Stromhandel in Deutschland und Implikationen für die strategische Strombeschaffung


Masterarbeit, 2017

80 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Einstieg
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Die deutsche Elektrizitätswirtschaft
2.1 Historische Entwicklung
2.2 Rechtliche Rahmenbindungen
2.2.1 Energiewirtschaftsgesetz - EnWG
2.2.2 Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG
2.2.3 Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz - KWKG
2.2.4 Konzessionsabgabenverordnung - KAV
2.2.5 Stromnetzentgeltverordnung - StromNEV
2.2.6 Stromsteuergesetz - StromStG
2.3 Struktur des deutschen Strommarkts
2.4 Stromerzeugung und -Übertragung
2.4.1 Stromerzeugung
2.4.2 Übertragungs- und Verteilnetz

3 Grundlagen des Stromhandels
3.1 Besonderheiten Strom
3.2 Terminologie
3.3 Marktteilnehmer im Stromhandel
3.4 Bilanzierung von Handelsgeschäften
3.5 Ausgleich von Marktungleichgewichten mit Regelenergie
3.6 Strompreis
3.6.1 Preisbildung am Großhandelsmarkt
3.6.2 Volatilität des Strompreises
3.6.3 Bestandteile des Strompreises für Endverbraucher

4 Börslicher Stromhandel
4.1 Übersicht
4.2 Entwicklung der EEX.
4.3 Struktur der EEX-Gruppe
4.4 Terminmarkt
4.4.1 Börsenorgane
4.4.2 Börsenteilnehmer
4.4.3 Produkte
4.4.3.1 Futures
4.4.3.2 Optionen
4.4.3.3 Spreads
4.4.3.4 Swaps
4.5 Spotmarkt
4.5.1 Börsenorgane
4.5.2 Börsenteilnehmer
4.5.3 Produkte
4.5.3.1 Day-Ahead-Markt
4.5.3.2 Intraday-Markt
4.6 Handel von Herkunftsnachweisen
4.7 European Commodity Clearing AG

5 OTC-Handel
5.1 Unterscheidung Handels- und Brokermarkt
5.2 Vertragliche Grundlagen
5.3 Handelsprodukte

6 Strategische Strombeschaffung
6.1 Grundlagen Stromeinkauf.
6.1.1 Stellenwert der Strombeschaffung im Unternehmen
6.1.2 Lastgang
6.1.3 Vertragsgrundlagen
6.2 Strombeschaffungsmodelle
6.2.1 Stichtagsbeschaffung
6.2.2 Indexbeschaffung
6.2.3 Tranchenbeschaffung
6.2.4 Portfoliomanagement
6.2.5 Spotmarktbeschaffung
6.2.6 Eigenerzeugung
6.3 Grünstrombeschaffung
6.4 Risikomanagement
6.4.1 Risiken im Stromhandel
6.4.2 Risikomanagementprozess und -steuerung
6.5 Outsourcen der Strombeschaffung
6.6 Auswahl der passenden Strombeschaffungsstrategie
6.6.1 Vorüberlegungen
6.6.2 Make-or-buy Entscheidung der Strombeschaffung
6.6.3 Auswahl des Beschaffungsmodells
6.7 Ausschreibung
6.8 Energieeffizienz

7 Fazit und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Überblick über ausgewählte europäische Strombörsen

Tabelle 2: Übersicht der Future-Produkte der EEX

Tabelle 3: Standardisierte Blockgebote an der EPEX SPOT

Tabelle 4: Vergleich der Merkmale von Tarifvertrag und Sondervertrag

Tabelle 5: Bewertung der Strombeschaffungsmodelle

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Strukturschema des deutschen Strommarkts

Abbildung 2: Entflechtung des Netzes von Erzeugung, Handel, Vertrieb

Abbildung 3: Stromerzeugung in Deutschland 2015

Abbildung 4: Übersicht des Großhandelsmarktes für Strom

Abbildung 5: Merit Order für Deutschland - Datenstand 2015

Abbildung 6: Einflussfaktoren auf die Strompreise

Abbildung 7: Durchschnittlicher Strompreise für die Industrie in ct/kWh (ohne Stromsteuer)

Abbildung 8: Entwicklung des Handelsvolumens am EEX Spot- und Terminmarkt 2002-

Abbildung 9: Überblick der Beteiligungen der EEX AG

Abbildung 10: Beispielhafter Verlauf des German-Intraday-Cap-Future

Abbildung 11: Gewinn/Verlustdiagramm für die vier grundlegenden Optionsarten

Abbildung 12: Preisermittlung im Auktionshandel

Abbildung 13: Einflussfaktoren ganzheitlicher Strombeschaffung

Abbildung 14: Preisentwicklung des Terminmarktes 2007-2016

Abbildung 15: Strompreisfunktion bei der Indexbeschaffung

Abbildung 16: Rollierendes Beschaffungssystem

Abbildung 17: Beschaffungsvarianten für Grünstrom-Herkunftsnachweise

Abbildung 18: Risiken im Stromhandel

Abbildung 19: Risikomanagement-Prozess

Abbildung 20: Prozess der Risikosteuerung

Abbildung 21: Prozess der Bestimmung der Strombeschaffungsstrategie

Abbildung 22: Planungssicherheit und Beschaffungsrisiko der Beschaffungsmodelle

Abbildung 23: Beispielhafter Verlauf einer Ausschreibung

Abbildung 24: Schritte zur Verbesserung der Energieeffizienz

1 Einleitung

1.1 Einstieg

Strom ist ein Gut, welches in jedem Unternehmen benötigt wird. Dennoch beschäftigen sich viele Unternehmen nur oberflächlich mit der Thematik der Strombeschaffung, obwohl hier mit relativ geringem Aufwand großes Einsparpotential realisiert werden kann.

Laut einer Studie der Firma statmath GmbH aus dem Jahre 2013 sind bei energieintensiven Unternehmen Einsparpotentiale durch eine strukturierte Beschaffung zwischen 3 und 34 Prozent möglich.[1]

Nach der Strommarktliberalisierung 1998 kamen nach und nach neue Produkte auf den Markt, welche eine strukturierte Beschaffung ermöglichten. Diese waren aber vor allem Großverbrauchern und der Industrie vorbehalten. Erst in den letzten Jahren wurden diese Angebote auch kleineren mittelständischen Unternehmen zugänglich gemacht. Diese können zwar nicht unmittelbar auf dem Großhandelsmarkt für Strom aktiv werden, allerdings über Dritte trotzdem an die gehandelten Produkte und deren Vorteile gelangen.

