe- sen verwendet.

1. Hypothese: Der Jugendarrest soll den Jugendlichen und Heranwachsenden bewusst machen, dass sie für ihr begangenes Unrecht einzustehen haben. Bei dem Großteil der jungen Straftäter kann diese Wirkung nicht erzielt werden.

Diese Hypothese wurde auf Grund der Ergebnisse der Studien von Bruns und Schumann aufgestellt, da in ihren Studien die meisten Jugendlichen und Heranwachsenden ihre Straftaten nicht bereuen und kein Bewusstsein für das begangene Unrecht erlangt wird.132

2. Hypothese: Wenn die Jugendlichen und Heranwachsenden den Jugendarrest als sinn- voll erlebt haben, sind sie nicht wieder straffällig geworden und ihre Lebenslagen ha- ben sich positiv entwickelt.

Seit dem im Jahr 1990 gesetzlich festgelegten Arrestziel der Erziehung, soll durch die erzieherische Ausgestaltung des Arrests eine Strafrückfälligkeit vermieden werden und die Lebenslagen der Jugendlichen und Heranwachsenden sollen sich durch die Unterstützung während des Arrests verbessern.133

Trotz der Hypothese, dass die meisten Jugendlichen nicht für ihr begangenes Unrecht einstehen, kann der Jugendarrest eine sinnvolle Maßnahme für einige Jugendliche sein. Nach der Studie von E. Keiner hat sich ergeben, dass 80 Prozent der Befragten den Arrest als subjektiven Nutzen für die aktuelle Situation und die Zukunft bewertet haben.134

3. Hypothese: Der Jugendarrest wirkt auf die meisten Jugendlichen und Heranwachsen- den nur für eine kurze Zeit abschreckend.

Eisenhardt kam zu dem Schluss, dass die Schockwirkung schon während des Arrests schnell wieder abklingt.135 Auch Bruns bestätigte dies und er erweitert, dass die Schockwirkung nicht impliziert, dass keine weiteren Straftaten begangen werden.136

Schumann ist der Ansicht, dass durch den Arrest der Schrecken vor einer längeren Haftstrafe genommen wird. Die Angstschwelle vor einer Jugendstrafe wird gesenkt.137

B. Methodik und Ergebnisse

6. Methodik und Durchführung

Im Folgenden wird beschrieben, welche Erhebungsmethode gewählt wurde, um den Forschungshypothesen nachzugehen und wie der Feldzugang erfolgte. Die Durchführung sowie die Datenauswertung werden dargestellt und kritisch reflektiert. Daraufhin wird die Untersuchungsstichprobe genauer vorgestellt.

Für die Erhebung der Daten wurde ein quantitatives Forschungsdesign gewählt. Es handelt sich bei der Studie um eine Querschnittuntersuchung, da die Befragung eine Momentaufnahme darstellt.138 Als Erhebungsmethode wurde eine standardisierte Befragung anhand von Fragebögen angewandt. Der Feldzugang erfolgte in Kooperation mit der Jugendgerichtshilfe und dem Ambulanten Justizsozialdienst Osnabrück.

Nach Schaffer ist es eine Voraussetzung für quantitative Studien, dass zu dem Untersuchungsbereich bereits theoretisches und empirisches Vorwissen vorhanden ist.139 In dem Untersuchungsbereich zum Jugendarrest wurden bereits Studien geführt, diese wurden bereits in Kapitel 2.2 dargestellt.

Durch den vorliegenden Zwangskontext in der Jugendbewährungshilfe treten häufig Motivationsprobleme bei den Jugendlichen und Heranwachsenden in der Zusammenarbeit auf.140 Es wurde angenommen, dass durch die Befragung in Form der standardisierten Fragebögen, die Jugendlichen und Heranwachsenden einfacher zur Studienteilnahme motiviert werden können als durch andere Befragungsmethoden.

Das Führen von qualitativen Interviews wurde ausgeschlossen, da die Bereitschaft der Befra- gungsgruppe zur umfassenden Darstellung ihrer Meinungen und Einstellungen als gering einschätzt wurde. Es müsste dafür zunächst eine Vertrauensbasis zu den Jugendlichen aufgebaut werden, da die Befragung zu Arresterfahrungen und zu den begangenen Straftaten einen sehr persönlichen und sensiblen Befragungsbereich darstellt. Um auf die eventuellen Motivationsschwierigkeiten einzugehen, war es wichtig, dass der Fragebogen innerhalb von 10 bis maximal 15 Minuten auszufüllen ist.

