Maurice Ravels Daphnis et Chloé. Einflüsse und Bedeutung für die Musik des frühen 20. Jahrhunderts

Ballets russes – Naturalismus – Exotik


Examensarbeit, 2012

119 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Entstehungsgeschichte
1.1 Der Bukolische Roman von Longus : Daphnis und Chloé
1.2 Entstehung und Hintergrund des Werkes
1.3 Bedeutung und Einfluss Diaghilews und der Ballets russes
1.4 Daphnis et Chloé im Kontext des musikalischen Schaffen von Ravel

2. Analyse
2.1 Besonderheiten der Instrumentierung
2.2 Kompositorischer Aufbau ausgewählter Passagen
2.3 Naturdarstellungen
2.4 Exotik
2.5 Masken und Tanz

3. Vergleichende Ballettkomposition: le Sacre du printemps
3.1 Vorgeschichte/ Entstehung des Werkes
3.2 Ablauf
3.3 Vergleich und Bedeutung der Rhythmik in beiden Werken
3.4 Exotische Elemente in beiden Werken
3.5 Naturdarstellungen in beiden Werken
3.6 Orchesterbehandlung und Instrumentation im Vergleich
3.7 Zur Choreographie
3.8 Fazit

4. Schlusswort

5. Bibliographie

6. Anhang

Einleitung

Listening to it, one simply stunned by this dazzling blinding sense of colour mointing and then breaking, like some huge wave.[1]

Mit diesen Worten beschreibt Simon Rattle Maurice Ravels Daphnis et Chloé. Dieser erste spontane Eindruck des Dirigenten macht bereits deutlich, dass es sich um ein beachtenswertes Werk handelt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Musikgeschichte von einem stetigen Wandel geprägt. Während die Musik in vielen Bereichen wie der Melodik, der Harmonik oder der Rhythmik entscheidende Veränderungen erfuhr, kam der Aspekt der Klangfarbe entscheidend um die Wende zum 20. Jahrhundert zur Geltung. Letzterer konnte sich als eigenständiges Kompositionselement in der Musik etablieren. Ihm wird nicht mehr die Aufgabe des bloßen Kolorierens zu Teil, sondern wird zu einem maßgeblichen Träger des Ausdrucks. Zu dieser neuen Denkweise gesellte sich eine neue Eigenart des Orchesterklanges. Das traditionell klassisch-romantische Sinfonieorchesterinstrumentarium wird in all seinen Facetten durch neue Spielarten ausgeschöpft, was sich z.B. durch die neuartige Verwendung der Perkussionsinstrumente zeigt. Auch die Holzbläser werden nicht mehr als Dekoration im Orchester verstanden, sondern werden zunehmend virtuoser behandelt und gewinnen an Substanz. Oft werden den Instrumenten nicht mehr die klassischen Aufgaben innerhalb der Orchestergruppen zu Teil, wie es sich noch bei deutsch- und österreichischen Komponisten des späten 19. Jahrhunderts zeigte. Zudem beginnt die Musik des 20. Jahrhunderts unter Berücksichtigung und Anwendung der neuen Möglichkeiten die musikalischen Werte des Geräusches zu entdecken. Der Weg zum Futurismus ist somit geebnet.

Viele der hier beschriebenen Eigenschaften treffen in hohem Maße auf Daphnis et Chloé zu. Dieses 1912 von Maurice Ravel komponierte Ballett ist Hauptgegenstand dieser Arbeit.

Insgesamt gibt es nur wenig Literatur zu Daphnis et Chloé. Abgesehen von einer ausführlichen Analyse der beiden Suiten des Balletts von Gerd Sannemüller, die sich vor allem auf die motivisch-thematische Arbeit innerhalb der orchestralen Suite konzentriert, beschränkt sich die Behandlung meist auf knappe Beschreibungen des Werkes in Biographien Ravels. Dabei gibt vor allem Arbie Orenstein in seiner renommierten Ravel Monographie, wenn auch kurz, eine solide Einführung in das Werk. Auch in anderen Ravelschriften, wie der Hirsbrunners oder der von Jankélévitch, finden sich Anmerkungen zu Daphnis et Chloé, die allerdings dem Werk kein eigenes Kapitel widmen und sich über das Ballett nur beiläufig äußern. Auch behandelt keiner der Aufsätze Daphnis et Chloé unter dem Aspekt der Exotik oder der Naturdarstellungen. Darüber hinaus ist eine Einordnung des Werkes in die Musik des 20. Jahrhunderts meist nicht oder nur oberflächlich gegeben. Seine Bedeutung und Einflüsse im Bezug zu zeitnahen Kompositionen wie Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune oder Strawinskys Feuervogel oder dessen Sacre du Printemps, alles im Übrigen auch Ballette die für die Ballets russes konzipiert wurden, werden nicht diskutiert. Nur Hirsbrunner widmet sich in seiner Ravelmonographie in einem kurzen Absatz dem Vergleich des kompositorischen Schaffens von Ravel und Strawinsky. Aber auch hier bleibt eine ausführliche, vergleichende Betrachtung der Kompositionen beider Komponisten größtenteils aus.

In jüngster Zeit erschienen bei der Oxford University Press einige Aufsätze, die sich näher mit Einzelaspekten des Werkes Daphnis et Chloé beschäftigt haben. Dennoch, verglichen mit anderen Orchesterkompositionen Ravels wie dem Boléro oder dem Tombeau de Couperin, bleibt die Forschungslage zum Ballett Daphnis et Chloé insgesamt recht lückenhaft.

Ziel der Analysen dieser Arbeit ist es, das Werk Daphnis et Chloé in Zusammenhang mit anderen Werken derselben Zeit zu bringen. Es wird untersucht, welche Einflüsse auf Ravel beim Verfassen dieser Komposition wirkten und auf welche Kompositionen anderer Komponisten er Einfluss ausübte. Dabei wird die gesamte Schaffensphase von Ravel berücksichtigt. Um 1910, also in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, in der Hochphase der Ballets russes, entstanden viele Ballettkompositionen. All jene im Einzelnen mit Ravels Daphnis et Chloé in Verbindung zu bringen wäre sicher aufschlussreich, würde aber den Umfang dieser Arbeit überschreiten.

So beginnt diese Arbeit zunächst mit einem einleitenden Teil, in dem einige Hintergründe zu den Ballets russes und der Bedeutung Diaghilews für die damalige Pariser Kunstszene gegeben werden. Darin soll der Versuch vor dem ersten Weltkrieg verdeutlicht werden, die verschiedenen Künste Musik, Tanz und Malerei zu verbinden. Auf Grund einer sehr detaillierten Darstellung der Vita von Sergei Diaghilew von Richard Buckle stütze ich mich hier auf diese ausführliche Biographie, die als richtungsweisend auf diesem Gebiet gilt.

Außerdem wird eine kurze Einführung und Inhaltsangabe des Longus Romans gegeben, auf welchem das Ballett basiert. Dieses Hintergrundwissen ist von großer Bedeutung für das Verständnis dieser Zeit, des Komponisten, seines Werkes, sowie für die Analyse und Interpretation des Stücks.

Im zweiten Kapitel folgen dann Analysen unter den fünf Gesichtspunkten der Instrumentierung, einiger kompositorischer Besonderheiten, der Exotik, den Naturdarstellungen und der Masken. Es sind Aspekte, die uns den Facettenreichtum dieses Werkes demonstrieren und ebenso den künstlerischen Geist der damaligen Epoche des frühen 20. Jahrhunderts verdeutlichen sollen. In diesem Zusammenhang werden einige Passagen des Werkes, wie die Einleitung oder der Sonnenaufgang im dritten Teil, Gegenstand umfangreicher Analysen sein. Sicher weist die gesamte Partitur noch viele weitere interessante Stellen auf, die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht alle besprochen werden können. Anstatt alles oberflächlich zu betrachten, liegt der Fokus hier daher auf ausgewählten Passagen.

Kapitel 3 wird dann einen Vergleich zu Strawinskys Sacre du Printemps versuchen. Dieses Werk schien mir für einen Vergleich insofern sinnvoll, als dass es ebenfalls eine Auftragsarbeit für die Ballets russes war und nur ein Jahr später nach Ravels Daphnis et Chloé uraufgeführt wurde, allerdings für die damalige Zeit solch radikale musikalische Neuerungen hervorbrachte, dass ein vergleichender Blick mit Daphnis et Chloé hier lohnenswert ist.

1. Entstehungsgeschichte

1.1 Der bukolische Roman: Longus Daphnis und Chloé

Um einen ersten Eindruck der Handlung in Ravels Daphnis et Chloé zu bekommen, soll an dieser Stelle kurz auf den Roman von Longus eingegangen werden, was das Verständnis der Handlung erleichtert.

Der antike bukolische Roman Daphnis und Chloé wurde vermutlich Ende des 2.Jahrhunderts von dem griechischen Dichter Longus auf Lesbos geschrieben. Es lässt sich kein genaues Entstehungsdatum herausfinden, wohl aber nimmt man heute das 2. oder 3. Jahrhundert nach Christus an.[2]

Die Wissenschaft kann bis heute nicht eindeutig belegen, wer Longus tatsächlich war. Sein Name ist römisch und er mag aus dem römischen Geschlecht der Familie Pompeii Longi stammen.[3] Dass der Roman auf Lesbos spielt, ist ebenfalls in der Vergangenheit oft angezweifelt worden. Longus tatsächliche Ortskenntnisse der Insel werden als zweifelhaft aber nicht ganz abwegig angesehen.[4]

Bekannt wurde der Roman außerhalb Griechenlands erst im 16. Jahrhundert durch Abschriften und Übersetzungen. Erste Überlieferungen sind meist ungenau und erweisen sich als lückenhaft. So ist uns heute eine italienische Übersetzung aus dem Jahre 1537 von Annibal Caro bekannt, die allerdings erst gut 250 Jahre später in Mailand gedruckt wurde.[5]

Weitere Übersetzung aus dem altgriechischen sind die Editio princeps 1598 aus Florenz von Colombani und Giunta, welche allerdings heute eher unvollständig erhalten ist.

1559 erscheint von J. Amyots eine Version in vorbarockem Französisch, die der altgriechischen Originalversion auf Grund der eigenartigen Sprachkunst des vorbarocken Französisch dem Werk eher gerecht wird als frühere Werke.[6] Von dieser heute als meisterhaft geltenden Übersetzung war auch Ravel äußerst angetan.[7]

Die erste deutsche Übersetzung mit dem Titel „Lustgarten der Liebe von steter brennender Liebe zweier liebender jungen Personen Daphnidis und Chloé zu Mytilenen von Longo sophista beschrieben und aus dem Griechischen verteutsch“[8] kommt aus dem Jahr 1615 von D. Wolstand aus Frankfurt. Es sollte im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts zahlreiche weitere Übersetzungen folgen. Die Übersetzung von Fr. Jacobs von 1832 gilt heute als bedeutende deutsche Übersetzung. 1829 erschien in Paris die erste vollständige französische Ausgabe des Werkes von P.L Courier, wie sie sicher auch Ravel bekannt gewesen sein dürfte.

