Chancen und Risiken digitaler Finanztechnologien für bestehende Vertriebsstrukturen von Sparkassen


Bachelorarbeit, 2016

118 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Kurzfassung / Abstract

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
2 Grundlagen der Vertriebsstrukturen und Analyse der Umwelt
2.1 Deutsches Bankwesen
2.2 Beeinflussende Umweltfaktoren auf das Bankwesen und deren Vertriebsstruktur

3 Bestandsaufnahme von digitalisierten Finanztechnologien
3.1 Digitalisierte Finanztechnologien (FinTechs)
3.2 FinTech-Geschäftsfelder in der Bankwertschöpfungskette
3.3 Entwicklung der FinTech-Branche
3.4 Umgang der Sparkassen-Finanzgruppe mit FinTechs

4 Empirische Studie
4.1 Bestimmung der Forschungsmethode
4.2 Datenerhebung und Fragebogen
4.3 Datenauswertung aus quantitativer Befragung

5 Chancen und Risiken der Digitalisierung
5.1 Sparkassen-Finanzgruppe
5.2 Mobiler Vertriebskanal
5.3 Stationärer Vertriebskanal
5.4 Zukünftiger Umgang mit FinTechs

6 Fazit

7 Anhang
7.1 Entwicklung Crowdlending in Deutschland, Österreich und der Schweiz
7.2 Resultate aus der quantitativen Umfrage: Sozialstatistik
7.3 Resultate aus der quantitativen Umfrage: Themenblock 1
7.4 Resultate aus der quantitativen Umfrage: Themenblock 2
7.5 Resultate aus der quantitativen Umfrage: Themenblock 3
7.6 Kontaktmöglichkeiten im Online-Banking der Kreissparkasse Stade

7.7 Online-Filiale der Braunschweigischen Landessparkasse

8 Quellenverzeichnis
8.1 Fachbücher:
8.2 Fachgespräche, Studien, Zeitungsartikel etc.:
8.3 Internetquellen:

Kurzfassung / Abstract

Autor: Nils Sumfleth

Titel der Arbeit: Chancen und Risiken digitaler Finanztechnologien
für bestehende Vertriebsstrukturen von Sparkassen

Erstellungsjahr: 2016

Studienfach: BBI Bank- und Versicherungswesen
BBA Betriebswirtschaftslehre

Die vorliegende Ausarbeitung mit dem Titel „Chancen und Risiken digitaler Finanztechnologien für bestehende Vertriebsstrukturen von Sparkassen“ wurde als Abschlussarbeit im Rahmen des Bachelorstudiengangs Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Hannover verfasst. Im Rahmen dieser Ausarbeitung sollen die Einflüsse neuer, innovativer Startups und IT-Unternehmen aus dem Bereich der Non Banks und Near Banks auf die bestehende Vertriebsstruktur von Sparkassen analysiert werden. Hierfür wird zunächst eine Bestandsaufnahme und Einteilung der neuen Anbieter vorgenommen. Um den aktuellen Digitalisierungstrend und die veränderten Kundenansprüche zu ermitteln, wird eine quantitative Umfrage innerhalb einer Forschungsgruppe von 18 bis 44-jährigen Bank- und Sparkassenkunden durchgeführt. Auf Grundlage vorliegender externer Datenerhebungen und den Ergebnissen der durchgeführten Umfrage werden für die Sparkassen potenzielle Chancen und Risiken analysiert, insbesondere bezogen auf die bestehende Vertriebsstruktur. Aus den Ergebnissen wird anschließend ein möglichst belastbarer Ausblick für die zukünftige Vertriebsstruktur und den Umgang mit den neuen Finanztechnologien aufgezeigt.

This paper, entitled „Opportunities and risks of financial technologies for existing sales structures of Sparkassen”, was written as thesis of the bachelor degree course at the Hochschule Hannover. As part of this preparation the effects of new, innovative startups and software companies will be analyzed in the field of non-banks and near-banks to the existing sales structure of Sparkassen. To determine the current digitization trend and changing customer demands, a quantitative survey is conducted. Potential sales opportunities and sales risks are analyzed for the financial institutions from the present data and the results of the survey. Thereafter, an outlook is done on the development of the sales structure of financial institutions and on the future handling of financial technologies.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Um sich in das Thema und die Struktur dieser Ausarbeitung einzufinden, wird folgend die Problemstellung erläutert. Anschließend wird die Zielsetzung genannt und beschrieben, welche Vorgehensweise zur Erreichung der gesteckten Ziele gewählt wurde.

1.1 Problemstellung

„Banking is necessary, banks are not.“[1] Mit dieser provokanten Aussage machte Bill Gates vor mittlerweile über 20 Jahren auf die zukünftige Entwicklung am weltweiten Bankenmarkt aufmerksam. Es ist jedoch beeindruckend, wie standhaft das Filialbankenmodell in Deutschland bisher war. Selbst die visionärsten Köpfe um Lary Page[2] oder Steve Jobs[3] haben es bisher nicht geschafft, die zahlreichen deutschen Banken und Sparkassen in die Knie zu zwingen.[4] Doch der Hintergrund dieser Aussage scheint seither mit jedem Jahr an Bedeutung zu gewinnen, denn die Digitalisierung ist in der Finanzbranche angekommen. Inzwischen erledigen 54 Prozent, das entspricht rund 34 Millionen erwachsene Menschen in Deutschland, ihre Bankgeschäfte zumindest teilweise online.[5]

Sparkassen stehen vor der vielleicht größten Herausforderung der Nachkriegszeit. Zum einen müssen sie sich einer künstlichen Verflachung der Zinsstrukturkurve mit geringen Margen aus dem Kreditneugeschäft in Kombination mit einer Kostenwelle aus der zunehmenden Bankenregulierung stellen. Zum anderen stehen sie zukünftig verstärkt im Wettbewerb mit neuen Startups und Globalplayern aus dem IT-Sektor, die die Finanzbranche mit innovativen Finanzprodukten und -diensten komplett aufmischen. Noch nie hatte der technologische Fortschritt so viel Einfluss auf die bestehenden Vertriebsstrukturen und die Beziehung zwischen den Kunden und der Sparkasse wie heute. Die Möglichkeiten der Digitalisierung haben zahlreiche neue Anbieter mit unterschiedlichsten Geschäftsmodellen entstehen lassen, die bestehende Strukturen revolutionieren wollen. „Digitalisierung bedeute dabei nicht, dass man das Fax durch Emails ersetzt. Auch eine eigene App hat nichts mit der Abwehr der disruptiven Konkurrenten zu tun.“[6] Durch eine starke mediale Präsenz wurde der Begriff „Digitalisierte Finanztechnologien“ 2015 bei der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht, was auch die klassischen Anbieter von Finanzdienstleistungen hat aufwachen lassen. Die Digitalisierung der Finanzbranche befindet sich noch am Anfang, weshalb sich die Entwicklungsintensität langfristig nur schwer erahnen lässt.

Mit der Ankündigung deutschlandweit 554 Sparkassenfilialen zu schließen sind die ersten Auswirkungen der Digitalisierung auf das deutsche Bankwesen bereits erkennbar.[7] Auch in der Gestaltung der bestehenden Vertriebswege zeigen sich bereits Veränderung, die eine Vielzahl von Chancen und Risiken für Sparkassen beinhalten. „Banking“ muss neu gedacht werden. Die Zeit des Abwartens ist vorbei – wer heute nicht den Grundstein für die Vertriebsstruktur der Zukunft legt, hat vielleicht bereits morgen nicht mehr die Möglichkeit dazu. Oder gilt für die Sparkassen-Organisation bereits jetzt ein „too big to change“?

1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit wird untersucht, welche Chancen und Risiken durch die Digitalisierung von Finanztechnologien für die bestehenden Vertriebswege der Sparkassen entstehen. Sparkassen mit ihrer besonderen Struktur und dem politischen Einfluss über ihre Anstaltslast nehmen bisher durch die Marktstellung eine wichtige Rolle im deutschen Bankwesen ein. Im Speziellen geht es um die Möglichkeiten, die Vertriebskanäle der Sparkassen auf Grundlage der neu gewonnenen Ergebnisse anpassen oder durch innovative Technologien ergänzen zu können, so dass der bisherige Vertriebserfolg der gesamten Sparkassen-Finanzgruppe langfristig gesichert werden kann.