Ebenso wie das Produktportfolio der Stromversorger hat sich auch der Großhandelsmarkt weiterentwickelt. So stieg das Handelsvolumen an den Strombörsen EEX und EPEX SPOT von 1.422,1 TWh im 1. Halbjahr 2015 auf 2.247,8 TWh im 1. Halbjahr 2016, was einer Steigerung von 58% entspricht.[2] Ferner wird auch das Produktangebot an den Börsen nach und nach vergrößert: Neue Energiewendeprodukte, wie beispielsweise die Wind Power Futures, bieten den Teilnehmern weitere Möglichkeiten, ihre Beschaffung zu optimieren.[3]

Die Unternehmen können von den Geschehnissen am Großhandelsmarkt profitieren, wenn sie sich deren bewusst sind und dieses Wissen in ihre Strombeschaffungsstrategie integrieren.

1.2 Ziel der Arbeit

Diese Arbeit richtet sich insbesondere an die Einkäufer kleiner und mittelständischer Unternehmen, die sich bisher noch nicht mit den Möglichkeiten einer strukturierten Strombeschaffung auseinandergesetzt haben. Ziel der Arbeit ist es, dem Leser erstens ein Hintergrundwissen über den Stromhandel am Großhandelsmarkt zu vermitteln, um dann zweitens die darauf aufbauenden Strombeschaffungsmodelle zu verstehen und in einer ganzheitlichen Strombeschaffungsstrategie anwenden zu können. Der Fokus liegt dabei zum einen auf dem börslichen Großhandel, da dieser transparenter als der außerbörsliche Handel ist und sich die Produkte und Mechanismen größtenteils entsprechen. Weiterhin werden die verschiedenen Beschaffungsmodelle gegeneinander abgrenzt und bewertet.

Somit stellt diese Arbeit einen Ausgangspunkt für die strukturierte Strombeschaffung dar, indem sie die benötigten grundsätzlichen Hintergrundinformationen über den börslichen Stromhandel liefert und eine Entscheidungshilfe bei der Formulierung einer Strategie für die Strombeschaffung anbietet.

1.3 Aufbau der Arbeit

Nach der Einleitung erfolgt der Einstieg dieser Arbeit mit einem Überblick über die deutsche Elektrizitätswirtschaft. Es wird dabei auf die historische Entwicklung eingegangen, die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die daraus entstandene Struktur, in welcher eine Einordnung des Großhandelsmarktes für Strom erfolgt.

Danach werden einige Grundlagen des Stromhandels dargestellt, welche für das Verständnis der Funktionsmechanismen des Großhandels relevant sind. Im Kapitel 4 Börslicher Stromhandel liegt ein Schwerpunkt dieser Arbeit. Es behandelt die Entstehung der deutschen Strombörsen, welche unter dem Dach der EEX-Gruppe fungieren und beschreibt detailliert die Handelsteilnehmer sowie die angebotenen Strom- und stromnahen Produkte.

Im nächsten Kapitel wird kurz auf den außerbörslichen Over-the-Counter-Handel eingegangen. Dieser stellt vom Handelsvolumen immer noch den gewichtigeren Großhandelsmarktplatz dar, allerdings werden die Börsenpreise in der Regel als Referenzpreis herangezogen.

In Kapitel 6 der strategischen Strombeschaffung wird auf die verschiedenen Elemente einer solchen eingegangen. Hierzu zählen verschiedene Grundlagen des Stromeinkaufs, wie beispielsweise die Vertragsgrundlagen, dann als Kernstück die verschiedenen Strombeschaffungsmodelle sowie weitere Aspekte wie das Risikomanagement oder das Outsourcen der Beschaffung. Im Folgenden werden dann die verschiedenen Beschaffungsmodelle bewertet und eine Einordnung gegeben, welche eine Hilfe zur Auswahl des zum Unternehmen passenden Modells geben soll. Am Ende des Kapitels wird noch der Prozess einer Ausschreibung dargestellt, da diese Ausdruck einer jeden Strombeschaffungsstrategie ist.

2 Die deutsche Elektrizitätswirtschaft

In diesem Kapitel werden eine Einführung und ein Einblick in die deutsche Elektrizitätswirtschaft gegeben. Zuerst werden dafür kurz die historische Entwicklung und die daraus zum Teil entstandenen aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt. Danach wird die Struktur des heutigen Strommarktes erläutert, um so die Einbettung des Stromhandels zu verstehen, bevor auf diesen in den folgenden Kapiteln detailliert eingegangen wird.

2.1 Historische Entwicklung

In Deutschland wurde der Energiesektor im Vergleich zu anderen Ländern erst relativ spät durch gesetzliche Regelungen einer staatlichen Aufsicht unterstellt. Im Jahre 1935 wurde das Energiewirtschaftsgesetz erlassen. Die zwei Grundgedanken dieses Gesetzes waren laut dem damaligen Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht „die möglichste Billigkeit“ und „die möglichste Sicherheit der Versorgung mit elektrischer Energie“. Bis heute ist dieses Gesetz in seinen Grundzügen erhalten geblieben. Zu dieser Zeit galt Strom allerdings noch als Luxusgut und stand nur den Reichen und dem Staat zur Verfügung.[4]

Aufgrund des zweiten Weltkriegs und der damit verbundenen Nachkriegszeit weist der Zeitabschnitt von 1939-1948 eine atypische Entwicklung der Elektrizitätswirtschaft und wird nicht näher betrachtet. Nach dieser Zeit trat das Energiewirtschaftsgesetz mit geringfügigen Änderungen wieder in Kraft. Aufgrund der Preisstoppverordnung von 1936, welche in der Elektrizitätswirtschaft bestehen blieb, trat bei den Strompreisen gegenüber der Vorkriegszeit keine Änderung ein. Die Preisfreigabeverordnung von 1948 legte die bisher geltenden Strompreise sogar als Höchstpreise fest. Ausnahmen bildeten sogenannte Sonderabnehmer, bei denen höhere Preise angesetzt werden konnten. Bis 1971 ist die Entwicklung der Strompreise daher durch eine lange Phase der Stabilität gekennzeichnet. Der Stromverbrauch stieg in dieser Zeit enorm, insbesondere in den Haushalten. Erst 1971 änderten sich die Strompreise aufgrund der Einführung der Verordnung über allgemeine Tarife für die Versorgung mit Elektrizität. Diese sollte zu einer sicheren und günstigen Versorgung mit Strom beitragen, welche aber auch kostenorientiert ist. In den Jahren 1979 und 1989 wurde diese Verordnung jeweils aktualisiert und den aktuellen Gegebenheiten angepasst.[5]