Der gesamte Handlungszeitraum in Daphnis und Chloé beträgt zwei Jahre. Es herrschen gemäß der klassisch-antiken Tradition Einheit des Ortes sowie Einheit der Handlung. Allerdings, wie bereits beschrieben, keine Einheit der Zeit. Longus verteilt den Stoff auf insgesamt vier Kapitel und lässt die Handlungsstränge der beiden Protagonisten Daphnis und Chloé immer parallel ablaufen. Die Handlung wird so geführt, dass stets alle Ereignisse, die Daphnis betreffen und anschließend in einer parallelen Episode auch Chloé zustoßen.

Die Erzählung beinhaltet außerdem viele dionysische Zeremonien, die auch in der Ballettadaption bei Fokine und Ravel immer wieder szenisch und musikalisch aufgenommen werden. So beispielsweise in der Nymphengrotte zu Beginn des Werkes oder beim Fest zu Ehren des Pan im dritten Teil. Diese rituellen Fixpunkte sind immer wiederkehrende Elemente. Sie dienen als Unterbau der Handlung, als Gerüst für die eigentliche Erzählung. Sie spiegeln das wirkliche Leben der Hirten mit ihren Ritualen und Götterverehrungen. Die eigentliche Erzählung löst sich kurz oder lang von dem zugrunde liegenden Ritual.

Die verwendeten Namen Daphnis und Chloé sind rein fiktiv. Allerdings wählte Longus die beiden Namen sehr behutsam. Der Name Daphnis bedeutet, aus dem altgriechischen übersetzt, so viel wie „nach dem Lorbeer“.[9] Diese Pflanze wird oft mit dem Naturgott Dionysos in Verbindung gebracht. Zudem gilt Daphnis in der griechischen Mythologie als Vertreter der Rinderhirten (Bukóloi), welche meist Diener des Dionysos sind.

Der Name Chloé leitet sich aus dem Altgriechischen her mit „Die Grüne“[10], also ebenfalls eine Anspielung an Dionysos und die Natur.

Das Durchdringen von religiösem Gedankengut mit Erotik, Bukolik und prosaischer Idylle machen Daphnis und Chloé zu einem Meisterwerk des Longus und zu einem Archetypus des bukolischen Romans.

In Ravels Version, die nach einem Libretto von Michael Fokine geschrieben worden ist, werden einige Abschnitte ausgelassen und die gesamte Handlung auf insgesamt drei Bilder verkürzt, jedoch die wichtigsten Stationen der Erzählung wiedergegeben. In Ravels Partitur findet man die drei Überschriften:

Une prairie à la lisière d’un bois sacré/ Une lueur sourde. On est au camp des pirates / Le décor semble se fondre. Il est remplacé par le paysage [11]

Die für Ravels Ballett zusammengestellte Handlung, erschlossen aus den inhaltsbezogenen Überschriften in der Partitur und dem Gesamtzusammenhang der Originalversion des Longus, lässt sich folgt skizzieren.

1. Das Ballet beginnt auf Lesbos, auf einer Wiese am Rand eines heiligen Hains, umgeben von Nymphenstaturen. Ein großer Felsen in der Mitte hat die Silhouette des Gottes Pan. Junge Hirten und Hirtinnen bringen den Nymphen Ehrengaben und beginnen einen verehrerischen Tanz (Danse réligieuse). Die beiden Hirten Daphnis und Chloé stoßen hinzu. Plötzlich erhebt sich der Viehtreiber Dorkon aus der Menge und wirbt um Chloé, darauf wird ein Tanzwettbewerb zwischen Daphnis und Dorkon vorgeschlagen. Der Sieger solle mit einem Kuss von Chloé belohnt werden. Dorkon jedoch tanzt unbeholfen, zum Gelächter der Zuschauer (Danse grotesque de Dorcon). Daphnis hingegen kann mit einem anmutenden Tanz überzeugen (Danse gracieuse de Daphnis) und gewinnt die Zuschauermenge für sich und einen Kuss von Chloé. Daphnis bleibt nun alleine auf der Bühne zurück und ein Mädchen Lyceion erscheint und versucht, allerdings vergeblich, Daphnis zu verführen (Lyceion danse).

Plötzlich ist Kriegstumult zu hören. Daphnis macht sich auf Chloé zu beschützen, doch sie wurde bereits von den Piraten gefangen genommen und entführt. Als er am Tatort erscheint, findet er nichts außer ihre Sandalen. Daphnis bricht vor Verzweiflung zusammen und beginnt die Götter zu verfluchen.

Ein eigenartiges, starkes Licht überflutet die Szenerie, die Nymphenstatuen erwachen. Sie gehen zu Daphnis, trösten ihn und bitten ihren Gott Pan zur Hilfe. Daphnis betet am Pan Felsen um die Hilfe des mächtigen Gottes, den er so verehrt.

2. Die Szene beginnt im Lager der Piraten, wo diese betrunken einen Kriegstanz aufführen. Bryaxis ist ihr Anführer. Er lässt Chloé zu sich bringen und zwingt sie vor ihm tanzen zu lassen. Chloé versucht zu fliehen, wird aber von den Piraten festgehalten. Bryaxis macht Anstalten sie zu vergewaltigen, da sehen sich die Piraten plötzlich in einem Chaos von Lärm und seltsamen Lichtern von Satyren und Faunen umgeben. Die Erde öffnet sich und eine riesige Silhouette des Gottes Pan erscheint. Alle Piraten samt Bryaxis fliehen sofort. Nur Chloé bleibt zurück und eine Krone erscheint auf ihrem Haupt.

3. Die Szene wechselt wieder zu einem Hain. Der Tag bricht an. Es wird allmählich hell und es erklingt Vogelgezwitscher. Einige Schäfer kommen und wecken Daphnis. Er schaut besorgt um sich und sucht Chloé. Schließlich erscheint sie umgeben von Schäferinnen mit einer Krone auf ihrem Haupt. Da erkennt Daphnis auch, dass es Pan war, der Chloé gerettet hat. Die beiden werden nun vereint. Das Paar mimt zu Ehren Pans das Liebespiel zwischen Pan und der Nymphe Syrinx nach. Vor dem Altar der Nymphen schwören beide sich ewige Traue und Liebe und das Ballett endet ausgelassen mit einer Bacchanale.

1.2 Entstehungsgeschichte und Hintergrund des Werkes

Nach der Gründung des Tanzensembles Ballets Russes 1909 durch Sergei Pawlowitsch Diaghilew war man auf der Suche nach angesehenen Komponisten für originelle Ballettkompositionen. Diaghilew wandte sich so an den damals schon sehr angesehenen Ravel, um ihn für sich zu gewinnen.

Ravel zeigte sich angetan von der Idee eine eigene Ballettmusik zu kreieren. Er war er gerade im Jahre 1909 mitten in der Arbeit zu seiner Suite Ma mère l’Oye vertieft, dessen Ballettfassung im Januar des Jahres 1910 auf Anregung von Jacques Rouché im Théatre de Arts Paris zur Aufführung kam.[12]

Ravel zeigte sich generell sehr angetan von den Elementen des Tanzes. Seine Vorliebe für das Rhythmische ist in der Musikwissenschaft bekannt und viel diskutiert worden. Das rhythmische Element spielt bei ihm stets eine wichtige Rolle. Bei Jankélévitch heißt es dazu:

„Auch dort, wo die Musik nicht den gleichförmigen Rhythmus eines Tanzes annimmt, neigt sie dazu sich in choreographischer Form zu entwickeln[…..].“[13]

Des Weiteren zeigte sich Ravel sehr interessiert an dem antiken Liebesromans des Longus. Er muss auf ihn eine große Anziehungskraft ausgeübt haben. Dazu äußerte sich Ravel:

Daphnis und Chloé, eine choreographische Sinfonie in drei Teilen, wurde mir vom Direktor der Ballets Russes, Serge de Diaghilew, bestellt. Das Tanzgedicht ist von Michel Fokine, der damals der Ballettmeister der berühmten Truppe war. Als ich die Musik dazu schrieb, war es meine Absicht, eine ausgedehnte Klangfreske zu komponieren, wobei ich mich weniger um Archaismus kümmerte als um die Treue eines Griechenlandes meiner Träume, das ziemlich genau jenem Griechenland verwandt ist, wie es sich die französischen Künstler am Ende des 18. Jahrhundert eingebildet und ausgemalt haben[…]. [14]

Für die Choreographie beauftragte Diaghilew Michel Fokine, den zeitweiligen Chefchoreograph der Ballets Russes. Dieser plante noch zu seiner Zeit an der Kaiserlichen Ballettschule in Sankt Petersburg 1904 eine Ballettversion von Daphnis und Chloé. Angeblich wurde er durch das Titelbild des Longus Romans in einem Sankt Petersburger Schaufenster aufmerksam. Fokine soll dieser Stoff sofort magisch angezogen haben und er schmiedete bereits seine „Reformpläne des klassischen Theaters“.[15] Ihm schwebte vor bestimmte Merkmale der klassisch, griechischen Skulpturen und der Vasenmalerei mit dem Ballett zu verbinden und die klassische Handlung mit dem Geist der Epoche zu verbinden. Der Choreograph Fokine verfolgte das Ziel eine sehr authentische Darbietung dieses antiken Stoffes auf die Bühne zu bringen. So erwähnte er bestimmte antike, griechische Instrumente miteinzubeziehen, ohne dass dieser eine genaue Vorstellung von dessen tatsächlicher, authentischer Realisierung hatte. Fokine ging es darum, den Körper sprechen zu lassen und diesen als Instrument darzustellen, einer Form des modernen Ausdruckstanzes, wie Buckle bemerkt: „Durch das Instrument Körper sollten die Linien der Handlung plastischer hervortreten und die unterschiedlichen Empfindungen stärker charakterisiert werden.“[16]

Fokines Idee war es keine Reihung von Einzelnummern und beliebigen Tänzen, aber auch keine Dominanz eines Tänzers zu zeigen, was zu einer Selbstdarstellung führen könnte. Im konservativen Sankt Petersburg stieß Fokine mit seinen für damalige Verhältnisse unkonventionellen Choreographieideen jedoch auf Ablehnung. So kam das Projekt erst unter Diaghilew bei den Ballets russes im Jahr 1909 wieder ins Rollen.[17]

Der sehr authentisch antiken Vorstellung Fokines bei der Umsetzung des Romans, stand Ravel nach anfänglicher Begeisterung des Auftrags allerdings zunehmend skeptisch gegenüber. Natürlich schätze Ravel den bukolischen Roman des Longus. Dieser spiegelte aus seiner Sicht ein ihm sehr vertrautes Griechenlandbild wieder: Ein Leben naturhafter Idylle und raffinierter Naivität, eine pastorale Liebesgeschichte.