Um ein einheitliches Verständnis dieser Ausarbeitung zu erlangen, erfolgt zu Beginn eine Beschreibung des deutschen Bankwesens und der darin definierten Rolle der Sparkassen-Finanzgruppe mit ihren Vertriebskanälen. Mit Hilfe einer partiellen Umweltanalyse der aktuellen Einflussfaktoren auf das Bankwesen erfolgt der thematische Einstieg in die Ausarbeitung. Dabei wird der Einfluss des historischen Niedrigzinsniveaus auf die Erfolgsrechnung von Sparkassen und dem daraus gegebenenfalls resultierenden Rationalisierungszwang nicht berücksichtigt. Das dritte Kapitel umfasst die Bestandsaufnahme der digitalen Finanztechnologien unter Berücksichtigung der Einflüsse auf die Bankwertschöpfungskette und des bisherigen Umgangs der Sparkassen-Finanzgruppe mit den sogenannten FinTechs. Über eine quantitative Umfrage, die online anhand einer Forschungsgruppe von Bank- und Sparkassenkunden zwischen 18 und 44 Jahren durchgeführt wird, können der aktuelle Trend und die Auswirkungen im vierten Kapitel thematisch und detailliert aufbereitet werden. Die gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend in einer ausführlichen Ausarbeitung auf die bestehenden Vertriebsstrukturen der Sparkassen gespiegelt, um einen Gesamtüberblick über die Chancen und Risiken digitalisierter Finanztechnologien zu erhalten. Auf Grundlage der vorhandenen Ergebnisse wird versucht, einen möglichst belastbaren Ausblick auf die Zukunft des Finanzwesens zu geben.

2 Grundlagen der Vertriebsstrukturen und Analyse der Umwelt

Aufgrund der Komplexität des Themenbereichs, sind zunächst Grundlagen zu erläutern. Um die Bedeutung der Digitalisierung für die unterschiedlichen Akteure der Finanzbranche abschätzen zu können, werden das deutsche Bankwesen sowie die bestehenden Vertriebskanäle beschrieben. Vorhandene Umweltfaktoren, die auf das Bankwesen und die Vertriebskanäle einwirken, werden in einer partiellen Umweltanalyse behandelt.

2.1 Deutsches Bankwesen

Die ökonomische Bedeutung Deutschlands im internationalen Vergleich ist hoch. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt des Jahres 2014 auf US-Dollar-Basis hat Deutschland die viertgrößte Wirtschaftskraft weltweit.[8] Das deutsche Bankwesen hat international entsprechend Gewicht und ist ein bedeutender Zweig der deutschen Wirtschaft.[9] Im europäischen Kontext ist das deutsche Bankwesen von der Struktur und der Versorgungsdichte kaum vergleichbar. Mit 23 Kreditinstituten pro eine Millionen Einwohner hatte Deutschland 2012 die höchste Versorgungsdichte in der EU. Auf die gleiche Anzahl Einwohner Großbritanniens oder Spaniens kamen mit sechs bzw. sieben Kreditinstituten vergleichsweise wenige.[10]

Das deutsche Bankensystem besteht im Wesentlichen aus drei Säulen von Kreditinstituten, die Bankgeschäfte „erwerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert“.[11]

1. Säule: Private Geschäftsbanken
2. Säule: Genossenschaftsbanken
3. Säule: Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute

Als Teil des Universalbankensystems bieten diese Kreditinstitute eine Reihe von Bankgeschäften gem. §1 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes an. Das Angebot von Universalbanken gestaltet sich derart vielseitig, dass möglichst jedem Kunden zu jeder Zeit und jedem Ort alle Finanzdienstleistungen angeboten werden. Zunehmend existieren mit Near Banks, banknahe Institutionen im direkten Wettbewerb, und mit Non Banks, bankfremde Institutionen mit dem Zugriff auf die gleiche Zielgruppe, immer mehr Anbieter von Bankdienstleistungen.

2.1.1 Sparkassen in der Drei-Säulen-Struktur

Zu der ersten Säule, den privaten Geschäftsbanken, gehören neben den drei großen Kreditinstituten Deutsche Bank AG, Commerzbank AG und der Unicredit Bank AG rund 160 weitere Privat- und Geschäftsbanken. Hinzu kommen Spezialbanken, Hypothekenbanken und Bausparkassen. Gemessen an den Marktanteilen im Einlagen- und Kreditgeschäft mit Privatkunden in Deutschland, haben die privaten Geschäftsbanken den geringsten Marktanteil.[12]

Die zweite Säule bildet der Genossenschaftssektor mit 1.045 Kreditgenossenschaften und derzeit noch zwei Spitzeninstituten.[13] Dazu gehören die Volksbanken Raiffeisenbanken, die DZ-Bank und die WGZ-Bank als Zentralinstitute, der Verbund der Sparda-Banken und weitere. Unter den gleichen Prämissen der Segmentierung der ersten Säule bildet der Genossenschaftssektor den zweitgrößten Marktanteil im Privatkundengeschäft.

Zu den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten der dritten Säule gehören 415 Sparkassen und neun Landesbanken sowie die DekaBank als Zentralinstitut mit dem größten Marktanteil im Privatkundengeschäft. Weitere fünf Sparkassen gelten als freie Sparkassen und fallen nicht unter das öffentliche Recht und der daraus resultierenden Anstaltslast.[14] Trotz der teils herausragenden Bedeutung in den jeweiligen Geschäftsgebieten wird auf die freien Sparkassen (z.B. Hamburger Sparkasse AG, Die Bremer Sparkasse AG) nicht weiter eingegangen. Träger der öffentlich-rechtlichen Sparkassen sind Gebietskörperschaften im Sinne von Gemeinden, Landkreisen, Städten oder einem kommunalen Zweckverband des Geschäftsgebietes. Für Sparkassen ist neben dem Kreditwesengesetz außerdem das Sparkassengesetz des jeweiligen Bundeslandes einzuhalten. Dort festgelegt ist unter anderem die Beschränkung der Geschäftstätigkeit auf Regionen sowie die Berücksichtigung eines öffentlichen Auftrages, eine vom Gesetzgeber auferlegte soziale Verpflichtung zur Stärkung des Gemeinwohls. Der öffentliche Auftrag besteht unter anderem darin, die Bevölkerung regional vor allem in der Fläche mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen zu versorgen und den Wettbewerb im Kreditgewerbe zu stärken. Bei Sparkassen bleibt der öffentliche Auftrag den wirtschaftlichen Zielsetzungen Rentabilität, Liquidität und Sicherheit übergeordnet.[15] Es besteht rechtlich keine Gewinnerzielungsabsicht. Damit stehen Entscheidungen und strategische Zielsetzungen der Sparkassen oftmals in einem Spannungsverhältnis zwischen betriebswirtschaftlichem Vorteil und politischem Einfluss des Trägers.

Die einzelnen Institute und Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe sind 580 rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmen und dezentral organisiert. Durch zwölf regionale Sparkassen- und Giroverbände sind alle Sparkassen und Landesbanken Mitglied im Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V. (DSGV) vertreten.[16] Der DSGV ist der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe und legt die strategische Gesamtausrichtung der Organisation fest. Aktueller Präsident des DSGV ist Herr Georg Fahrenschon.

Wird die Bedeutung der drei Säulen nicht anhand der Marktanteile im Privatkundengeschäft sondern anhand der kumulierten Bilanzsumme gemessen, ergibt sich eine andere Verteilung. Durchgängig bilden die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute gemeinsam den größten Bankensektor. Knapp dahinter stellen die privaten Geschäftsbanken den zweitgrößten Bankensektor dar.[17]

2.1.2 Vertriebskanäle von Finanzdienstleistungen

„Bei dem Vertrieb von Finanzdienstleistungen handelt es sich um die grundlegende Aufgabe, dem Kunden die betrieblichen Leistungspotenziale am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, im richtigen Umfang und in der gewünschten Qualität zur Verfügung zu stellen.“[18] Über die Vertriebskanäle lässt sich eine Verbindung zwischen Anbieter und Nachfrager von Finanzdienstleistungen herstellen. Dabei sind Vertriebskanäle von Kommunikationskanälen abzugrenzen, da diese vor allem für werbliche und informatorische Zwecke genutzt werden. Unter Berücksichtigung der betrieblichen Ziele, insbesondere der Kostenziele und der Beachtung der Wettbewerbsbedingungen, stehen Sparkassen zahlreiche vertriebspolitische Optionen zur Verfügung. Vertriebspolitische Maßnahmen sind im Gegensatz zu anderen marketingpolitischen Entscheidungen, wie der Preis- oder der Produktpolitik von immateriellen Gütern, häufig von langfristiger Natur und deshalb nur schwer und unter hohen Kosten veränderbar.[19]