Im Jahre 1998 wurde das neue Energiewirtschaftsgesetz eingeführt. Den Anstoß dafür gab die 1996 erlassene Binnenmarktrichtlinie Elektrizität des Europäischen Parlaments, welches den Elektrizitätsmarkt europaweit liberalisierte. Zielsetzung der Richtlinie war die Aufhebung der bestehenden Gebietsmonopole, die Öffnung des Zugangs des Stromnetzes für Dritte sowie die freie Wahl des Stromanbieters. In einem vollkommen liberalisierten Strommarkt würden sich die Erzeugungsanlagen durchsetzen, welche am kostengünstigsten Strom produzieren.[6] Um den Anteil der erneuerbaren Energien voranzutreiben, wurde im Jahr 2000 das erste Erneuerbare- Energien-Gesetz in Deutschland eingeführt, um durch Subventionen ebenjene Anlagen konkurrenzfähig zu machen.

Diese Entwicklung des deutschen Strommarktes führte zu den aktuell vorherrschenden Strukturen sowie rechtlichen Rahmenbedingungen, welche im nächsten Kapitel behandelt werden.

2.2 Rechtliche Rahmenbindungen

Es existieren zahlreiche Gesetze, welche den heutigen Strommarkt in Deutschland maßgeblich beeinflussen. Im Folgenden werden relevante Gesetze vorgestellt, die zum Verständnis der weiteren Arbeit benötigt werden.

2.2.1 Energiewirtschaftsgesetz - EnWG

Das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG), mit aktuellem Stand von 2005, hat sich zum Ziel gesetzt, eine „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht“ zu gewährleisten. Der unverfälschte Wettbewerb bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas sowie der zuverlässige Betrieb von Energieversorgungsnetzen sollen sichergestellt werden.[7]

Das Gesetz, welches erstmalig 1935 verabschiedet wurde, gliedert sich in seiner aktuellen Fassung in 118 Paragraphen, welche unter anderem die Entflechtung der Energieversorgungsunternehmen, die Regulierung des Netzbetriebes, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung sowie weitere relevante Themen beinhalten.[8]

2.2.2 Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz löste im Jahr 2000 das Stromeinspeisegesetz ab, welches bis dahin die Einspeisung von erneuerbaren Energien in das öffentliche Stromnetz geregelt hatte.[9]

Die wichtigsten Prinzipien sind dabei bis heute im Kern unverändert: Die Netzbetreiber sind verpflichtet, Erneuerbare-Energien-Anlagen an ihr Netz anzuschließen. Des Weiteren sind sie verpflichtet, den Strom aus erneuerbaren Energien vorranging vor anderen Erzeugungsarten abzunehmen.[10]

Das EEG wurde stetig weiterentwickelt und enthält in der aktuellen Novelle, welche zum 1.1.2017 in Kraft getreten ist, einen Paradigmenwechsel: Die Höhe der Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien wird durch Ausschreibungen am Markt bestimmt und nicht mehr, wie bisher, staatlich festgelegt. Des Weiteren wird der Ausbau von Windenergie an Land in Gebieten mit Netzengpässen beschränkt. Dies soll dafür sorgen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien stärker mit dem Ausbau der Stromnetze verknüpft wird.[11]

2.2.3 Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz - KWKG

Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz trat erstmals 2002 in Kraft. Die neuste Novelle vom Oktober 2016 besteht aus 35 Paragraphen, welche unter anderem den Anwendungsbereich, die Anschluss- und Abnahmepflicht sowie diverse Regelungen für Zahlungsmodalitäten beinhalten.[12]

Das „Gesetz dient der Erhöhung der Nettostromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf 110 Terrawattstunden bis zum Jahr 2020 sowie auf 120 Terrawattstunden bis zum Jahr 2025 im Interesse der Energieeinsparung sowie des Umwelt- und Klimaschutzes“.[13]

Ähnlich wie im EEG geregelt, hat Strom aus KWK-Anlagen denselben Einspeisevorrang wie Strom aus erneuerbaren Energien. In der Novelle von 2016 wurde festgelegt, dass die Förderung von KWK-Anlagen zwischen einem und 50 Megawatt elektrischer Leistung ab 2017 vollständig auf ein Ausschreibungsverfahren umgestellt wird. Kleinere Anlagen werden auch weiterhin mit festen Vergütungssätzen gefördert.[14]

2.2.4 Konzessionsabgabenverordnung - KAV

Die Konzessionsabgabenverordnung trat am 1. Januar 1992 in Kraft und regelt die „Zulässigkeit und Bemessung der Zahlung von Konzessionsabgaben der Energieversorgungsunternehmen“. Konzessionsabgaben bezeichnen dabei „Entgelte für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege, für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Strom und Gas dienen.“[15]

2.2.5 Stromnetzentgeltverordnung - StromNEV

Die Stromnetzentgeltverordnung trat am 25. Juli 2005 in Kraft und wurde zuletzt am 4. November 2016 geändert. Sie „regelt die Festlegung der Methode zur Bestimmung der Entgelte für den Zugang zu den Elektrizitätsübertragungs- und Elektrizitätsverteilernetzen (Netzentgelte) einschließlich der Ermittlung der Entgelte für dezentrale Einspeisungen.“[16] Diese Entgelte werden anteilig auf alle Letztverbraucher umgelegt.