Ravels Bild der Antike spiegelt dabei eher die Sicht klassischer französischer Dichter und Maler des 17. und 18. Jahrhunderts wieder, von denen er sich beeindruckt zeigte.[18] Ravels Bild vom antiken Griechenland ist das Griechenland der französischen Klassik und hat somit eher romantisierenden, phantastischen Charakter, ist also mit dem realen Griechenland des 2. Jahrhunderts weniger vereinbar. Hier zeigt sich auch das Empfinden des Klassizisten Ravel, was sich auch in Werken wie dem Tombeau de Couperin oder dem Menuette Antique widerspiegelt. Er wollte die französischen Künstler jener Zeit würdigen, sie nicht imitieren im ästhetischen stilisierten Bewusstsein des 18. Jahrhunderts. Zusammenfassend bemerkt Sannemüller: „Sein visionäres Hellas ist irreal und völlig gelöst von der Darstellung einer historisch-geographischen Wirklichkeit!“[19]

Dem stellte sich nun ein sehr archaisch, in traditionell klassisch humanistischer Vorstellung überliefertes Hellasbild des Choreographen Michael Fokine gegenüber. Fokine ließ sich von den Darstellungen auf antiken Vasen und Fresken inspirieren. Er studierte die Haltungen und Körperbau der abgebildeten griechisch-antiken Figuren. Er untersuchte Posen und Gesten unterschiedlicher Personen und Stände und versuchte auf dieser Grundlage eine Choreographie zu entwerfen.[20] Ihm schwebte vor eine Darstellung so authentisch wie eben nur möglich zu machen. Fokine plante außerdem, die gesamte Handlung des Romans auf einzelne Situationen zu reduzieren. Er wollte die tänzerische Komponente hervorheben, was Ravel allerdings missfiel, da er nicht damit einverstanden war lediglich eine bloße musikalische Begleitung zur Choreographie Fokines zu liefern. Trotz einiger Umänderungen sollte Ravel auch in Zukunft nie mit der Endversion der Choreographie Fokines als auch mit dem Bühnenbild, das Leon Bakst entwarf, zufrieden sein.[21]

Die Arbeit am Ballett ging anfangs nur mühsam voran. Es ist erstaunlich, dass Ravel für die Fertigstellung dieses Balletts insgesamt fast drei Jahre brauchte, so lange wie für kein anderes Werk. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass er anfangs wenig Inspiration fand, da ihn das Libretto Fokines wenig begeisterte. Im Juni des Jahres 1909 schrieb er an eine Freundin und Gönnerin, Madame René de Saint-Marceaux.

Vorbereitung eines Ballett Librettos, das für die kommende „Saison Russe“ bestimmt ist. Fast jede Nacht Arbeit bis drei Uhr früh. Was die Dinge kompliziert, ist die Tatsache, dass Fokine kein Wort Französisch kann. Ich aber kann Russisch nur fluchen. Trotz der anwesenden Dolmetscher können Sie sich vorstellen, in welcher Atmosphäre die Zusammenkünfte stattfinden.[22]

Ravel zog sich anfangs für die Arbeiten ganz zurück in ein Landhaus der Familie Godebsky in Valvins, bei Fontainebleau.[23] Anfang Mai 1910 konnte er einen ersten Klavierauszug fertig stellen als Unterlage für die weiterfolgende Orchestrierung. Von dieser ersten rohen Klavierfassung gelangten einige unkorrigierte Fahnenabzüge irrtümlich in den Handel, wurden aber est 1964 entdeckt.[24] Es zeigte sich im direkten Vergleich mit der uns heute bekannten Fassung, dass Ravel bis zur endgültigen Fertigstellung des Werkes noch viele Änderungen vornahm, vor allem im Bereich des Danse générale und im furiosen Schlusssatz, der Bacchanale. Das Finale wurde von Ravel später völlig neu umgearbeitet, der Chor war ursprünglich nur in den letzten sechs Takten vorgesehen.[25] Zu diesem Zeitpunkt, im Frühling 1910 rückte ein mögliches Aufführungsdatum immer näher. Diaghilew drängte anfangs auf eine recht schnelle Fertigstellung der Partitur, damit die Choreographen und Tänzern mit den Proben beginnen konnten.

Zur Empörung Michael Fokines und Sergeij Diaghilews hatte Ravel bereits im April des Jahres 1910 aus einigen Teilen der ersten Orchestersuite drei Sätzen zusammengestellt, welche unter Gabriel Pierné vom Orchestre Colonne uraufgeführt wurden. Fokine zeigte sich entrüstet darüber, dass schon einige Teile seines griechischen Ballettes, wenn zwar nur orchestral und noch ohne Choreographie, aber vor der eigentlichen Ballettpremiere aufgeführt wurden. Auch der sonst so umtriebige Diaghilew konnte diese Aufführung nicht verhindern.[26] Eine zweite Orchestersuite, unabhängig von der Choreographie, konnte Ravel 1913 fertig stellen. Beide Suiten sind heute fast beliebter als die später fertig gestellte Choreographie Fokines selbst.

Die endgültige Partitur, die umfangreichste, die Ravel je schrieb, sollte aber auch im Herbst 1911 noch nicht fertig werden. Hinzu kam, dass Fokine eigentlich schon längst mit einer Choreographie zu Daphnis et Chloé beginnen wollte, dies aber erst dem griechischen Ballett Narcisse vorziehen musste. Außerdem stand Vaslav Nijinskys Prélude à l’après-midi d’un faune nach Musik von Claude Debussy im Frühjahr 1912 auf dem Programm. Fokine hatte Angst, Nijinsky könnte ihm die Show stehlen.[27] Dieser wiederum begann nach und nach die Grundsätze von Fokines Ballettkunst, die ja auch vom konventionellen akademischen Stil der kaiserlichen Ballettschule gelöst waren, in Frage zu stellen.[28] Nach internen Streitigkeiten mit Diaghilew, beschloss Fokine die Truppe nach der Pariser Spielzeit 1912 zu verlassen. Daphnis et Chloé war somit seine letzte Choreographie für die Ballets russes.

Am 5. April 1912 legte Ravel dem viel beschäftigten Fokine die fertige Partitur vor und sofort begannen die ersten Proben für die Choreographie. Für die Titelrollen Chloé und Daphnis waren Tamara Karsavina und Waslaw Nijinsky[29] vorgesehen. Ravel wirkte häufig bei den Proben mit. Diese ersten Gehversuche der Tänzer waren von Schwierigkeiten und Krisen begleitet. Einige Ensemblemitglieder der Ballets russes hielten Daphnis et Chloé für unaufführbar; eine für zu schwierige, nicht genau tanzbare Rhythmik waren oftmals die Vorwürfe. Vor allem bei dem Danse générale, der im 5/4 Takt steht, gab es Probleme. Die Tänzer halfen sich dabei durch lautes, rhythmisch akzentuiertes Sprechen der Silben Ser-ge Dia-ghi-lew, Ser-ge Dia-ghi-lew.[30] Da es sich aber bei Ravel um eine 3+2 im 5er Takt handelt musste der Name auf dem zweiten „i“ betont werden, entgegen der russischen Aussprache, Ser-ge Dia-gh i -lew.

Auch auf Grund der parallel laufenden Produktionen wurde die Belastung für alle Beteiligten höher. Nicht selten kam es zu Streitigkeiten zwischen den Tanzsolisten und Fokine und wie bereits erwähnt zwischen Diaghilew und Fokine. Diaghilew und Fokine wurden zu unversöhnlichen Feinden. Diaghilews Zweifel an der Qualität des Werkes und eklatante Benachteiligungen von Probezeiten zugunsten Nijinskys choreographierten faune sollten die internen Spannungen noch verschärfen.[31]

Die Premiere sollte eigentlich bereits am 5. Juni 1913 stattfinden. Fokine hatte eine Woche vor der Uraufführung von Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune die Choreographie zu Daphnis bis auf die abschließende Bacchanale abgeschlossen. Trotzdem sucht Diaghilew Gründe die Aufführung zu verschieben. Diaghilew war bekannt dafür, die ihm vorgelegten Partituren zu kürzen. Zu seinem Ärger hatte Ravel zu lange für die Fertigstellung gebraucht und diese Diaghilew erst sehr spät zu kommen lassen. Dass das Werk neben einem großen Sinfonieorchesterapparat auch noch einen vierstimmigen Chor verschlang, war Diaghilew allein aus kostentechnischen Gründen schon von Anfang an suspekt.[32]

Insgeheim hoffte Diaghilew darauf, die Uraufführung des Daphnis noch so lange wie möglich hinauszuzögern bis Michael Fokine nach der Spielzeit die Truppe verlassen hatte. Dann würde er Nijinsky an der Partitur arbeiten lassen und den Faune noch öfters aufführen lassen. Daphnis, als erstes neues Ballet Diaghilews ohne Einheit von Zeit und Handlung, muss ihn zu sehr an die alten Marienski-Ballette in Sankt Petersburg erinnert haben. Ihm wurde möglicherweise bewusst, dass nach dem Faune und Narcisse in unmittelbarer zeitlicher Abfolge der Daphnis wohl ein griechisches Ballett zu viel sein würde.[33] Die Handlung von rivalisierenden Verliebten (Dorkon. Daphnis), der Tanzwettbewerb und der Überfall der Piraten, die Chloé entführen, die Wiedervereinigung und das Fest zum Schluss schienen dem abgebrühten Diaghilew im Nachhinein wohl verglichen mit dem recht progressiven Faune, was Choreographie und Musik angeht recht unspektakulär .

Nach vielem hin und her wurde die Uraufführung schließlich auf den 8. Juni geschoben. Am 7. Juni war zudem eine Sondervorstellung des Faune geplant. So konnte keine Generalprobe stattfinden und da der 9. Juni bereits spielfrei war und am 10. Juni die Saison endete, konnte der Daphnis und zweimal im Jahre 1912 in Paris aufgeführt werden.[34]

So fand schließlich die Premiere am 8. Juni im Théatre du Châtalet unter musikalischer Leitung von Pierre Monteux statt. Erstaunlicher Weise platzierte Diaghilew den Daphnis an diesem Abend an erster Stelle. Dies war ungewöhnlich, denn Ballettpremieren werden meist an zweiter oder dritter Stelle gegeben. Der Programmablauf sollte also nach dem Daphnis noch Debussys Faune, le spectre de la rose nach Carl Maria v. Webers Aufforderung zum Tanze und Rimski Korsakows Shéhérazade beinhalten:[35]

Dies mag eine weiteres Indiz des Misstrauens Diaghilews an dem Werk zeigen.

