Das Konzept des Bibliologs und die Anwendung auf eine Förderklasse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

25 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bibliolog
2.1 Bibliolog - ein Konzept für die Arbeit mit Erwachsenen
2.2 Bibliologisches Arbeiten im Religionsunterricht
2.3 Herausforderungen für Lehrende und Lernende

3. Die Exoduserfahrung - ein schwerer Weg durch die Wüste (Ex 15,22 bis 16,36)
3.1 Sachanalyse - exegetische Vergewisserungen
3.2 Exoduserfahrungen heute

4. Die Exoduserzählung im Religionsunterricht einer Mittelstufenklasse der Förderschule für emotionale-soziale Entwicklung
4.1 Ein Blick in den Lehrplan - Inhaltsfelder und Kompetenzen
4.2 Entwicklungsbedingte Voraussetzungen
4.3 Didaktische Reduktion - Inhaltliche Schwerpunkte zum Thema Exodus
4.4 Methodische Impulse - bibliologische Zugänge zu den biblischen Texten

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Natürlich gehört zum Religionsunterricht auch die Auseinandersetzung mit biblischen Texten. Bei den meisten Schülerinnen und Schülern löst allein diese Formulierung allerdings schon Unmut und Langeweile aus. Es bedarf einer Methode, die diese Auseinandersetzung lebhafter und anschaulicher zu gestalten vermag. Das Konzept des Bibliologs erfreut sich nun schon seit einigen Jahren starker Beliebtheit und wird immer öfter in verschiedenen Kontexten, wie dem Gottesdienst, in der Erwachsenenbildung, dem Kommunions- oder Konfirmationsunterricht und eben auch im Religionsunterricht an verschiedenen Schulen eingesetzt.

Die vorliegende Hausarbeit soll zunächst in das Konzept des Bibliologs einführen, verschiedene Methoden klären und sich daraufhin auf die Arbeit im Religionsunterricht konzentrieren. Dabei soll exemplarisch auf die Exoduserzählung, genauer auf die Stellen Ex 15,22 bis 16,36, eingegangen werden. Nach einer Sachanalyse dieser Texte wird auf heutige Exoduserfahrungen Bezug genommen. Darüber hinaus sollen die in diesen Textstellen behandelten Themen daraufhin zusammengefasst und reduziert werden, um die Verwendung für den Bibliolog im Religionsunterricht zu konkretisieren. Der schulische Rahmen, auf dem der Fokus liegt, soll hierbei die Mittelstufenklasse an einer Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung sein. In diesem Kontext soll zunächst ein Blick in den Lehrplan geworfen werden, um verschiedene Inhaltsfelder und Kompetenzerwartungen abzugrenzen. Bezogen auf den Förderbedarf der genannten Zielgruppe sollen daraufhin verschiedene entwicklungsbedingte Voraussetzungen geklärt werden, wie beispielsweise Konzentrations- und Motivationsfähigkeit oder die Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Abschließend wird die vorliegende Hausarbeit sich mit methodischen Impulsen beschäftigen, um bibliologische Zugänge zu den genannten Textstellen zu erörtern. Das darauffolgende Fazit soll die Arbeit abrunden und die Arbeitsergebnisse noch einmal reflektieren.

2. Bibliolog

Schon das Wort „Bibliolog“ allein lässt erahnen, dass es sich bei diesem Konzept um deutlich mehr handelt als das alleinige und „einsame“ Lesen der Bibel. Die Übersetzung des Wortes bezieht sich dabei auf den Sinn der Bibel, beziehungsweise eines biblischen Textes. Doch auch dies kann kaum erfassen, was sich hinter dem Gedanken des Bibliologs eigentlich verbirgt. Im Folgenden soll deshalb die Art der hermeneutischen Heranführung an biblische Texte und die Begegnung des Lesers mit dem Text im Vordergrund stehen. Dahingehend möchte ich zunächst einen Überblick über das Grundkonzept des Bibliologes geben und die Intention und das Vorgehen erläutern, wobei zwischen der Arbeit mit Erwachsenen und der Verwendung des Konzepts im Religionsunterricht unterschieden und daraufhin die Herausforderung für Lehrende und Lernende herausgestellt werden soll.