2.2.6 Stromsteuergesetz - StromStG

Das Stromsteuergesetz (StromStG) ist am 01. April 1999 in Kraft getreten und wurde durch das Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform eingeführt und regelt die Besteuerung des Stromes.[17] Die Stromsteuer soll der Förderung klimapolitischer Ziele durch einen sparsameren Umgang mit Elektrizität sowie der Absenkung und Stabilisierung des Rentenbeitragssatzes dienen. Das Steueraufkommen wird zum Teil zur Reduzierung der Beitragssätze für die Sozialversicherung genutzt.[18]

2.3 Struktur des deutschen Strommarkts

Besonderes Kennzeichen des deutschen Strommarkts ist die Vielfalt der Anbieterstruktur. Diese Unternehmen unterscheiden sich hinsichtlich Größe, Integrationsgrad, Struktur, Leistungsangebot, Eigentümern und Rechtsform.[19] Die Anbieter lassen sich in verschiedene Gruppen gliedern: Die Stromerzeugung, Stromhandel, sowie die Stromverteilung. Die Anzahl der Unternehmen in den einzelnen Marktbereichen in Deutschland ist seit der Liberalisierung 1998 stark angestiegen. Die Anzahl der Stromerzeuger über 100MW beträgt dabei laut dem Stand April 2016 rund 70, es existieren ca. 920 Stromnetzbetreiber, 130 Stromhändler und knapp 1.200 Stromlieferanten.[20]

In Abbildung 1 sind die strukturellen Zusammenhänge zwischen den Marktsegmenten des deutschen Elektrizitätsmarktes zu erkennen. Es existieren der ökonomische und der physische Fluss des Stromes. Die Erzeuger vertreiben ihre Stromproduktion über den Großhandelsmarkt an Vertriebsunternehmen, welche den Strom wiederum an kleine sowie große Endverbraucher verkaufen. Einige Großverbraucher verfügen allerdings über eigene Handelsabteilungen und sind so in der Lage, Strom direkt am Großhandelsmarkt zu beschaffen. Das physische Gut Strom wird dann schließlich über die verschiedenen Netzebenen übertragen und verteilt.[21]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Strukturschema des deutschen Strommarkts [22]

Wie in Abbildung 2 zu erkennen, herrscht in den Bereichen der Erzeugung, des Handels sowie des Vertriebs ein Wettbewerb. Der Stromtransport wird aber nach wie vor reguliert. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es sinnvoller, Stromnetze im Monopol zu betreiben, da der Aufbau und die Unterhaltung sehr kostenintensiv sind. Dem Netzbetrieb kommt somit eine wirtschaftliche und technische Sonderstellung zu. Die staatliche Aufsicht erfolgt durch die Bundesnetzagentur. Des Weiteren wird durch die Entflechtung des Netzbetriebs und des Stromhandels sichergestellt, dass jeder Stromlieferant seine Kunden auch in fremden Netzgebieten diskriminierungsfrei mit Strom beliefern kann.[23]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entflechtung des Netzes von Erzeugung, Handel, Vertrieb[24]

2.4 Stromerzeugung und -übertragung

Um die im späteren Verlauf der Arbeit beschriebene Volatilität der Strompreise am Großhandelsmarkt sowie die Entstehung dieser Preise zu verstehen, wird an dieser Stelle kurz auf die in Deutschland herrschende Struktur der Stromerzeugung und -übertragung eingegangen.

2.4.1 Stromerzeugung

Die Herausforderung für die Stromversorger liegt darin, den Bedarf an elektrischer Energie (Gesamtlast) den verschiedenen Kraftwerksarten so zuzuordnen, dass der Bedarf sicher und möglichst kostengünstig gedeckt wird. In der Vergangenheit wurde dabei grundsätzlich zwischen drei Arten von Kraftwerken unterschieden: Grundleistungskraftwerke, Mittelleistungskraftwerke und Spitzenleistungskraftwerke. Grundleistungskraftwerke hatten eine möglichst hohe Einsatzpriorität aufgrund ihrer technischen Auslegung oder ihrer niedrigen Betriebskosten. Dazu zählten Laufwasser-, Braunkohle-, Biomasse- und Kernenergiekraftwerke. Die Mittelleistung bezeichnet den Teil der Netto-Engpassleistung eines Kraftwerksparks, der für den Betrieb mit wechselnder Leistung sowie tägliches An- und Abfahren geeignet ist und aufgrund seiner technischen Auslegung und mittleren Arbeitskosten eine nachgeordnete Einsatzpriorität erhält. Zu den Mittelleistungskraftwerken zählen vor allem Steinkohle-, Gas- und Speicherwasserkraftwerke. Spitzenleistungskraftkraftwerke können aufgrund ihrer technischen Auslegung mehrmals am Tag anfahren, besitzen kurze Anfahrzeiten und eine hohe Leistungsänderungsgeschwindigkeit. Sie werden aber wegen hoher Arbeitskosten und meist begrenzten Arbeitsvermögens nur für Spitzenlasten eingesetzt. Hierfür werden meistens Pumpspeicher-, Öl- und Gaskraftwerke sowie Gasturbinen gezählt. Aufgrund des starken Ausbaus der Windkraft und Solarenergie ist diese klassische Einteilung in Grund-, Mittel- und Spitzenleistungskraftwerke überholt. Windkraft und Solarenergie lassen sich nämlich keiner dieser Gruppen eindeutig zuordnen, da die Erzeugung von Strom aus diesen Anlagen neben den Standortbedingungen stark abhängig von der Witterung sowie von Jahres- und Tageszeiten sind, sie ungeachtet dessen trotzdem Einspeisevorrang genießen.[25]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Stromerzeugung in Deutschland 2015[26]

Den größten Anteil am Strommix im Jahr 2015 mit knapp einem Drittel hatten die erneuerbaren Energien. Danach folgten die Braun- und Steinkohlekraftwerke sowie die Kernenergie. Der Anteil der Kernenergie wird in den nächsten Jahren aufgrund des Atomausstiegs weiter sinken. Bis zum Jahr 2025 soll der Anteil der erneuerbaren Energien 40-45% betragen und bis 2050 sogar auf mindestens 80% gesteigert werden.[27]