Die Tänzer tanzten das Ballett in Perfektion. Fokine dazu:

Das Ballett wurde perfekt von Tänzern aufgeführt, die mir und meinen Gegnern gleichermaßen loyal waren. Eine ganze Herde von Schafen trabte über die Bühne. Sie wurde von Schäfern und Schäferinnen geführt. Die Gebete, die Opfergaben von Blumen und Kränzen als Geschenke für die Nymphen, apotheotische Tänze, ländlicher Friede, Harmonie- wie weit war all das von der kriegerischen Atmosphäre und dem vor wenigen Sekunden so knapp verhinderten Aufstand entfernt .[36]

Das Ballett wurde mit stehenden Ovationen aufgenommen. Fokine und seine Tänzerinnen und Tänzer wurden mehrmals vor den Vorhang gerufen, nur Ravel ging der Begeisterung bescheiden aus dem Weg, zitierte der Figaro am nächsten Morgen.[37]

Der Widerhall des Pariser Publikums war freundlich und anerkennend aber keineswegs frenetisch.

Sicher ist hier das Missverständnis Fokines und Ravels ein Grund dafür. Denn eine uneinheitliche Choreographie Fokines und völlig andere musikalische Vorstellungen Ravels sorgen dafür, dass das Ballett nicht anfangs den gewünschten Erfolg hatte, wie es dem Faune vergönnt war. Fokine blieb offenbar hinter seinen Ideen und Möglichkeiten zurück. Er entwarf ein Ballett, das eher an die Anfänge französischer Balletttraditionen anknüpfte, statt neue Pforten zu öffnen. Weder Anhänger des klassischen Balletts, noch Partisanen des modernen Tanzes vermochten so ganz überzeugt sein, was sie da sahen. Die anfänglichen Zweifel Diaghilews schienen sich zu bestätigen, denn die Choreographie Fokines des Daphnis vermochte nach Narcisse und dem Faune Nijinskys wohl nichts neuartiges mehr hervorbringen.

Fokines antik-natürliche Schönheit, die er darstellen wollte, wurde nicht komplett verwirklicht und verfiel in teilweise konventionelle Bewegungsformeln. Hinzu kommt das für damalige Verhältnisse recht pompöse, ja fast überladene Bühnenbild Leon Baksts, dass vielen zu aufdringlich erschein und nicht das mögliche Idealbild einer Hirtenliebe im antiken Griechenland widerspiegelt. Zumal die Dekorationen und Kostüme aus einer Vielzahl anderer Produktionen für den Daphnis entliehen und zusammengesetzt wurden.[38]

Ravel zog sich im Sommer ins Südfranzösische Saint-Jean-de-Luz, nahe seinem Geburtsort Ciboure zurück. Dort schrieb er, die Strapazen mit der Premiere noch nicht verarbeitet, an Ralph Vaughan-Williams: „Daphnis und Chloé hat mich in einen so bedauernswerten Zustand versetzt, daß ich mich aufs Land zurückziehen musste, um eine beginnende Neurasthenie auszukurieren.“ [39] ; und wenig später an Jacques Rouché, dem Direktor der Pariser Opéra, der ihn um ein neues Werk bat: „Daphnis und Chloé war für mich eine so ununterbrochene Tortur, daß mir vorerst jede Lust auf ein ähnliches Unternehmen vergällt ist.“[40]

Mit etwas verhaltener aber wachsender Zustimmung wurde das Werk 1913 in der russischen Saison wieder aufgenommen. Ein Jahr später gastierten die Ballets russes in London. Hier fand am 8. Juni die England Premiere in London statt, mit Michel Fokine in der Rolle des Daphnis und Vera Fokina in der Rolle der Chloé.[41]

Die Partitur enthält auch einen vorgeschriebenen Chor, der allerdings bei kleineren Aufführungen auch weggelassen und notfalls durch Instrumentalstimmen oder einer Orgel ersetzt werden. Ravel legte jedoch darauf wert bei größeren Aufführungen den Chor einzusetzen. Bei der Londoner Aufführung jedoch strich Diaghilew den Chor aus organisatorischen und vor allem aus finanziellen Gründen. Da die Pariser Premieren Vorstellung aus Diaghilews Sicht nicht sehr erfolgreich war, hatte er außerdem starke Zweifel an der unbedingten Verwendung des Chores. Aus Diaghilews Sicht habe der Chor dem Werk bei der Premiere in Paris eher geschadet[42]. Daraus resultierten heftige Spannungen zwischen Ravel und dem Impressario, der das Werk in der von Diaghilew gekürzten Version so als unbegründet ansah. Der Streit wurde sogar öffentlich in der Londoner Morning Post ausgetragen. Ravel maß der Angelegenheit sogar soviel Bedeutung zu, dass durch Mithilfe seines Freundes Ralph Vaughan Williams, der zur selben Zeit in London weilte, Stellungnahmen in gleich vier Zeitungen auftauchten.

Sehr geehrter Herr Chefredakteur,

mein wichtigstes Werk, Daphnis und Chloé, wird am Dienstag, 9.Juni, im Drury Lane Theatre aufgeführt. Dieses Ereignis sollte für mich eine außerordentliche Freude bedeuten, eine der größten Auszeichnungen meiner Laufbahn. Ich höre allerdings, daß das, was jetzt den Londoner Publikum angeboten wird, nicht mein Werk in seiner ursprünglichen Gestalt sein wird, sondern ein verändertes Arrangement, das ich auf Bitten Diaghilews geschrieben hatte, um die Aufführungen in bestimmten Orten zweiter Wahl zu erleichtern. Wahrscheinlich betrachtet Diaghilew London als einen Ort zweiter Wahl; denn er bereitet entgegen seiner offiziellen Zusage die Drury Lane –Inszenierung in der neuen Version ohne Chor vor. Ich bin höchst verärgert und überrascht und meine, dass das Vorgehen von ebenso wenig Achtung für das Londoner Publikum wie für den Komponisten zeugt. [43]

Nach langem hin und her, legte sich der Streit nun vorerst und Diaghilew musste Ravel bis auf alles Weitere versichern, dass er bei jeder Ballettvorführung den Chor einsetzen würde.

Sicherlich auch durch die Umstände des ersten Weltkrieges bedingt, wurde der Daphnis erst wieder im Juni 1921 durch die Ballets russes in der Pariser Opéra aufgenommen. Dieses Mal erneut unter der Leitung Fokines, der das Ensemble kurzzeitig verlassen hatte. Unter der musikalischen Leitung von Philippe Gaubert führte er Regie und tanzte teilweise selbst die Rolle des Daphnis an der Seite seiner Frau Vera Fokina. Erst im Frühjahr des Jahrs 1924 erlebte man eine neuartige Inszenierung unter Diaghilews neuem Chefchoreographen Sergei Grigoriev im Théatre de Monte Carlo.[44]

Auch nach der Auflösung der Ballets Russes 1929 sollte es noch weltweit weitere Inszenierungen des Daphnis geben. Hier seien einige aufgeführt:

Teatro Colon in Buenas Aires (1927), in den USA (Philadelphia, 1937) sowie in mehreren europäischen Großstädten wie Berlin (1946), Rom (1951), London (1951), Brüssel (1958), Stuttgart (1962), in der Mailänder Scala (1962)[45] sowie vom New York City Ballet unter John Taras (1975).[46]

Weitere Aufführungen nach den Ballets russes kamen aus England unter der Leitung von Sir Frederick William Mallandaine Ashton, erstmals im Jahre 1951[47] mit Bühnendekorationen von Marc Chagall. Weitere Wiederaufnahmen des Ballets folgten in den Jahren 1964, 1972-1973, 1980-1981 und nach dem Tod Ashtons 1994 und 2004 und gelten als herausragende Interpretationen von Ravels Bühnenwerk. Ashton selbst bricht mit der traditionellen, antiken Inszenierung Michel Fokines und entwarf eine Version im modernen Gewand; verzichtet dabei auf pseudo-traditionelle griechisch-antike Kleidung, wie sie bei der Premiere des Daphnis von den Tänzerinnen und Tänzer 1912 getragen wurde und lässt sie gewöhnliche Straßenkleidung tragen. Ashton verfolgte das Ziel sich der opulenten Musik Ravels etwas entgegen zusetzen und die gesamte Aufmachungen auf der Bühne, sei es die Choreographie der Tänzer, die Kleidung der selben aber auch die von John Craxton verwendeten Bühnenbilder so klassisch und schlicht wie möglich zu halten. Deborah Mawer spricht in diesem Zusammenhang von „ classical simplicity “.[48]

Die im Jahr 1911 erstmals uraufgeführte Konzertfassung des Balletts in Form einer Suite überzeugte derart, dass Ravel nach der Ballettpremiere 1913 noch eine zweite zusammenstellte. Die beiden Suiten trugen enorm zur Popularität des Werkes bei, mehr noch als die Bühnenfassung und bestätigten weiter entschieden Ravels Ansehen als einen er bekanntes Komponisten Frankreichs.[49]

Bereits bevor Ravel und Fokine gab es in der Musikgeschichte Versuche sich dem antiken Roman des Longus zu nähern. So z. B bei Joseph Bodin de Boismortier in Form einer Ballettoper, Pastorale Daphnis et Chloé (1747), bei Jean-Jacques Rousseau in einem Opernfragment aus dem Jahre 1779 sowie in der Version einer Operette bei Offenbach (1860). Ob Ravel tatsächlich von jenen Werken wusste und sich inspirieren ließ konnte nicht festgestellt werden.[50]

Interessant ist außerdem in diesem Zusammenhang, dass knapp zehn Jahre bevor Diaghilew Ravel mit der Komposition beauftragte, Claude Debussy von Pierre Louys ein Ballett nach dem Longus Roman vorgeschlagen wurde, dieses aber nie vollendet wurde und auch Skizzen von Seiten Debussys nicht erhalten sind.[51] [52]

1.3 Bedeutung Diaghilews und der Ballets russes

Sergei Pawlowitsch Diaghilew wurde am 19.03.1872 in Selischi, Russland in der Oblast Nowgorod geboren. Er starb am 19.08.1929 in Venedig und gilt bis dato als herausragender Kunstsammler, Kunstkritiker, Kurator und Impresario.