Durch die Methode der standardisierten Fragebögen sind die Antworten der Jugendlichen und Heranwachsenden gut zu vergleichen und sie können strukturiert ausgewertet werden.

Bei der Fragebogenkonstruktion wurde bei den einzelnen Fragen und Items darauf geachtet, diese einfach, präzise und kurz zu formulieren. Es wurden Verneinungen, Unterstellungen und Fachsprache vermieden sowie ein eindeutiger zeitlicher Bezug hergestellt.141 Zu Beginn des Fragebogens wurde ein Einleitungstext eingefügt, in dem verdeutlicht wurde, dass alle angegebenen Daten der Befragten anonym bleiben und geschützt sind.

Durch die weitgehende Verwendung geschlossener Fragen mit Antwortoptionen, konnten diese von den Probanden einfach und unkompliziert beantwortet werden. Durch diese Fragearten sollten Hemmungen im Bezug auf das Ausfüllen des Fragebogens abgebaut werden. Häufig wurden Einstellungs- und Meinungsfragen verwendet, auch Listenfragen mit Mehrfachnennungen wurden im Fragekatalog aufgenommen.

Bei den Fragen Nr. 14, Nr. 16 und Nr. 21 wurde bewusst eine gerade Anzahl an Antwortmöglichkeiten gewählt (stimme zu, stimme eher zu, stimme eher nicht zu, stimme nicht zu) und keine neutrale Kategorie eingefügt, um das Ankreuzen von Mittelwerten zu vermeiden und eindeutige Meinungen zu erhalten.

In der Frage Nr. 17, in der es um die positiven und negativen Entwicklungen nach dem Arrest geht, wurde das Item „Ist für mich kein Thema“ hinzugefügt, um darauf einzugehen, dass eventuell nicht alle abgefragten Bereiche für die Lebenssituation der einzelnen Personen relevant sind. Es wurden Aussagen vorgegeben, wie sich die Lebenssituation durch den Arrest verändert haben könnte. Die Aussagen wurden u.a. anhand der aktuellen Meinungen zur Wirkung des Arrests zusammengestellt, die in Kapitel 4.3 beschrieben wurden.

Bei der Konstruktion des Fragebogens wurden einzelne Fragen und Antwortitems aus bereits geführten Studien ausgewählt, um die Ergebnisse gut vergleichen zu können. Aus Schumanns Studie wurde die Frage zu den Einstellungen gegenüber einer längeren Haft- strafe im Vergleich zum Jugendarrest übernommen (Frage Nr. 19).142

[...]


1 Es wird sich zur besseren Lesbarkeit auf die männlichen Personenformen, stellvertretend für beide Geschlechter, beschränkt.