2.4.2 Übertragungs- und Verteilnetz

Nach Berechnungen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft besitzt das deutsche Stromnetz im Jahr 2015 eine Gesamtlänge von ca. 1,8 Millionen Kilometern. Es gliedert sich in vier Spannungsebenen: Höchstspannung (über 125 kV), Hochspannung (über 72,5 kV bis einschließlich 125 kV), Mittelspannung (über 1 bis einschließlich 72,5 kV) und Niederspannung (bis einschließlich 1 kV). Die Niederspannungsebene versorgt vor allem die Haushalte, kleine Gewerbebetriebe und die Landwirtschaft mit Strom. Die Mittelspannung beinhaltet die regionalen Verteilnetze. Die Kunden der Hochspannungsebene sind besonders lokale Stromversorger, die Industrie sowie größere Gewerbebetriebe. Die Höchstspannungsebene sind überregionale Netze, welche Deutschland auch mit dem Ausland verbinden. Abnehmer auf dieser Ebene sind regionale Stromversorger oder sehr große Industriebetriebe.[28]

Die vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW sind in Deutschland verantwortlich für das Übertragungsnetz zur überregionalen Versorgung und für die Übertragung im Höchstspannungsbereich. Die Sicherheit der Stromversorgung zu gewährleisten, ist ein gesellschaftlicher Auftrag. Er ist in § 11 des Energiewirtschaftsgesetzes verankert und lautet, ein „sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen.“ Konkret bedeutet dies: Als Verantwortliche für ein sicheres und stabiles deutsches Energieversorgungssystem müssen die ÜNB den überregionalen Stromaustausch störungsfrei gewährleisten. Sie müssen dafür sorgen, dass Erzeugung und Verbrauch des Stroms sich jederzeit im Gleichgewicht befinden und damit Systemstabilität sichergestellt ist.[29]

In Zukunft werden intelligente Stromnetze, sogenannte Smart Grids, eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Diese unterstützen durch Kommunikation zwischen den Netzkomponenten, Erzeugern, Verbrauchern und Speichern einen energie- und kosteneffizienten Betrieb der Stromversorgung. Smart Grids entstehen hauptsächlich durch die Aufrüstung des vorhandenen Netzes mit moderner Kommunikations-, Mess-, Steuer-, Regel- und Automatisierungstechnik sowie Informationstechnik-Komponenten.[30]

Um dieser Verantwortung gerecht werden zu können, brauchen die Netzbetreiber finanzielle Mittel in ausreichendem Maße. Des Weiteren steht ihnen eine angemessene Verzinsung für die erbrachte Leistung zu. Aus diesen Gründen müssen Netznutzer für die Nutzung des Stromnetzes sogenannte Netznutzungsentgelte bzw. Netzentgelte bezahlen. Um einen Missbrauch der Stellung zwischen Erzeugung und Verbrauch zu verhindern, werden der Netzzugang und die Netzentgelte staatlich reguliert.[31]

3 Grundlagen des Stromhandels

Der Stromhandel in Deutschland unterteilt sich in den Handel an der Börse sowie in den außerbörslichen Over-the-counter Handel. In diesem Kapitel werden zuerst relevante Grundlagen des Stromhandels dargelegt, um dann einen detaillierten Einblick in den börslichen Stromhandel sowie einen kurzen Einblick in den außerbörslichen Handel in Deutschland zu geben.

3.1 Besonderheiten Strom

Strom und dessen Handelsmarkt besitzen aufgrund der besonderen Eigenschaften und Notwendigkeiten der Handelsware Strom einige Besonderheiten, welche zu berücksichtigen sind. Diese Eigenschaften sind die Nichtspeicherbarkeit, Homogenität, Leitungsgebundenheit, das Quasimonopol bei der Anwendung sowie die geringe Preiselastizität.

Elektrizität ist im großen Maßstab noch nicht wirtschaftlich speicherbar. Das bedeutet, dass die Energieproduktion zu jedem Zeitpunkt der Nachfrage entsprechen muss.[32] Eine Lagerhaltung ist nicht möglich, weshalb sich die Kapazität der Erzeugungsanlagen an der höchsten zu erwartenden Belastung plus einer notwendigen Reserve für ungeplante Kapazitätsausfälle orientieren muss.[33] Da Strom weitestgehend als unverzichtbares Grundgut angesehen wird und ohne die verlässliche Versorgung mit Strom unternehmerisches Handeln nicht vorstellbar ist, wird der Versorgungssicherheit ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt.[34]

Strom ist eine homogene Ware, jede kWh ist gleich und es findet keine Unterscheidung nach Erzeugungsort oder Erzeugungsart statt.[35] Die Kaufentscheidung wird demnach allein vom Preis bestimmt. In der Elektrizitätswirtschaft ist es allerdings möglich, Grünstromzertifikate, sogenannte Herkunftsnachweise (HKN), zu kaufen, welche aber getrennt von der eigentlichen Stromlieferung sind.[36]

Die elektrische Energie kann als „lokale“ Energie bezeichnet werden. Da beim Transport Leitungsverluste auftreten, hat ein Handel über große Entfernungen, wie beispielsweise bei Öl oder Gas, technische und wirtschaftliche Grenzen.33

Elektrische Energie lässt sich relativ leicht in andere nutzbare Energien umwandeln, deshalb hat sie für viele Anwendungen eine monopolartige Schlüsselstellung erreicht. Eine Substitution durch einen anderen Energieträger ist oftmals nicht möglich.33

Die Preiselastizität der Nachfrage ist sehr gering, weil die Nachfrageseite größtenteils keiner Realbepreisung ausgesetzt ist und die Verbraucher ihren Stromverbrauch kurzfristig meistens nur geringfügig ändern können.32 Damit führen Preissteigerungen kurz- und mittelfristig nicht zu einem Rückgang der Nachfrage.[37]

3.2 Terminologie

Der Stromhandel kann in verschiedene Kategorien eingeordnet werden, diese unterscheiden sich nach dem Handelsplatz, der Fristigkeit und Art der Erfüllung.

Der Großhandelsmarkt unterscheidet dabei zwischen dem börslichen und dem außerbörslichen Over-the-Counter (OTC) Handel. In den letzten Jahren hat der Handel immer mehr an Bedeutung gewonnen, allerdings ist anzunehmen, dass der OTC-Handel vom gehandelten Volumen immer noch deutlich größer ist. Neben diesen beiden Handelsplätzen existiert noch der Regelenergiemarkt, auf den in dieser Ausarbeitung aufgrund der für die Strombeschaffung in Unternehmen untergeordneten Relevanz nicht näher eingegangen wird.