Nach anfänglichen Universitätsstudien im Fach Rechtswissenschaft in Sankt Petersburg widmete er sich der Kunstszene. Die damaligen Zarenstadt Sankt Petersburg mit seinem vielfältigen Kunst-, Musik- und Theaterleben zog den jungen Diaghilew an. Neben Konzerten mit Tschaikowskis, erlebte man Aufführungen berühmter Opern wie dem Fürst Igor von Alexander Borodin. Die Sankt Petersburger seinerzeit liebten französische und italienische Opern, die nicht selten mit internationalen Superstars besetzt waren. Das hiesige Marienski Theater war der Uraufführungsort vieler Werke berühmter russischer Komponisten und Choreographien der kaiserlichen Ballettschule. Hier traf Diaghilew auch zum ersten Mal auf Michel Fokine und den Bühnenbilder Leon Bakst, welche beide für seinen Erfolg als späterer Impressario von großer Bedeutung waren.[53]

Diaghilew unterzog sich kurzweilig auch Studien in Gesang und Komposition u.a bei Rimski Korsakow, wozu er allerdings nicht so viel Talent aufzeigte[54] und es deshalb irgendwann aufgab. Er selbst probierte sich auch in der Malerei und im Tanz fand aber selbst wenig Talent dafür. Ab 1897 begann er in Sankt Petersburg eine rege Tätigkeit als Musikkritiker, ehe er 1899 zusammen mit Leon Bakst und Alexandre Benois die Zeitschrift Mir iskusstwa (Welt der Künste) gründete[55], die im damaligen kunstbegeisterten Sankt Petersburg auf reges Interesse stieß. Mit seiner Leidenschaft alte Kunstwerke zu sammeln und diese zu würdigen war Diaghilew in Russland anfangs gewiss ein Exot, denn Russland galt zu jener Zeit Ende des 19. Jahrhunderts kulturell als eher rückständig.[56] In den Folgejahren organisierte er zahlreiche Gemäldeausstellungen und Konzerte. Er bereiste die großen Städte Europas Berlin, London und Paris und machte in letzter die Bekanntschaft mit viele großen Künstlern seiner Zeit wie Arnold Böcklin, Emil Zola, Jules Massanet , Oscar Wilde oder Charles François Gounod.

Zusammen mit seinen Mitstreitern Alexandre Benois, Walter Nuwel und Leon Bakst war es Diaghilews Credo eine „Kunst um der Kunst willen“ (l’art pour l’art) zu etablieren. In diesem Zusammenhang ist Diaghilews Leistung in der Förderung und Herausbringen mehr oder weniger bekannter Maler bewundernswert. So setzte er sich für die Verbreitung und Ausstellung der Werke von Degas, Monet, Renoir oder Pissarro ein.[57]

Nach der Jahrhundertwende begann Diaghilew nach und nach russische Künstler auch außerhalb von Sankt Petersburg, außerhalb des russischen Zarenreiches zu präsentieren. Dazu bemerkt Richard Buckle: „Diaghilew war kein großer Maler wie Serow und kein reicher Sammler wie Morsorow oder Schtschukin, aber er hatte mehr als jeder andere für die Sache der modernen Malerei in Russland getan. [58]

Ab 1906 wurde Paris zunehmend sein Lebensmittelpunkt. Es folgte eine Ausstellung alter und neuer russischer Malerei sowie Bildhauerei der Exposition de l’art Russe in der französischen Hauptstadt. Russische Ikonen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, Portraits und Landschaften des 18. Jahrhunderts waren auf dem Pariser Herbstsalon zu bewundern. Anschließend begann er auch die russische Musik in Paris zu verbreiten. Neben einigen kleineren Konzerten, die er selbst am Klavier ablegte,[59] veranstaltete er eine Reihe von Konzerte in der Grand Opéra mit Werken russischer Komponisten u.a Tschaikowski, Glinka, Borodin, Mussorgski, Rimski-Korsakow, und Skrjabin.[60] Diaghilew war es auch, der erstmals in der besagten Grand Opéra die Oper Boris Godunow in russischer Sprache zur Aufführung brachte.

Er machte in Folge die Bekanntschaft mit Gabriel Astruc, der auch die spätere Verwaltungsarbeit und die finanzielle Aufsicht bei den Ballets russes übernahm.

Folglich plante er im Herbst 1908 ein Opern- und Ballettfestival in Paris. Mit Gabriel Astruc verabschiedete er die Verträge und beauftragte diesen für die Verwaltung während Diaghilew die volle finanzielle Verantwortung die die russische Opern- und Ballettsaison übernahm.

Hier sollten u.a der Fürst Igor von Borodin, Mussorgskis Boris und Korsakows Mädchen von Pskow zu Gehör gebracht werden.

Abgesehen von kurzen Gastspielen in Paris, hielt es Diaghilew Anfangs des Jahres 1908 allerdings nicht für möglich ganze Ballettsaison dauerhaft in der französischen Hauptstadt zu installieren. Diaghilew schien von der Pariser Tänzerinnen und Tänzern nicht immer sehr begeistert und erwägte stets seinen Wunsch die begnadeten Tänzer des kaiserlichen Balletts aus Russland zu holen: In Frankreich hat man keinen Respekt mehr vor dem Tanz und die Kunst, wie sie hier gezeigt wird, ist unvollständig. Sie haben gute Ballerinen, aber sie ahnen nicht, was ein männlicher Tänzer sein kann! Unsere männlichen Tänzer sind in Russland Stars[…]“ [61]

Mit seinem Verhandlungsgeschick bezweckte Diaghilew, dass die Großfürstin russische Ballette nach Frankreich brachte. 1909 stellte er aus den besten Tänzerinnen und Tänzern des Landes hauptsächlich aus der kaiserlichen Ballettschule zusammen und gründete das Ensemble Ballets Russes. Die damals berühmtesten Tänzer waren Vaslav Nijinsky und Anna Pawlowa. Bedingt auch durch die guten politischen französischen Beziehungen zu Russland und der allseits betonen Aufgeschlossenheit des Pariser Publikums zeigten sich die Pariser dementsprechend angetan.

Die Russen tanzten mit solcher Kraft, Anmut und verhaltenen Leidenschaft, daß sich jeder Vergleich mit den abgestandenen Kokketerien der Opéra verbot. Dann kam der pas de trois mit Karsawina, Baldia und Nijinsky, gekleidet in Orange, Weiß, Gold und Silber. Man kann sagen, daß die Eroberung durch den russischen Tanz und die Herrschaft Diaghilews als Direktor des russischen Balletts in dem Augenblick begann, indem Nijinsyj mit seinen beiden Partnerinnen auf die Bühne trat. Die Franzosen, die gebannt zuschauten, wie die drei zu einer Melodie des Englischhorns in die Luft stiegen, zu Boden sanken, zuckten und herumwirbelten, spürten etwas Neuartiges. [62]

Dabei wurden 1910 Werke wie les Sylphides, eine Sammlung von Orchestrierten Klavierwerken von Frédérik Chopin, Cléopâtre oder Une Nuit d’Egypt aufgeführt. Diaghilew wollte damit dem Pariser Publikum in einzigartiger Weise die ganze Raffinesse und Eleganz der russischen Tänzerinnen und Tänzer zeigen. Die Ballette waren aus Diaghilews Sicht weniger eigenständige Kunstwerke als eher Mittel zum Zweck,[63] um die Tänzer in den Vordergrund treten zu lassen. An den musikalischen Arrangements war Diaghilew anfangs weniger interessiert.

Auch außerhalb Frankreichs konnten die Ballets russes große Erfolge verbuchen. So wurde die Truppe beispielsweise in London frenetisch empfangen.

Zusätzlich gastierte die Truppe 1913 in Südamerika. Nach einem privaten Zerwürfnis zwischen Diaghilew und Nijinsky, musste Nijinsky die Truppe 1913 verlassen. Zunächst ließ er ihn von der Aufgabe des Chefchoreographen entbinden, an seiner Stelle trat kurzfristig wieder Michael Fokine, mit dem sich Diaghilew eigentlich verworfen hatte. Schlussendlich beauftragte er Sergej Grigorjew mit der Entlassung Nijinskys.[64]

Nach der Entlassung Nijinskys sollte Leonide Massine sein bevorzugter Tänzer, Choreograph und auch Liebhaber werden.

Auch in der Besetzung mit Massine als Tänzer und Choreograph konnte das Ensemble große Erfolge verbuchen. In diese Zeit fielen die Premieren von Strawinskys le sacre du printemps oder Debussys Jeux.

Bedingt durch Ausbruch des ersten Weltkrieges und der Oktoberrevolution in Russland 1917 fuhren die Produktionen der Ballets russes etwas zurück und Diaghilew seine Truppe ging ins Ausland.

Nach Ende des Krieges wurden wieder eine Reihe Kompositionsaufträgen u.a an Manuel de Falla, Darius Milhaud, Francis Poulenc, Serge Prokofieff, Vittorio Rieti, Erik Satie oder Henri Sauguet verteilt.[65]

Nachdem Massine das Ensemble 1921 verlassen hatte, musste Diaghilew seine Truppe erneut ordnen. Mit Hilfe von Boris Kochno der von nun an als Sekretär für ihn arbeitete, reorganisierte Diaghilew die Ballets Russes und wählte Paris und diesmal auch Monte Carlo als Zentrum seiner Arbeit. Es folgen Arbeiten mit den Choreographen Georges Balanchine und Serge Lifar.

Sowohl aufgrund seiner spektakulären Vorstellungen, die nicht immer finanzielle Erfolge waren, aber auch aufgrund seiner Sammelleidenschaft, in späteren Jahren u. a. für russische Bücher, Puschkin-Briefe und Autogramme, waren seine finanziellen Verhältnisse stets prekär. Auch die großzügige finanzielle Unterstützung der Modeschöpferin Gabrielle Coco Chanel für einzelne Projekte half nur wenig.

Diaghilews berühmte Choreographien, beispielsweise von Fokine nach Ravels Daphnis et Chloé oder später Nijinsky nach Debussys Prélude à l’aprés-midi d’un faune wurden vom Pariser und dem internationalen Publikum begeistert aufgenommen und zeigten nicht selten wie am Beispiel des Faune neue Perspektiven der Gattung Ballet auf. Dies gilt in besonderem Maße auch für Strawinskys Sacre du Printemps, welcher völlig neue Formen des Tanzes zeigte und mit vielen Regeln des klassischen Balletts brach.

