Die deutsche Haltung der Zurückhaltung nach dem zweiten Weltkrieg. Eine kritische Auseinandersetzung anhand mehrerer Quellen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

23 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kritische Auseinandersetzung mit der Frage, wie zurückhaltend die Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg wirklich war
2.1 Quellenauswahl und -kritik
2.2 Kulturpolitik
2.2.1 Deutsche Kulturpolitik
2.2.2 Kulturpolitik als Krisenprävention
2.3 Das Deutsche Selbstbild und auswärtige Repräsentationen
2.3.1 Die Situation nach 1945
2.3.2 Der Beitritt der BRD in die NATO 1955
2.3.3 Die Weltausstellung in Brüssel 1958
2.3.4 Der Staatsbesuch von Bundespräsident Theodor Heuss in Großbritannien

3. Schlussbetrachtungen

4. Bibliographie

4.1 Quellen

4.2 Literatur

1. Einleitung

„Unsere Zurückhaltung kann gar nicht zurückhaltend genug sein[,]“ hat Claudia Hoff im Berliner Tagesspiegel1 geschrieben als es darum gegangen ist, wie man sich 1958 auf der Weltausstellung in Brüssel präsentieren sollte und der schlichte deutsche Pavillon für diese Zurückhaltung hinsichtlich seiner Architektur kritisiert worden war. Hat Claudia Hoff mit ihrer Aussage lediglich die Architektur gemeint oder hat sich diese auch auf die Haltung der Deutschen im Allgemeinen bezogen? Diese Arbeit soll die deutsche Haltung der Zurückhaltung nach dem zweiten Weltkrieg bis in s Jahr 1958 untersuchen, mit einem kleinen Ausblick bis 1967 und der Frage nachgehen, wie zurückhaltend die Deutschen in dieser Zeit wirklich gewesen sind oder ob diese Haltung vielleicht nur oktroyiert worden war, so dass man sich an das international erwartete Bild hatte anpassen können. Die zeitliche Eingrenzung birgt mitnichten den Nachteil, dass eine wichtige Epoche, in der sich die Bundesrepublik mit Sicherheit deutlich weniger zurückhaltend, da mit neuem Selbstbewusstsein ausgestattet2, gezeigt hat, komplett wegfällt. Allerdings bietet der gewählte Zeitraum dafür sehr gute Beispiele, anhand derer die gestellte Frage teilweise kontrovers für eine wichtige Epoche der BRD hinsichtlich der Entwicklung eines Selbstbildes diskutiert werden kann. Da für die Entstehung und Bildung dieses Selbstbildes auswärtige Repräsentationen und die damit verbundene auswärtige Politik sehr wichtig sind, sollen diese zunächst erläutert und auch der immer wichtiger werdende Einfluss der Kulturpolitik3 auf diese genauer betrachtet werden. Die angesprochenen Beispiele, anhand derer die Haltung der Zurückhaltung in der BRD untersucht werden soll, erstreckt sich über verschiedene Bereiche der Repräsentationen der Bundesrepublik. Zunächst soll ein allgemeines Bild der Situation und Ausgangslage nach dem zweiten Weltkrieg gezeichnet werden, welches im weiteren Verlauf durch das Beispiel der Rede Adenauers vor dem NATO Rat hinsichtlich des Beitritts der BRD weiter konkretisiert werden soll. Darüber hinaus offenbart die Weltausstellung in Brüssel 1958 samt der Reaktionen der Presse auf den deutschen Beitrag ebenfalls die Möglichkeit, die Haltung der Zurückhaltung aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und diese zu diskutieren. Zu guter Letzt soll der damalige Bundespräsident Theodor Heuss samt seines Wirkens im Inland wie auch im Ausland als ranghöchster Vertreter der BRD genauer betrachtet werden. Zu den angesprochenen Themen wird Forschungsliteratur herangezogen, um beispielsweise bei den eher theoretischen Abhandlungen einen Überblick zu gewinnen sowie eine Auswahl an Quellen, deren Auswahl und Einsatzmöglichkeiten im Folgenden erörtert werden sollen.

