Rahmen und Figuration. Literarische Experimente im Œuvre Henri Michaux'


Masterarbeit, 2014

74 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

À propos

1. Theoretische Ansätze
1.1. Spielfeld: Rahmen und Figuration
1.2. Der Rahmen in Bild und Schrift
1.3. Linientheorien
1.4. Begriffshorizont des Portraits

2. Textauswahl

3. Rahmenfunktionen
3.1. Plume als Reflex seiner Rahmung
3.1.1. Die Dominanz der Umwelt
3.1.2. Von Damen gesäumt
3.1.3. Ausnahmezustand
3.2. Gestaltung der Gattung
3.2.1. Seile, Stricke, Fäden
3.2.2. Lanzen und Märtyrertum
3.2.3. Meidosemische Gefilde
3.2.4. Der Faktor Zeit

4. Dynamiken der Figuration
4.1. Freiheit in Unfreiheit als Meidosem
4.1.1. Individualität
4.1.2. Der Archetyp Vogel
4.2. Plume als handlungsaktives Element
4.2.1. Erster und zweiter Tod
4.2.2. Stärke in der Argumentation
4.2.3. Emanzipation im Reiseverhalten

5. Gegenentwürfe und Grenzgebiete
5.1. Plumes Wege aus dem Porträt
5.1.1. Maulwurf an der Zimmerdecke
5.1.2. Götter, Risse und Visionen
5.2. Schwellenpunkte der Meidosems
5.2.1. Erzählerstimme
5.2.2. Rahmenübertretung
5.3. Intertextuelle Bezüge als Grenzüberschreitungen

Resümee

Bibliographie

À propos

Les livres sont ennuyeux à lire. Pas de libre circulation. On est invité à suivre. Le chemin est tracé unique. Tout différent le tableau: immédiat, total. À gauche, aussi, à droite, en profondeur, á volonté. Pas de trajet, mille trajets, et les pauses ne sont pas indiquées. Dès qu’on le désire, le tableau à nouveau, entier. Dans un instant, tout est là. Tout, mais rien n‘est connu encore. C’est ici qu’il faut commencer à lire. (H.M. 2001. S.332)

In seinen „Passages“ von 1950 beschreibt Henri Michaux den Leseakt als eintöniges Folgen eines vorgeschriebenen Weges. Das Gemälde hingegen öffne sich im Moment seiner Betrachtung in seiner Ganzheit und Tiefe.

Henri Michaux begibt sich mit seinem Œuvre auf die Suche nach Formen von Ausdrucksmitteln, die Inhalte auf neue Weise transferieren. Mit dem Eingangszitat wird die Fragestellung vorgegeben, auf die der vorliegende Text eine Antwort zu geben sucht. Inwiefern gelingt es Henri Michaux, Prinzipien der zeichnerischen Praxis in seine Literatur zu übertragen? Die methodische Herangehensweise stützt sich auf die zwei Begriffe „Rahmen“ und „Figuration“, deren Definition und Verhältnis zueinander die Analyse nachvollziehen will. Zur Veranschaulichung werden die beiden Termini auf der Basis von Paul Klees Aquarell „ad marginem“ von 1930 hergeleitet. Dieser methodische Kunstgriff soll mithilfe der inspirierenden Rolle Paul Klees für Henri Michaux gerechtfertigt werden. Die Gemälde Paul Klees beeinflussten Michaux maßgeblich in seinen Auseinandersetzungen mit Bild- und Schriftkunst. In den biographischen Betrachtungen Raymond Bellours wird die Inspiration Michaux‘, sich der Malerei intensiver zu widmen insbesondere mit seinem Besuch der Ausstellung Paul Klees 1925 in Paris in Zusammenhang gebracht.[1] Fast 30 Jahre später, 1954, verfasst Michaux das Gedicht „Aventures de Lignes“ (H.M. 2001. S.360ff) als Vorwort zu Will Grohmanns Klee-Monographie, die laut Régine Bonnefoit zum Standardwerk für die Klee-Rezeption in Frankreich avancierte.[2] In diesem Gedicht überträgt Michaux die Linienführung der betrachteten Gemälde mit seiner literarischen Verfahrensweise in Lyrik.

Die Bezüge zwischen den beiden Künstlern sind als einseitig zu bezeichnen insofern sich nur Henri Michaux in seinem künstlerischen Schaffen nachweislich auf den Bauhausmeister bezog. Diese Relation zwischen Michaux und Klee soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit beibehalten werden, indem ein Motiv von Paul Klee zur Ausgangsbasis für die Diskussion einer Verhältnismäßigkeit in zwei Textzyklen Michaux‘ genommen wird.

In der Analyse wird die Aussage des Künstlers „Je peins comme j’écris“ (H.M. 2001. S.1026) als Leitgedanke vorweggenommen. Auf diese Weise kann eine enge Relation zwischen beiden Künsten im Werk Michaux‘ vorausgesetzt werden, die sich rezeptionsästhetisch, aufbaut und in die Produktion einfließt.

So kann dem Textwerk in einem weiteren Abstraktionsschritt malerische Technik vorausgesetzt und gleichsam postuliert werden, dass Michaux schrieb wie er malte. Eine methodische Vorgehensweise, die sich in seinen Texten als ein Versuch spiegelt, sprachliche Gemälde zu illustrieren. Die Brücke zwischen den beiden Künsten lässt sich anhand des Begriffes „Portrait“ belegen, der in den Beschreibungen, Kurzgeschichten, Aphorismen, Fragmenten, Gedichten und Prosagedichten des Künstlers häufig Anwendung findet.[3] Zudem werden die Termini „Rahmen“ und „Figuration“ gleichsam als Indikatoren für die Methodik in Malerei und Literatur gesehen.

Als Vertreter der Aufklärung schrieb Gotthold Ephraim Lessing in seinem Laokoon 1766 Literatur und den bildenden Künsten grundlegende künstlerische Differenzen zu.[4] In der klassischen Moderne, zu deren Vertretern sowohl Henri Michaux als auch Paul Klee gezählt werden, sind die Künste nicht länger vom Primaten der Abbildung oder, wie in aristotelischer Tradition bezeichnet, von Mimesis als Nachahmung der Natur bestimmt,[5] ein Umstand aus dem die Annäherung der künstlerischen Disziplinen resultieren kann.

So verbindet Silvio Vietta die Kunsttechniken, indem er die „Entgrenzung des Bildes“[6] zum Sinnbild für die literarische Moderne erklärt. Im Falle Henri Michaux‘ beginnt literarische Fiktion im Sinne von Malerei zu funktionieren, wobei der Schriftsteller und Autor, wie sich zeigen wird, über die traditionellen Bestimmungen des Begriffs der Ekphrasis hinausgeht.

Die Textzyklen „Un certain Plume“ (1930) und „Portrait des Meidosems“ (1948) werden in den folgenden Kapiteln mit dem Fokus auf die Konstellation von Rahmen und Figuration untersucht, um die intermediale Produktionsästhetik des Autors nachzuvollziehen. In der Analyse gehe ich zunächst von der Annahme aus, dass die Texte aufgrund ihrer unterschiedlichen Entstehungshorizonte und inhaltlichen Schwerpunkte im Bezug auf die Rahmen-Figuration-Dynamik gegensätzlich angelegt sind. Anschließend an den einleitenden theoretischen Teil folgen drei Kapitel, in denen die Konstellationen von Rahmen und Figuration in den beiden Textzyklen mit unterschiedlichem Fokus beleuchtet werden, um die intermediale Produktionsästhetik Michaux‘ nachzuvollziehen.

Zunächst werden die Figurationen daraufhin untersucht, inwiefern sie sich als identisch mit dem Rahmen erweisen, indem sich eine Identität ausschließlich aus ihrem Umfeld konstruiert. Der zweite Fall wird dagegen gesetzt, insofern untersucht wird, ob und wie sich die Figur emanzipatorisch von ihrer Rahmung abgrenzt. In der dritten Sektion wird die Frage aufgeworfen, welche Möglichkeiten und Varianten der Grenzüberschreitung in den Konstellationen ausgeschöpft werden.