Die Ballets russes sorgten zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die Kunstszene Europas für Aufsehen. Plötzlich gewinnt die Ballettgattung an Attraktivität und erfährt eine Aufwertung. Diaghilew ist es gelungen, eine Saison einzig und allein mit Ballettaufführungen zu unterhalten. So etwas war zur damaligen Zeit recht ungewöhnlich. Diaghilew und seinen Choreographen Fokine, Massine oder Nijinsky ist es gelungen, dass Ballett durch Ballette wie den les Sylphides (1909), oder die von Nijinskys orchestrierte Version von Schumanns Carnaval (1910) oder le Coq d’or (1909) als eigene ernstzunehmende Gattung in der Kunstszene zu etablieren. Dabei gelingt es der Truppe um Diaghilew, das Ballet als neue Kunstform, das sich aus dem akademischen Stil entwickelt hat, massiv aufzuwerten. Die Methoden, wie bei les Sylphides oder Carnaval, auf bereits existierender Musik eine Ballettchoreographie zu schaffen ist völlig neu. So wird ehemals autonome Musik zu Tanzzwecken instrumentalisiert. Ein bei Puristen der damaligen Musikszene nicht unumstrittende Tat, die durchaus den absoluten Charakter eines Werkes in Frage stellt.

Zwar ging Diaghilew später dazu über mehr und mehr Eigenkompositionen für die Ballets russes den Bearbeitungen vorhandener Werke zu vermeiden, doch trug diese Technik enorm zur Popularität und Progression des Ensembles bei.

In der Verbindung von Tanz, Malerei und Musik wie Diaghilew sie ausführte, sah er ein Streben die Ballettkunst des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts aus ihrer konventionellen Haltung herauszuführen.

Diaghilew sah sich nicht selbst als strenger Impressario. Vielmehr sah er sein Talent darin, Maler, Musiker, Dichter und Tänzer zusammenzubringen und miteinander arbeiten zu lassen.[66] Ihm schwebt eine perfekte Symbiose dieser Kunstgattungen vor.

Er schuf so eine neue Kunstform: Das Ballett als Gesamtkunstwerk, ein Schauspiel, maximal von einer Stunde Dauer, bei welchem die Elemente Musik, Ausstattung, Choreographie mit dem Ziel gesetzt waren, ein organisches Ganzes zu schaffen.[67]

Ob er nun bereits existierende Werke fürs Ballett umkomponieren ließ, Opernauszüge (Borodins: Fürst Igor) verwendete oder gleich eigens für die Ballets Russes komponierte Werke in Auftrag gab wie den Feuervogel im Jahre 1910 oder Daphnis und Chloé im Jahre 1912, vermittelte er der Gattung Ballett eine musikalische Eigenständigkeit, die die bisherigen Konventionen transzendierte und eine Verschiebung innerhalb des Gattungsgefüges darstellte. Denn die bereits erwähnte Funktionalisierung autonomer Musik zu Tanzzwecken bedeutet sicher auch einen Verfall autonomer Gattungen.

Gleiches gilt in ähnlicher Weise auch der Malerei. Den mit herausragenden Bühnenbildnern und Malern seiner Zeit wie Picasso, Matisse oder Bakst verstand es Diaghilew in seine Produktionen miteinzubeziehen. Der Kunstanspruch dieser Gattung wurde auf eine Höhe mit der Musik und den Tanz gehoben. Sie durfte keinem der anderen Gattungen unterlegen sein.

Auch auf kompositorischem Wege zeigten sich für nachfolgende Generationen des Tanztheaters entscheidende Neuerungen. Ihre Impulse zu einer Erneuerung des Tanztheaters errangen schnell internationale Anerkennung.[68] Diaghilew erweiterte die Konventionen alteingesessener Ballettmuster. Zwar komponierte Diaghilew nicht selbst, aber durch die Komponisten, die für ihn arbeiteten und neue Dimensionen bei den musikalischen Parametern Rhythmus, Klang und Form hervorbrachten, erweiterten sich auch die Tanzchoreographien. Als radikalstes Beispiel ist in diesem Zusammenhang wohl der Sacre du printemps, den Strawinsky 1913 für die Ballets russes komponierte, zu nennen, auf den im Kapitel 3 Bezug genommen wird.

So hatte Diaghilew zwanzig Jahre von der Gründung der Ballets russes bis zu seinem Tod eine kreative Revolution angeführt, bei der die bedeutensten Künstler des damaligen Europa zusammen kamen.[69] Nach Diaghilews Tod im Jahr 1929 wurde die Kompanie aufgelöst.

1.4 Daphnis et Chloé im Kontext des musikalischen Schaffens von Ravel

Mit dem Ballett Daphnis et Chloé schafft Maurice Ravel sein umfassendstes Werk. Das Werk wird, abgesehen von wenigen Skeptikern wie dem Impressario Diaghilew, als eindrucksvolle Leistung des Komponisten gewertet. Igor Strawinsky, lange Zeit Ravels Weggefährte, schreibt in seinen Memoiren: „Es ist bestimmt nicht nur eines der schönsten Werke von Ravel, sondern überhaupt eines der schönsten Ereignisse, die die französische Musik hervorgebracht hat.“[70]

Viele Kritiker haben sich zu seiner rhythmischen Vielfalt, seinem großartigen Lyrismus und seinen magischen Naturbeschwörungen geäußert. Seine sehr ausgefeilte Orchestertechnik und die Naturbeobachtungen sind Elemente, die bereits vor Daphnis et Chloé in anderen seiner zahlreichen Kompositionen Anklang fanden. Das Werk nimmt in Ravels Gesamtoeuvre und generell in der französischen Instrumentalmusik des frühen 20. Jahrhunderts eine große Stellung ein. In diesem Ballet steigert Ravel den Orchesterklang bis zu einem betörenden Grade von wollüstiger Schönheit und Fülle.[71]

Drei Bereiche, die in Ravels gesamten Schaffensrahmen als Komponist immer wiederkehren, sind auch unverkennbar in Daphnis et Chloé wieder zu finden: Seine Neigung für das Tänzerische, das Interesse an Exotischem und die Liebe zur Natur. Ravels künstlerische Ästhetik war damals zu Beginn des 20.Jahrhundert inspiriert, wie viele Künstler allgemein in Frankreich, vom Symbolismus eines Verlaine oder Mallarmé, dem Historismus, Naturalismus und dem Exotismus. Vor allem die beiden letztgenannten Strömungen sollten auch für die Komposition Daphnis et Chloé von entscheidender Wichtigkeit sein.

Daneben zeigt sich bei Ravel häufig das Element des Phantastischen, wie im kurz zuvor komponierten Werk Ma mère l’Oye, zu dem es später auch eine Ballettfassung gab. Hier zeigt sich, wie auch für Ravels Werke insgesamt typisch, ein Hang zur Kinderwelt. Die Behandlung von Kinderphantasien in seinen Werken hat einen großen Stellenwert, bedeutet sie vor allem die Abgrenzung gegen die Überfrachtung der Musik mit metaphysischen Inhalten, also stellt sie keine Behandlung eines religiösen oder philosophischen Pathos dar, wie es häufig bei Wagner, Liszt, Brahms oder Beethoven deutsche Musiktradition der Fall war.[72] Diese Art der Monumentalität und die Darstellung des Mythos, die auch von Ravels Vorgängern Vincent d’Indy oder Hector Berlioz wieder aufgenommen wurde, und dem tradionellen-akademischen Lehrbetrieb des Pariser Konservatoriums entsprach, war Ravel von je her suspekt.[73] Dieses Element des sozusagen Anti – Pathetischen findet sich auch in Daphnis et Chloé wieder, worauf in Kapitel 2 noch eingegangen wird.

Ein früheres Beispiel exotischer Einflüsse bei Ravel ist die Rhapsodie espagnol aus dem Jahre 1907, welche aus vier spanischen Tänzen besteht. Ravel, selbst gebürtiger Baske, entwickelte eine besondere Vorliebe für spanische Tanzrhythmen, die sich mit der Rhapsodie espagnol noch weiterentwickeln sollte und auch am Beispiel des Daphnis unverkennbar ist.[74] Die darin enthaltene Habanera, der spätere dritte Satz der Rhapsodie, entstand bereits 1895 als zunächst vierhändiges Klavierstück.

Sein Interesse für den Tanz und die Antike kam ebenfalls im Jahre 1895 zum Ausdruck, als er zwanzigjährig ein Klavierwerk mit dem Namen Menuett Antique komponierte. Dieses Werk spiegelt in gewisser Weise Ravels Sinn für Verfremdung, Ironie und versteckter Maskerade wieder, denn zur Zeit der Antike gab es noch keine Menuette. Die Musik trägt so in sich antikisierende Züge, ohne doch in ihrer Mehrstimmigkeit und Harmonik als bloßer Nachbau griechischer Modelle gelten zu können. Auch spätere Menuette, wie dem aus dem Tombeau de Couperin oder dem Menuette sur le nom de Haydn sind nicht exakte Stilkopien klassischer oder barocker Komponisten, sondern stehen wohl eher im Geiste des barocken Tanzes und französischer Clavenisten insgesamt. Ravel wollte die Komponisten dieser Zeit würdigen, sie aber nicht imitieren. Im Falle des Tombeau de Couperin kommt so Ravels ganze Vorliebe für die französischen Komponisten des 18. Jahrhunderts wie Rameau, Couperin, aber auch Komponisten wie Scalatti zum Ausdruck. Seine Vorliebe für Künstler des französischen Klassizismus war für ihn sehr prägend. Diese Einstellung, die sich später 1917 mit der Fertigstellung des Tombeau de Couperin endgültig manifestiert, zeigt sich wie bereits in den vorigen Kapiteln erwähnt, auch in Daphnis et Chloé, genauer gesagt in seinem Griechenlandbild, das eher den Vorstellungen der französischen Künstler des 18. und frühen 19. Jahrhunderts über die Antike entsprach.

Im Jahre 1901 erscheint sein Klavierwerk Jeux d’eau, welches voller pianistisch-technischer Neuerungen ist und stark impressionistischen Charakter hat. Laut Adorno macht es dem ganzen Impressionismus den ganzen Reichtum des Klaviersatzes zugänglich.[75] In diesem Stück, angeregt vom Klang des Wassers bei Bächen, Springbrunnen und Wasserfällen, erweitert Ravel das Farbespektrum des Klavierklanges auf interessante Weise und zeigt sehr interessante Naturdarstellungen.

In anderem Zusammenhang ist auch das Streichquartett F-Dur aus dem Jahre 1902 zu erwähnen. Hierin verbergen sich hinter den vielen leichten Pianissimi und der Milde ein wenig Schalk und Ironie, was ein typisches Merkmal Ravelscher Kompositionen darstellt und sich auch in Daphnis et Chloé wieder findet (Danse grotesque de Dorcon, Danse gracieuse et légère de Daphnis).