2.1 Quellenauswahl und -kritik

Um die Haltung der Zurückhaltung für den vorgegebenen Zeitraum zu untersuchen, sollen verschiedene Quellen aus ebenso verschiedenen Bereichen der deutschen Repräsentation herangezogen werden. Diese Bereiche reichen von Stimmen aus dem Volk mittels Briefe, die an den Bundespräsidenten Theodor Heuss geschickt worden waren, über seine Antworten darauf sowie verschiedenen Zeitungsartikeln, die den deutschen Beitrag zur Weltausstellung in Brüssel 1958 bewerten und beurteilen. Des Weiteren findet die Rede Konrad Adenauers vor dem NATO Rat zur Aufnahme der BRD in die NATO Verwendung. Dieses Spektrum der Quellen bietet die Gelegenheit die Haltung der Zurückhaltung aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren. Auf der einen Seite kommt somit auch die Stimmung der Bevölkerung zum Tragen, so dass nicht immer nur nach der Einstellung der BRD, wie sie durch die Regierung vertreten wird, gefragt wird. Eben diese kommt aber auf zweierlei Ebenen auch zum Tragen, indem sowohl Reaktionen des Kanzlers wie auch des Bundespräsidenten zur Sprache kommen. Zu guter Letzt erlauben einem die Stimmen der Presse noch die gezeigte Haltung der Zurückhaltung im Spiegel des Bildes zu betrachten, welches durch das gezeigte Selbstbild der Deutschen im Ausland wahrgenommen wird.

2.2 Kulturpolitik

2.2.1 Deutsche Kulturpolitik

Betrachtet man die Haltung der Zurückhaltung der Bundesrepublik Deutschland als Basiskonzept oder eventuell als gelenkte Strategie, so bedarf es hierbei in jedem Falle auch einer genaueren Erörterung der Kulturpolitik, welche in der jüngeren Vergangenheit immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, wenn es um die Frage nach der Außenpolitik und die auswärtigen Repräsentationen der BRD geht. So stehen nun nicht mehr nur alleine politische oder wirtschaftliche Vertretungen in anderen Ländern im Fokus der Forschung, so dass Bereiche wie die Kulturpolitik ebenfalls mehr Beachtung erlangen.4 Hinsichtlich der Haltung der Zurückhaltung in Zusammenhang mit der auswärtigen Repräsentation der BRD ist es auch von besonderem Interesse die auswärtige Kulturpolitik zu beleuchten, denn „[d]ie auswärtige Kulturpolitik ist ein Teil der Außenpolitik. Sie umfaßt die internationale Zusammenarbeit im kulturellen Bereich.“5 Des Weiteren gilt sie als dritte Säule der Außenpolitik6, deren Bedeutung stets am wachsen ist, wenngleich man sich dabei bewusst sein muss, dass dieser Ausblick aus dem Jahr 1969 stammt und man heute festhalten kann, dass sich dies zwar bewahrheitet hat, aber eben ein werdender Prozess war, nachdem die auswärtige Kulturpolitik nach der NS Herrschaft einer grundlegenden Umgestaltung und Erneuerung bedurft hat, während Länder wie Großbritannien und Frankreich der BRD auf diesem Gebiet schon deutlich voraus waren, wie Karl Lamprecht bereits 1912 angemerkt hatte.7 Dass die auswärtige Kulturpolitik mittlerweile als Infrastruktur auswärtiger Politik erachtet werden kann, liegt mitunter an den bereits angesprochenen Veränderungen, durch welche die Erhaltung des Deutschtums im Ausland zu Zeiten des Kaiserreichs und der NS-Diktatur einer Partnerschaft mit anderen Nationen, denen man sich vorstellen möchte, gewichen ist.8 Zu den heutigen Aufgaben deutscher Kulturpolitik zählen unter anderem die Entspannung und Friedenssicherung sowie sich für eine Verbesserung der Bildungssituation in Entwicklungsländern einzusetzen. Außerdem fallen in diesen Bereich auch die „klassische“ auswärtige Kulturpolitik, die sich mit Kunst, Sprachen, Filmen etc. beschäftigt, ebenso wie die internationale Bildungs- und Wissenschaftspolitik9 und der internationalen Gesellschaftspolitik.10 Wenngleich Heinz Ischreyt vermerkt, dass in einem föderalistischen Staat wie der BRD die Annahme, dass es sich bei der auswärtigen Kulturpolitik um einen Teil der Außenpolitik handele, nicht einwandfrei gelten könne,11 so zeigt sich doch, dass die auswärtige Kulturpolitik als eines der wichtigsten Instrumente zur Verwirklichung außenpolitischer Ziele fungiert. Diese gestalten sich wie folgt: die Sicherung des Friedens in der Welt, die Vertretung der Interessen der BRD gegenüber anderen Ländern und Organisationen, die Verwirklichung der Europäischen Integration, Festigung des Atlantischen Bündnisses, die Zusammenarbeit und Entspannung mit den osteuropäischen Ländern und die partnerschaftliche Hilfe für Entwicklungsländer.12 Selbstredend stammt diese Auflistung aus vergangenen Tagen und teilweise sind diese Ziele sogar schon erreicht worden, aber gerade für die spätere Abhandlung dieser Arbeit ist es interessant im Hinterkopf zu haben, worin die Ziele der auswärtigen Politik damals lagen, um diese mit den auswärtigen Repräsentationen in Verbindung bringen zu können. Zu den damaligen Leitsätzen der Bundesregierung für die auswärtige Kulturpolitik hat gehört, dass in selbiger alles zu vermeiden sei, was als Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder erscheinen könnte. Kulturarbeit sollte also nur dann geleistet werden, wenn sie vom Partnerstaat ebenso gewünscht worden ist, um damit dem Prinzip der Gegenseitigkeit nachzukommen.13 Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass hauptsächlich das Auswärtige Amt die Zuständigkeiten der Kulturpolitik inne hat und für die Beratung und Koordination zuständig ist, welche seit 1961 durch einen Kulturbeirat unterstützt wird, welchem besondere Bedeutung beigemessen wird.

2.2.2 Kulturpolitik als Krisenprävention

Wie Dieter Braun betont, versteht man unter auswärtiger Kulturpolitik eine „[...] kaum mehr zu begrenzende Wechselwirkung zwischen [...]“14 der Außenpolitik als solche und Kultur, wobei er dem Begriff Kultur seinen mystischen Schleier nimmt und Themen wie Gesellschaft, Massenmedien, Wissenschaft und Wertesysteme in den Vordergrund rückt.15 Inwiefern liefert Kulturpolitik jedoch seinen Beitrag zur Krisenprävention und in welcher Hinsicht steht dies mit der deutschen Haltung der Zurückhaltung im Kontext? Laut Tina Balla ist es Kultur, die den Menschen überhaupt zu rational handelnden Wesen mit kritischen Urteilsvermögen macht und diese verweist gleichsam darauf, dass die Kultur und Anerkennung kultureller Differenzen wichtig für die auswärtige Kultur- und Bildungsarbeit (AKBP) in Hinblick auf die Wirtschaftspolitik, die Entwicklungspolitik sowie die Sicherheitspolitik sei.16 Für Deutschland bedeutet dies konkret präventives Handeln, um Krisen frühzeitig erkennen zu können. Besonders zur Prävention von Gewalt ist die Anerkennung des Grundlagencharakters von Kultur in Gesellschaften eine generelle Voraussetzung. So gesehen sollte die AKBP ein generelles Fundament der Außenpolitik sein, um somit dem friedenspolitischen Auftrag der BRD nachzukommen.17 An dieser Haltung lässt sich sicher eine gewisse Zurückhaltung erkennen, nämlich die der friedlichen Konfliktlösung, worauf die BRD bedacht ist. Allerdings bedeutet der Wille zu Prävention von Konflikten nicht zwangsläufig das absolute Gegenteil von „hegemonialen Bestrebungen“ seitens der BRD.

[...]


1 Der Tagesspiegel vom 15. Mai 1958, Berlin, zitiert nach: Deutschlands Beitrag zur Weltausstellung Brüssel 1958. Ein Bericht, hrsg. vom Generalsekretär der Bundesrepublik Deutschland bei der Weltausstellung Brüssel 1958, bearb. von Fischer, Wend und von Hartmann, G.B. Düsseldorf 1958, S. 135.

2 Schöllgen, Gregor: Angst vor der Macht. Die Deutschen und ihre Außenpolitik, Berlin 1993, S. 128ff.

3 Auswärtiges Amt (Hg.): Die Auswärtige Politik der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1972, S. 782.

4 Paulmann, Johannes: Auswärtige Repräsentationen und reflexive Selbstwahrnehmung nach dem Zweiten Weltkrieg - eine Skizze, in: Hockerts, Hans Günter (Hg.): Koordination deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts - Schriften des Historischen Kollegs Kolloquien 55, München 2004, S. 68.

5 Abalein, Manfred: Grundfragen der auswärtigen Kulturpolitik, in: Schwarz, Hans-Peter: Handbuch der deutschen Außenpolitik, München 1972, S. 753.

6 Abalein, Manfred: Kulturpolitik, S. 753.

7 Ischreyt, Heinz: Deutsche Kulturpolitik, in: Braun, Dieter (Hg.): Deutsche Kulturpolitik im Ausland - 1955 bis heute, München 1966, S. 14.

8 Abalein, Manfred: Kulturpolitik, S. 753.

9 Besonders das Auslandsschulwesen hatte in Deutschland schon immer sehr große Tradition, soll aber für diese Arbeit nicht weiter beleuchtet werden. Detaillierte Informationen hierzu finden sich bei Abalein, Manfred: Kulturpolitik, S. 753-758; sowie Ischreyt, Heinz: Kulturpolitik, S. 22-26.

10 Abalein, Manfred: Kulturpolitik, S. 753 - 754.

11 Ischreyt, Heinz: Kulturpolitik, S. 22.

12 Abalein, Manfred: Kulturpolitik, S. 754.

13 Abalein, Manfred: Kulturpolitik, S. 754-755.

14 Braun, Dieter: Deutsche Kulturpolitik im Ausland - 1955 bis heute, München 1966, S. 9.

15 Braun, Dieter: Kulturpolitik, S. 8-9.

16 Balla, Tina: Krisen ohne Grenzen. Auswärtige Kulturpolitik als Krisenprävention, in: Schneider, Wolfgang (Hg.): Auswärtige Kulturpolitik - Dialog als Auftrag - Partnerschaft als Prinzip, Essen 2008, S. 145f.

17 Balla, Tina: Krisen, S. 145.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die deutsche Haltung der Zurückhaltung nach dem zweiten Weltkrieg. Eine kritische Auseinandersetzung anhand mehrerer Quellen
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
3,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
23
Katalognummer
V368111
ISBN (eBook)
9783668466654
ISBN (Buch)
9783668466661
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zurückhaltung, Deutschland, Zweiter Weltkrieg, Geschichte, Krieg, Theodor Heuss, 1958, 1967
Arbeit zitieren
Fabian Zschiesche (Autor:in), 2012, Die deutsche Haltung der Zurückhaltung nach dem zweiten Weltkrieg. Eine kritische Auseinandersetzung anhand mehrerer Quellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368111

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