Der Herrschaftliche Konflikt 1383 in der mittelalterlichen Stadt Leonberg


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

29 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Forschungsstand

III. Charakterisierung einer mittelalterlichen Stadt

IV. Zur Stadtgründung Leonbergs

V. Zur eidlichen Verschwörung 1383

VI. Quelleninterpretation

VII. Fazit

VIII. Literaturverzeichnis
1. Quellen
2. Literatur

I. Einleitung

Wer durch das Stadttor in das Innere der mittelalterlichen Stadt gelangt, betritt einen Bereich von Frieden und Sicherheit, stadtbürgerlicher Freiheit, Freizügigkeit und Gleichheit im Sinne von Rechtsgleichheit vor Gericht. So sollte es grundsätzlich sein, doch wenn Menschen aufeinander treffen, entstehen oft Spannungen. Wie in jeder anderen Gesellschaft gab es auch in mittelalterlichen Städten tägliche Konflikte, soziale Unterdrückung und obrigkeitliche Bevormundung.[1]

Dies trifft auch auf jene historische Gegebenheit aus dem 14. Jahrhundert zu, die im Fokus der folgenden Betrachtung stehen wird. Es handelt sich um einen Konflikt aus dem Jahre 1383 zwischen dem Stadtherrn Graf Eberhard II. und seinen Bürgern in Leonberg und Eltingen, in welchem der Graf seine Bürger anhand eines Schwureides dazu gezwungen haben soll, sich niemals von der Herrschaft Württemberg zu entfernen.

Bevor näher auf den Konflikt eingegangen wird, werden zu Beginn der Arbeit eine allgemeine Charakterisierung der mittelalterlichen Stadt und deren Entstehungsprozess skizziert, bevor anschließend spezifisch das mittelalterliche Leonberg betrachtet wird. Um die mittelalterliche Stadtgeschichte Leonbergs möglichst genau zu erfassen, konzentriert sich die Arbeit zunächst auf ihre Gründungsdaten und Ersterwähnungen. Dabei wird festgestellt, ob es einen nachweislichen Stadtgründer beziehungsweise Stadtherrn gab, um dann im nächsten Schritt zu überprüfen, was diesen zur Erhebung, Schutz und Förderung - oder auch zur Bekämpfung - bestimmter Städte bewog.

Die folgende Abhandlung geschieht nicht mit dem Anspruch, grundsätzlich neue Forschungsergebnisse zu präsentieren. Vielmehr geht es um den Versuch einer Übersicht über die bisher geleistete Forschung und um eine konkrete Darstellung des Ereignisses aus dem Jahr 1383.

II. Forschungsstand

Der Stand der Forschung über die württembergische Stadtentstehung und die früheste Entwicklung dieser Städte gestaltet sich uneinheitlich. Die königlichen Gründungen des 12. und 13. Jahrhunderts und die späteren Reichsstädte, insbesondere Oberschwabens, sind relativ gut aufgearbeitet. Anders sieht es jedoch mit den zahlreichen Stadtgründungen der Grafen und Edelherren aus.[2]

Dabei fordern viele Historiker schon seit mehr als zwei Jahrzehnten, den Fokus auf die mannigfaltigen Kleinstädte zu legen, statt wiederholt die wenigen großen alten Städte und Reichsstädte als Exempel jeder Entwicklung zu nehmen.[3] Allerdings liegen in der historischen Forschung für das kleine Leonberg und dessen umliegenden Gebiete nach wie vor keine umfassenden Monographien zur mittelalterlichen Stadtgeschichte vor, obwohl das vorhandene Quellenmaterial durchaus eine Grundlage für lohnenswerte wissenschaftliche Untersuchungen bietet.[4]

Bis 1300 schweigen die urkundlichen Überlieferungen zunächst über Leonberg fast vollständig, lediglich in zwei Schriftstücken vom 31. März 1273 und vom 5. Oktober 1295 sind einige Bürger Leonbergs namentlich genannt.[5] Bis auf den Leonberger Landtag von 1457, welcher mehrfach in einschlägigen Publikationen gewürdigt wird, ist über die Geschichte des Gebietes um das heutige Leonberg bis zum Mittelalter nur wenig bekannt. Erst ab dem 16. Jahrhundert bietet Leonberg als eine der wenigen Städte Altwürttembergs in seinem Archiv eine nahezu lückenlose Überlieferung vieler unterschiedlicher Quellen.[6]