Beim Börsenhandel sowie beim OTC-Handel unterscheidet man in den Spotmarkt, bei dem der kurzfristige Handel mit Strom ab gewickelt wird und den Terminmarkt, bei dem zukünftige/langfristige Futures und Optionen gehandelt werden. Bei beiden Handelsplätzen ist eine physische Erfüllung am Spotmarkt gegeben. Beim Terminmarkt ist die Erfüllung an der Börse größtenteils finanzieller Art, beim OTC-Handel sowohl finanziell als auch physisch.

Langfristige Lieferungen machen den Großteil des Handelsvolumens aus und werden in bilateralen Verträgen zwischen Produzent oder Händler als Verkäufer und Verteiler oder Endabnehmer als Käufer geschlossen. Kurzfristige Lieferungen werden ebenfalls bilateral für die nächsten Stunden, den nächsten Tag oder die nächsten Tage abgeschlossen.[38]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Übersicht des Großhandelsmarktes für Strom[39]

3.3 Marktteilnehmer im Stromhandel

Im Stromhandel in Deutschland sind verschiedenartige in- und ausländische Unternehmen aktiv. Im bilateralen OTC-Handel agieren unter anderem Erzeuger und Verbraucher. Erzeuger können dabei die Energieversorgungsunternehmen (EVU), Independent Power Producers (IPP) oder große Industrieunternehmen mit Eigenerzeugung sein. Auf der Nachfrageseite sind Verteilungsgesellschaften der EVU oder Industriebetriebe vertreten.[40] Des Weiteren sind Unternehmen aktiv, die weder über eigene Erzeugungskapazitäten oder Verbräuche verfügen. Diese haben sich auf den Handel als strategisches Geschäftsfeld spezialisiert. Die großen deutschen Energiekonzerne haben bereits zu Beginn der Liberalisierung Handelsgesellschaften aufgebaut. Aus dem Ausland sind auch die großen Energieversorger aus den umliegenden Ländern aktiv. Auf kommunaler Ebene haben diverse Stadtwerke ebenfalls Handelsabteilungen aufgebaut und beteiligen sich am Stromhandel. Zusammenschlüsse von Stadtwerken sowie diverse Finanzunternehmen haben sich ebenfalls dem Stromhandel angenommen. Eine besondere Rolle spielen die Energiebroker. Sie vermitteln gegen Gebühr Geschäfte von Händlern. Der Vorteil von Brokern liegt darin, dass sie als Mittler auch im OTC-Markt gewährleisten, dass Käufer und Verkäufer anonym bleiben. Des Weiteren tragen sie durch Veröffentlichung von anonymisierten Preisinformationen zur Transparenz des Marktes bei.[41]

3.4 Bilanzierung von Handelsgeschäften

Die Homogenität und der der physikalische Fluss des Stromes führen dazu, dass ein direkter bilateraler Verkaufsvorgang erschwert ist, da die Warenlieferung bzw. der Warenempfang nicht kontrollierbar sind. Der gesamte Handel des Stromes wird deswegen über die Übertragungsnetzbetreiber organisiert. Diese führen für jeden Marktteilnehmer einen sogenannten Bilanzkreis, welcher die Ein- und Ausspeisungen sowie Handelsgeschäfte jedem Marktteilnehmer zuordnet. Einspeisungen können Erzeugungen in der Regelzone oder Importe aus anderen Regelzonen sein, Ausspeisungen sind ein Verbrauch in der Regelzone oder Exporte. Ein Handelsgeschäft kommt nur zustande, wenn beide Marktteilnehmer dies dem Übertragungsnetzbetreiber melden und sich beide Meldungen entsprechen. Des Weiteren müssen sich Ein- und Ausspeisungen auf jedem Bilanzkreis entsprechen. Dies ist allerdings schwierig, wenn der Marktteilnehmer nicht ausschließlich Handelsgeschäfte betreibt, da Erzeugung und Verbrauch nicht immer vollständig vorhersagbar sind. In diesen Fällen muss vom Bilanzkreisverantwortlichen sogenannte Ausgleichsenergie in Anspruch genommen werden, welche vom Übertragungsnetzbetreiber mit dem Ausgleichsenergiepreis abgerechnet wird.[42]

3.5 Ausgleich von Marktungleichgewichten mit Regelenergie

Aufgrund der Nichtlagerbarkeit von Strom müssen sich die Nachfrage und das Angebot stets entsprechen. Der Saldo aller Bilanzkreise ist jedoch nie exakt null. Um die Differenzen auszugleichen, setzt der Übertragungsnetzbetreiber deshalb Regelenergie ein. Ist die Summe der Erzeugung kleiner als der Verbrauch, wird positive Regelenergie eingesetzt. Im umgekehrten Fall, wenn die Erzeugung größer ist als der Verbrauch, wird negative Regelenergie eingesetzt. Für die Regelenergie müssen stets Kraftwerke bereitstehen, welche die nötige Flexibilität zur Erhöhung oder Verringerung der Erzeugung besitzen. Die Regelenergie wird nach dem zeitlichen Bedarf in primäre, sekundäre und tertiäre unterschieden. Die primäre Regelenergie wird über das gesamte europäische Verbundnetz verteilt vorgehalten und in Abhängigkeit der Netzfrequenz dezentral und vollautomatisch eingesetzt. Innerhalb von zwei Minuten wird die primäre durch die sekundäre Regelleitung ersetzt. Diese wird zentral durch den Übertragungsnetzbetreiber bereitgestellt und erfolgt ebenfalls automatisch. Die tertiäre Regelenergie wird manuell bei längeren Störungen eingesetzt.[43]

3.6 Strompreis

3.6.1 Preisbildung am Großhandelsmarkt

Am Stromgroßhandelsmarkt treffen Angebot und Nachfrage analog zu anderen Wettbewerbsmärkten aufeinander. Um den Strompreis zu ermitteln werden die Erzeugungsanlagen nach den variablen Kosten in aufsteigender Reihenfolge sortiert, die sogenannte Merit Order. So werden in jeder Lastsituation die Gesamterzeugungskosten reduziert und ein effizienter Einsatz der einzelnen Kraftwerke wird gewährleistet. Der Anbieter von Erzeugungskapazitäten (Grenzkraftwerk), welcher gerade noch benötigt wird um den Strombedarf zu decken, setzt den Grenzpreis fest. Alle Kraftwerksbetreiber, die unterhalb dieses Marktpreises Strommengen angeboten haben, erhalten diesen zur Deckung ihrer Fixkosten, unabhängig von der Höhe ihrer tatsächlichen variablen Kosten. Diese Preisbildung ist dadurch begründet, dass bei der Einsatzplanung bestehender Kraftwerke die Fixkosten keine Rolle spielen, da diese unabhängig davon anfallen ob das Kraftwerk eingesetzt wird oder nicht.[44] [45]