2.1 Bibliolog - ein Konzept für die Arbeit mit Erwachsenen

„Bibliolog ist ein Weg, gemeinsam mit einer Gruppe, Gemeinde oder Schulklasse einen biblischen Text zu entdecken und auszulegen.“[1] Dieses Konzept wurde vor ungefähr 25 Jahren von Peter Pitzele, einem jüdischen Nordamerikaner erfunden und wird nun seit einigen Jahren auch im europäischen Raum umgesetzt.[2] Die Teilnehmer bekommen so die Möglichkeit, sich in den behandelten biblischen Situationen in biblische Figuren hineinzuversetzen, um so auch über die Verknüpfung mit eignen Emotionen, Gedanken und Gefühlen dem Geschehen in der Bibel näher zu kommen. „Bibliolog nimmt die jüdische Auslegungsweise des Midrasch auf, biblischen Texten (dem „schwarzen Feuer“) dadurch näher zu kommen, dass die Zwischenräume der Texte („das „weiße Feuer“) erzählend und kreativ gefüllt werden.“[3] Durch diese Vorgehensweise wird der biblische Text lebendig und wird so beispielsweise im Kontext des Gottesdienstes zur Interaktion der ganzen Gemeinde. Natürlich ist diese Interaktion immer sehr individuell abhängig von ihren Teilnehmern, da deren jeweilige Empfindungen einen wichtigen Teil der Umsetzung einnehmen. Ihnen wird dabei die Möglichkeit gegeben, sich mit der christlichen Tradition auseinander und sie mit dem eigenen Leben in Verbindung zu setzen.[4]

Neben den deutlichen Parallelen zur jüdischen Auslegungsweise des Midrasch, scheint der Bibliolog vor allem methodisch mit dem auf Jakob Levi Moreno zurückgehenden Psychodrama zusammenzuhängen.[5] Hier scheinen vor allem auch psychisch belastende Erfahrungen, Erinnerungen und Gefühle mit einbezogen zu sein, mit denen auf diese Weise spielerischer und weniger analysierend umgegangen werden kann. Damit ergibt sich eine Vorgehensweise, die die wahren seelischen Empfindungen durch Handeln ergründbar macht. [6] Die schon erwähnte Umsetzung in der Gemeinde ist natürlich nur eine von vielen Möglichkeiten, den Bibliolog einzubinden. Auch in der Erwachsenenbildung oder im schulischen Kontext erfreut sich diese Methode mittlerweile großer Beliebtheit. In der Regel hat der Bibliolog „eine klare methodische Gestalt, die sich in einer Länge von 15-30 Minuten“[7] umsetzen lässt. „Er ist jedoch mehr als eine Methode, insofern er auf einem bestimmten hermeneutischen Zugang zum biblischen Text beruht.“[8] Dabei nähert der Teilnehmer sich dem Text rezeptionsästhetisch an. Das Erlernen der Nutzung des Bibliologs soll allerdings durch die Teilnahme an einem Kurs und nicht allein durch die Beschäftigung mit passender Literatur erworben werden.[9]

2.2 Bibliologisches Arbeiten im Religionsunterricht

Die Intention des bibliologischen Arbeitens scheint dabei zunächst recht eingängig zu sein: Das Heranführen an biblische Texte soll erleichtert und durch rezeptionsästhetische Prozesse unterstützt werden. Eigentlich verbirgt sich in den intentionalen Hintergründen allerdings noch viel mehr. Einerseits kann für „Menschen, denen die Bibel vertraut ist [...] dies gerade bei sehr bekannten Texten [...] zu einer neuen Perspektive und zu neuen Erkenntnissen führen.“[10] Vor allem aber auch diejenigen, deren Beschäftigung mit der Bibel sich eher in Grenzen hält, gelangen so oft zu dem Erlebnis, biblische Inhalte als deutlich interessanter und auch aktueller wahrzunehmen.[11] Gerade dieser Aktualitätsbezug kann und soll durch das bibliologische Arbeiten herausgestellt werden. Darüber hinaus ist es wichtig, zu betonen, dass es auf die Fragen, die das „weiße Feuer“, die Leerstellen des Textes, aufwirft, keine Musterantwort gibt.