Der Forschungsstand für die Stadt Leonberg ist überwiegend veraltet, für die Beschäftigung mit Leonbergs mittelalterlicher Stadtgeschichte ist das Werk von Wilfried Setzler „Leonberg. Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte “7 aufgrund seines Informationsreichtums unentbehrlich. Ferner stellen die Publikationen von Eberhard Walz „Ein Gang durch 700 Jahre Leonberger Wirtschaftsgeschichte 1248/49-1948/49“8 und der Aufsatz von Sönke Lorenz „ 750 Jahre Stadt: Leonberg im Zeithorizont der europäischen Stadtgründungen des Mittelalters “9 einen großen Verdienst für die mittelalterliche Stadtgeschichte Leonbergs dar.

Es gibt wohl kaum eine Landschaft, ein Dorf oder eine Stadt, derer sich nicht ein Chronist oder Heimatforscher angenommen hätte. Neben den oben genannten Abhandlungen gibt es auch für Leonberg eine überschaubare Anzahl an Veröffentlichungen von Heimatbüchern und Jubiläums-Festschriften.

Diese stellen allerdings eine problematische Bereicherung der Literatur dar. Oft sind diese Abhandlungen aus einer subjektiven Perspektive der Verfasser heraus geschrieben und stellen historische Tatsachen möglicherweise in einer beschönigten Art und Weise dar. Sie erfordern deshalb unbedingt eine kritische Überprüfung. Jedoch bieten sie als Einführungslektüre einen hohen Informationsgehalt und guten Überblick in die Thematik, sind für eine wissenschaftliche Untersuchung allerdings eher ungeeignet.

Für die Zukunft wäre es wünschenswert, wenn mehr auf historische Quellen gestützte und aktuellere wissenschaftliche Abhandlungen und Spezialartikel zur mittelalterlichen Stadtgeschichte Leonbergs und ihre Bürger existieren würden, die für eine den modernen Ansprüchen genügenden Darstellung ausreichen. Denn die Geschichtsforschung ist eine dynamische Entwicklung und kein statisches Modell.

III. Charakterisierung einer mittelalterlichen Stadt

Die Diskussion darüber, was eine Stadt tatsächlich ausmacht, gibt es schon so lange, wie es wissenschaftliche Beschäftigungen mit der Stadtgeschichte gibt. Das Städtewesen als Ganzes ist nicht als ein starres und gleichbleibendes Gebilde zu betrachten, sondern vielmehr als eine stets neue Formen hervorbringende Einheit.[7] Die vielen unterschiedlichen Stadttypen im Hoch- und Spätmittelalter weisen ein breites Spektrum an Erscheinungsformen auf, sodass es nahezu unmöglich ist, die Stadt in ihrer Erscheinung klar zu definieren.

Es ist an dieser Stelle sinnvoller zu fragen, welche gemeinsamen Merkmale und spezifischen Besonderheiten Städte haben, um sie von nichtstädtischen Siedlungsformen wie Dörfern und Siedlungen abgrenzen zu können.[8] Damit eine mittelalterliche Stadt existieren konnte, musste sie auf einer rechtlich höheren Stufe stehen als ihre ländliche Umgebung. Dazu brauchte sie Privilegien[9]. Hierzu gibt es ein Sprichwort, das bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückreicht: „Burger undBaur scheydet nichts dann die Maur. “[10]

Das erste Stadtprivileg war also die Schutz gewährende Ummauerung, das bis heute als ein Kriterium zur Charakterisierung der okzidentalen mittelalterlichen Stadt gilt.[11] Eine wehrhaft ummauerte Stadt stärkte das Selbstbewusstsein und das Gemeinschaftsgefühl der Bewohner einer Siedlung. Im Kriegsfall konnte man sich hinter einem soliden Mauerring und einer herrschaftlichen Burg sicher fühlen, denn eine bewehrte Stadt war nur unter großen Verlusten einzunehmen.[12] Leider ist auch dieser Punkt nicht ohne Einschränkung zu behandeln.

Zwar gilt die Mauer als wichtiges Merkmal und „Identifikationsobjekt städtischen Selbstverständnisses“[13], doch war sie eher eine „zeitbedingte Erscheinung“[14] und trifft nicht auf alle mittelalterlichen Städte zu. Viele wurden erst spät befestigt und es gab auch ummauerte Dörfer und Marktflecken.[15] Der entscheidende Anstoß für eine Siedlung, zu einer Stadt heranwachsen zu können, war ihre Rolle als Ort des Handels, Handwerks und Informationsaustausches.