Drei Jahre später im Jahre 1905 folgt das Klavierwerk Miroirs, das aus fünf Stücken besteht: Noctuelles, Oiseaux tristes, Une barque sur l´océan, Alborada del gracioso und La vallée des cloches. Im zweiten Stück, den Oiseaux tristes, welches insgesamt einen recht düsteren Charakter aufweist, sind bereits viele Elemente aus der Natur hörbar. Ravel schrieb dazu:

„Ich rufe hier die Erinnerung an Vögel wach, die sich in der Schwüle eines sehr dunklen Waldes zur Zeit der heißesten Sommerstunden verloren haben“.[76]

Die Komposition beruht, mit einer recht exzentrischen Harmonik versehen, auf genauen Naturbeobachtungen und zeigt Ravels Liebe zur Natur. Laut Christian Abt ließ er sich hier von Francois Couperin und Jean Philipp Rameau inspirieren, zu denen er eine naive schöpferische Intuition mit naturalistischer Nachgestaltung empfunden haben soll.[77] Im Rubato Ornament ist deutlich ein Vogelruf nachgebildet. Vielleicht ist dieses Werk, was seine Naturbeschwörungen anbetrifft bereits ein erster Vorgeschmack auf das dritte Bild in Daphnis et Chloé mit seinen zahlreichen Naturdarstellungen in Form von Vögelgesängen u.ä.

Die meisten Werke in Ravels Gesamtoeuvre sind meist Stücke von recht kurzer Spieldauer, so auch sein erstes vollständiges Bühnenwerk l’Heure espagnol, eine einaktige musikalische Komödie aus dem Jahre 1907, mit einer Aufführungsdauer von gut 55 Minuten. Das Werk ist, ähnlich wie der Daphnis et Chloé für eine so umfangreiches choreographische Vorlage recht kurz.

In diesem Zusammenhang ist auch seine spätere Oper l’Enfant et les Sortilèges mit einer Aufführungsdauer von nur 45 Minuten zu nennen. Auch sie spiegelt ähnlich wie Ma mère l’Oye Ravels offensichtliche phantastische Sphäre der Kinderträume und Kindermärchen wieder. Doch neben diesen offensichtlichen Spielen gibt es bei Ravel auch eine Reihe so genannter verschlüsselter Spiele.[78] Dazu Stegemann: „Ravel liebt es, sich in Verkleidungen und Maskeraden in immer neuen Gewändern zu präsentieren, ob im Gewand des antiken Schäfers (Daphnis und Chloé), mal orientalisch (Shéhérazade), mal spanisch (Rhapsodie espagnol) oder mal in trauriger Gestalt (Don Quichotte à Dulcinée).“[79]

In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, also nach der Fertigstellung von Daphnis et Chloé, ist im Schaffen Ravels nicht mehr die gradlinige Entwicklung zu vernehmen wie noch vor dem ersten Weltkrieg. Seine Schreibweise wird zunehmend härter und aggressiver. Bei Jankélévitch heißt es dazu: „Zweifellos kommt die kokette Virtuosität bei Ravel wie bei Prokofjew zum Teil von den Gewaltsamkeiten der Nachkriegszeit; auf jeden Fall hat Ravels Musik etwas Hartes, Schneidendes, Bündiges angenommen, eine sprühende Klangwirkung, ohne das sie nicht mehr Ravel wäre.“[80]

Viele seiner Werke nach Daphnis et Chloé zeigen eine gewisse Rückkehr zur Einfachheit. Er neigt zu einer „ausgedünnteren Schreibweise“.[81] Er verzichtet auf wuchtige Bässe und entlegene Tonarten. Zudem wird das Melodische immer weiter ausgedünnt wird und seine Präferenz für kleine Instrumentalensembles wächst.

Trotz der Schwierigkeiten vor der Premiere des Daphnis zwischen Fokine, Diaghilew und Ravel, bestellt Diaghilew noch ein Ballett bei Ravel. Unter diesen Umständen entstand la Valse. Dieser bildet neben dem Boléro, welcher ursprünglich ebenfalls als Ballettkomposition für Ida Rubinstein gedacht war, das einzige rein sinfonische Werk der Nachkriegszeit. La Valse allerdings ist keine bloße Abfolge von Tänzen, sondern eine Art Hommage an den Wiener Walzer. Es besteht aus einer Aneinanderreihung verschiedener Walzer, wobei das Werk in zwei große Teile unterzuordnen ist.

Die Überschichtung des zweiteiligen und des dreiteiligen Taktes,[82] die grellen Blechbläser Glissandi werden oft als Maskerade eines Abgesangs des 19. Jahrhunderts gesehen. Das Finale des Walzers wirkt wie eine Karikatur des Wiener Walzers, eine Apotheose,[83] dabei aber selbstzerstörerisch und fratzenhaft.

Es ist ein weiteres Beispiel für Ravels neue schärfere, aggressive Sprache.

Nachdem Ravel 1920 Diaghilew die Klavierfassung vorgespielt hatte, soll dieser gesagt haben, es sei kein Ballett aber ein Meisterwerk. Es sei ein Porträt eines Balletts und nicht wirklich als Ballett tanzbar. Er lehnte das Werk ab und das Verhältnis der beiden war zerrüttet.[84] Eine Versöhnung zwischen den beiden soll es nicht mehr gegeben haben. La valse ist in sofern interessant im Zusammenhang mit Daphnis et Chloé, als dass das Ende im Daphnis starke Ähnlichkeiten mit dem in la valse aufweist. Derselbe wilde, impulsive ja fast selbstzerstörerische Charakter kommt hier zum Vorschein und scheint eine neue Schreibweise bei Ravel einläuten, die auch dem Ende des Boléro ähnlich scheint.

Dieser 1928 komponierte Boléro ist eines seiner berühmtesten Werke und häufig gespieltes Stück internationaler Spitzenorchester. Mit ihm knüpft er wieder einmal an seine Vorliebe zum spanischen Tanz an. Die Ausgewogenheit der einzelnen Instrumentenfamilien, der stetige Ostinato Rhythmus, die Klangschichtung der Instrumentengruppen, die neuartig empfundenen schillernden Klangfarben,[85] die an einigen Passagen sogar kurz in die Bitonalität abgleiten und sein kontinuierliches Crescendo sind die Markenzeichen dieses Werkes.

Dennoch darf und sollte man das Werk aus kompositorischer Sicht nicht überbewerten, denn es hat keine Form im klassischen Sinne, kaum Modulationen und keine weiterführende Entwicklung der Melodie. Der formale Aufbau ist recht simpel. Es folgen achtzehn melodisch und rhythmisch gleiche Abschnitte, die je nur von vier reinen Rhythmustakten unterbrochen sind. Der durchgehende Rhythmus ist sicher auch ein Garant für das Festhalten an der Form, um dem Zerfließen in Formlosigkeit entgegenzuwirken. Zwar ist seine klangliche Wirkung immens und die Orchestrierung in ihrer Vielschichtigkeit meisterhaft, doch der Boléro ist eben nur ein Experiment Ravels. Trotz seines großen Erfolges , äußerte sich Ravel meist abschätzig über ihn. Sein Erfolg war ihm stets suspekt, verstand er den Boléro doch anfänglich als simple Orchestrationsübung und monotonen Tanz[86]: „Ich habe nur ein Meisterwerk gemacht, das ist der Boléro, leider enthält er keine Musik.“ [87]

Verglichen mit dem sechzehn Jahre jüngeren Daphnis und Chloé lassen sich hier die Neuerungen im Bezug auf Klarheit und Einfachheit im Kompositionsstil Ravels erkennen. Die erzeugten Klangfarben und die Betonung des Rhythmischen sind das Markenzeichen des Boléro. An harmonische Kühnheit, lyrischer Extravaganz und technische Raffinesse aber kommt er nicht an Daphnis et Chloé heran.

Inwieweit Ravel mit dem Daphnis tatsächlich andere Komponisten seiner Zeit beeinflusste, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Fest steht, dass Béla Bartóks Der holzgeschnitzte Prinz, den dieser zwischen 1914 und 1916 schrieb, erstaunliche Parallelen zum Daphnis aufweist. Einige der hier im Groben skizzierten Gemeinsamkeiten lassen sich nicht wegdiskutieren. Bartoks Tanzsuite, die eine märchenhafte Fabel zum Thema hat, zeigt viele Gemeinsamkeiten mit der farbenreichen Instrumentierung und Leitmotivtechnik Ravels. Beide Werke haben denselben Gestus von rasch wechselnden Klangbildern und zeigen Bartóks starken Einfluss der Impressionisten Debussy und Ravel. Im Vergleich zum Daphnis sind hier ebenfalls Elemente des Grotesken, Feenhaften sowie zahlreiche Naturbeschwörungen vorhanden. In der Musikwissenschaft gibt es keine eindeutigen Beweise, ob Bartók, der für Ravel Bewunderung zeigte,[88] tatsächlich Daphnis et Chloé als Vorbild für seinen holzgeschnitzten Prinz nahm.

2. Analyse

2.1 Besonderheiten der Instrumentierung

Ravel verwendete für die Orchestrierung von Daphnis et Chloé einen üppigen Orchesterapparat. Mit nahezu allen Instrumentengruppen, die das spätromantische Sinfonieorchester zur damaligen Zeit hergab.

Neben dem riesigen Orchester auf der Bühne taucht auch noch ein gemischter, textloser Chor hinter der Bühne auf. Ebenfalls hinter der Bühne sollen sich eine Trompete und ein Horn platzieren.

So taucht in der Partitur folgende Zusammensetzung auf:

Holzbläser:

1 Piccoloflöte, 2 Flöten, 1 Altflöte, 2 Oboen, 1 Englisch-Horn, 1 kleine Klarinette in Es, 2 Klarinetten in B, 1 Bassklarinette in B, 3 Fagotte, 1 Kontrafagott

Blechbläser:

4 Hörner in F, 4 Trompeten in C, 3 Posaunen, 1 Tuba

Schlagwerk:

3 Pauken, kleine und große Trommel, Kastagnetten, antike Zimbel, 2 Becken, Äliophon, Tamtam, baskische Trommel, Celesta, Triangel, Glockenspiel, Xylophon

Streicher:

Erste und zweite Violinen, Violen, Violoncelli, Kontrabässe mit tiefer C-Seite, jede Streichergruppe werden zudem noch mal aufgeteilt (divisi), um vermutlich ein noch differenzierteres Klangspektrum zu erzeugen.

Die Streicher spielen in der Partitur bis auf wenige Ausnahmen (Ziff.83-88)[89] fast durchgehend und haben dabei recht vielfältige, anspruchsvolle Aufgaben zu erledigen. Mit Mischungen in den Spielweisen von Arco, Pizzicato, Flageoletts, Spielen auf bestimmte Saiten, auf dem Griffbrett, Tremoli oder Glissandi, zwei- oder dreifache Oktavierungen und Terzverdopplungen tragen sie enorm zur Erzeugung bestimmter Klangfarben, die bei Ravel generell eine wichtige Rolle spielen, bei.

Selten spielen die jeweils unterteilten Streichergruppen dasselbe wie zu Beginn des Danse générale bei Ziffer 21 oder beim Liebesmotiv bei Ziffer 53, kurz nach dem Tanzwettbewerb zwischen Daphnis und dem Rinderhirten Dorcon.