Merit Order für Deutschland1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Merit Order für Deutschland - Datenstand 2015[46]

In Abbildung 5 ist die Merit Order für Deutschland aus dem Jahre 2015 abgebildet. Die Reihenfolge der Kraftwerkstypen, sortiert nach deren variablen Kosten in aufsteigender

Reihenfolge, ist dabei wie folgt: Erneuerbare Energien, Atomkraft, Braunkohle, Steinkohle, Gas- und Ölkraftwerke. Die Nachfrage liegt zu 50% der Zeit im eingezeichneten Kasten. Durch den immer weiter fortschreitenden Ausbau der erneuerbaren Energien werden die teuren Kraftwerke nach und nach aus dem System gedrückt. Dieser Effekt wird noch verstärkt durch den 2005 eingeführten CO2-Emissionshandel. Die variablen Kosten für fossilbefeuerte Kraftwerke sind dadurch um die CO2-Zertifikatspreise gestiegen.[47]

Aufgrund der speziellen Eigenschaften des Stroms weist die Nachfrage eine geringe Preiselastizität auf. Die Nachfragekurve weist einen relativ steilen und starren Verlauf auf, da die Nachfrage kurzfristig und mittelfristig nicht durch ein Substitut ersetzt werden kann. Eine Reduzierung des Stromangebotes hat somit nicht eine Verringerung der Nachfrage zur Folge. Andersherum führt eine Erhöhung des Angebots nicht gesetzmäßig zu einer Steigerung der Nachfrage, da Strom in besonders günstigen Zeiten nicht unbedingt mehr benötigt wird und durch die fehlende Speicherbarkeit auch nicht auf Vorrat beschafft werden kann.[48]

In den letzten Jahren haben sich die Stromgroßhandelsmärkte in Europa weiterentwickelt; zahlreiche Marktteilnehmer sind europaweit tätig und nutzen auch die grenzüberschreitenden Möglichkeiten des Stromhandels. Seit 2010 sind die Day Ahead Spotmärkte für Strom von Deutschland, Frankreich und der Benelux-Staaten institutionell gekoppelt (CWE MC). Dies hat zunehmend zu einheitlichen Strompreisen innerhalb dieser Gebiete geführt. Durch dieses Market Coupling wird die ökonomische Effizienz der gekoppelten Märkte optimiert. Eine weitere Initiative zur Kopplung der Märkte ist die Preiskopplung in Nordwesteuropa (NWE). Diese Region umfasst die Märkte von Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland/Österreich, Großbritannien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Polen und Schweden. Weitere regionale Marktkopplungsprojekte arbeiten daran, sich zuerst untereinander und dann an die bereits existierenden Marktkopplungen anzuschließen.[49]

3.6.2 Volatilität des Strompreises

Der Begriff „Volatilität“ beschreibt die Schwankungsbreite der Preise für ein Gut. Der Strompreis ist von diesen Schwankungen ebenfalls betroffen. Dies hängt grundsätzlich von drei Faktoren ab: Ausgleich von Angebot und Nachfrage, Stromhandel unter den Gesetzen eines freien Marktes und der Spekulation, sowie den Investitionszyklen in Produktionsanlagen. Bei den Strompreisbewegungen existieren tägliche, wöchentliche und saisonale Schwankungen. Nachfrageseitig verursacht hauptsächlich das Wetter eine hohe Volatilität.[50]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Einflussfaktoren auf die Strompreise[51]

Neben dem Wetter beeinflussen auch andere Faktoren den Strompreis (siehe Abbildung 6). Die Energiepreise der fossilen Energien bestimmen maßgeblich die variablen Kosten der konventionellen Kraftwerke, welche immer noch einen großen Anteil am Strommix haben. Die Strompreise für die Haushalte sind hiervon nur indirekt betroffen. Den größten Einfluss haben hier die staatlich verursachten Belastungen: Ohne diese wären die Haushaltsstrompreise 2014 nur um 11% höher als 1998.[52]

Des Weiteren lässt sich die Volatilität nach dem Zeithorizont unterscheiden in historische, implizite und zukünftige Volatilität. Die historische (auch beobachtete oder realisierte) Volatilität ist ein Maß dafür, wie stark der Strompreis in der Vergangenheit schwankte. Die implizite Volatilität bezeichnet diejenige Volatilität, die in einem am Strommarkt beobachtenden Preis einer Option enthalten ist und die vom Markt erwartete Volatilität des Basiswertes angibt. Die zukünftige Volatilität wird mithilfe statistischer Methoden prognostiziert, da eine Beziehung zu der vergangenen Volatilität unterstellt wird.[53]

3.6.3 Bestandteile des Strompreises für Endverbraucher

Der Verbraucherpreis ist ebenso wie die Großhandelspreise grundsätzlich durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Der Strompreis für den Endkunden setzt sich im Wesentlichen aus den Bestandteilen Großhandelspreis, den Entgelten für die Netznutzung und den staatlich veranlassten Preisbestandteilen sowie Vertriebsmargen zusammen. Die staatlich veranlassten Preisbestandteile machen dabei über die Hälfte des Gesamtpreises aus. Sie setzen sich zusammen aus der EEG-Umlage, dem KWK-Aufschlag, der StromNEV-Umlage, der Offshore­Umlage nach EnWG, der Umlage für abschaltbare Lasten, der Konzessionsabgabe, der Stromsteuer sowie der Umsatzsteuer.[54]

Die EEG-Umlage deckt die Differenz ab zwischen dem an der Börse erzielten Strompreis und den festgeschriebenen (höheren) Vergütungssätzen für Strom aus erneuerbaren Energien für die Stromerzeuger. Da der durchschnittliche Börsenpreis in den letzten Jahren stets gesunken ist, ist die EEG-Umlage stetig angestiegen. Für die Industrie, als sogenannten „privilegierte Letztverbraucher“, bestehen bestimmte Sonderregelungen, so dass diese nur einen anteiligen Betrag der EEG-Umlage zu leisten haben.[55]