In der Literatur werden direkte und indirekte Vertriebskanäle unterschieden. Bei dem direkten Vertrieb erfolgt die Abgabe des Leistungsversprechens direkt durch den Ersteller und deren unternehmenseigenen Vertriebsorgane. Bei dem indirekten Vertrieb werden dagegen Vermittler eingesetzt, die nicht die eigentlichen Dienstleistungen erstellen.[20] Bedingt durch die immaterielle Form von Finanzprodukten erfolgt die Erstellung grundsätzlich erst durch das Zusammentreffen von Anbieter und Nachfrager. Im Gegensatz zum Vertrieb von Sachgütern, wo die Einschaltung von Vertriebspartnern möglich ist, kann der Vertrieb von Finanzprodukten und -diensten ausschließlich direkt erfolgen.[21]

Wichtiger für den Vertrieb immaterieller Güter ist dagegen die Unterscheidung zwischen stationären und mobilen Vertriebskanälen. Bei einem stationären Vertrieb treten die Sparkassen bzw. deren Mitarbeiter auf persönlichem Wege mit dem Kunden in Kontakt und erbringen die Leistung vor Ort. Dies impliziert, dass der Kunde die Sparkasse aufsuchen muss, um die Leistung zu erhalten. Der entsprechende Standort muss nah und gut erreichbar gewählt sein.[22] Beim mobilen Vertrieb ist das Aufsuchen der Sparkasse nicht notwendig. Das Leistungsversprechen wird im direkten Umfeld des Kunden oder an einem dritten Ort erbracht. Hier sind drei mobile Vertriebsoptionen zu unterscheiden. Zum einen erhöhen die Sparkassen im mobilen Finanzdienstleistungsabsatz den Servicegrad, in dem Mitarbeiter den Kunden vor Ort oder in direkter Nähe aufsuchen. Für bedeutende Kunde mit individuellem Beratungsbedarf, aber auch für unterversorgte Teile des Geschäftsgebietes, findet man diese Vertriebsform oft. In Deutschland wird dieser Vertriebskanal vor allem von unabhängigen Allfinanzberatern besetzt. Besondere Bedeutung hat der mobile Vertrieb auch dann, wenn Dienstleistungen automatisiert und ohne Beteiligung von Mitarbeitern erstellt werden können. So dienen Standorte mit hoher Kundenfrequenz, beispielsweise Shopping Center, Bahnhöfe oder Fußgängerzonen, als idealer Vertriebsstandort für Selbstbedienungsterminals oder Geldausgabeautoamten, über die einfache Zahlungsverkehrstransaktionen abgewickelt werden können.[23] Als immer wichtigere dritte Option im mobilen Vertrieb dienen digitale Kanäle. Neben angeschlossenen Callcentern mit Telefonbanking-Angebot nimmt hier vor allem das Internet eine herausragende Stellung ein. Online können Anbieter und Nachfrager losgelöst von örtlichen und zeitlichen Begrenzungen Leistungsversprechen anbahnen und abschließen. Hier eignen sich Finanzprodukte, die vor allem elektronisch und ohne persönlichen Kundenkontakt durch Mitarbeiter erstellt werden. Vor allem durch die Homogenität vieler Finanzdienstleistungen lässt sich der mobile Vertrieb im Bereich der standardisierten Prozesse durch Online-Banking oder Banking-Apps für Smartphone oder Tablet ideal umsetzen. Komplexe Finanzdienstleistungen mit einer intensiven und persönlichen Einbindung des Kunden und des Beraters wurden in der Vergangenheit kaum über den digitalen Kanal vertrieben.

„Kunden erwarten alternative Kontaktpunkte zu Anbietern von Finanzdienstleistungen, die sie je nach Bedarfssituation zeitlich flexibel und ortsungebunden in Anspruch nehmen können.“[24] Mit steigender Dichte der Vertriebsorgane reduziert sich für den Kunden der Aufwand zur Kontaktaufnahme. Bietet eine Sparkasse für den Kontaktprozess, der Informationsbeschaffung oder für den Abschluss sowohl den stationären Vertriebskanal als auch die vorgenannten Formen des mobilen Vertriebskanals über ein kombiniertes Angebot von Alternativen an, spricht man von einer Multikanal-Strategie.[25] Den Grundpfeiler der Multikanal-Strategie bildet eine abgestimmte und kooperative Zusammenarbeit von stationärem Vertrieb und den mobilen Vertriebskanälen. Einerseits ermöglicht es der Multikanalvertrieb unterschiedliche Kundengruppen mit differenzierten Bedürfnissen anzusprechen. Andererseits können Kunden individuell für sich unterschiedliche Vertriebswege, je nach Komplexität und Beratungsbedarf des Finanzproduktes, festlegen.

2.1.3 Digitalisierung der Vertriebs- und Kommunikationskanäle

„Bis in die 1990er Jahre war die Bankfiliale ein Monovertriebs- und Kommunikationskanal.“[26] Der wohl wichtigste Faktor, der die Monokultur aufbrach, war die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. Bezeichnend war dabei vor allem die Etablierung des Computers mit Internetanschluss, die als Beginn der Digitalisierung bezeichnet werden kann. Neben dem stationären Vertrieb mittels Geschäftsstellen nahm die Bedeutung des mobilen Kanals deutlich zu. Zunächst das Telefon, später das Online- oder Mobile-Banking. Dabei haben Banken und Sparkassen neue technologische Möglichkeiten vor allem genutzt, um ihre internen Prozesse zu unterstützen. Finanzdienstleistungen wie der Zahlungsverkehr wurden digitalisiert und der persönliche Kundenkontakt dahingehend bei einfachen Prozessen abgebaut um Kosten einzusparen. Gleichzeitig konnte die Zeit für Vertriebs- und Beratungsaktivitäten komplexer Finanzdienstleistungen ausgebaut werden.[27]

Der stationäre Vertriebs- und Kommunikationskanal hat im Tagesgeschäft immer mehr an Bedeutung verloren. Die Folge war ein zunehmender Personalabbau bei Banken und Sparkassen mit ausgebautem Filialnetz sowie ein verstärkter Abbau von rechtlich selbstständigen Kreditinstituten und Filialen. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen eine grafische Entwicklung von 1997 bis 2014.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Anzahl der Kreditinstitute in Deutschland von 1997 - 2014[28]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Anzahl an Bankfilialen in Deutschland von 1997 - 2014[29]

Anhand der beiden Abbildungen lässt sich die Entwicklung aller Kreditinstitute und der Filialen in Deutschland veranschaulichen. Für die Jahre 1998 bis 2002 liegen keine belastbaren Daten vor. Es ist aber vor allem zwischen 1997 und 2003 eine deutliche Konzentration der Kreditinstitute und ein starker Abbau der Filialdichte zu erkennen. Ab 2003 ist der Schrumpfungsprozess gut abzulesen und zeigt eine stetige Reduzierung der Kreditinstitute und Filialen. Gleichzeitig hat sich die Anzahl an Direktbankkunden von 3,9 Millionen in 2000 auf 18,2 Millionen in 2014 mehr als vervierfacht.[30]

Der Schrumpfungsprozess lässt sich in allen drei Säulen der Banken mit Filialen erkennen. Aufgrund der Anzahl und der Größenverhältnisse der Institute hat sich die Entwicklung vor allem im genossenschaftlichen Sektor (1997 bis 2014: -1.370 Kreditinstitute / -56,68%) und bei den Sparkassen (1997 bis 2014: -183 Kreditinstitute / -30,60%) dargestellt.[31] Für eine bessere Anschaulichkeit der Entwicklung des Filialnetzes der Sparkassen-Finanzgruppe ist in Abbildung 3 die Veränderung von 1997 bis 2014 abgebildet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Anzahl der Sparkassenfilialen in Deutschland von 1997 - 2014[32]

Im Trend ist auch hier eine deutliche Reduzierung in den 18 Vergleichsjahren erkennbar. Wie auch bei der Entwicklung der eigenständigen Institute zeigt sich hier, dass die Sparkassen-Finanzgruppe auch verhältnismäßig weniger Filialen geschlossen hat. Betrachtet man alle Institute in Abbildung 2 wurden 44,15 Prozent der Filialen geschlossen. Zeitgleich waren es bei der Sparkassen-Finanzgruppe 36,26 Prozent. Der Unterschied ist auch hier auf die flächendeckendere Struktur und den zurückliegenden Konzentrationsprozess im genossenschaftlichen Sektor zurückzuführen.

Die Digitalisierung in Form des klassischen Online-Banking und der hinzugewonnen Informationstechnologie konnte bereits in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts stark etabliert werden. Bereits 2004 waren etwa 39 Prozent aller Girokonten in Deutschland für Online-Banking freigeschaltet (33,1 Millionen von 84,5 Millionen Konten), in 2013 bereits schon etwa 55 Prozent aller Girokonten (54,3 Millionen von 98,6 Millionen Konten).[33]

Für die Beurteilung aller Einflussfaktoren, vorhandenen Hinderungsgründen und bereits erkennbaren Auswirkungen der Digitalisierung bedarf es einer partiellen Analyse der vorliegenden Umwelt, die im nächsten Kapitel ausführlich vorgenommen wird.