2 Vgl. Bals ,N. (2014): S.89.

3 Vgl. Ebd.

4 Deutsche Presseagentur (2015): o.S.

5 Vgl. Scherr, A. (2009): S.197 f.

6 Scherr, A. (2009): S. 198.

7 Vgl. ebd., S. 198.

8 Vgl. Scherr, A. (2009): S.198 f.

9 Vgl. Kastner, P, Sessar, K. [Hrsg.] (2001): S.27.

10 Vgl. Bundesministerium des Innern (2014): S.13.

11 Vgl. Dollinger, B., Schabdach, M. (2013): S.108.

12 Vgl. ebd., S.114.

13 Vgl. Dollinger, B., Schabdach, M. (2013): S.12 ff.

14 Vgl. Bundesministerium des Innern (2014): S.38.

15 Vgl. Dünkel, F., Geng, B (o.J.): S. 30.

16 Vgl. Mollik, R. (2012): S.25.

17 Vgl. Kastner, P. Sessar, K. [Hrsg.] (2001): S.50.

18 Vgl. Mollik, R. (2012): S.26.

19 Vgl. ebd., S. 128.

20 Vgl. Mollik, R. (2012): S.28f.

21 Vgl. Kastner, P., Sessar, K. [Hrsg.] (2001): S. 28.

22 Vgl. ebd., S. 26.

23 Vgl. Kastner, P., Sessar, K. [Hrsg.] (2001): S. 29.

24 Vgl. Mollik, R. (2012): S. 234f.

25 Vgl. ebd., S. 237.

26 Vgl. Kraimer, K (2012): S. 200.

27 Vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (2011): S. 555.

28 Vgl. Mollik, R. (2012): S. 245.

29 Böhnisch, L. (2010): S.111.

30 Vgl. Böhnisch, L. (2010): S. 11.

31 Vgl. ebd., S.22.

32 Vgl. Böhnisch, L. (2012): S.184.

33 Vgl. Mollik, R. (2012): S. 231.

34 Vgl. Böhnisch, L. (2010): S. 113.

35 Vgl. ebd., S. 166 f.

36 Vgl. ebd., S. 188 f.

37 Vgl. Enke, T. (2003): S. 167.

38 Vgl. Enke, T. (2003): S. 175.; Böhnisch, L. (2010): S. 217.

39 Vgl. Enke, T. (2003): S. 165.

40 Vgl. ebd., S. 176.

41 Vgl. Böhnisch, L. (2010): S.218 ff.

42 Vgl. § 1 III SGB VIII.

43 Vgl. Holthusen, B., Hoops, S. (2015): S. 495.

44 Vgl. ebd., S. 535

45 § 2 JGG.

46 Vgl. § 2 I JGG.

47 Vgl. Kastner, P., Sessar, K. [Hrsg.] (2001): S. 88.

48 Vgl. Laubenthal, K., Baier, H., Nestler, N. (2015): S.183.

49 Vgl. ebd., S.184.

50 Vgl. Meier, B. D., Rössner, D., Schöch, H. (2007): S. 149.

51 Vgl. Mollik, R. (2012): S.121.

52 Vgl. ebd., S. 124.

53 Vgl. § 12 JGG.

54 § 10 JGG.

55 Vgl. § 10 I JGG.

56 Vgl. Meier, B.D., Rössner, D., Schöch, H. (2007): S. 200.

57 Vgl. Schaffstein, F., Beulke, W., Swoboda, S. (2014): S.154 f.

58 Vgl. Laubenthal, K., Baier, H., Nestler, N. (2015): S. 303.

59 § 90 JGG.

60 Vgl. § 16 II JGG.

61 Vgl. § 16 III JGG.

62 Vgl. Meier, B.D., Rössner, D., Schöch, H. (2007): S. 212.

63 Vgl. § 16 a JGG.

64 Vgl. Kastner, P., Sessar, K. [Hrsg.] (2001): S. 95.

65 § 17 II JGG.

66 Vgl. § 18 I JGG.

67 Vgl. § 21 I JGG.

68 Vgl. Kastner, P, Sessar, K. [Hrsg.] (2001): S. 255.

69 Vgl. Schaffstein, F., Beulke, W., Swoboda, S. (2014): S.243.

70 Vgl. § 38 I JGG.

71 Vgl. §52 SGB VIII.

72 § 38 II JGG.

73 Vgl. Ambulanter Justizsozialdienst Niedersachsen [Hrsg.] (2011b): o.S.

74 Vgl. Ambulanter Justizsozialdienst Niedersachsen [Hrsg.] (2011a): o.S.

75 Vgl. Ambulanter Justizsozialdienst Niedersachsen [Hrsg.] (2011b): o.S.

76 Vgl. Heinz, W. (2014): S. 97f.

77 Vgl. Riechert-Rother, S. (2008): S. 21.

78 Vgl. ebd., S. 99.

79 Vgl. Schaffstein, F., Beulke, W., Swoboda, S. (2014): S.162 f.

80 Vgl. BdgJAVollzG, JAVollzG NRW

81 Vgl. Riechert- Rother, S. (2008): S.51.

82 Vgl. § 90 JGG.

83 Vgl. Schaffstein , F., Beulke, W. (1998): S. 136.

84 Vgl. Jugendarrestanstalt Emden (2010): S. 1.

85 Vgl. ebd., S. 2f.

86 Vgl. Bergmann, B. (2013): S. 5.

87 Vgl. Jugendarrestanstalt Emden (2010): S. 3.

88 Vgl. Schumann, K.F. (2014): S. 148, S.151. und Vgl. Endres, J., Breuer, M.M. (2014): S.130f.

89 Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (2014): S. 9.