Als ein wichtiges und einträgliches Stadtprivileg gilt das Marktprivileg, welches das Recht zum Abhalten eines regelmäßigen Lokalmarkts beinhaltet, neben dem auch oft die Fernmärkte hinzutreten, die von anreisenden Händlern genutzt wurden.[16] Diese Messen und Fernhandelsmärkte, auf welchen sich zu festgelegten Zeiten die auswärtigen Händler trafen, fanden allerdings auch in Orten statt, die nicht als „Städte“ bezeichnet werden konnten.[17]

Von einer Stadt im wirtschaftlichen Sinne als Marktort lässt sich erst dann sprechen, wenn die ortsansässige Bevölkerung einen großen Teil ihres alltäglichen Bedarfes mit Erzeugnissen des örtlichen Markts deckt, welche die heimische Bevölkerung und die der näheren Umgebung erzeugt oder auf eine andere Art und Weise erworben hat.[18]

Eine andere Abgrenzung ist der politisch-administrative Terminus. Eine Ortschaft kann auch als Stadt definiert werden, obwohl sie keinen örtlichen Markt für die Besorgungen der Bewohner bietet.[19]

Dazu musste sie allerdings Faktoren wie ein eigenes Gericht und ein teilweise eigenes Recht aufweisen, einen Verbandscharakter haben und damit verbunden wenigstens annähernd über eine Autonomie und Autokephalie verfügen. Darunter versteht man die Verwaltung durch Behörden, bei der auch die Bürger mitbeteiligt sind.[20]

Was die entwickelte mittelalterliche Stadt weiter von ihrem Umland unterschied, war neben der äußerlichen Befestigung aus Mauern, Türmen und Toren, dem Markthandel und der Autonomie auch die Verleihung des Stadtrechtes. Im Mittelpunkt stand die Freiheit der Bürger und ihr freies Grundbesitz- und Erbrecht.[21]

Vergleicht man diesen oben herausgearbeiteten Kriterienbündel, so lässt sich erkennen, dass einige dieser Punkte auch beim Fallbeispiel Leonberg zutreffen. So heißt es in den Sindelfinger Annalen zur Stadtgründung Leonbergs aus dem Jahre 1248/49: „Angefangen mit einer Mauer“. An dieser Stelle spiegelt sich deutlich das Stadtprivileg des Ummauerungsrechts auch in Leonberg wider, einst führte die Ummauerung um die ganze Stadt herum.[22] Auch galt in Leonberg das Marktprivileg. Neben dem Wochenmarkt besaß die kleine Stadt allerdings nur einen Jahrmarkt, der keine überregionale Bedeutung erlangte.[23]

Sieht man sich die Privilegien und Freiheiten der Stadtbewohner im Fall des mittelalterlichen Leonbergs etwas genauer an, so lässt sich eine gewisse rechtliche Besserstellung bei den Leonberger Bürgern gegenüber den Einwohnern aus den umliegenden Dörfern feststellen. Leonberg hatte ein eigenes aus Bürgern zusammengesetztes Gericht und ein gewisses Mitspracherecht bei der Verwaltung der Stadt.[24]

IV. Zur Stadtgründung Leonbergs

Ein mittelalterlicher Stadtwerdungs- oder Stadtgründungsprozess ist kein Vorgang, der sich genau begrenzen lässt, und niemals ein Werk weniger Monate, sondern ein Wachstumsprozess, der sich über mehrere Etappen und viele Jahre hinzieht.[25]

Gründungsstädte entstanden nicht einfach auf der grünen Wiese. Eher knüpften sie an bestehende Festungsanlagen oder Märkte an, die bereits an günstigen Standorten lagen. Dabei boten sich insbesondere natürliche Häfen an oder die Nähe einer schützenden Burg.[26] Auch vor der Stadtgründung Leonbergs gab es in diesem Gebiet schon zahlreiche Orte und Verbindungswege.