Der KWK-Aufschlag besteht aus den Zuschlägen für erzeugten KWK-Strom sowie unter bestimmten Voraussetzungen aus Zuschlägen zur Förderung von Wärme- und Kältenetzen sowie Wärme- und Kältespeichern, welche auf die Letztverbraucher umgelegt wird.54

Die StromNEV-Umlage wurde 2012 eingeführt. Unter bestimmten Umständen können Letztverbraucher ein individuelles Netzentgelt beantragen. Die Betreiber von Übertragungsnetzen müssen diesen Letztverbrauchern entgangene Erlöse erstatten, welche aus den individuellen Entgelten resultieren können. Diese Erlöse werden dann anteilig auf alle Letztverbraucher umgelegt.54

Die Offshore-Umlage wurde 2013 eingeführt und beinhalten Kosten für geleistete Entschädigungszahlungen der Netzbetreiber gegenüber Windenergieanlagenbetreiber bei Verzögerungen oder Störung der Netzanbindung von Offshore-Anlagen, welche anteilig auf alle Letztverbraucher umgelegt werden.54

Die Umlage für abschaltbare Lasten wurde 2014 eingeführt und dient zur Deckung der Kosten abschaltbarer Lasten zur Aufrechterhaltung der Netz- und Systemsicherheit.54

Konzessionsabgaben sind Entgelte für die Nutzung kommunaler Wege, die von den Netzbetreibern an die Kommunen entrichtet werden. Die konkrete Höhe richtet sich nach dem

Wegenutzungsvertrag zwischen Gemeinde und Netzbetreiber; die Höchstgrenze wird durch die Konzessionsabgabenverordnung vorgegeben.[56]

Die Stromsteuer entsteht durch die Entnahme von Strom aus dem Versorgungsnetz oder durch den Verbrauch selbsterzeugten Stroms.54

Die Umsatzsteuer für Strom beträgt zurzeit 19 % und wird auf die Gesamtsumme aus Erzeuger­und Vertriebsanteil, Netzentgelten sowie den sonstigen staatlich veranlassten Preisbestandteilen erhoben.54

In den letzten Jahren hat sich die Zusammensetzung des Strompreises insbesondere durch die EEG-Umlage verändert. Diese macht aufgrund sinkender Großhandelspreise einen immer größeren Anteil vom Gesamtpreis aus (s. Abbildung 7).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7 : Durchschnittlicher Strompreise für die Industrie in ct/kWh (ohne Stromsteuer)5

[...]


[1] Vgl. Südwestfalen-Nachrichten (2013)

[2] Vgl. EEX AG (2016c)

[3] Vgl. EEX AG (2016d), S. 20

[4] Vgl. Wolter/Reuter (2005), S. 167ff.

[5] Vgl. Wolter/Reuter (2005), S. 189-214

[6] Vgl. Brahms (2016), S. 18ff.

[7] EnWG (2016), vom 13.10.2016, $ 1

[8] EnWG (2016), vom 13.10.2016

[9] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016a)

[10] Vgl. Kästner/Kießling (2016), S. 25

[11] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016b)

[12] KWKG (2016), vom 13.10.2016

[13] KWKG (2016), vom 13.10.2016, §1(1)

[14] Vgl. BHKW-Forum e.V. (2016)

[15] KAV (2016), vom 01.11.2006

[16] StromNEV (2016), vom 04.11.2016

[17] Wittwer (2008), S. 13

[18] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016c)

[19] Vgl. Schiffer (2005), S. 176

[20] Vgl. Schiffer (2015), S. 207

[21] Vgl. Frank (2010), S. 6

[22] Frank (2010), S. 6

[23] Vgl. Schuhmacher/Würfel (2015), S. 14ff.

[24] Schiffer (2015), S. 229

[25] Vgl. Schiffer (2015), S. 243ff.

[26] Schiffer (2015), S. 244

[27] Vgl. EEG (2016), vom 13.10.2016, §1

[28] Vgl. Schiffer (2015), S. 270ff

[29] 5 0Hertz Transmission GmbH et al. (2016)

[30] Vgl. Mahlstedt (2013), S. 7f.

[31] Vgl. Zenke et al. (2014), S. 203

[32] Vgl. Gerblinger (2014), S. 8

[33] Vgl. Müller (1998), S. 25 f.

[34] Vgl. Schuhmacher/Würfel (2015), S. 9

[35] Vgl. Brahms (2016), S. 15

[36] Vgl. Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (2014), S. 8

[37] Vgl. Grichnik/Vortmeyer (2002), S.

[38] Vgl. Veverka (2009), S. 22f.

[39] Schiffer (2015), S. 281

[40] Vgl. Gerke et al. (2000), S. 23f.

[41] Vgl. Schwintowski (2013), S. 103ff

[42] Vgl. Graeber (2014), S. 5f.

[43] Vgl. Graeber (2014), S. 7f.

[44] Vgl. Schiffer (2015), S. 437ff.

[45] Vgl. Brahms (2016), S. 69f.

[46] Schiffer (2015), S. 440

[47] Vgl. Schiffer (2015), S. 446

[48] Vgl. Wittwer (2008), S. 50f.

[49] Vgl. Schiffer (2015), S. 449

[50] Vgl. Veverka (2009), S. 58

[51] Schiffer (2015), S. 438

[52] Vgl. Schiffer (2015), S. 451

[53] Vgl. Pschick (2014), S. 126f.

[54] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016c)

[55] Vgl. Öko-Institut e.V. (2016), S. 2 ff.

[56] BDEW (2016), S. 23

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Stromhandel in Deutschland und Implikationen für die strategische Strombeschaffung
Hochschule
Fachhochschule Kiel  (Fachbereich Wirtschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
80
Katalognummer
V369042
ISBN (eBook)
9783668483378
ISBN (Buch)
9783668483385
Dateigröße
2096 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
strom, stromhandel, strombörse, strombeschaffung, beschaffung, einkauf
Arbeit zitieren
Philipp Stoebel (Autor:in), 2017, Stromhandel in Deutschland und Implikationen für die strategische Strombeschaffung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369042

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