Aufgrund der unterschiedlichen Struktur der beiden Textzyklen wird die Vorgehensweise voneinander abweichen. Die Sequenzen von „Un certain Plume“ werden den Schwerpunkten der drei Analysepunkten entsprechend aufgeteilt, während das fragmentarisch organisierte „Portrait des Meidosems“ konzentriert auf seine Motive darin Eingang erhält.

Ziel der Thesis ist eine kontroverse Analyse, deren Resultate den Rückschluss auf das Experiment einer bildhaften Schriftstellerei im Œuvre Michaux’ als gerechtfertigt erweisen.

1. Theoretische Ansätze

Das Aquarell „ad marginem”[7] wird als Sinnbild vorangestellt, um die Definitionen bezüglich der These visuell darzustellen. Ausgehend davon wie Rahmen und Figuration in diesem Gemälde dargestellt sind, werden die Begriffe für die Analyse des Textes vorausgesetzt.

In seinem Fokus leuchtet ein roter Ball, der als Zentrum des Bildes eine paradoxe Wirkung zeigt. Durch seine Dominanz scheinen die weiteren Inhalte des Bildes an den Rand getrieben, also im Sinne des Titels marginalisiert und der Übersetzung Klees zufolge „an den Rand geschrieben“ (Klee. 1970. S.253). In dieser Dynamik der Formationen avanciert der Rahmen zur Schlüsselfigur. Die auf diese Weise verlebendigte Bildgrenze wird zu einer weiteren Ebene, einem selbstständigen Raum erhoben. Die Randwesen und Formen streben dem Mittelpunkt des Bildes zu, scheinen ihren Ursprung jedoch aus der tatsächlichen Bildgrenze zu beziehen. Die Formen entspringen jenem Bereich, der weder als außerhalb noch innerhalb des Bildes nachvollziehbar ist.

Rahmen und Figuration tragen als zwei verschiedene Elemente zur Grundstruktur des Bildes bei. Ein Effekt, der sich sowohl in der Bildkunst als auch in der Literatur verzeichnen lässt. In dem folgenden Zitat von Marta Segarra Montaner, deren Werk „Au pays d’Henri Michaux: la dialectique de l’espace et du temps dans son œuvre écrite“[8] noch als Referenz für die Analyse zur Sprache kommen wird, findet sich ein Begriff von Bild, der eine Annäherung der Künste untereinander suggeriert.

L’image est couramment définie comme la représentation d’un objet qui ne peut pas être saisi immédiatement par la conscience, comme par exemple un concept abstrait […]. Il y aurait ainsi plusieurs types d’images ou plutôt des degrés divers de l’image, depuis l’image allusive, qui est une simple copie de l’objet externe jusqu’à l’image poétique ou littéraire, celle qui nous intéresse ici. (Montaner. 1990. S.74)

Die Kulturtechniken Malerei und Literatur werden für Michaux auch über Verfahren der Ekphrasis[9] füreinander fruchtbar gemacht, wie sie Karl Kürtös in „Henri Michaux et le visuel. Ekphrasis, Mimèsis, Énergie“[10] beschreibt. Die Illustrationen eigener Werke, wie die Lithographien zu „Portrait de Meidosems“ (H.M. 2001. S.200-223) oder diversen „frottages“ von 1946, die 1949 nicht wieder veröffentlicht wurden, aber in „En marge de «La Vie dans les plis»“ in den Œuvres complètes erschienen (H.M. 2001. S.245-258), ergänzen das literarische Werk auf eine Weise, die weitere Interpretationshorizonte eröffnet. Die Illustrationen funktionieren nicht im Sinne einer Kanalisation der Inhalte, sondern erfüllen den Zweck, das Sujet mit komplementären Bildinhalten auszudefinieren.

Auch in der Umschreibung von graphischen Darstellungen als Lyrik in „Lecture par Henri Michaux de huit lithographies de Zao Wou-Ki“ von 1950 veranschaulicht der Autor eine Möglichkeit, die Rezeption von Bildern im schriftlichen Medium abzubilden (H.M. 2001. S.262-279). Einleitend, zu der Lyrik in welcher die Lithographien umschrieben werden,[11] betont der Autor, dass die Betrachtung eines Gemäldes dem Leseprozess gleichkomme, der im Gegensatz zur Literaturlektüre lebendiger und freier sei, wohingegen Bücher die Lektüre stark kanalisierten (H.M. 2001. S.264). Neben dem Rezeptionsprozess, in dem Gemälde im Vergleich zu Büchern als attraktiver gewertet werden, verweist Henri Michaux auf einen weiteren Aspekt. Mit der Aussage „Je peins comme j’écris“ (H.M. 2001. S.1026) in „Sur ma Peinture“ stellt Michaux ein Parallele zwischen den Künsten her, die sich im Schaffensprozess ereignet. „Pour le moment je peins sur des fonds noirs, hermétiquement noirs. Le noir est ma boule de cristal. Du noir seul, je vois de la vie sortir.“ (H.M. 2001. S.319) schreibt er 1938 in „...Peindre“.

Henri Michaux überschreitet die Linie zwischen den Künsten, wenn er ihre Techniken miteinander kombiniert. In den eigens formulierten Reflektionen über Malerei widmet sich der Autor dem Verfahren, indem er wiederum literarisch darlegt.[12] „Est-ce moi, tous ces visages ? Sont-ce d’autres ? De quels fonds venus ?“ (H.M. 2001. S.320) Der Autor und Maler sieht keine paradigmatische Trennung beider Ebenen der künstlerischen Ausdrucksweise vor, sondern handhabt sie spielend in fließenden Übergängen. Es handelt sich um eine Idee von Kunst, die nicht auf Grenzen zwischen den Medien besteht, sondern eine gemeinsame Basis im transitorischen Moment vermutet.

1.1. Spielfeld: Rahmen und Figuration

Anschließend an die Klärung der Bedeutung von Malerei und Schriftstellerei für Henri Michaux soll eine theoretische Grundlage für die Begriffe „Rahmung“ und „Figuration“ geschaffen werden. Um dabei wiederum bei Paul Klee zu beginnen, wird an dieser Stelle auf ein wiederkehrendes Motiv in seinem Werk rekurriert. Seine Gemälde, wie beispielsweise „Vor den Toren von Kairouan“ (1914), „Landschaft in Rot, mit dem weißen Gestirn“ (1917) und „Das Aquarium“ (1927), sind mit einem inneren Rahmen versehen, so dass dieser, als Grenze des Bildes selbst, in Form der Linie in sein Inneres versetzt und durch diese Verdoppelung eine Betonung erfährt. Mittels dieser Nuancierung wird diese innere Rahmung einerseits deutlich von der Figuration im Zentrum abgrenzt, andererseits aber auch selbst zum Sujet des Bildes. Dieser spielerische Umgang betont das Spannungsfeld zwischen beiden Bildkomponenten und ermöglicht die Überleitung zu theoretischen Grundlagen aus angrenzenden Wissenschaften.

Johan Huizinga begründet seine Theorie vom „Homo Ludens“ (1938)[13] unter anderem ausgehend vom programmatischen 14. Brief aus Schillers „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ von 1795. Der Dichtkunst kommt, in den zum größten Teil soziologischen Ausführungen Huizingas, eine zentrale Rolle zu. Sie bleibt den spielerischen Grundzügen der Gesellschaftsordnung verbunden, während sich andere Bereiche wie Religion und Politik vermehrt organisieren und abstrahieren.[14]

Die spielerische Komponente betonte auch Erving Goffman in seinem sozialwissenschaftlichen Werk „Rahmen-Analyse“[15], insofern die Wirklichkeit darin als ein Abkommen ausdifferenziert wird, das sich in Schichten der sozialen Interaktionen konstruiert. Das Zwischenspiel von Rahmen und Individuum ist konstitutiv für die verschiedenen Formen von Gesellschaft, somit der Rahmen determinierend wirkt und dennoch niemand einen Anspruch auf die Kenntnis der Realität erheben kann.