Es geht dabei also nicht darum, diese Fragen abschließend zu beantworten, welches außerdem zu einer „unzulässigen Psychologisierung des Textes“[12] führen und die über den historisch-kritischen Zugang gewonnenen Erkenntnisse übergehen [würde], dass die biblischen Texte Konstruktionen sind, die nicht historische Begebenheiten abbilden, sondern mit bestimmten Anliegen erzählen.[13]

Vielmehr soll das Spektrum der Möglichkeiten, diese Leerstellen durch individuelle Erfahrungen, Gedanken und Gefühle der Teilnehmer zu füllen, herausgestellt werden, die gleichzeitig immer einen gewissen aktuellen Bezug mit sich bringen. Gerade im Religionsunterricht stellt dies eine Möglichkeit dar, die Schüler mit dem Text und auch untereinander in eine Interaktion zu bringen. Durch die Vielfalt an individuellen Erfahrungen, allerdings auch in der Gruppe, ist hier ein breites Spektrum gegeben, um die Leerstellen der biblischen Texte zu füllen.

Hinsichtlich der Textauswahl ist es wichtig zu beachten, dass zwar generell alle Textformen verwendet werden können, anfangs und mit weniger Erfahrung im Anleiten von Bibliologen allerdings eher Texte ausgewählt werden sollten, die leichter zugänglich sind.[14] Um den Bibliolog daraufhin durchführen zu können, bedarf es natürlich einer ausgiebigen Vorbereitung. Dies ist, vor allem auch im schulischen Kontext, nicht zu unterschätzen, da es hier darauf ankommt, „in welchen Szenen des Geschehens angehalten wird, mit welchen Rollen sich die Teilnehmenden identifizieren sollen und welche Fragen ihnen gestellt werden.“[15] Hierbei entsteht ein bestimmter Ablauf, der bei der Durchführung des Bibliologs, anders als beispielsweise bei einem Bibliodrama, in der Regel eingehalten wird.[16] Bei der Auswahl der ersten Szene und der ersten Rolle ist dabei besonders darauf zu achten, dass das „weiße Feuer“ hier besonders stark im Mittelpunkt stehen soll und die Rolle, die zuerst besetzt werden soll, eine positiv besetzte ist, die viel Raum für Identifikation bietet.[17] Dies erleichtert den Teilnehmenden den ersten Einstieg in das bibliologische Arbeiten. Dies bezieht sich ebenfalls auf die erste zu stellende Frage, bei der es nun wichtig ist, dass sie sehr offen gestellt ist und dass somit sowohl Gedanken und Gefühle, als auch Erfahrungen geteilt werden können.[18] Um hier erneut auf den Kontext des Religionsunterrichts zurückzukommen, scheint dies vor dem Hintergrund der jeweiligen Unsicherheiten oder Schamgefühle der Schüler, die eventuell vor den anderen Klassenkameraden nicht sofort sehr intime Empfindungen äußern möchten, sehr wichtig zu sein, da der Schüler oder die Schülerin im Zuge dieser offenen Situation einen individuellen Einstieg finden kann.