2.2 Beeinflussende Umweltfaktoren auf das Bankwesen und deren Vertriebsstruktur

Um die richtigen Reaktionen und notwendigen Veränderungen im Zuge der Digitalisierung zu erreichen, bedarf es einer Perspektive, wie sich Innovationen und neue Ideen entwickeln werden.[34] Strategien geben dabei die Antwort auf grundsätzliche Fragen, in welchen Geschäftsgebieten man tätig sein will, wie in den einzelnen Geschäftsfeldern der Wettbewerb bestritten werden soll und wo die langfristige Kompetenzbasis des eigenen Unternehmens aufgebaut werden kann. Jede Strategieplanung baut auf mindestens zwei Grundpfeilern auf, der Untersuchung externer Einflussfaktoren in Form einer Umweltanalyse sowie der Untersuchung interner Möglichkeiten und Grenzen in Form einer Unternehmensanalyse.[35] Zusammengefasst handelt es sich dabei um die Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken einer Organisation (englisches Akronym: SWOT-Analyse).[36] Eine detaillierte Erläuterung der SWOT-Analyse mit den vorgenannten Bausteinen findet sich in der Fachliteratur „Strategisches Management – Eine Einführung“ von Johnson, Scholes und Whittington auf den Seiten 174 fortfolgend wieder.

Jede Sparkasse in Deutschland ist individuell und käme bei einer Analyse der internen Möglichkeiten und Grenzen auf unterschiedliche Stärken und Schwächen. Auf eine umfangreiche Unternehmensanalyse einzelner Sparkassen oder der Sparkassen-Finanzgruppe wird in dieser Ausarbeitung daher verzichtet. Um die Digitalisierung als aktuellen Trend und deren Chancen und Risiken für Sparkassen zu erfassen wird eine Umweltanalyse durchgeführt. Die Aufgabe der Umweltanalyse ist die Erkundung des externen Unternehmensumfeldes nach Anzeichen der Bedrohung oder Chancen im Spannungsverhältnis auf das gegenwärtige Geschäftsmodell.[37] Dabei beschränkt sich die Umweltanalyse nicht ausschließlich auf das nähere Umfeld mit den jeweiligen Wettbewerbskräften, sondern analysiert weiterhin allgemeine Entwicklungen und Trends, die sich auch erst langfristig auf das nähere Umfeld des eigenen Geschäftsumfeldes auswirken können. Ein exemplarisches Modell der Umweltanalyse ist die in Abbildung 4 grafisch dargestellte PESTLE-Analyse, die den Einfluss der externen Umwelt auf das Unternehmen zeigt. Zu den Haupteinflüssen gehören die allgemeine technologische Entwicklung (technological), gesellschaftliche Strömungen und Veränderungen (socio-economic), politische (politic) und wirtschaftliche (economic) Strukturen.[38] Um die PESTLE-Analyse zu vervollständigen, werden Einflussfaktoren aus geltendem Recht (legal) und aus der Ökologie (environmental) ergänzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: PESTLE-Analyse

Das Makroumfeld wird anhand der Faktoren analysiert, um die wichtigsten Antriebskräfte des Wandels festzustellen. Die Ergebnisse dienen der weiterführenden Analyse der externen Umgebung und als Entscheidungsgrundlage möglicher Veränderungen.[39] Die PESTLE-Analyse ist dabei eines von mehreren Grundlagen strategischer Entscheidungen und wird in dieser Ausarbeitung durch eine quantitative Umfrage ergänzt.

Folgend werden mit der zusammengefassten politischen und rechtlichen, der sozio-kulturellen und der technologischen Umwelt wichtige Einflussfaktoren auf das deutsche Bankwesen kurz skizziert. Einflussfaktoren aus den anderen Makroumfeldern, die die PESTLE-Analyse vervollständigen, bleiben unberücksichtigt. Das bedeutet nicht, dass die wirtschaftliche Umwelt, bedingt durch das historisch niedrige Zinsniveau und steigendem Regulierungsaufwand, nicht ebenso eine der größten Herausforderungen für Sparkassen darstellt. Die Auswirkungen der aktuellen wirtschaftlichen Lage lassen sich jedoch nicht auszugweise darstellen und sind in einer gesonderten Ausarbeitung zu analysieren. Außerdem ist davon auszugehen, dass die zunehmende Digitalisierung unter anderen wirtschaftlichen Umweltfaktoren ebenso weit fortgeschritten wäre.

2.2.1 Politische und rechtliche Umwelt

Die politisch-rechtliche Analyse kann sich nicht nur auf die nationale Politik beschränken. Die Aufsicht über die Banken und Finanzmärkte liegt zwar durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen noch unmittelbar in nationaler Verantwortung, seit dem 04.11.2014 trägt die alleinige Verantwortung für die zentrale Bankenaufsicht jedoch die Europäischen Zentralbank.[40] Diese kann zur Sicherstellung der Einhaltung der hohen Aufsichtsstandards jederzeit auch die direkte, unmittelbare Aufsicht über die Banken übernehmen.[41] „Nicht zuletzt hat die seit acht Jahren andauernde Finanz- und Wirtschaftskrise im deutschen Bankwesen seine Spuren hinterlassen.“[42] Die globale Krise, die 2008 mit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers ihren Lauf nahm, machte sowohl Versäumnisse der Bankenaufsicht offenkundig als auch Risiken in den Geschäftsmodellen einiger Kreditinstitute deutlich. Eine Welle der Bankenregulierung und die Stärkung des Verbraucherschutzes waren die Folge, die bis heute eine hohe Aufmerksamkeit der etablierten Kreditinstitute in allen drei Säulen erfordert. Einen besonderen Schwerpunkt stellen hierbei die Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen nach Basel III und der Liquidity Coverage Ratio. Auch die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie MiFID und die Berücksichtigung der aktuell diskutierten Wohnimmobilienkreditrichtlinie zum 21.03.2016 spielen dabei eine große Rolle, die insgesamt die Geschäftsaktivitäten der Kreditinstitute stark hemmen.[43] Banken und Sparkassen sind damit immer stärkeren Anforderungen durch die strengere Regulierung ausgesetzt, was im großen Maße Kapazitäten bindet und die Kreativität und Flexibilität im jeweiligen Produktsortiment oder in den Vertriebsstrukturen einschränkt. Innovationen, die für den Bankbereich mindestens genauso wichtig sind wie für andere Wirtschaftsbereiche, können von etablierten Banken und Sparkassen aktuell nur schwer umgesetzt werden. Vom Markt geforderte Flexibilität und Schnelligkeit in der Produktpolitik und dem Prozessmanagement können nicht dargestellt werden. Prof. Dr. Seidel von der Universität Stuttgart sieht die Konzentration der Kreditinstitute derzeit mehr in der Erfüllung auferlegter Regularien als in der Entwicklung von Innovationen.[44] Es besteht die Gefahr, dass Banken und Sparkassen mehr mit der Gegenwart beschäftigt sind, als mit der Zukunft.

2.2.2 Sozio-kulturelle Umwelt

Von regelmäßig hoher Bedeutung für strategische Entscheidungen ist das sozi-kulturelle Umfeld. Insbesondere geht es um die frühzeitige Erkennung eines sich abzeichnenden Wandels. Gefahr droht, wenn die relevanten aber oft schwer messbaren und nicht quantifizierbaren Faktoren der sozio-kulturellen Umwelt vernachlässigt werden.[45]

Im Bereich der Finanzdienstleister hängen die Entwicklungen der sozio-kulturellen Umwelt und der technologischen Umwelt stark zusammen. Digitalisierung meint nicht nur den technologischen, sondern auch den kulturellen Wandel, wie beispielsweise die neue Form der Offenheit und das Verhalten zwischen Kunden und Anbietern auf Augenhöhe. Technische Innovationen werden zum einen vor allem für verändertes Nachfrageverhalten entwickelt. Zum anderen führten aber auch erst neue technische Geräte wie das Smartphone, hier vor allem die Markteinführung des iPhone in Deutschland 2008 und die Verbreitung von Apps sowie das Tablet zu einem veränderten Nutzungsverhalten von Finanzdienstleistungen.[46] Die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung neuer Technik wurde erkannt und funktionierende und einfache Angebote für Mobile-Banking am Markt platziert.[47] Immer bedienerfreundlichere Apps erhöhen die Nutzungsmöglichkeit für den Zahlungsverkehr, für Wertpapiertransaktionen oder für die Informationsbeschaffung.