90 Vgl. Eisenhardt, T. (1980): S.489.

91 Vgl. Ebd.

92 Vgl. Eisenhardt, T. (1980): S. 347 f.

93 Schumann, K. F. [Hrsg.] (1985): S.46.

94 Vgl. Schumann, K.F. (2014): S. 146.

95 Vgl. Schumann, K. F. (2014): S. 144.

96 Vgl.ebd., S. 147.

97 Vgl. Bruns, B. (1984): S. 128.

98 Vgl.ebd., S. 130.

99 Vgl. ebd.

100 Vgl. ebd., S.129.

101 Vgl. ebd., S. 133.

102 Vgl. Keiner, E. (1989): S. 127.

103 Vgl. ebd., S. 189ff.

104 Vgl. Keiner, E. (1989): S.209.

105 Vgl. ebd., S.234.

106 Vgl. Schwegler, K.(1999): S. 273.

107 Vgl. ebd., S. 275 ff.

108 Vgl. ebd., S. 282.

109 Vgl. ebd., S.286.

110 Vgl. ebd., S. 285 ff.

111 Vgl. Eisenhardt, T. (1980): S. 554 f., vgl. Bruns, B. (1984): S. 168 ff.

112 Vgl. Schwegler, K.(1999): S. 279 f.

113 Vgl. Eisenhardt, T. (2010): S. 17 f.

114 Vgl. § 90 1. JGGÄnG.

115 Vgl. Riechert-Rother, S. (2008): S. 59.

116 Vgl. Giffey, I., Werlich , M. (1985): S.13.

117 Vgl. Schroven, G, Walkenhorst, P. (2011): S.66.

118 Vgl. Endres, J., Breuer, M.M. (2014): S.130.

119 Vgl. Eisenhardt, T. (2010): S.96.

120 Vgl. Plewig, H.-J. (1980): zitiert nach Bruns, B. (1984): S.156.

121 Vgl. Endres, J., Breuer, M.M. (2014): S. 129.

122 Vgl. Jehle, J.M. u.a. (2013): S.59.

123 Vgl. Riechert-Rother, S. (2008): S.51.

124 Vgl. Schwegler, K. (1999): S.114.

125 Vgl. Franzen, R. (2014): S.116.

126 Vgl. ebd., S.116.

127 Vgl. Pütz, E. (2011): S.84.

128 Vgl. ebd., S.85.

129 Vgl. Bihs, A. (2013): S. 261.

130 Vgl. Mollik, R. (2012): S.35.

131 Vgl. Endres, J., Breuer, M. (2014): S. 132.

132 Vgl. Bruns, B. (1984): S. 133., Schumann, K. F. (2014): S. 144.

133 Vgl. § 90 JGG.

134 Vgl. Keiner, E. (1989): S.234.

135 Vgl. Eisenhardt, T. (1980): S.492.

136 Vgl. Bruns, B. (1984): S. 130.

137 Vgl. Schumann, K.F. [Hrsg.]: (1985): S. 180.

138 Vgl. Schaffer, H. (2009): S. 61.

139 Vgl. ebd., S. 107.

140 Niedersächsisches Justizministerium (2011): S. 26.

141 Vgl. Porst, R. (2008): S. 99f.

142 Vgl. Schumann, K.F. [Hrsg.] (1985): S. 45.

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Sanktion des Jugendarrests. Der Jugendarrest aus Sicht straffällig gewordener Heranwachsender
Untertitel
Eine exemplarische Analyse und Parxiskonsequenz
Hochschule
Hochschule Osnabrück
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
102
Katalognummer
V369080
ISBN (eBook)
9783668472426
ISBN (Buch)
9783668472433
Dateigröße
2951 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendkriminalität, Jugendarrest, Straffälligenhilfe
Arbeit zitieren
Hannah Zimmermann (Autor:in), 2015, Sanktion des Jugendarrests. Der Jugendarrest aus Sicht straffällig gewordener Heranwachsender, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369080

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Titel: Sanktion des Jugendarrests. Der Jugendarrest aus Sicht straffällig gewordener Heranwachsender



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