Zudem häufig die erste Geige solistisch eingesetzt wird, meist in Zusammenhang mit dem zarten Liebesmotiv von Daphnis und Chloé oder dem Thema der Nymphen (Ziff. 16). Die plötzliche Hervorhebung eines einzelnen Instrumentes innerhalb des großen Orchesterapparates vor allem bei den Hauptmotiven ist eine typische Art und Weise von Ravel, was immer ein Spannungszuwachs bedeutet und dem Orchester eine neue erfrischende Farbe verleiht, ihm gar deskriptive Züge einverleibt.

[...]


[1] Simon Rattle In: Simon Rattle / Peter West: Die Revolution der Klänge

Musik im 20. Jahrhundert (Folgen 1-3). Berlin 2005

[2] Vgl. Merkelbach, Reinhold : Die Hirten des Dionysos. Stuttgart 1988, S.137

[3] Vgl. Longus: Hirtengeschichten von Daphnis und Chloé. Griechisch und Deutsch. Schönberger, Otto (Hrgs.). Berlin 1989, S.9

[4] Vgl. Merkelbach, Reinhold, S.137

[5] Vgl. Longus: Hirtengeschichten von Daphnis und Chloé. Griechisch und Deutsch. Schönberger, Otto (Hrgs.), S.53 ff.

[6] Vgl. Ebd., S.53

[7] nach: Mawer, Deborah: The ballets of Maurice Ravel : creation and interpretation. Ashgate, 2006, S.184-185

[8] Ebd. S.54

[9] Ebd. S.143

[10] Ebd. S.143

[11] Maurice Ravel : Daphnis et Chloé. Ballet en un acte de Michel Fokine. Partition d’orchestre. Durand S.A, Editions Musicales. Paris 1913

[12] Vgl. Ausführungen bei Buckle S.160ff. Hirsbrunner S.117 ff.

[13] Jankélévitch, Vladimir: Maurice Ravel. Hamburg 1958, S.105

[14] Ravel Briefe In: Tappolet, Willi: Maurice Ravel. Olten 1950, S.95 ff.

[15] Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel, Daphnis und Chloé, S.5

[16] Ebd., S.5

[17] Vgl. Buckle S.152

[18] Vgl. CD Beilage: Belfast Philharmonic Society: Daphnis et Chloé. Vorwort von Edward Blakeman. Belfast 1990

[19] Ebd. S.8

[20] Vgl. Mawer, Deborah : The ballets of Maurice Ravel : creation and interpretation. Farnham 2006, S.101

[21] Vgl. Stegemann, Michael: Maurice Ravel. Reinbeck bei Hamburg 1996, [Anm. 5] S.77

[22] An Madame de Saint-Marceaux, 27.06.1909, Lettres, S.105 in: Stegemann, Michael: Maurice Ravel. Reinbeck bei Hamburg 1996

[23] Vgl. Stegemann, Michael: Maurice Ravel, S.80

[24] Vgl. Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel, Daphnis und Chloé, S.10

[25] Vgl. Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel, Daphnis und Chloé, S.10

[26] Vgl. Buckle, Richard: Diaghilew, S.220

[27] Vgl. Buckle, S.187

[28] Vgl. Buckle, Richard: Diaghilew, S.186 ff.

[29] Vgl. Stegemann, Michael: Maurice Ravel, S. 78

[30] Vgl. Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel,[Anm.16] S.12

[31] Beschreibungen bei Buckle, Richard: S.187 ff.

[32] Vgl. Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel, Daphnis und Chloé, S.15

[33] Vgl. Buckle, Richard: Diaghilew, S.229

[34] Vgl. Ebd., S.230

[35] Vgl. Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel, Daphnis und Chloé, S.13

[36] Fokin, Michel: Against the Tide, S.212, zit. In Buckle: Diaghilew [Anm.7], S.230

[37] Vgl. Buckle, Richard: Diaghilew, [Anm. 212] S. 231

[38] Vgl bei Buckle, Richard, S.230-231

[39] An Ralph Vaughan Williams, 5.8.1912. Lettres, S. 124 In Stegemann, Michael: Maurice Ravel. S.79

[40] An Jacques Rouché, 7.10.1912. Lettres, S.125. In Stegemann, Michael: Maurice Ravel. S.79

[41] Vgl. Mawer, Deborah: The ballets of Maurice Ravel : creation and interpretation, S.273

[42] nach: Orenstein, Arbie : Maurice Ravel. Leben und Werk, S.75

[43] zit. nach: Orenstein, Arbie: Maurice Ravel. Leben und Werk, S.74 ff.

[44] Vgl. Ebd. S. 273

[45] Vgl. Ebd. S.272 ff.

[46] Vgl. Mawer, Deborah: The ballets of Maurice Ravel : creation and interpretation, S.112

[47] Vgl. Ebd.

[48] Ebd., S.118

[49] Vgl. Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel, Daphnis und Chloé, S.14

[50] Vgl. Ebd. S.7

[51] Vgl. Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel, Daphnis und Chloé [Anm. 4], S.7

[52] Neben der Musik gab es auch in der bildenden Kunst Versuche sich dem antiken Stoff des Longus zu nähern. Hier sind vor allem die berühmten Lithographien von Marc Chagall und die Plastiken von Jean-Pierre Cortot, die im Louvre zu finden sind, zu nennen.

[53] Vgl. Ebd. S.19

[54] Vgl. Kirchmeyer, Helmut: Strawinskys russische Ballette, Der Feuervogel, Petruschka, Le Sacre du Printemps. Stuttgart 1974, S.21

[55] Ausführungen basierend: Mawer, Deborah: The ballets of Maurice Ravel : creation and interpretation, S.7

[56] Vgl. Buckle, Richard: Diaghilew, S.35

[57] Vgl. Ebd. S.79

[58] Ebd, S.91

[59] Vgl. Ebd. S.95

[60] Vgl. Scherliess, Volker: Igor Strawinsky- le sacre du printemps. München 1982, S.4

[61] Diaghilew, Sergei in La Revue Musicale : Le Premier Feu d’Artifice. Dezember 1908 In : Scherliess, S.120

[62] Buckle, Richard: Diaghilew, S.139

[63] Vgl. Ebd., S.128

[64] Vgl. Ebd. S.267

[65] Vgl. Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel, Daphnis und Chloé, S.4

[66] Brief Diaghilews an Astruc, 22.09.1911, zit. nach: Buckle, Richard: S.198

[67] Vgl. Buckle, Richard: Diaghilew, S.183

[68] Vgl. Sannemüller, Gerd : Maurice Ravel, Daphnis und Chloé, S.3

[69] Information: DVD Dan Geller, Dayna Goldfine: Ballets Russes. Ascot Elite. USA,2005

[70] Vgl. Igor Strawinsky: Erinnerungen. Tüngel, Richard (Hrgs.), S.45 in : Leben und Werk – von ihm selbst: Igor Strawinsky. Mainz 1957, S.15-162

[71] Vgl. Stuckenschmidt, Hans-Heinz: Ravel [Anm. 50], S.179

[72] Vgl. Ribke Juliane : Die Kinderwelt des Maurice Ravel in : Kleinen, Günter [Hrsg.]: Hommage à Ravel. Bremen 1987 ,S.106

[73] Vgl. Schubert, Giselher : Symphonie und Symphonisches : Zur französischen Instrumentalmusik der Jahrhundertwende. Festschrift für Winfried Kirsch zum 65. Geburtstag. Ackerman, Peter; Kienzle, Ulrike; Nowak, Adolf (Hrgs.). Tutzing 1996, S.417

[74] Vgl. Ebd. S.108

[75] Vgl. Adorno, Theodor W.: Ravel (Gesammelte Schriften Band 17 S.60-65 IV 3; 1930) in Kleinen, Günter [Hrsg.]: Hommage à Ravel. Bremen 1987, S.48

[76] Ravel Zitat nach: Feilke, Hans Jürgen: Oiseaux tristes- Traurige Vögel in Kleinen, Günter [Hrsg.]: Hommage à Ravel. S.145

[77] Vgl. Abt Christian: Künstliche Natur-Natürliche Kunst S.115 in Kleinen, Günter [Hrsg.]: Hommage à Ravel. S.115

[78] Vgl. Stegemann, Michael: Maurice Ravel. Reinbeck bei Hamburg 1999, S.8

[79] Ebd. S.9

[80] Jankélévitch, Vladimir: Maurice Ravel, S.74

[81] Vgl. Orenstein, Arbie: Maurice Ravel. Leben und Werk, S.145

[82] Vgl. Ebd. S.80ff.

[83] nach Orenstein, Arbie: Maurice Ravel. Leben und Werk. S.204

[84] Vgl. Anmerkungen von Edward Blakemann. CD Beilage In: Belfast Philharmonic Society, Renaissance Singers: Daphnis et Chloé (complete ballet). Belfast 1990

[85] Vgl. Lechleitner, Gerda: Klangfarbenétude. Studien zum Bolero von Maurice Ravel. Tutzing 1989, S.11

[86] Vgl. Lechleitner, Gerda: Klangfarbenétude. Studien zum Bolero von Maurice Ravel, S.13

[87] Zitat Ravel ggü. Arthur Honegger in: Lechleitner, Gerda: Klangfarbenétude. Studien zum Bolero von Maurice Ravel, S.13

[88] Vgl. Surmont, Noël de : Béla Bartók et Maurice Ravel. Question d'une influence. Bartók a-t-il été inspiré par «Daphnis et Chloé» de Ravel dans son ballet le « Prince de bois »? In: Studia musicologica. Budapest. 2007, S.134

[89] Folgende Angaben beziehen sich auf die Unterteilung in der Studienpartitur: Maurice Ravel : Daphnis et Chloé. Ballet en un acte de Michel Fokine. Partition d’orchestre. Format de Poche. Durand S.A, Editions Musicales. Paris 1913

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Maurice Ravels Daphnis et Chloé. Einflüsse und Bedeutung für die Musik des frühen 20. Jahrhunderts
Untertitel
Ballets russes – Naturalismus – Exotik
Hochschule
Hochschule für Musik Detmold  (Institut für Musikwissenschaft)
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
119
Katalognummer
V369053
ISBN (eBook)
9783668490789
ISBN (Buch)
9783668490796
Dateigröße
8328 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Maurice Ravel, Daphnis und Chloé, Ballet russes, Exotik, Ballettmusik, griechische Mythologie, Naturalismus, Exotik in der Musik, Claude Debussy
Arbeit zitieren
Sven Gerrlich (Autor:in), 2012, Maurice Ravels Daphnis et Chloé. Einflüsse und Bedeutung für die Musik des frühen 20. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369053

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