Meist entwickelten sich die Städte aus frühmittelalterlichen Markt- und Kaufleutesiedlungen und aus frühstädtischen Siedlungskomplexen.[27] An dieser Stelle ist es allerdings nicht die Aufgabe, den schwierigen Themenkomplex der Stadtentstehungstheorie in seiner ganzen Breite und Tiefe aufzurollen. Wichtig ist nur anzumerken, dass sich Leonberg in einer Hinsicht von anderen mittelalterlichen Städten unterscheidet.

Denn die kleine Stadt ist nicht wie vergleichsweise Weil der Stadt aus einem Dorf langsam zu einer Stadt herangewachsen, sondern Leonberg wurde, vergleichbar mit heutigen Trabantenstädten, in die bestehende Markung des zuvor schon erschlossenen Gebietes des Dorfes Eltingen planvoll angelegt.[28]

Auf höheren Befehl und sicher nicht ohne Ausübung von staatlichem Zwang musste Land für diese neue Stadt geopfert werden.[29]

Die Gründung dieser neuen, befestigten Stadt erweckte nicht bei allen Freude. Zunächst nicht bei den Eltingern, die darin eine Beschneidung ihrer Rechte sahen, aber auch nicht bei den Grafen von Tübingen, denen der untere Glemsgau gehörte und welche die Württemberger als Eindringlinge empfanden.[30]

Die landsässigen Städte in der Grafschaft Württemberg hatten nach ihrer Gründung durchaus nicht jene Bedeutung, die den Königsstädten damals zukam, da sie weder politisch noch wirtschaftlich mit ihnen konkurrieren konnten. Auch ihre kulturellen Leistungen blieben meist hinter den begünstigten und reicheren Königsstädten zurück.[31]

Dies gilt auch im Fall von Leonberg. Zwar wurde die Stadt an einer strategisch wichtigen Stelle gegen die Staufer gegründet, jedoch hat sie kein eigenes Landgebiet, da sie aus der Flur älterer Dörfer herausgeschnitten war. Damit hatte sie auch keineswegs dieselbe wirtschaftliche Bedeutung wie ihre benachbarten staufertreuen Reichsstädte Weil der Stadt und Markgröningen.[32] Die Gründung der Stadt Leonberg, so ergeben die Recherchen, ist in keiner Urkunde mehr festgehalten.

1248 oder 1249 wird die in den Quellen genannte Stadt Löwenberg von dem Grafen Ulrich von Württemberg, den Stammvater des Hauses Württemberg, gegründet.[33] Bis in das 16. Jahrhundert war allerdings die Bezeichnung „Levinberch“, „Lewnberch“ oder „Levinberc“ gängig.[34]

Der Name ist zweifelsfrei als „Löwenberg“ zu interpretieren. Ab dem 16. Jahrhundert begann sich schließlich das latinisierte Leonberg durchzusetzen.[35] Die Herkunft des Namens „Levinberch“ ist in der Forschung umstritten. Auf der Höhe des Mittelalters benannten die Reichsherren ihre Neuschöpfungen gerne nach Tieren, namentlich nach solchen, die insbesondere durch Stärke oder Schnelligkeit herausragten.

Dabei wurden auch gerne fremde Tierarten wie der Löwe verwendet.[36] Ein Vergleich mit den anderen „Leonbergs“ in Bayern, Pfalz und der Schweiz belegt ebenfalls, dass der Löwe ein zur Zeit der Kreuzzüge beliebtes Symbol der Kraft und Stärke war, zur Namensprägung verwendet und auch ins Wappen übernommen wurde.[37] Nach Hermann Kerler hingegen ist die Namensgebung weitaus wahrscheinlicher im Zusammenhang mit der Burg Löwenberg auf dem Engelberg zu sehen.[38]

Zur Gründung der Stadt Leonberg lässt sich nur wenig sagen. So heißt es in einer mittelalterlichen Chronik aus Sindelfingen, den „Annales Sindelfingenses“, die im Original zwar verloren, aber in Abschriften aus dem 15. und 16. Jahrhundert überliefert sind, über die Stadtgründung:

„A(nno) 1248 civitas Levinberch fundata fuit inchoata novis aedificiis et muro a comite de Wirtenberch temporib(us) Friderici imp(eratoris), q(ui) sequenti an(n)o obiit. “[39]

Diese wenigen lateinischen Zeilen bedeuten übersetzt, dass Levinberch im Jahr 1248 gegründet wurde, angefangen mit neuen Gebäuden und einer Mauer vom Grafen von Wirtenberch zu Zeiten Kaiser Friedrichs, der im folgenden Jahr starb.[40] Sie stellen im Grunde die einzige Quelle dar, die es zur Entstehung von Leonberg gibt.

Jedoch ist die genaue Jahreszahl des Gründungsjahrs nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Kaiser Friedrich II. starb nämlich am 13. Dezember 1250, das Jahr vor seinem Tod wäre ergo 1249. Aufgrund dieser Unsicherheit muss die Zeitspanne 1248 bis 1249 für die Stadtgründung offengelassen werden.

Dieser Widerspruch ist entweder auf den Verfasser der Nachricht, den Sindelfinger Chorherrn Heinrich von Meßkirch bzw. von Kappel, zurückzuführen oder er ist beim Abschreiben entstanden.[41] Mehrheitlich wird die zweite Datierung, also das Jahr 1249, als das wahrscheinlichere Gründungsjahr angesehen.[42]

Der in den Sindelfinger Annalen genannte Graf von Württemberg, Gründer von Leonberg, ist Graf Ulrich I. (der Stifter) von Württemberg (1241-1265).[43] Im Zuge der 1246 begonnenen antistaufischen Politik und den immer wiederkehrenden Kämpfen betrieb er zur Sicherung seines Landes eine planmäßige Städtegründung.[44] Neben Waiblingen, Schorndorf und Marbach, die vor 1250 gegründet wurden, gehört Leonberg damit mit zu den vier ältesten württembergischen Städten.[45]

Bei der mit einer wehrhaften Absicht gegründeten Stadt Leonberg spielen neben den wirtschaftlichen Faktoren, wie ein geschützter Markt für Handel und Gewerbe, auch der militärische Nutzen und die Schutzfunktion eine wichtige Rolle. Während Schorndorf gegen das staufische Gebiet um Schwäbisch Gmünd und Waiblingen wohl eine Art Hauptort und Residenz werden sollte, war die Aufgabe Leonbergs die Deckung der württembergischen Westflanke gegen die auf königliche Initiative hin geschaffenen staufischen Städte Weil der Stadt und Markgröningen, von denen durchaus Bedrohungen zu erwarten waren.[46]

Betrachtet man die topographische Anlage und die mit ihr zusammenhängenden geographischen Gegebenheiten, so ist zu erkennen, dass für Leonberg eine günstige Lage ausgesucht wurde: Die Stadt liegt auf einer Berglage und war an drei Seiten durch steile Abhänge geschützt; nur gegen Osten musste vor der in der Quelle erwähnten Mauer ein Graben angelegt werden.[47] Durch die Befestigung mit Mauern und Türmen schuf Graf Ulrich I. in seinem Territorium wichtige strategische Stützpunkte, welche durch Burgen ergänzt wurden.

In der Zeit um oder nach 1250 fällt eine ganze Reihe von militärisch motivierten Stadtgründungen an. Diese Städte wie Asperg, Besigheim oder Fürstenberg sind durch eine ähnlich gut zu verteidigende Lage wie Leonberg gekennzeichnet. Entweder befinden sie sich auf einem Berg oder sind auf einem Bergsporn gelegen.[48] In den folgenden Jahrhunderten gelang es den Grafen von Württemberg ihre Macht durch weitere Erwerbungen im Leonberger Raum immer mehr zu festigen und auszudehnen.[49]

Dass ein Feudalherr durch die Gründung einer Stadt gravierende Vorteile erwarb, ist unumstritten. Die wirtschaftliche Kraft ihrer Bewohner sicherten den Grafen finanzielle Einnahmen, die es ihnen ermöglichten, neue Gebiete zu erwerben und ihre eigene Hausmacht zu erweitern.

Dieser fiskalische und fortifikatorische Nutzen von Städten erschloss sich wohl vielen Adligen, wenn bedacht wird, dass im Zeitraum von 1200 bis 1300 allein in Südwestdeutschland rund 193 Städte entstanden.[50] Ihren Höhepunkt erreichen die Stadtgründungen durch größere und kleinere Herren in den letzten Jahre vor 1250, als der größte Teil Schwabens bereits vom Kaiser abgefallen war.[51]

[...]


[1] Zit. nach: Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Köln; Wien; Weimar 2012, S. 27.

[2] Vgl. Eggert, Wolfgang: Städtenetz und Stadtherrenpolitik. Ihre Herausbildung im Bereich des späten 13. Jahrhunderts, in: Töpfer, Bernhard (Hrsg): Stadt und Städtebürgertum in der deutschen Geschichte des 13. Jahrhunderts. (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte 24). Berlin 1976, S. 108-228, hier: S. 113 f.

[3] Vgl. Plessow, Oliver: Die Stadt im Mittelalter. Stuttgart 2013, S. 140.

[4] Vgl. Sönke, Lorenz: 750 Jahre Stadt: Leonberg im Zeithorizont der europäischen Stadtgründungen des Mittelalters, in: Stadtarchiv Leonberg( Hrsg.): Streifzüge durch 750 Jahre Leonberger Stadtgeschichte. Leonberg 2000, S. 11.

[5] Vgl. Württembergisches Urkundenbuch VII: 1269-1276. Stuttgart 1900. Nachdr. Aalen 1974, Nr. 2341, S. 242; ebenda X, Nr. 4734, S. 402.

[6] Vgl. Trugenberger, Volker: Zwischen Schloß und Vorstadt Vaihingen/Enz 1984, S. 9.

[7] Vgl. Haase, Carl: Die Stadt des Mittelalters, 1. Band: Begriff, Entstehung und Ausbreitung. Darmstadt 1969, S. 74.

[8] Vgl. Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550, S. 40.

[9] Vgl. Walz, Eberhard; Grimm, Bernadette: Historischer Altstadtführer Leonberg, S. 8.; Walz, Eberhard: Ein Gang durch 700 Jahre Leonberger Wirtschaftsgeschichte 1248/49-1948/49, S. 19.

[10] Zit. nach: Goetz, Hans-Werner: Moderne Mediävistik, S. 9, S. 157 f., S. 166, in: Engel, Evamaria; Jaob, Frank-Dietrich: Städtisches Leben im Mittelalter. Schriftquehen und Bildzeugnisse. Köln; Weimar; Wien 2006, S. 13; Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550, S. 42; Haase, Carl (Hrsg.): Die Stadt des Mittelalters. Bd. I. Begriff, Entstehung und Ausbreitung. Darmstadt 1969, S. 65.

[11] Vgl. Engel, Evamaria; Jakob, Frank-Dietrich: Städtisches Leben im Mittelalter, S. 13.

[12] Vgl. Plessow, Oliver: Die Stadt im Mittelalter. Stuttgart 2013, S. 25.

[13] Vgl. Irsigler, Franz: Was machte eine mittelalterliche Siedlung zur Stadt?, in: Miscellanea, Franz Irsigler. Festgabe zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Volker Henn, Rudolf Holbach, Michel Pauly und Wolfgang Schmid. Trier 2006. S. 469-486, hier: S. 472.

[14] Zit. nach: Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550, S. 42.

[15] Vgl. ebd., S. 133; Haase, Carl (Hrsg.): Die Stadt des Mittelalters, S. 65.

[16] Vgl. Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550, S. 47.

[17] Vgl. Weber, Max: Die Stadt. Begriff und Kategorien, in: Haase, Carl (Hrsg.): Die Stadt des Mittelalters. Bd. I., Begriff, Entstehung und Ausbreitung. Darmstadt 1969, S. 34-60, hier S. 37.

[18] Vgl. Weber, Max: Die Stadt. Begriff und Kategorien, S. 36; Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550, S. 47.

[19] Vgl. Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550, S. 47.

[20] Vgl. ebd., S. 51; Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter, S. 47 f.

[21] Vgl. Angermann, Norbert (Hrsg.): Lexikon des Mittelalters Bd. VIII Stadt (Byzantinisches Reich) bis Werl. München 1997, S. 23.

[22] Vgl. Walz, Eberhard: Ein Gang durch 700 Jahre Leonberger Wirtschaftsgeschichte, S. 19.

[23] Vgl. ebd., S. 20 f., Trugenberger, Volker: Der Leonberger Raum an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, S. 88.

[24] Vgl. Trugenberger, Volker: Die Gründung der Stadt Leonberg, S. 76.

[25] Vgl. Decker-Hauff, Hansmartin: Waiblingen und die wirtembergischen Stadtgründungen um 1250, in: Müller, Ernst (Hrsg.): Schwäbische Heimat. Stuttgart 1951, S. 113-116, hier S. 117; Engel, Evamaria; Jacob, Frank-Dietrich: Städtisches Leben im Mittelalter. Schriftquellen und Bildzeugnisse. Köln; Weimar; Wien 2006, S. 18; Maschke, Erich; Sydow, Jürgen ( Hrsg.): Südwestdeutsche Städte im Zeitalter der Staufer, S. 108 und S. 207; Haase, Carl: Die Stadt des Mittelalters, S. 62.

[26] Vgl. Plessow, Oliver: Die Stadt im Mittelalter. Stuttgart 2003, S. 48.

[27] Vgl. Engel, Evamaria; Jacob, Frank-Dietrich: Städtisches Leben im Mittelalter. Schriftquellen und Bildzeugnisse. Köln; Weimar; Wien 2006, S. 18.

[28] Vgl. Irtenkauf, Wolfgang von: Anmerkungen zum historischen Stadt- und Umlandproblem Leonbergs: anläßlich der Eingemeindung der Gemeinden Gebersheim, Höfingen und Warmbronn. Leonberg 1975, S. 6, Walz, Eberhard: Ein Gang durch 700 Jahre Leonberger Wirtschaftsgeschichte 1248/49-1948/49, S. 18.

[29] Vgl. Irtenkauf, Wolfgang von: Anmerkungen zum historischen Stadt- und Umlandproblem, S. 6.

[30] Vgl. Kerler, Hermann: Festschrift zur 700-Jahr-Feier der Stadt Leonberg. Stuttgart 1948, S. 15 f.

[31] Vgl. Trugenberger, Volker: Zwischen Schloß und Vorstadt, S. 7.

[32] Vgl. Wunder, Gerd: Die Leonberger Bevölkerung im späten Mittelalter, in: ZLWG 26, Stuttgart 1967, S. 213-224, hier: S. 213.

[33] Vgl. Keyser, Erich (Hrsg.): Württembergisches Städtebuch. Deutsches Städtebuch, Handbuch städtischer Geschichte, Bd. IV. Südwest-Deutschland, 2. Land Baden-Württemberg, Teilband Württemberg. Stuttgart 1962, S. 146; Sydow, Jürgen: Adelige Stadtgründer in Südwestdeutschland, in: Maschke, Erich; Sydow, Jürgen (Hrsg.): Südwestdeutsche Städte im Zeitalter der Staufer: 16. (Stadt in der Geschichte; Bd. 6), Sigmaringen 1980, S. 186; Wendel, Eugen: Leonberg. Stadt des ersten württembergischen Landtags: Schwarzer Adler. Das altehrwürdige Steinhaus im Wandel der Jahrhunderte. Leonberg 1968, S. 12, Walz, Eberhard: Ein Gang durch 700 Jahre Leonberger Wirtschaftsgeschichte 1248/49-1948/9, in: Stadtarchiv Leonberg (Hrsg.). Leonberg 2005, S. 17; Lorenz, Sönke: 750 Jahre Stadt: Leonberg im Zeithorizont der europäischen Stadtgründungen des Mittelalters, in: Stadtarchiv Leonberg, Leonberg 2000, Streifzüge durch 750 Jahre Leonberger Stadtgeschichte. Leonberg 2000, S. 11; Trugenberger, Volker: Die Gründung der Stadt Leonberg, in: Setzler, Wilfried; Decker-Hauff, Hans Martin u. a.: Leonberg. Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte. Stuttgart 1996, S. 73; Eggert, Wolfgang: Städtenetz und Stadtherrenpolitik. Ihre Herausbildung im Bereich des späteren Württemberg während des 13. Jahrhunderts, in: Töpfer, Bernhard (Hrsg.): Stadt und Städtebürgertum in der deutschen Geschichte des 13. Jahrhunderts. (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte), Berlin 1976, S. 158.

[34] Vgl. Hähnle, Andrea: Die Stadt Leonberg und ihre heutigen Teilorte im Mittelalter, in: Setzler, Wilfried: Leonberg. Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte, S. 32-72, hier: S. 74; Keyser, Erich: Württembergisches Städtebuch. Deutsches Städtebuch, Handbuch städtischer Geschichte, Bd. IV Südwest-Deutschland, 2. Land Baden­Württemberg, Teilband Württemberg. Stuttgart 1962, S. 146.

[35] Vgl. Keyser, Erich: Württembergisches Städtebuch, S. 146.

[36] Vgl. Ernst, Viktor: Geschichte der Stadt Leonberg. Sonderabdruck aus der Beschreibung des Oberamts Leonberg. Stuttgart 1930, S. 612.

[37] Vgl. Bühler, Franz: Leonberg. Heimatbuch Leonberg. Stadtführung, Geschichte, Kulturgeschichtliches. Bietigheim 1954, S. 79.

[38] Vgl. Kerler, Hermann: Festschrift zur 700-Jahr-Feier der Stadt Leonberg. Stuttgart 1948, S. 14.

[39] Zit. nach: Annales Sindelfingenses, in: Monumenta Germaniae Historica, Scriptorum Bd. 17.

Berlin 1988. 1083-1482. Bearb.von Weissert, Hermann. Sindelfingen 1981, S. 28, Nr. 39.

[40] Zit. nach: Lorenz, Sönke: 750 Jahre Stadt: Leonberg im Zeithorizont der europäischen Stadtgründungen des Mittelalters, S. 9.

[41] Vgl. ebd., S. 9.

[42] Vgl. Trugenberger, Volker: Die Gründung der Stadt Leonberg, in: Setzler, Wilfried; Decker­Hauff, Hans Martin u. a. : Leonberg. Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte. Stuttgart 1996, S. 73-76, hier: S. 73; Bühler, Franz: Leonberg. Heimatbuch Leonberg. Stadtführung, Geschichte, Kulturgeschichtliches. Bietigheim 1954, S. 77.

[43] Vgl. Keyser, Erich: Württembergisches Städtebuch. Deutsches Städtebuch, Handbuch städtischer Geschichte, Bd. IV Südwest-Deutschland, 2. Land Baden-Württemberg, Teilband Württemberg. Stuttgart 1962, S. 146.

[44] Vgl. Eggert, Wolfgang: Städtenetz und Stadtherrenpolitik, S. 158; Weller, Karl: Die Grafschaft Wirtemberg und das Reich bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, in: Württem. Vierteljahreshefte für Landesgeschichte., N. F. 38/1932, S. 131 f.; Wendel, Eugen: Leonberg. Ein Heimatbuch. Leonberg 1951, S. 26; Keyser, Erich: Württembergisches Städtebuch, S. 146.

[45] Vgl. Decker-Hauff, Hansmartin: Waiblingen und die wirtembergischen Stadtgründungen um 1250, S. 115; Eggert, Wolfgang: Städtenetz und Stadtherrenpolitik, S. 158; Sydow, Jürgen: Adelige Stadtgründer in Südwestdeutschland, in: Maschke, Erich; Sydow, Jürgen (Hrsg.): Südwestdeutsche Städte im Zeitalter der Staufer (Stadt in der Geschichte; Bd. 6). Sigmaringen 1980. S. 173-193, hier: S. 186.

[46] Vgl. Trugenberger, Volker: Zwischen Schloß und Vorstadt, S. 3; Eggert, Wolfgang: Städtenetz und Stadtherrenpolitik, S. 158.

[47] Vgl. ebd., S. 158-159.

[48] Vgl. Trugenberger, Volker: Zwischen Schloß und Vorstadt. Sozialgeschichte der Stadt Leonberg im 16. Jahrhundert. Vaihingen/Enz 1984, S. 201.

[49] Vgl. Wendel, Eugen: Leonberg. Ein Heimatbuch. Leonberg 1951, S. 26; Weller, Karl; Weller, Arnold: Württembergische Geschichte im südwestdeutschen Raum. 10Stuttgart 1989, S. 85.

[50] Vgl. Trugenberger, Volker: Die Gründung der Stadt Leonberg, in: Setzler, Wilfried: Leonberg. Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte. Stuttgart 1996, S. 73-76, hier: S. 73.

[51] Vgl. Sydow, Jürgen: Südwestdeutsche Städte im Zeitalter der Staufer, S. 192.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Der Herrschaftliche Konflikt 1383 in der mittelalterlichen Stadt Leonberg
Hochschule
Universität Stuttgart
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
29
Katalognummer
V368987
ISBN (eBook)
9783668490642
ISBN (Buch)
9783668490659
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mittelalter, Konflikt, 1383, Graf Eberhard II, Leonberg, Geschichte, Forschung, Herrschaft
Arbeit zitieren
Christine Schmidt (Autor:in), 2016, Der Herrschaftliche Konflikt 1383 in der mittelalterlichen Stadt Leonberg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368987

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