Doch diese Freiheit zur Abweichung von der vorgeschriebenen Rolle ist selbst sehr verschieden, je nachdem wie »formell« der Anlass ist, wie viele Schichten vorliegen, und wie viel Unabhängigkeit zwischen der gespielten Figur und der sie gestaltenden menschlichen Maschine gerade im Schwange ist. Es gibt eine Beziehung zwischen Mensch und Rolle. Doch sie hängt von dem Interaktionssystem ab - dem Rahmen -, in dem die Rolle gespielt wird und das Ich des Darstellers ein wenig sichtbar wird. (Goffman. 1977. S.617)

In diesem Zitat wird bereits eine Argumentation vorweggenommen, die in einem späteren Kapitel auf den Protagonisten Plume übertragen wird.

Wenn Paul Klee den Rahmen in seinen Gemälden selbst thematisiert und ihn in seinen Formen variiert, besteht er auf eine Gestaltung dessen, was jede seiner Zeichnungen zwangsläufig umgibt- den Rahmen als ihre Grenze.

Dieser Umstand kann nicht verändert, nur reflektiert werden und von dieser Möglichkeit scheint Paul Klee Gebrauch zu machen, wie es Bettina Gockel in ihrer Analyse postuliert. “Klee’s posture as an experimental artist was driven by rational intentions and reflections that were understood by him as epistemologically relevant.”[16]

1.2. Der Rahmen in Bild und Schrift

Folglich fungiert der Rahmen als Grenze des Kunstwerks zur Außenwelt sowie er den inneren Abschluss des künstlerischen Sujets bildet. Auf diese Weise kann die Fassung selbst zum Sujet werden. Juri Michailowitsch Lotman resümiert über dieses Phänomen im literaturwissenschaftlichen Kontext, wobei er die Rahmung als einen eigenständigen Text beschreibt.[17] Durch dieses Phänomen werde das Kunstwerk als wiederum unbegrenzte Welt vervollständigt (Lotman. 1993. S.301).

Sujet und Rahmen stehen in einem Bezug zueinander, indem sie sich gegenseitig bedingen. Somit wird einerseits der Rahmen selbst und andererseits die Beziehung von Figuration und Fassung zum Sujet des Bildes bestimmt.

Auch der Philosoph und Soziologe Georg Simmel befasste sich in einem Essay mit dem Phänomen des Bilderrahmens.[18] Wie Lotman kommt er zu dem Schluss, dass die Rahmung als Begrenzung zur Außenwelt essentiell für die Wirkung eines Kunstwerkes als ein Ganzes sei.[19] In seinen Ausführungen unterscheidet Georg Simmel nicht explizit zwischen literarischen und bildenden Künsten. Die Funktion des Bilderrahmens wird aus dem Kunstwerk als seinem Inneren erschlossen. „Was der Rahmen dem Kunstwerk leistet, ist, daß er diese Doppelfunktion seiner Grenze symbolisiert und verstärkt.“ (Simmel. 1995. S.101)

Dem Phänomen des Rahmens widmet sich Ulrike Oudée Dünkelsbühler im Rückgriff auf die Theorien von Immanuel Kant und Jacques Derrida in ihrer Dissertation „Die Kritik der Rahmenvernunft“[20]. Dabei gilt ihr Interesse der griechischen Tragödie und der Möglichkeit von Übersetzungen. Der vereinheitlichenden Logik des Identitätsdenkens, innerhalb dessen eine binär-hierarchische Struktur vorherrscht, tritt sie mit dem reflektierten „transversiven Denken“ entgegen (Dünkelsbühler. 1991. S.37). Ein Anderes, das nur konstruiert wird um das privilegierte Erste zu etablieren, erliegt einer Pseudo-Identität und wird so zu einer leeren Form zur Erhaltung des Schemas. Die Rahmenlogik weist die Gestalt einer Binärstruktur von Innen und Außen auf (Dünkelsbühler. 1991. S.35), wobei das Innere ergon als griechischer Begriff für Werk im Gegensatz zum parergon als Negativum „des nicht zum Werk Gehörenden“ stehe. Diese gegensätzliche Struktur von Identität und Differenz analysiert Dünkelsbühler in der „Kritik der Urteilskraft“. Ihren Ausführungen nach, geht Kant mit gebotener Vorsicht an die Grenzlinie heran. Relativierend und Interpretationsspielraum eröffnend spricht er von „wie Einfassungen der Gemälde“ (Dünkelsbühler. 1991. S.52). „Der Rahmen macht das Eingerahmte nenn- und konzeptualisierbar und konstituiert so dessen Identität – durch die Namen- und Ortsgebung. Ohne jedoch selbst einen sogenannten Ort (lieu propre) zu besitzen.“ (Dünkelsbühler. 1991. S.54) In einem entscheidenden Schritt artikuliert die Autorin die Unschärfe der Trennungslinie, insofern sie durch die konstituierende Wirkung für die Identität des Bildinneren, an ihm partizipiert und nicht mehr als ein gänzlich Anderes betitelt werden kann (Dünkelsbühler. 1991. S.54).

Wenn man so will ist es exakt dieser Effekt, den Klee verstärkend in Szene setzt, wenn er die abstrahierte Form einer Rahmung zum Inhalt des Bildes selbst transformiert. Der rahmende Charakter bleibt auch im Bild explizit erhalten, insofern kein Kontaktpunkt mit der porträtierten Form im Bildinneren, im Fall von „ad marginem“ dem Kreis, entsteht.[21]

Davon ausgehend, dass sich in den beiden zu analysierenden Werken Michaux‘ eine Rahmen-Zentrum-Dynamik wiederspiegelt, die sich am Beispiel der Malerei entfacht, werden sie vergleichbar mit den Bildern Klees zu einem Substrat abstrakter Bezüge, wie es als typisch für die klassische Moderne und darüber hinausweisend für die Postmoderne bezeichnet werden kann.

Eine unterstützende Stimme, durch die einerseits auf das eingangs erwähnte Bild „ad marginem“ und andererseits auf die literarische Verfahrensweise Michaux‘ und die von mir hergestellte Verbindung verwiesen werden kann, kommt mit Gilles Deleuze zum Tragen, wenn er schreibt:

„Ereignisse sind wie Kristalle, sie werden und wachsen nur durch die Ränder und an den Rändern.“[22]

1.3. Linientheorien

Sowohl die von Gilles Deleuze beschriebenen als Kristalle mit dem Rahmen verwachsene Figurationen als auch die Ränder selbst lassen sich in der vorliegenden Untersuchung im Bildnis der prozesshaften Linie fassen.

Die Linie als Grundstruktur, aus der sich sowohl Texte als auch Bilder sowie Figuren und Rahmen konstruieren, zeigt die Referenz von Henri Michaux auf Paul Klee vielleicht am deutlichsten. Jean-Claude Mathieu und Michel Collot postulieren die Linie als ein zentrales Element im Œuvre Michaux‘.

La ligne traverse et travaille toute l’œuvre de Michaux, dessin du sujet, se réticulant chez les Meidosems, révélant sa charge énérgetique chez Klee, se transformant en ondes dans l’expérience de la drogue, pour signifier surtout cette visée-limite d’une écriture qui use des signes comme de pictogrammes.[23]

Um den Prämissen meiner Thesis zu folgen soll die Bedeutung der Linie im Werk Michaux‘ ausgehend von ihrer Relevanz für Paul Klee bestimmt werden.

In dessen theoretischen Ausführungen ist ein Konzept der Linie zu finden, dass an tradierte antike und mathematische Ideale anschließt. Diesem Verständnis widmet sich Régine Bonnefoit in ihrer Dissertation „Die Linientheorien von Paul Klee“.[24] Sie hebt hervor, dass Klee die Linie als rein lineares Element und somit als ausschließlich ideell verstand und lehrte (Bonnefoit. 2009. S.66). Erst in der Zeichnung manifestiert sich das Ideelle als ein Körper in Punkt oder Strichform. Dieses Verständnis der Linie verkörpert den Terminus der, in Gestalt des Rahmens, tangierten Grenzlinie, wie sie von Ulrike Dünkelsbühler ausdifferenziert wird. Unterschieden wird ihre „geistig-ideelle“ und ihre „praktisch-materielle Manifestation“. Letztere wird in der zeichnerischen Praxis als Strich gehandelt, welchem zusätzlich die Eigenschaft der Fläche zugeschrieben wird (Bonnefoit. 2009. S.66f).