Die folgende Abbildung 5 zeigt die vergangene und prognostizierte Nutzung von Smartphones (blau) und Tablets (orange) in Deutschland. Bis 2014 liegen belastbare Zahlen vor, ab 2015 handelt es sich dabei um eine wissenschaftliche Prognose.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: (Prognose der) Smartphone- / Tablet-Nutzer von 2012 bis 2018[48]

Wie zu erkennen, ist ein deutlicher Anstieg in der Nutzung von Smartphones und Tablets vorhanden. Vor allem Smartphones werden laut vorliegender Prognose bereits 2015 von der Hälfte (52,8%) der deutschen Bevölkerung genutzt und in 2018 auf bis zu 71,4 Prozent ansteigen. Die Tablet-Nutzung wird sich voraussichtlich bis 2018 auf 48,4 Prozent entwickeln. In welchem Umfang und für welche Apps die Nutzung der Endgeräte benutzt wird, bleibt dabei zunächst unberücksichtigt.

Der klassische Filialkunde galt in den Augen vieler Banken und Sparkassen nicht als internetaffin, so dass ein breites Angebot über Online-Kanäle nicht notwendig erschien. Doch der Anteil der Kunden, die innovative Techniken nutzen, wird immer größer.[49] Der Weg zur Sparkassenfiliale wird dabei offensichtlich immer seltener, da junge Kunden es gewohnt sind viele Dinge online zu bewältigen. Neben dem Anteil der Kunden, die mit den Neuen Medien aufwachsen, sind auch bei Kunden im Alter von über sechzig hohe Zuwachsraten zu verzeichnen. Während im Jahr 2011 erst 21 Prozent der Personen im Alter über sechzig ein Online-Konto unterhielten, waren es 2014 bereits 33 Prozent.[50] Das entspricht einem Zuwachs von rund 57 Prozent. Neben diesen beiden Kundengruppen existieren in der mittleren Altersgruppe meist Berufstätige, die oft aus zeitlichen oder örtlichen Gründen den Weg in die Filiale nicht suchen.[51] Eine im Jahr 2015 unter Sparkassenkunden aller Altersgruppen durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass die Nutzung der Filiale deutlich nachgelassen hat. Die etablierten Sparkassen Apps „Sparkasse“ und „Sparkasse+“ sowie das Online Banking haben eine deutlich höhere Frequentierung als die Filiale.[52] Die neuen Informationsmöglichkeiten führen zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten der Kunden. Da sie an Vielfalt und Sofortverfügbarkeit gewöhnt sind, sind sie ungeduldiger, wählerischer und kritischer.[53] In der Zukunft werden Kunden stärker denn je bestimmen, was sie wann nutzen wollen. „Sie sind Könige der Geschäftsbeziehung – so stark wie noch nie in der Geschichte“, ist sich DSGV-Präsident Georg Fahrenschon sicher.[54]

Kundenströme lassen sich bereits jetzt nicht mehr einfach kanalisieren und über Öffnungszeiten im Dienstleistungsgewerbe vorgeben.[55] Es kommt darauf an, Finanzdienstleistungen als Teil der täglichen Lebenswelt anzubieten und Kunden der Banken und Sparkassen überall hin zu begleiten, möglichst mit den persönlich bekannten Ansprechpartnern. Entscheidendes Kriterium ist dabei nicht die Größe des anbietenden Instituts, sondern vielmehr dessen Präsenz am Markt. Im Gegensatz zum stationären PC oder Laptop führt man das Smartphone immer mit sich und ist dadurch in der Lage, jederzeit Beratungsleistungen zu erhalten oder sich aktiv zu informieren. Die Anbieter, die über entsprechende Apps Zugang zu den entsprechenden Endgeräten bekommen, sind für den Kunden stets sichtbar und präsent. Kunden erwarten, dass Transaktionen auf ihrem Smartphone oder Tablet sofort bei der entsprechenden Bankfiliale eingehen und Interaktionen mit der Bank einfach und ansprechend sind, so das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company Germany Inc.[56]

Neben einem deutlich abgewandelten Nutzungsverhalten der verschiedenen Vertriebs- und Kommunikationskanäle haben sich auch das Wechselverhalten der Kunden und die entsprechende Loyalität gegenüber ihrer Hausbank verändert. Nach einer Studie aus dem Jahr 2012 der Unternehmensberatung Bain & Company Germany Inc. unter knapp 3.000 Privatkunden sind vor allem im Bereich der Großbanken über 40 Prozent der Kunden „nicht oder nur einigermaßen zufrieden und wechselbereit.“[57] „Bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken liegt dieser Anteil zwar niedriger, doch ist auch hier jeder dritte bis vierte Kunden offen für einen Wechsel. Der Wille zum Wechsel muss nicht zwingend in einer Kündigung der Kontoverbindung enden. Gefährlich ist auch die schleichende Verschiebung von Assets in Form von Tagesgeldern, Depotverwahrung oder auch von Konsumfinanzierungen, die die Ertragssituation schmälern.“[58]

2.2.3 Technologische Umwelt

In den letzten Jahren hat vermutlich kein Sektor der Umwelt so viele Veränderungen erfahren wie die technologische Umwelt. Dabei ist die Digitalisierung in der Bankenbranche keine besonders neue Entwicklung, sondern bereits im Verlauf der letzten 15-20 Jahre erkennbar. Nur die Wucht und die Schnelligkeit der letzten Jahre ist besonders beeindruckend, stellte Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Deutscher Banken e.V., fest.[59] Banken und Sparkassen haben dabei in den letzten Jahren kaum Innovationen nach außen gezeigt.

Die Einführung von neuen technischen Endgeräten wie das Smartphone und das Tablet zählen zur technischen Umwelt. Diese wurden aber aufgrund der großen sozio-kulturellen Bedeutung mit entsprechenden Veränderungen im Nutzungsverhalten der Kunden bereits unter Punkt 2.2.2 ausführlich beschrieben. Wenn man Apps, die lediglich das Konto oder Umsätze zeigen, ausklammert, wurden das mobile Internet und der veränderte Lebensstil bei Banken und Sparkassen in der Vergangenheit kaum berücksichtigt. Seit einigen Jahren laufen vor allem Bemühungen von Unternehmen aus dem Internetumfeld in die Finanzbranche einzusteigen und Kreditinstitute in dessen Kerngeschäft anzugreifen. Da Kunden von Banken und Sparkassen über die digitalen Vertriebskanäle von Einzelhändlern, Reiseanbietern etc. bereits im Internet unterwegs sind, rücken die neuen Anbieter von Finanzdienstleistungen immer näher an den zukünftigen Point of Sale, dem elektronischen Warenkorb, heran.[60] Digitalisierte Finanztechnologien, sogenannte FinTechs, nutzen die vollen Möglichkeiten der Informationstechnologie, um bestehende Arten von Finanzdienstleistungen in einer völlig neuen Form mit einem spürbar höheren Kundennutzen und einer transparenten Kostenstruktur anzubieten.[61]

Digitalisierte Finanztechnologien, deren Entwicklung und die sich daraus ergebende Bedeutung für Sparkassen und das Nutzungsverhalten vernetzter Kunden sind von hoher Bedeutung. Im nächsten Kapitel erfolgt daher eine umfangreiche Beschreibung und Analyse der FinTechs.

3 Bestandsaufnahme von digitalisierten Finanztechnologien

Verfolgt man die Diskussion in den Medien, so könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Zeit der Sparkassen schon bald abgelaufen ist. Es wird der Anschein vermittelt, dass die Zukunft den aufstrebenden Anbietern von FinTechs gehört, die die Digitalisierung stark vorantreiben. „Andere Stimmen mahnen bereits vor dem neuen Hype und einer erneuten Dot-Com-Blase, wie vor 15 Jahren mit dem Internet-Hype.“[62] Banken und Sparkassen werden sicherlich nicht überflüssig werden. Aber genauso sicher werden sie sich der Entwicklung nicht entziehen können. In diesem Kapitel werden die Besonderheiten der FinTechs und deren verschiedene Geschäftsmodelle beschrieben. Grundsätzlich wird sich aber nicht detailliert mit einzelnen Anbietern und Funktionen beschäftigt, sondern übergeordnet auf die Einflüsse auf die Finanzbranche eingegangen.

3.1 Digitalisierte Finanztechnologien (FinTechs)

FinTech ist ein Sammelbegriff für den intelligenten Einsatz moderner Technologien im Bereich der Finanzdienstleistungen. Der Terminus FinTech bezeichnet alle Technologien rund um das Geldgeschäft, beispielsweise auch einzelne Anbieter aus der Gastronomie, um Warteschlangen zu vermeiden oder ein vereinfachte Orderabwicklungen zu ermöglichen.[63] Diese Angebote sind weder weniger innovativ noch weniger hilfreich. Hier wird der Fokus im Bereich der FinTechs aber auf Finanzprodukte und -dienste gelegt.