„Die beiden Grundtechniken im Bibliolog sind das echoing, mit dem die Leitung das Gesagte wiedergibt, und das interviewing, mit dem sie noch einmal zurückfragen kann.“[19] Beim echoing geht es zentral darum, dass jede Aussage der Teilnehmenden akzeptiert und durch die Leitung in eigenen Worten wiedergegeben wird.[20] Dies ist auch im Kontext des Religionsunterrichts von großer Bedeutung, da die Schüler sich so selbst „eine Stimme“ im Klassenkontext verschaffen und an Sicherheit und Selbstvertrauen gewinnen, eigene Beiträge zu äußern. „Für nicht wenige Menschen ist es eine überraschende und bewegende Erfahrung, sich verstanden zu fühlen und ihre eigene Auslegung von einem ‚Fachmenschen’ akzeptiert zu finden.“[21] Daher sollte der Leitung besonders daran gelegen sein, ihre Wertschätzung der Antworten den Teilnehmenden gegenüber auszudrücken. Auch für die meisten Schüler wird es dabei eine neue und bereichernde Erfahrung sein, als „aktive Auslegerinnen und Ausleger der Bibel gefragt zu werden.“[22] Gerade dadurch, dass die Leitung die Antworten noch einmal in ihren eigenen Worten wiedergibt, wird vielen Teilnehmenden die Angst genommen, einen unfertigen Gedanken zu äußern oder etwa einen solchen, bei deren sprachlicher Ausformulierung sie sich nicht sicher sind. „Gerade Jugendliche, die sich sonst häufig von sprachlichen Interaktionen ausgeschlossen fühlen, erhalten durch das echoing die Chance, ihre Äußerungen als wertvoll und hilfreich zu erleben.“[23] Gerade im Rahmen des Religionsunterrichts ist an dieser Stelle allerdings noch einmal anzumerken, dass es sich bei dieser Art des echoing nicht um ein ‚Lehrerecho’ handelt, in welchem versucht wird, die Aussagen verbessert wiederzugeben, welches die Teilnehmenden sofort wahrnehmen würden und was unter Umständen zu verminderter Teilnahmebereitschaft führen würde.[24]

[...]


[1] U. POHL-PATALONG, Bibliolog. Impulse für Gottesdienst, Gemeide und Schule. Band 1: Grundformen, 9.

[2] Vgl. Ebd.

[3] Ebd.

[4] Vgl. P. ORTH, Biblische Texte ganzheitlich erschließen, 195.

[5] Vgl. U. POHL-PATALONG, Bibliolog. Impulse für Gottesdienst, Gemeide und Schule. Band 1: Grundformen, 36.

[6] Vgl. J. L. MORENO, Gruppenpsychotherapie und Psychodrama, 77.

[7] U. POHL-PATALONG, Bibliolog: Biblische Texte als lebendig und lebensrelevant zeigen, 219.

[8] Ebd.

[9] Ebd.

[10] U. POHL-PATALONG, Bibliolog. Impulse für Gottesdienst, Gemeinde und Schule. Band 1: Grundformen, 37.

[11] Vgl. Ebd.

[12] U. POHL-PATALONG, Bibliolog. Impulse für Gottesdienst, Gemeinde und Schule. Band 1: Grundformen, 38.

[13] Ebd., 38 f.

[14] Vgl. Ebd., 65 f.

[15] Ebd., 79.

[16] Vgl. Ebd.

[17] Vgl. Ebd., 83.

[18] Vgl. U. POHL-PATALONG, Bibliolog. Impulse für Gottesdienst, Gemeinde und Schule. Band 1: Grundformen, 83.

[19] Ebd., 92.

[20] Vgl. Ebd.

[21] Ebd.

[22] Ebd.

[23] Ebd., 95.

[24] Vgl. Ebd., 96.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Konzept des Bibliologs und die Anwendung auf eine Förderklasse
Hochschule
Universität zu Köln
Autor
Jahr
2017
Seiten
25
Katalognummer
V368141
ISBN (eBook)
9783668465893
ISBN (Buch)
9783668465909
Dateigröße
793 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bibliolog, Sonderpädagogik, katholische Religionslehre, emotionale-soziale Entwicklung, Mittelstufe, Didaktik, Exodus
Arbeit zitieren
Sophie Hoog (Autor:in), 2017, Das Konzept des Bibliologs und die Anwendung auf eine Förderklasse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368141

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