Diese Definition von Linie ermöglicht eine Annäherung von Bild und Schrift, da auch die Lettern durch Striche organisiert sind. Paul Klee setzt die Linie historisch als erstes Mittel voraus.

„Bleiben wir also vorläufig beim primitivsten Mittel, / bei der Linie. In Vorzeiten der Völker, wo / schreiben und zeichnen noch zusammenfällt, / ist sie das gegebene Element.“ (Paul Klee 1921/22. S.15)

Kathryn Aichele führt in ihrem Buch „Paul Klee’s Pictural Writing“ die These des Künstlers an, die Linie als ursprüngliches Element für Zeichnen und Schreiben vorauszusetzen.[25]

Das Experiment Henri Michaux‘ eine universelle Schrift in der Absicht zu konstruieren, eine metasprachliche Lesbarkeit zu ermöglichen, zeigt eine weitere Verbindung zwischen den beiden Künstlern. In seinem Versuch werden mittels der Formen seiner Schriftzeichen die Konvergenzen von Bild- und Schriftkunst herauskristallisiert.[26] Margaret Rigaud-Drayton widmet diesem Experiment des Künstlers ihre Monographie „Henri Michaux: Poetry, Painting, and the Universal Sign“[27], in der sie davon ausgeht, dass sowohl Bildkunst als auch Poesie dem Zeichen und somit ursprünglich der Linie entspringen. In der Analyse dieses Umstands stellt Dominique Poncelet das Bestreben Michaux‘ in den Vordergrund, beide Künste in ein komplementäres Verhältnis zu setzten.[28]

Aus diesem Verständnis der Linie als grundlegendem Element für beide Künste schöpfe ich in meiner Untersuchung die Voraussetzung dafür, auch die daraus konstruierten Artefakte Bild und Text auf einer gemeinsamen Basis zu betrachten, um mich aus dieser Perspektive den Texten Michaux‘ zu nähern.

In seiner ersten Bauhaus-Vorlesung vom 14. November 1921 unterscheidet Paul Klee drei verschiedene Kategorien von Linien. Die Linientypen: „aktiv“- „medial“ und „passiv“ ergänzt der Künstler in seinem „Pädagogischen Skizzenbuch“ um sprachliche Erläuterungen.

„Kurz nach dem Ansetzen des Stiftes oder was es sonst Spitzes ist, entsteht einen Linie /[linear- aktiven Charakters] (Je freier sie sich / zunächst ergeht, desto klarer ihre / bewegliche Natur.)“ (Klee. 1912/22. S.15)

Die freie Linie bewegt sich ohne Ziel, sie teilt „imaginäre Flächen“ (Klee. 1921/22. S.17), während die passive Linie hinter die Darstellung einer Fläche zurücktritt und „nicht getan, sondern erlitten“ (Klee. 1921/22. S.16) wird. Im Übergang vom „aktiven“ zum „passiven“ Modell besteht die mediale Linie, als eine Zwischenform. In den „Beiträgen zur bildnerischen Formlehre“ Paul Klees erfährt die mediale Linie eine konkrete Beschreibung.

Linear medial

fig. 11 | 12□

In diesen neuen Fällen umschreibt die befristete / Linie Figuren der Fläche wie Dreieck und Viereck/ oder hier □ Kreis und □ Ellipse

11 Als Linie kennzeichnet sie sich von beruhigendem / Charakter und anfang oder endlos. Elementar betrachtet / (als Handlung der Hand) ist sie gewiss noch Linie, aber / zu Ende geformt, wird die lineare Vorstellung von / der Flächenvorstellung unverzüglich abgelöst. Damit / verschwindet auch der bewegliche Charakter (niemand / wird beim Anblick der Mondscheibe versucht / sein, auf seiner Peripherie Karussel zu fahren) / abgelöst durch den Begriff vollkommenster Ruhe / (beim Kreis hauptsächlich). (Klee. 1921/22. S.16)

In dem Versuch, diese Klassifizierung auf das Bild „ad marginem“ zu übertragen, komme ich zu dem Resultat, dass sowohl die figurative Rahmung als auch die Figuration als Porträt im Inneren aus medialen Linien bestehen. Die Variationen des Rahmen inkorporieren zu Figuren ohne in Flächen zu münden, während der konturierte rote Kreis im Zentrum den Kategorien Paul Klees nach ebenfalls als mediale Linie betitelt würde.

Die mediale Struktur als ein Zwischenraum, der auf das ihn umgebende Feld bezogen ist, sich aber durch seine Komposition zugleich von ihm abhebt, wird in einer Übertragungsleistung für die Figur Plume Michaux‘ relevant, die sich in den verschiedenen Episoden auf ihre Weisen gegenüber der Umwelt positioniert. Konstruiert und aus den Bezügen zu dieser Rahmung in ihrer Funktion gehalten, steht die Figur im Zentrum der Erzählungen. Sie gewinnt an Kontur, indem sie von ihrer Umwelt abgegrenzt wird. Obwohl sich der zweite Erzählzyklus „Portrait des Meidosems“ anders gestaltet, lassen sich deren jeweilige Figurationen ebenso mit den Charakteristika der medialen Linie vergleichen, insofern sie keine eigenständigen fiktiven Gebilde sind, sondern in einem stetigen Austausch mit der sie rahmenden Gattung stehen. In den folgenden Kapiteln der Textanalyse wird untersucht, inwiefern sich die mediale Linie in ihrer Prozesshaftigkeit in beiden porträtierten Figurationen manifestiert.

Eine Charakterisierung der Kleeschen Linie verfasst Henri Michaux 1954 im Rahmen seines Gedichtes „Aventures de Lignes“ (H.M. 2001. S.360- 363).[29]

In diesem Gedicht werden den Linien figurative Züge zugeschrieben. „Une ligne pour le plaisir d’être ligne, d’aller, ligne. Points. Poudre de points. Une ligne rêve. On n’avait jusque-là jamais laissé rêver une ligne.“ (H.M. 2001. S.362) Die Beschreibungen erinnern an die Darstellungen der Meidosems, die wie mediale Linien keiner festen Gestalt zuzuordnen sind. Michaux schließt mit der Annahme, dem Maler mit seinen Ausführungen nicht gerecht zu werden.

Ein Zusammenhang zwischen der Linientheorie Paul Klees und ihrer Abbildung durch Michaux wurde bereits von Regine Prange in ihrem Beitrag „Schrift und Bild. Von Paul Klee zu Henri Michaux“[30] herausgearbeitet. Auch Laurent Jenny betont in „Simple Gestures“[31], dass Michaux in seinen Übertragungen von Klees Linienführung in das Lyrische nicht zuletzt seine eigene kunstschaffende Tätigkeit im Blick hatte.

Einen weiteren Schlüssel bietet die Foucault Rezeption Deleuzes.[32] Nachdem er sich im Kapitel „Topologie: «Penser Autrement»“ dem Wissen und der Macht widmet, erwähnt er Michaux‘ Linie zum Abschluss der „Subjectivation“.

Mais, si terrible soit cette ligne, c’est une ligne de vie qui ne se mesure plus à des rapports de forces et qui emporte l’homme au-delà de la terreur […]. C’est comme une glande pinéale, qui ne cesse de se reconstituer en variant sa direction, traçant un espace du dedans, mais coextensive à toute la ligne du dehors. Le plus lointain devient intérieur, par une conversion au plus proche : la vie dans les plis. (Deleuze. 1986. S.130)

In seiner Schrift „Le passage de la ligne“[33] geht Jean-Luc Steinmetz von einer permeablen Substanz dieser Linie aus. „La ligne, pour Michaux, est toujours porteuse, véhiculaire, transmettrice.“ (Steinmetz. 1987. S.235) Der Essayist schreibt der Linie physikalische Eigenschaften zu, wodurch sie zu einem flexiblen Informationsträger avanciere.[34]

Im Werk Michaux‘ wird die Linie zu einem möglichen Akkumulationspunkt, in dem Individualität erzeugt wird. Diese ist nicht als unabhängig von ihrer Umwelt zu deuten, kann aber dennoch als möglicher Fluchtpunkt für eine individuelle Ausdrucksweise wirksam werden. In dieser Weise funktioniert sie wie die von Paul Klee für den Bereich der Malerei klassifizierten mediale Linie in der Literatur.

1.4. Begriffshorizont des Portraits

Sowohl Plume als auch den Meidosems hat Henri Michaux bildhafte Darstellungen zugeordnet.[35] Die Lithographie „Plume“ (H.M. 1998. S.951) weist Ähnlichkeiten mit der Abbildung auf, die dem Fragment „Oh dortoirs hiboux…“ (H.M. 2001. S.255) zugeordnet ist. In beiden Fällen wurde ein Rumpf abgebildet, der sich in die Extremitäten ergießt, Arme und Beine nur schemenhaft erkennen lässt. Durch die vertikale Strichführung von oben nach unten erhalten die Figurationen einen fließenden Charakter.

Als Genrebegriff wird das Portrait sowohl für Literatur als auch für die Gemäldekunst virulent. Insofern ist es möglich, das Portrait in einer Brückenfunktion für beide Künste zu verorten. In seinen „Passages“ reflektiert der Maler und Dichter über das Spektrum des Porträts.

Le portrait est un compromis entre les lignes de forces

de la tête du dessinateur et la tête du dessiné.

Le trajet définitif est le résultat de la lutte. Certains trajets renforcés, d’autres annulées, quelques-uns détournés. ?” (H.M. 2001. S.325)

Michaux geht nicht von der Möglichkeit aus, ein Modell in einem Porträt tatsächlich abbilden zu können. Auch in diesem Fall steht der prozesshafte Aspekt des Schaffensprozesses im Vordergrund, der sich im Resultat der Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Sujet wiederspiegelt. Sowohl das „Portrait des Meidosems“ als auch „Un certain Plume“[36] funktionieren wie ein Portrait, in dem einem Sujet literarisch und malerisch Gestalt verliehen wird. Während „Un certain Plume“ eine einzelne Figur abbildet, werden die Meidosems[37] als ganze Spezies beleuchtet.

Das „Portrait des Meidosems“ stellt die erzählerische Rahmung in den Vordergrund, sofern sich die Gattung hinter dieser verbirgt. Im Portrait der Einzelperson Plume hingegen steht die Figuration des Protagonisten im Vordergrund, wodurch sich Plume deutlich von seiner Rahmung abhebt.

Als programmatisch für die Zusammenhänge mutet folgende Äußerung Michaux‘ an, in der sich der erzählerische Gestus in seinem Fokus auf das Äußere um den Protagonisten spiegelt. „J’aimerais aussi peindre l’homme autour de lui, peindre son espace. Son meilleur de lui qui est hors de lui, pourquoi ne serait-il pas picturalement communicable?” (H.M. 2001. S.326) Im Gegensatz dazu wird der Begriff des Porträts im Zusammenhang mit der Charakteristik der Meidosems für den Bereich des Inneren geöffnet. Rosalie Deslauliers betont in „Les Meidosems d’Henri Michaux: émergences du dedans orientales“[38] die Prämisse des Autoren, nichts abzubilden was bereits auf der Welt existiert, was mit dem Fokus auf die Darstellungen innererer Welten einhergeht. „Les «portraits» (?) dessinés ensuite par moi en quelques minutes n’ont aucune ressemblance de structure avec le modèle, mais parfois une autre, chargée celle-là et presque hallucinatoire.“ (H.M. 2001. S.324)

Unabhängig davon, ob eine Gattung oder ein Individuum literarisch porträtiert werden soll, wird das Umfeld in der Darstellung virulent. Im Falle des Individuums scheint die Übertragung auf die Begriffe „Rahmung“- als Umwelt und „Figuration“ als Zentrum zunächst vorgegeben. Bildet die Gattung das Sujet des Porträts, sind die Grenzen von Rahmung und Figuration nicht eindeutig festlegbar. Da die Fragmente sich auf meidosemische Gefilde[39] beziehen, wird in der Analyse davon ausgegangen, dass diejenigen Exemplare, die im erzählerischen Fokus der Fragmente stehen, von der Gattung umrahmt werden. Auf diese Weise wird ein reziprokes Verhältnis geschaffen, in dem sich die Individuen aus der Gattung bestimmen und diese ihr Erscheinungsbild gleichsam durch die im Fokus stehenden Exemplare generiert. Hierbei ließe sich auf jene Unschärfe der Trennungslinie rekurrieren, wie sie Ulrike Dünkelsbühler beschreibt, die sowohl für das Bildinnere als auch für sein Äußeres identitätsstiftend wirkt (Dünkelsbühler. 1991. S.54). So wird das Portrait zu einer Hybride aus Sujet und der Perspektive seines Schöpfers.

In der Rezeption zeigt sich eine mediale Linie, die sich in diesem Zwischenspiel prozesshaft ereignet.

2. Textauswahl

Die Aussage Deleuzes „Der Name der seinen eigenen Sinn aussagt kann nur Unsinn sein(Nn).“ (Deleuze. 1994. S.93) bezieht sich auf die Figurenkonstellation in „Alice's Adventures in Wonderland“ im Rahmen der Lewis Caroll-Rezeption des Philosophen. Doch gerade der Name Plume scheint seine Bestimmung in dieser These zu entfalten, da er so angelegt ist, dass er seinen Bedeutungsgehalt in der Antinomie entfaltet. Da der „nom de plume“ für das Pseudonym im literarischen Betrieb steht, wurde allgemein ein Bezug zum Autoren vermutet, den Henri Michaux selbst bestätigt hatte. „Oui, à cette époque de ma vie, Plume – tout Plume – était moi-même, Henri Michaux.“ (H.M. 1998. S.1248)

Andererseits stimmte der Autor den Ausführungen von Cecil Arthur Hackett in „Michaux and Plume“[40] zu, in denen der Cambridger Professor eine Parallele zwischen dem Protagonisten Plume und der Filmfigur Charlie Chaplin postuliert und seinen Namenspaten in der Literatur Edgar Allen Poes[41] vermutet. Die Referenzen führen wiederum zu einer Vielzahl von Indizien aufgrund derer keine eindeutige Zuordnung des Protagonisten möglich ist. Plume steht gleichzeitig für Schreibfeder, im figurativen Sinn für Schreibstil und Berufung zum Schreiben, was Elisabeth Howe zu der Aussage verleitet: “Plume is a writing about Writing”[42], obgleich der Protagonist das Medium der Schrift in den Texten nicht nutzt.

„Un certain Plume“ wird 1930 publiziert. Das Buch beinhaltet 34 Texteinheiten, die in fünf Kapitel unterteilt sind. Im ersten Teil der „première Partie“ befinden sich elf Texte, die sich bis auf eine Ausnahme, nämlich die Erzählung „L’Arrachage des têtes“ alle durch die namentliche Erwähnung des Protagonisten auf Plume beziehen lassen. Im zweiten Teil der „deuxième Partie“ findet die Figur in zwei weiteren Texten namentliche Erwähnung. In der vorliegenden Untersuchung wird das Hauptaugenmerk auf jene Texte gerichtet, in denen Plume als benannte Figur eine Rolle spielt. Unter dieser Prämisse werden auch jene Texte analysiert, die nicht in die Publikation „Plume précédé de Lointain intérieur“ von 1938 wieder aufgenommen werden. Im selben Jahr ergänzt der Autor den Zyklus um weitere vier Texteinheiten, so dass sich die Textanalyse auf insgesamt 17 Episoden beziehen wird.

Raymond Bellour vertritt die These, dass die negativ besetzten Stimmungen der „Mouvements l’intérieur“, wie sie insbesondere in „Difficultés“ ihren Ausdruck finden, in die Außenwelt der Personnage Plume verlagert werden (H.M. 1998. S. 1247).

C. A. Hackett setzt die wiedererkennbare Charakteristik Plumes in Kontrast zu den späteren Arbeiten Michaux‘ im Rahmen derer er die Absurdität des Lebens indirekter abbilde (Hackett. 1963. S.44).

In ihrer Dissertation „’Un certain Plume’ d’Henri Michaux. Analyse des thèmes et du discours“[43] charakterisiert Sophie Bertho Plume, in Anlehnung an Jean-Louis Houdebine[44], als eine Figur ohne Biografie, Wohnsitz und Eigentum, der keine physische oder psychische Beschreibung zuteil wird. Der Protagonist erscheint als ein Ausdruck der Leere und wird in dieser Form ausschließlich durch seine Reaktionen auf die ihn umgebende Umwelt bedingt (Bertho. 1985. S.62).

„Le monde du dehors échappe à Plume, il ne le contrôle pas; bien plus, il est sous son emprise, sous la loi de l’Autre qui soumet Plume à un incessant régime de persécution” (Bertho. 1985. S.63). Mit einer Referenz auf die von Gilles Deleuze und Félix Guattarie geprägten Begriffe wird Plume, der sich mit nichts als seinem Namen kennzeichnen lässt, als der „déterritorialisé par exellence“ bezeichnet (Bertho. 1985. S.63). Dieser Effekt wird dadurch erreicht, dass Plume, den die Autorin auch als Antihelden bezeichnet (Bertho. 1985. S.3), sich in einer Welt bewegt, deren raum-zeitliche Terme ihre Wirkung in der Fiktion auf ihrem Pendant in der erfahrbaren Realität begründen. So sind die Szenen im Restaurant, im Zug oder in der Arztpraxis bis zu einem bestimmten Grad an konkrete Erfahrungswerte der Leserschaft gekoppelt. Von diesen ausgehend entfalten die Ereignisse ihre grenzüberschreitenden Motive. Bertho beschreibt diese Verfahrensweise in den Erzählungen als einzigartig im Werk von Henri Michaux.[45]

Wie Sophie Bertho versucht Inge Degn in ihrem Aufsatz „Communication à rebours. Une lecture de l’œuvre d’Henri Michaux“[46] in Abgrenzung zu den Schriften von Robert Béchon und René Bertelé[47] eine einheitliche Maske für das Œuvre des Autors anzulegen.

Sie bezieht sich auf einen „mythe du Vide“ (Degn. 1988. S.257) hinter dem sich der Versuch verberge, kulturellen, historischen und sozialen Terminationen zu entrinnen. Degn spricht von dem Versuch einer globalen Gesellschaftskritik, in die sie Michaux’ Entwürfe der Gegenwelten eingrenzt. In diesem Kontext gewinnt auch die Theorie Claude Roys Gewicht, der im Rahmen seiner scharfen Kritik an Michaux zur Rettung Plumes als eine Personage „mythique“ und „moderne“ aufruft.[48]

Sophie Bertho erklärt ein metaphysisches Leiden zum Ausgangspunkt der Bilderwelt des Poeten Michaux (Bertho. 1985. S.7). Auch die Meidosems seien der Souffrance unterstellt.

„Ainsi encore le „Meidosem“, étrange créature de La Vie dans le plis, figure même d’un être habité par le vide, sans soutien aucun si ce n’est la souffrance.“ (Bertho. 1985. S.14)

Nicht zuletzt stellt der Name Plume selbst einen Zusammenhang mit den Meidosems über ihr Erscheinungsbild her. Dieses rekurriert auf die Physiologie der Kalamares, deren Gladius aus einer chitinösen Substanz wiederum auch als Plume bezeichnet wird.

„Plus de bras que la pieuvre, tout couturé de jambes et mains jusque dans le cou, le Meidosem.” (H.M. 2001. S.209)

1948, drei Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, acht Jahre nach dem Tod Paul Klees und sechs Jahre vor der Publikation des Gedichtes „Aventures de Lignes“ werden die Meidosems in der Collection „La Vie dans les plis“ publiziert. Im Februar desselben Jahres erliegt Henri Michaux‘ Frau Marie-Louise den tödlichen Verbrennungen, die sie einen Monat zuvor in der gemeinsamen Wohnung erlitt (Bellour. H.M. 2001. S.1103). Ein Umstand, der sich in den Publikationen „Nous deux encore“ (1948) und „Emergences-résurgences“ (1972) direkt widerspiegelt. Die rätselhaften Figuren der Meidosems, thematisieren Tod und Leid auf abstrakte Weise. Sie scheinen in einem Zwischenraum von Literatur und Zeichenkunst angesiedelt zu sein. Ein Umstand, der Raymond Bellour zufolge auch anhand der auffallenden Häufigkeit der verwendeten Lokaladverbien und Indikatoren für Beschreibungen in den Texten belegt werden kann (H.M. 2001. S.1104).

Wo die Episoden um den Protagonisten Plume von dessen Aktivitäten und den Ereignissen in seiner Umwelt handeln, scheinen die Meidosems wie Stillleben oder Landschaftsmalerei zu funktionieren. Die Wesen werden in passiven und abwartenden Gesten geschildert. Michaux selbst äußert sich in einem Brief über die Gattung, indem er sie als einen Gegenentwurf zum Menschen bezeichnet.[49] Dennoch ist der Konzeption der Meidosems ein Bezug zur Person des Autors inhärent. Bereits in „La nuit remue“ existiert ein „Emme“, der nach dem Palindrome der Initiale des Nachnamen Michaux‘ benannt zu sein scheint.[50] Während mit „Emme“ auf die weiblichen Meidosemmes rekurriert wird, entschlüsselt Rosaline Deslauriers den männlichen Gattungsnamen.

„Par ailleurs, en observant attentivement cet étrange néologisme, on peut y reconnaitre le concept grec eidos encadré d’un coté par la lettre M et de l’autre par son homonyme, écrit em.” (Deslauriers. 2002. S.123)

In ihre Kombination aus 70 Textfragmenten, die zum Teil als Prosagedichte oder als Lyrik im freien Versmaß verfasst wurden mit den insgesamt 17 Lithographien, die jeweils mit den Anfangsworten eines Fragments betitelt und auf diese Weise zugeordnet sind, erscheinen die Fragmente als eine poetische Variante der von Michaux um 1946 entwickelten Schule der Malerei, dem „fantomisme“ oder „psychologisme“ (H.M. 2001. S.322ff).[51]

Raymond Bellour zufolge, sind die Meidosems das letzte Volk, das Henri Michaux porträtierte (H.M. 2001. S.1104).[52]

Die Zuordnung der Meidosems zu einer Umwelt, die sich nicht wie die Plumes bestimmen lässt, sondern vielmehr immer auf die Spezies verweist, untermalt ihre Kategorisierung in einem Inneren oder Zwischenraum, wie es der Name der Collection „La Vie dans les plis“ suggeriert.

[...]


[1] „Klee puis Ernst, Chirico… Extrême surprise. Jusque-là, il haïssait la peinture et le fait même de peindre,

«comme s’il n’y avait pas encore assez de réalité, de cette abominable réalité, pensait-il. Encore voulvoir la répéter, y revenir !»“ (H.M. 1998. Quelques renseignements CXXXII)

[2] Régine Bonnefoit: Die Linientheorien von Paul Klee. Bonn 2009. S.176

[3] Als Auswahl: „Le Portrait de A.“ (1930), „Portrait d‘homme” (1936),

„Portrait du Chinois“ (1937), „Portrait des Meidosems“ (1948)

[4] „[...] Wenn es wahr ist, daß die Mahlerey zu ihren Nachahmungen ganz andere, oder Zeichen gebrauchet, als die Poesie; jene nehmlich Figuren und Farben in dem Raume, diese aber artikulirte Töne in der Zeit; wenn unstreitig die Zeichen ein bequemes Verhältniß zu dem Bezeichneten haben müssen [...]. Folglich sind Körper mit ihren sichtbaren Eigenschaften, die eigentlichen Gegenstände der Mahlerei. [...] Folglich sind Handlungen der eigentliche Gegenstand der Poesie. [...] Die Mahlerey kann in ihren coeexistirenden Compositionen nur einen einzigen Augenblick der Handlung nutzen und muss daher den prägnantesten wählen, aus welchem das Vorhergehende und Folgende am begreiflichsten wird. Eben so kann auch die Poesie in ihrer fortschreitenden Nachahmung nur eine einzige Eigenschaft der Körper nutzen, und muss daher diejenige wählen, welche das sinnlichste Bild des Körpers von der Seite erwecket, von welcher sie ihn braucht.“ (Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon: oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie. In: Albert Meier Hrsg.: Gotthold Ephraim Lessing: Literaturtheoretische und ästhetische Schriften Stuttgart 2006. S.68f)

[5] Tobias Dangel: Aristoteles' Theorie der Kunst und die Herausforderungen der ästhetischen Moderne. Philosophische Rundschau, 57, 1, 84-90(7) 2010. S.85

[6] „Mit apokalyptischen Bildern aber beginnt [...] die philosophische Frühmoderne, und sie durchziehen die gesamte literarische Moderne mit der Tendenz zur Ballung und Häufung in ihrer Spätphase. Schließlich: Die Entgrenzung des Bildes [...]. Es hat keinen kompositorischen Vordergrund mehr, sondern nur den Rahmen, der es äußerlich umfasst.“ (Silvio Vietta: Die literarische Moderne. Eine problemgeschichtliche Darstellung der deutschsprachigen Literatur von Hölderlin bis Thomas Bernhard. Stuttgart 1992. S.13)

[7] „Aquarell und Feder gefirnißt auf Karton. 43,5 x 32,5. 1930/e 10“ (Paul Klee: Unendliche Naturgeschichte. Prinzipielle Ordnung der bildnerischen Mittel, verbunden mit naturstudium, und konstruktive Kompositionswege. Form und Gestaltungslehre. Bd.2. Jürgen Spiller Hrsg. Basel 1970. S.253)

[8] Marta Segarra Montaner: Au pays d’Henri Michaux. La dialectique de l’espace et du temps dans son œuvre écrite. Barcelona 1990

[9] In der Beschreibung der Ekphrasis als Wissenschaft referiert Murray Krieger über die Wandelbarkeit der Zielsetzung in dieser Disziplin: „So werden wir bei einem Blick auf die Geschichte unserer Wissenschaft feststellen, daß es Momente gibt, in denen diese vom Bildhaften in der Sprache geformt wird, und Zeiten, in denen ihre Fähigkeit, Unbewegtheit einzufangen im Vordergrund stehen und Augenblicke, in denen ihre Fähigkeit, einer Bewegung nachzuspüren, im Zentrum steht.“ (Murray Krieger: Das Problem der Ekphrasis. Wort und Bild, Raum und Zeit – und das literarische Werk. In: Gottfried Böhm und Helmut Pfotenhauer Hrsg.: Beschreibungskunst- Kunstbeschreibung. Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart. München 1995. S.42)

[10] Karl Kürtös: Henri Michaux et le visuel. Ekphrasis, Mimèsis, Énergie. Berne 2009. S.29

[11] Dieses Zitat ist dem vorliegenden Text als Eingangszitat vorangestellt.

[12] „En pensant au phénomène de la peinture“ (H.M. 2001. S.320-331 / „…Peindre“ (H.M. 2001. S.319)

[13] Johan Huizinga: Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Hamburg 1994. S.133

[14] „Denn während Religion, Wissenschaft, Recht, Krieg und Politik in höher organisierten Formen der Gesellschaft die Berührung mit dem Spiel, die sie in frühen Stadien der Kultur offenbar in so reichem Maße hatten, nach und nach zu verlieren scheinen, bleibt das Dichten, das in dieser Spielsphäre geboren ist, immerfort in dieser zu Haus. Poiesis ist eine Spielfunktion. Sie geht in einem Spielraum des Geistes vor sich, in einer eigenen Welt, die sich der Geist schafft.“ (Huizinga. 1994. S.133)

[15] Erving Goffman: Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen. Übersetzt von Hermann Vetter. Frankfurt Main 1977

[16] Bettina Gockel: Paul Klee’s picture-making and persona: tools for making invisible realities visible. Studies in History and Philosophy of Science Part A. Volume 39. Issue 3. September 2008. S. 418–433

[17] „Der Rahmen eines Gemäldes kann ein selbständiges Kunstwerk sein, er befindet sich aber jenseits der Linie, die die Leinwand begrenzt und wir nehmen ihn nicht wahr, wenn wir das Gemälde betrachten. Dabei brauchen wir nur zu beginnen, den Rahmen als einen selbständigen Text zu betrachten, und die Leinwand wird aus unserem künstlerischen Blickfeld verschwinden – sie ist jetzt jenseits der Grenze.“ (Juri M. Lotman: Die Struktur literarischer Texte. 4.unverä. Aufl. München 1993. S.300)

[18] Georg Simmel: Der Bildrahmen. Ein ästhetischer Versuch (1902). In: Rüdiger Kramme, Angela und Ottheim Rammstedt Hrsg.: Gesamtausgabe, Frankfurt Main 1995. Bd. 7,1 .S.101

[19] „ Denn als natürliches Dasein ist jedes Ding ein bloßer Durchgangspunkt ununterbrochen fließender Energien und Stoffe, verständlich nur aus Vorangehendem, bedeutsam nur als Element des ganzen Naturprozesses. Das Wesen des Kunstwerks aber ist, ein ganzes für sich zu sein, keiner Beziehung zu einem Draußen bedürftig, jeden seiner Fäden wieder in seinen Mittelpunkt zurückspinnend. Indem das Kunstwerk ist, was sonst nur die Welt als ganze oder die Seele sein kann: eine Einheit aus Einzelheiten - schließt es sich, als eine Welt für sich, gegen alles ihm Aeußere ab. So bedeuten seine Grenzen etwas ganz anderes, als was man an einem natürlichen Ding Grenzen nennt: Bei diesem sind sie nur der Ort fortwährender Exosmose und Endosmose mit allem Jenseitigen, dort aber jener unbedingte Abschluß, der die Gleichgültigkeit und Abwehr nach außen und denn vereinheitlichten Zusammenschluß nach innen in einem Akte ausübt.“ (Simmel. 1995. S.101)

[20] Ulrike Oudée Dünkelsbühler: Kritik der Rahmen-Vernunft. Parergon-Versionen nach Kant und Derrida. München 1991

[21] An dieser Stelle sei ein Zitat Paul Klees angeführt, dass sich zwar nicht explizit auf diesen Kontext reduzieren lässt, in Bezug auf sein Verständnis von Räumlichkeiten innerhalb eines Bildes dennoch als aufschlussreich erscheint. „Ich habe hier in den nun schon bekan n ten Raum einen zweiten Raum hinein- /konstruiert, der dem Augen eine Aufsicht auf seine obere Fläche gewährt. Man kan n daher eher von einem Körper sprechen, als von einer Räumlichkeit, die innerhalb des Gesichts- / feldes unseres Auges endet […]. (Paul Klee: Beiträge zur bildnerischen Formenlehre. Anhang zum faksimilierten Orginalmanuskript von Paul Klees erstem Vortragszyklus am staatlichen Bauhaus Weimar 1921/22. Transkription und Einleitung von Jürgen Glaesemer. S.20f)

[22] Gilles Deleuze: Logik des Seins. Aesthetica. Übersetzt von Bernhard Dieckmann: 2.Aufl. Frankfurt Main 1994. S.25

[23] Jean- Claude Mathieu et Michel Collot: Passages et Langages de Henri Michaux. Paris 1987. S.9

[24] Régine Bonnefoit: Die Linientheorien von Paul Klee. Bonn 2009

[25] „Among artists of modern times, Paul Klee stands out as having recognized the original identity of drawing and writing. In notes he prepared for his Bauhaus lectures in autumn 1921, Klee remarks of the line that, at the dawn of civlisation, when drawing and writing were the same thing, it was the basic element.”

(Kathryn Porter Aichele: Paul Klee’s Pictural Writing. Cambridge 2002. S.164)

[26] „Tandis que j’étais dans le froid des approches de la mort, je regardais comme pour la dernière fois les êtres, profondément [...]. Cependant je les fouaillais, voulant retenir d’eux quelque chose que même le Mort ne pût desserrer. Ils s’amenuisèrent, et se trouvèrent enfin réduits à une sorte d’alphabet, mais à un alphabet qui eût pu servir dans l’autre monde, dans n’importe quel monde.” (H.M. 1998. S.785f) Die entsprechenden Skizzen befinden sich auf den Seiten 930-933 desselben Bandes.

[27] Margaret Rigaud-Drayton: Michaux: Poetry, Painting, and the Universal Sign. Oxford 2005

[28] „En dépit de leur opposition, il semble que chez MIchaux l’art pictural et la poésie finissent souvent par se rejoindre et se collaborer, comme c’est le cas dans Mouvements ou Quatre cents homes en croix, pour ne citer que deux œuvres où textes et dessins coexistent.” (Domique Poncelet: Par des traits d’Henri Michaux: La Mémoire picturale du signe. French Studies. Vol.LX. Nr.2. S.206)

[29] „Quand je vis la première exposition de tableaux de Paul Klee, j’en revins, je me souviens, voûté d’un grand silence.

Fermé à la peinture, ce que j’y voyais, je ne sais. Je ne tenais pas à le savoir, trop heureux d’être passé de l’autre coté, dans l’aquarium, loin de coupant.” (H.M. 2001. S.360)

[30] Regine Prange: Schrift und Bild. Von Paul Klee zu Henri Michaux. In Uwe Fleckner und Thomas. W. Gaethgens Hrsg.: Jenseits der Grenzen. Französische und deutsche Kunst vom Ancien Régime bis zur Gegenwart. Thomas W. Gaehtgens zum 60. Geburtstag. Bd.2. Kunst der Nationen. Köln 2000. S.119

[31] Laurent Jenny: Simple Gestures. In: Catharine Zegher Hrsg.: Untiteled passages by Henri Michaux. New York 2000. S.187-198

[32] Gilles Deleuze: Foucault. Paris 1986.

[33] Jean-Luc Steinmetz: Le passage de la ligne. In: Jean-Claude Mathieu et Michel Collot. Passages et Langages de Henri Michaux. Paris 1987. S.225-243

[34] „Michaux retrouve un sens de la ligne. Il est évident qu’il n’est plus alors en présence d’une trace physiquement repérable, mais qu’il emprunte ce terme à titre de comparaison. La ligne intervient moins d’ailleurs que son équivalent mobile l’onde ou la vibration.” (Steinmetz. 1987. S.235)

[35] Es handelt sich um eine Zeichnungen mit dem Titel „Plume”, die 1944 in Verbindung mit „Le Lobe à monstres“ erschien (H.M. 1998. S.951). Den Meidosems hingegen sind 12 Lithographien zugeordnet, die mit den Anfangsworten der jeweils illustrierten Fragmente betitelt sind.

[36] Die Ausführungen um Plume nennt Dubuffet auch „Portrait d’Henri Michaux“ (H.M. 1998. S.1248).

[37] „Profils en forme de reproches, profils en forme d’espoirs déçus de jeunes filles,

voilà ces profils meidosems. Concaves par-dessus tout, concaves attristés, mais pas larmoyants.

Pas d’accord pour le dur, pas d’accord pour les larmes.

Pas d’accord.

On ne les a jamais qu’entr’aperçus, les Meidosems.” (H.M. 2001. S.214)

[38] Rosaline Deslauriers: Les Meidosem d’Henri Michaux : émergences du dedans orientales. Tangence. no68. 2002. S.124

[39] „Quel paysage meidosem est sans échelles?” (H.M. 2001. S.220)

[40] Cecil Arthur Hackett: Michaux and Plume. The French Review. Vol.XVII. nᵒ1. Janvier 1963. S.40-49

[41] „The System of Doctor Tarr and Professor Feather” (1845), übersetzt von Charles Baudelaire „Le Système du docteur Goudron et du professeur Plume“

[42] Elisabeth Howe: Irony in Michaux’s “Plume”. The French Review. Vol LVI. nᵒ6. Mai 1983. S.902

[43] Sophie Bertho: „Un certain Plume“ d’Henri Michaux. Analyse des thèmes et du discours. Hamburg 1985

[44] Jean-Louis Houdebine: Recherche des significations d’un personnage et de son monde, “Un certain Plume”. La Nouvelle Critique. 2. Mars 1967. S.32

[45] „[P]lus qu’aucun autre texte d’Henri Michaux, s’articule à la réalité du lecteur, ou, plus exactement, à l’expérience qu’il en a […].“ (Bertho. 1985. S.65)

[46] Inge Degn: Communication à rebours. Une lecture de l’œuvre d’Henri Michaux. Revue romane. Vol 23. nᵒ 2. 1988

[47] René Bertelé (Henri Michaux. Poètes d’aujourd’hui. Paris 1975) und Robert Bréchon (Henri Michaux : La poésie comme destin. Croissy-Beaubourg 2005) plädierten in ihren Biografien gegen eine einspurige Auslegung der Texte des Künstlers.

[48] [U]n personnage de poésie qui existe aussi fort que les grands «types» de roman ou du théâtre, que Don Quichotte , ou Tartuffe, ou Tartarin. Plume est une réussite assez unique. C’est un homme dérisoire et écrasé, toujours en faute et toujours le sachant, dont on trouve le reflet affaibli dans beaucoup de romans qui paraissent, au sujet duquel on peut invoquer Kafka, Chaplin et James Thurber […]. (Claude Roy: Henri Michaux. In: Descriptions Critiques. Paris 1949. S.309f)

[49] „Michaux envoie aussi Meidosems à André Breton, «Amicalement» et dit bien à Olga et et renè drouin que ses créatures sont envers de «quelques-uns»” (H.M. 2001. S.1130)

[50] „Emme et le vieux médecin” (H.M. 1998. S.447), „Emme et son parasite” (H.M. 1998. S. 446)

[51] „Il y a un certain fantôme intérieur qu’il faudrait pouvoir peindre et non le nez, les yeux, les cheveux qui se trouvent à l’extérieur... souvent comme les semelles.” (H.M. 2001. S.322)

[52] Die Annäherung an andere Kulturkreise spiegelt sich in den Reisetexten des Frühwerks wie „Equador“ (1929) und „Un Barbare en Asie“ (1933). Anschließend entwirft der Schriftsteller, um mit Jean-Michel Maulpoix zu sprechen, „contrées utopiques“ (Jean-Michel Maulpoix: Se déplacer, se dégager. In: Jean- Claude Mathieu et Michel Collot: Passages et Langages de Henri Michaux. Paris 1987. S.87) in «Ailleurs» (1948), es handelt sich um gleichsam konzise Beschreibungen. Erlebte Realität und Fiktion werden mit demselben Mittel der Abbildung gestaltet. Die Überschreitung dieser Grenze geht einher mit der Suche nach neuen Räumen, wie es Maulpoix formuliert: „Michaux semble à la recherche du milieu idéal du monde, c’est à dire un secret, d’un coeur, d’une limite qui lui est intérieure.“ (Maulpoix. 1987. S.87)

Ende der Leseprobe aus 74 Seiten

Details

Titel
Rahmen und Figuration. Literarische Experimente im Œuvre Henri Michaux'
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Autor
Jahr
2014
Seiten
74
Katalognummer
V368420
ISBN (eBook)
9783668458246
ISBN (Buch)
9783668458253
Dateigröße
966 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rahmen, figuration, literarische, experimente, œuvre, henri, michaux
Arbeit zitieren
Andrea Dexheimer (Autor:in), 2014, Rahmen und Figuration. Literarische Experimente im Œuvre Henri Michaux', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368420

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