Anbieter sind Startups oder Ableger von großen Internetunternehmen. Die bekanntesten Unternehmen, die direkt oder über Tochtergesellschaften den Einstieg in den FinTech-Markt vorgenommen haben, sind Google, Apple und Amazon.[64] Alle neuen Anbieter haben gemeinsam, dass sie ursprünglich aus dem Bereich der Non Banks oder Near Banks stammen und damit branchenfremd sind. Dafür verstehen sie die Sprache des Internets nahezu perfekt und können das Angebot der immateriellen und leicht kopierbaren Finanzprodukte und -dienste klassischer Banken über den mobilen Vertriebskanal vergleichsweise günstig und transparent darstellen.[65] Zunächst traten FinTechs nicht als Produktinnovationen auf, sondern erhöhten durch neuartige technische Funktionen den Kundennutzen und Bedienkomfort bei etablierten Angeboten in vollkommen elektronischer Form, vor allem via Smartphone oder Tablet. Mit Hilfe von daten- und algorithmenbasierten Analysemethoden werden einzelne Finanzdienste digital so individualisiert angeboten, dass den Kunden ein höherer Nutzen ermöglicht wird.[66] Bei anderen FinTechs werden Daten wie das Zahlungsverhalten oder vom Antragsteller besuchte Internetseiten ausgewertet und daraus Entscheidungen über die Kreditwürdigkeit oder das Anlageverhalten getroffen. Anbieter können dabei im Voraus antizipieren, was Kunden erwarten und bieten entsprechend personalisierte Angebote an.[67] Ähnlich wie bei der technischen Umsetzung von Produktempfehlungen bei Amazon greifen bestimmte Anwendungen dabei auf die Analyse von Big Data[68] zurück. Andere FinTechs nutzen moderne Social Media Plattformen für eine Echtzeit-Interaktion mit den Kunden und um eine offene Kommunikation der Kunden untereinander zu ermöglichen und die Entscheidungsprozesse der Einzelnen zu unterstützen. Gleichzeitig können neue Markttrends leichter erkannt und zurückgekoppelt werden. Vor allem im Startup-Bereich werden die Nutzer der einzelnen Anwendungen durch die Social Media Plattformen mehr als Mitglieder einer Community gesehen statt im Anbieter-Kunden-Verhältnis. So sollen teure Prozesse und Abläufe bewusst durch Absprachen zwischen Anbietern und Nutzern vermieden werden, um die Idee und den Erfolg des FinTech nicht zu gefährden.

Ziel der neuen Anbieter ist vor allem das Privatkundengeschäft. Aber auch das Kapitalmarktgeschäft und das mittelständische Firmenkundengeschäft wird immer mehr in den Fokus genommen.[69] Von FinTechs abgebildete Finanzprodukte und -dienste sind vor allem die weniger wissensintensiven und leicht zu standardisierenden Arten. Das Angebot besteht hauptsächlich aus Leistungen

- der mobilen Kontoführung und dem Zahlungsverkehr mit neuen Zahlformen über Smartphones am Point of Sale
- Finanzierungen für Privatkunden und Unternehmen durch private Anleger aus Internetportalen und -netzwerken
- Social-Trading-Netzwerke
- persönliche und individuelle Informations- und Vergleichssysteme für Kunden von angebotenen Produkten und Dienstleistungen
- und neuen Formen der Übertragung digitalisierter Rechte (z.B. Bitcoin-Technologie).

Anders als in vielen anderen Branchen, die bereits eine disruptive Entwicklung erlebt haben, sind die regulatorischen Hürden im Bankensektor sehr hoch. Einige davon wurden in der Analyse des politischen und rechtlichen Umfeldes unter Punkt 2.2.1. bereits genannt. Diese Grundlagen müssen bei fast allen Finanzprodukten und -diensten eingehalten werden, was mit hohen Kosten und notwendigem Knowhow verbunden ist. „Gerade für kleine Startups sind diese regulatorischen Anforderungen abschreckend, da bei dem Aufbau des Geschäftsmodells nicht über eine kalkulierte Zeit geplant werden kann“, argumentiert Karsten Wenzlaff vom „Institut für Kommunikation in sozialen Medien“ und gleichzeitig Pionier im Bereich des Crowdfunding.[70] Unter diesen Gesichtspunkten ergäbe sich eine Art Markteintrittshürde für neue Formen der Finanzdienstleister.

Das Angebot der neuen Akteure konzentriert sich entsprechend eher auf Finanzprodukte und -dienste, die nicht einer regulatorischen Aufsicht unterliegen oder für die keine Lizenzen benötigt werden.[71] Neue Anbieter können durch ihren schlanken Aufbau agiler handeln und besetzen Nischen oder gestalten ihr Geschäftsmodell bewusst um die Regulierungspflicht herum in dem sie nur als Vermittler auftreten. Andere arbeiten in Teilbereichen bereits mit vollständig regulierten Instituten zusammen, so genannten White-Label-Lösungen, oder verfügen als etablierte Anbieter bereits selbst über eine Bankenlizenz nach §32 Kreditwesengesetz oder zumindest über eine E-Money-Lizenz nach §8a Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz.[72] E-Money-Lizenzen, über die beispielsweise Facebook bereits verfügt, bedürfen einer deutlich abgemilderten Zulassungsvoraussetzung, reichen aber aus, innerhalb des geschlossenen Social Media Netzwerkes einen virtuellen Zahlungsdienst anzubieten und damit Gelder unter den Nutzern transferieren zu können. Je nach Ausgestaltung der Lizenz könnte man bei der Anzahl an Nutzern von Facebook bereits über ein eigenständiges europaweites oder weltweites Payment-System sprechen.[73] Klassische Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte dürfen von E-Money-Lizenzinhabern nicht durchgeführt werden. In Tabelle 1 sind die Voraussetzungen und die verbundenen Rechte aus der Banklizenz und der E-Money-Lizenz gegenübergestellt.

Tabelle 1: Bank- und E-Money-Lizenzen[74]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die zukünftige regulatorische Einstufung von FinTechs ist aktuell noch in der Diskussion. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin begrüßt die Entwicklung der FinTechs mit frischen Ideen in der Bankenbranche. „Man muss Kleinstunternehmen erst mal kommen lassen. Wenn die von der ersten Sekunde an mit der ganzen Wucht einer klassischen Finanzregulierung konfrontiert sind, dann tut sich da nicht viel“, erklärt BaFin-Präsident Felix Hufeld seine Position zur Regulierung.[75] Der Präsident des DSGV, Georg Fahrenschon, und der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., Andreas Krautscheid, beide Vertreter der etablierten Anbieter von Finanzdienstleistungen, nahmen auf der Ausschusssitzung des Deutschen Bundestags vom 11. November 2015 klar Stellung für eine Gleichbehandlung in der Aufsicht aller Anbieter. Etablierte Anbieter von Finanzdienstleistungen außerhalb der klassischen Banken sollen bei „gleichen Risiken auch die gleichen Regeln einhalten“[76] müssen, um eine vollumfängliche Sicherheit an den Finanzmärkten zu gewährleisten.[77] Die Interessenslage aller Vertreter ist klar. In dem bisherigen Umgang mit der Regulierung stecken eine Vielzahl von Chancen und Risiken, was die Innovationsgeschwindigkeit und die Kostenstruktur der unterschiedlichen Anbieter betrifft.

Derzeit werden im europäischen Kontext in den Niederlanden, in Großbritannien und in Frankreich drei ganz unterschiedliche und innovative Varianten der Aufsicht von FinTechs umgesetzt. Eine einheitliche europäische Richtlinie oder Verordnung ist noch nicht abzusehen.[78]

3.2 FinTech-Geschäftsfelder in der Bankwertschöpfungskette

Eine wissenschaftliche Abgrenzung der unterschiedlichen Geschäftsfelder
und -modelle im Bereich der FinTechs existiert nicht. Aus umfangreichen Eigenrecherchen ergibt sich, in Anlehnung an die Positionierung der Geschäftsmodelltypen nach dem zeb.innovation monitor[79], die in Abbildung 6 dargestellte Übersicht mit fünf Geschäftsfeldern mit jeweiligen Beispielen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: FinTech Geschäftsfelder in Deutschland[80]

Wie in Abbildung 6 erkennbar, tangieren die Veränderungen nahezu alle Geschäftsfelder eines Kreditinstituts: Kontoführung, Zahlungsverkehr, Kredite und Geldanlage. Zudem rückt der Bereich der Versicherungen verstärkt in den Fokus neuer Anbieter, was hier jedoch aus dem Bereich der bankenüblichen Finanzprodukte und -dienste ausgeklammert wird und zukünftig über den Terminus InsurTech ein eigenes Tätigkeitsfeld beschreibt.

Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei allen Anbietern von FinTechs um spezialisierte Dienstleister, die nicht den Anspruch haben, die gesamte Produktpalette einer Bank oder Sparkasse bereitzustellen. Selektiv sollen einzelne Leistungen und Prozesse für den Kunden attraktiver gestaltet werden, als es klassische Anbieter können. Dabei konzentrieren sie sich nicht nur auf die Verbesserung des Front-End und der Nutzerfreundlichkeit, sondern greifen mit innovativen Ansätzen in den Wertschöpfungsprozess ein.[81] Digital-affine Kunden sind es aus anderen Branchen, beispielsweise beim Buchen von Flügen oder beim Herunterladen von Musik, gewohnt, einen Teil der Wertschöpfungskette selbst zu übernehmen.[82] Das Augenmerk obliegt dabei auf Nischen und Segmenten, um die Abläufe getreu dem Motto „better, cheaper, faster“[83] zu gestalten. Oft sind klassische Kreditinstitute weiterhin als Abwicklungspartner im Hintergrund aktiv, der Berührungspunkt zwischen dem Kunden und dem Anbieter erfolgt jedoch über das Interface der unterschiedlichen FinTechs.

Folgend erfolgt eine ausschnittweise Beschreibung der fünf Geschäftsfelder mit Schwerpunkt auf den Besonderheiten gegenüber klassischen Anbietern von Finanzdienstleistungen. Für ein besseres Verständnis werden dabei einzelne Anbieter von FinTechs skizziert. Eine ausführlichere Zusammenstellung über aktuelle FinTech-Anbieter ist im „Factbook 2015: Innovative Geschäftsmodelle im Banking“ von Paxmann und Roßbach zu finden. Aufgrund der ständigen Entwicklung mit einer Vielzahl an Startups kann jedoch immer nur eine eingeschränkte Aktualität abgebildet werden.

Banking

Im Banking sind die geringsten Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen Sparkassen mit Online-Zugang und FinTechs zu erkennen, da die Entwicklung schon aufgeholt wurde. Ein passendes Online Banking und Mobile Banking zum Girokonto gehört mittlerweile zum Standardangebot aller Sparkassen in Deutschland. Um ungenutzte Potenziale weiter auszubauen, entdecken immer mehr Anbieter neue Möglichkeiten in der Informationsaufbereitung durch Smartphone- oder Tablet Apps. Persönliches Finanzmanagement (PFM) mit der Auswertung von Kontoumsätzen und die Führung von elektronischen Haushaltsbüchern sowie weitere Zusatzangebote zum Konto werden angeboten. Mit intuitiven Bedienungen der Apps soll die Kundenbindung erhöht werden.[84] PFM ist mittlerweile bereits Standard und wird von vielen Banking Apps angeboten.

Mit Number26[85] ist in Deutschland seit 2015 ein neuer Anbieter im Bereich Banking am Markt. Number26 rückt das Smartphone in den Mittelpunkt des Bankgeschäfts. Die Kontoführung erfolgt ausschließlich online und grundsätzlich app-basiert. Number26 tritt im Front-End mit dem bankfreien Girokonto und einer dazugehörigen MasterCard oder MaestroCard für die Bargeldversorgung auf. Im Back-End ist mit der WireCard Bank AG ein Anbieter mit Vollbanklizenz vorhanden. Support, Information und Kommunikation erfolgen über SMS, Push-Nachrichten oder Mitteilungen in sozialen Netzwerken. Geldbeträge bis zu 100,00 € können ohne vorherige Angabe einer Bankverbindung mittels SMS oder Email an Freunde gesendet werden. Nach eigenen Angaben im Online-Auftritt erfolgt die Kontoeröffnung mittels voll elektronischer Technik innerhalb von acht Minuten. Die Legitimationsprüfung wird über den PC, das Smartphone oder das Tablet in einer Face2Face-Anwendung durchgeführt. In einem Selbstversuch konnten die Zeitangaben nahezu bestätigt werden.[86] Die Legitimationsprüfung mittels eines Deutschen Reisepass konnte wie angegeben mit dem Smartphone durchgeführt werden. Das Kreditscoring im Zuge der Beantragung eines Dispositionskredites erfolgt ebenfalls über die App.[87]

Payment

Ein Kerngeschäft der Sparkassen ist der Zahlungsverkehr. Neue Anbieter bieten Alternativen zu klassischen Zahlungsmitteln wie Überweisung, Lastschrift, ec-Karten- oder Kreditkartenzahlung. Schwerpunkte sind die Zahlungsabwicklung im Online-Handel, Person2Person-Zahlungen sowie Zahlungen im stationären Handel mit mobilen Endgeräten.[88] Ziel ist es, den Kunden Lösungen anzubieten, die benutzerfreundlicher, schneller und zudem stärker multikanalfähig sind. Neben Startups aus den Bereichen Online-Payment und Mobile-Payment ist in diesem Geschäftsfeld der amerikanische Anbieter PayPal[89] bei Zahlungsabwicklungen im Online-Handel sowie bei Person2Person-Zahlungen bereits seit Jahren etabliert. Die Identität des virtuellen Kontos wird bei PayPal über die Emailadresse definiert. Eine in 2015 vom ECC Köln durchgeführte Umfrage unter 2.040 Online-Käufern zeigt, dass bereits fast jede vierte Zahlung in deutschen Online-Shops über PayPal (23,9%) erfolgt. Die Zahlungsverfahren Überweisung und Lastschrift folgen mit 23,5 Prozent bzw. 21,9 Prozent vor der Kreditkarte (16,6%) knapp dahinter.[90] Alle weiteren Zahlungsverfahren sind bislang eher unbedeutend. Eine branchenweite Kooperation der privaten Geschäftsbanken, der genossenschaftlichen Banken sowie der Sparkassen-Finanzgruppe führt seit 2015 mit PayDirekt[91] ein alternatives Zahlungsverfahren zu PayPal in Deutschland ein.[92]

Mit den drei Branchenführern für Smartphone Hard- und Software Apple, Samsung und Google wird der Durchbruch im Mobile Payment angekündigt. Via Smartphone App und eingebauter NFC[93] -Technik können Transaktionen kontaktlos im stationären Handel erfolgen und dabei physische Kreditkarten überflüssig machen. Kassenbelege verwalten sich automatisch in der App. In der Wertschöpfungskette bleiben Banken und Kreditkartengesellschaften im Mobile Payment noch als Zahlungspartner beteiligt. Im Vordergrund der Anbieter stehen zunächst die schnellere Abwicklung und die ständige Verfügbarkeit. Im Online-Handel und bei Person2Person-Zahlungen sind externe Zahlungspartner nicht notwendig. Die Kernaktivitäten der FinTechs beschränken sich vor allem auf die Wartung des Front-End, der Sicherheitsgewährleistung, dem Customer Support und zurzeit noch der Akquise neuer Partner.

[...]


[1] Filkorn, M. (2015): Digital Transformation Blog, Abruf vom 24.01.2016.

[2] Larry Page ist neben Sergey Brin Mitbegründer der Firma Google Inc.

[3] Steve Jobs war Mitbegründer und langjähriger CEO der Firma Apple Inc.

[4] Vgl.: Brock, H. (2015): S. 29.

[5] Vgl.: o. V. (2014a): Online-Banking in Deutschland, Abruf vom 25.01.2016.

[6] Schmiechen, F. (2015): Deutsche Firmen haben nicht verstanden, Abruf vom 25.01.2016.

[7] Vgl.: Atzler, E. / Witsch, K. (2015): Handelsblatt, S. 28.

[8] Vgl.: IMF (2014): Die 20 Länder mit dem größten BIP im Jahr 2014, Abruf vom 30.11.2015.

[9] Vgl.: Bley, A. (2012): S. 22.

[10] Vgl.: Bley, A. (2012): S. 24.

[11] BMJV (2015): KWG §1 Begriffsbestimmung, Abruf vom 24.12.2015.

[12] Vgl.: DSGV (2015a): Marktanteile an den Privateinlagen 2014, Abruf vom 30.11.2015.

[13] Vgl.: BVR (2015a): Alle Volksbanken und Raiffeisenbanken 2014, Abruf vom 30.11.2015.

[14] Vgl.: DSGV (2015b): S. 9.

[15] Vgl.: o. V. (2004) Niedersächsisches Sparkassengesetz, S. 2.

[16] Vgl.: DSGV (2015b): S. 9.

[17] Vgl.: Deutsche Bundesbank (2015a), Marktanteile d. Bankengruppen, Abruf vom 30.11.2015.

[18] Bieberstein, I. (2015): S. 3.

[19] Vgl.: Bieberstein, I. (2015): S. 11.

[20] Vgl.: Bieberstein, I. (2015): S. 15.

[21] Vgl.: Bieberstein, I. (2015): S. 16.

[22] Vgl.: Ebenda.

[23] Vgl.: Bieberstein, I. (2015): S. 17.

[24] Bieberstein, I. (2015): S. 23.

[25] Vgl.: Vlaar, R. / Siebelt, P. (2013): S. 199.

[26] Brock, H. (2015): S. 45.

[27] Vgl.: Vlaar, R. / Siebelt, P. (2013): S. 187, Brock, H. (2015): S. 46 und Baxter, M. / Vater, D. (2014): S. 4.

[28] In Anlehnung an: Deutsche Bundesbank (2015b), Anzahl der Kreditinstitute in Deutschland, Abruf vom 30.11.2015.

[29] In Anlehnung an: Deutsche Bundesbank (2015c), Anzahl der Bankstellen in Deutschland, Abruf vom 30.11.2015.

[30] Vgl.: Investors Marketing (2015), Anzahl der Direktbank-Kunden, Abruf vom 30.11.2015.

[31] Vgl.: BVR (2015b), Entwicklung der Anzahl von Volksbanken, Abruf vom 30.11.2015 und Deutsche Bundesbank (2015d), Sparkassen und Filialen, Abruf vom 30.11.2015.

[32] In Anlehnung an: Deutsche Bundesbank (2015d), Anzahl d. Sparkasse und Filialen, Abruf vom 30.11.2015.

[33] o. V. (2015a): S. 12.

[34] Vgl.: Steinmann, H. / Schreyögg, G. / Koch, J. (2013): S. 162.

[35] Vgl.: Steinmann, H. / Schreyögg, G. / Koch, J. (2013): S. 160-163.

[36] Vgl.: Johnson, G. / Scholes, K. / Whittington, R. (2011): S. 157.

[37] Vgl.: Steinmann, H. / Schreyögg, G. / Koch, J. (2013): S. 164.

[38] Vgl.: Steinmann, H. / Schreyögg, G. / Koch, J. (2013): S. 164.

[39] Vgl.: Johnson, G. / Scholes, K. / Whittington, R. (2011): S. 115.

[40] Vgl.: Hellenkamp, D. (2015): S. 36.

[41] Vgl.: Hellenkamp, D. (2015): S. 37.

[42] Deutsche Bundesbank (2015e): S. 33.

[43] Vgl.: Hellenkamp, D. (2015): S. VI und Duthel, H. (2013): S. 77 f.

[44] Vgl.: Seidel, M. / Liebetrau, A. (2015): S. VII.

[45] Vgl.: Steinmann, H. / Schreyögg, G. / Koch, J. (2013): S. 171.

[46] Vgl.: Brock, H. (2015): S. 46.

[47] Vgl.: Brinkmann, S. (2012): S. 227.

[48] In Anlehnung an: Schmidt, H. (2015), Anzahl der Smartphone-Nutzer, Abruf vom 03.12.2015 und eMarketer (2015), Anzahl der Tablet-Nutzer, Abruf vom 03.12.2015.

[49] Vgl.: Stalla, C. (2015): S. 211.

[50] Vgl.: Ebenda.

[51] Vgl.: Stalla, C. (2015): S. 210.

[52] Gericke, U. (2015), S. 4.

[53] Vgl.: Schmidt, K. (2013): S. 113.

[54] Fahrenschon, G. (2015a): Banken im Umbruch, Abruf vom 25.01.2016.

[55] Vgl.: Fahrenschon, G. (2015b): Fachgespräch „Digitalisierung der Finanzwirtschaft“.

[56] Vgl.: Baxter, M. / Vater, D. (2014): S. 8.

[57] Sinn, W. et al. (2012): S. 13.

[58] Sinn, W. et al. (2012): S. 13.

[59] Krautscheid, A. (2015): Fachgespräch „Digitalisierung der Finanzwirtschaft“.

[60] Vgl.: Czajkowski, S. (2015): Fachgespräch „Digitalisierung der Finanzwirtschaft“.

[61] Vgl.: Kipker, Dr. I. (2014): S. 3.

[62] Brendel, J. (2015), S. 4.

[63] Vgl.: Weitekamp, L. (2014): Startup-Trend FinTech, Abruf vom 25.11.2015.

[64] Vgl.: Dombret, A. (2015): S. 3.

[65] Vgl.: Kipker, I. (2014): S. 3 und Paxmann, S. / Roßbach, S. (2015): S. 5.

[66] Vgl.: Dapp, T. (2015): S. 13.

[67] Vgl.: Dapp, T. (2014): S. 26.

[68] Def.: Big Data bezeichnet den Einsatz und die Auswertung großer Datenmengen aus vielfältigen Quellen zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen, Segmentierung von Kunden und der Generierung von Einsparpotenzialen.

[69] Vgl.: Neßhöver,C (2014): Die Bankenstürmer, Abruf vom 29.11.2015.

[70] Vgl.: Wenzlaff, K. (2015): Fachgespräch „Digitalisierung der Finanzwirtschaft“.

[71] Vgl.: Dapp, T. (2014): S. 18.

[72] Vgl.: Ebenda.

[73] Vgl.: Dapp, T. (2014): S. 21.

[74] In Anlehnung an Dapp, T. (2014): S. 18.

[75] Vgl.: o. V. (2015c): Warum sich Banken auf FinTechs stürzen, Abruf vom 19.11.2015.

[76] Fahrenschon, G. (2015b): Fachgespräch „Digitalisierung der Finanzwirtschaft“.

[77] Vgl.: Fahrenschon, G. (2015b): Fachgespräch „Digitalisierung der Finanzwirtschaft“ und Krautscheid, A. (2015): Fachgespräch „Digitalisierung der Finanzwirtschaft“.

[78] Vgl.: Wenzlaff, K. (2015): Fachgespräch „Digitalisierung der Finanzwirtschaft“.

[79] Vgl.: Becker, S. / Schneider, K. (2015): FinTechs – Über die Positionierung und Handlungsmöglichkeiten von Banken, Abruf vom 25.12.2015.

[80] Darstellung nach Eigenrecherche und in Anlehnung an Becker, S. / Schneider, K. (2015).

[81] Vgl.: Krautscheid, A. (2015): Fachgespräch „Digitalisierung der Finanzwirtschaft“.

[82] Seidel, M. / Liebetrau, A. (2015): S. 73.

[83] Becker, S. / Schneider, K. (2015): FinTechs – Über die Positionierung und Handlungsmöglichkeiten von Banken, Abruf vom 25.12.2015.

[84] Vgl.: Paxmann, S. / Roßbach, S. (2015): S. 121.

[85] Rechtsform: Number26 GmbH.

[86] Eigenrecherche.

[87] Vgl.: Number26 GmbH (2015): Girokonto, Abruf vom 25.12.2015.

[88] Vgl.: Paxmann, S. / Roßbach, S. (2015): S. 13.

[89] Rechtsform: PayPal Holding Inc.

[90] Vgl.: IfH Köln (2015): Zahlungsverfahren beim letzten Online-Kauf, Abruf vom 28.11.2015.

[91] Rechtsform: PayDirekt GmbH.

[92] Vgl.: PayDirekt GmbH (2015): Über uns, Abruf vom 25.12.2015.

[93] NFC (Near-Field-Communication) ist ein internationaler Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch von Daten.

Ende der Leseprobe aus 118 Seiten

Details

Titel
Chancen und Risiken digitaler Finanztechnologien für bestehende Vertriebsstrukturen von Sparkassen
Hochschule
Hochschule Hannover
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
118
Katalognummer
V368925
ISBN (eBook)
9783668476943
ISBN (Buch)
9783960951018
Dateigröße
17461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Digitalisierung, FinTech, Sparkassen, Banken, Retail, RetailBanking, Finanzdienstleistungen, Disruption, Multikanal, Omnichannel, StudyLab, Hochschule Hannover, Nils Sumfleth, Technologie, Direktbanken, Volksbanken
Arbeit zitieren
Nils Sumfleth (Autor:in), 2016, Chancen und Risiken digitaler Finanztechnologien für bestehende Vertriebsstrukturen von Sparkassen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368925

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Chancen und Risiken digitaler Finanztechnologien für bestehende Vertriebsstrukturen von Sparkassen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden