Die Skulptur im Barock. Gianlorenzo Berninis "David"


Hausarbeit, 2016

24 Seiten, Note: 1,30


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: zeitlicher und kultureller Rahmen des Barock

2. Religiöser und ikonographischer Hintergrund
2.1 Biblischer Hintergrund: David und Goliath
2.2 Die traditionelle Ikonographie Davids anhand zweier Beispiele

3. Berninis „David“ (1623-1624) als Skulptur des italienischen Barock
3.1 Beschreibung und Identifizierung der Figur
3.2 Berninis „Neptun“ (1620) als Vorstufe
3.3 Barocke Merkmale der Skulptur

4. Diskussion über eine Selbstdarstellung Berninis
4.1 Selbstdarstellungen innerhalb des Sujet am Beispiel Caravaggio
4.2 Berninis Portraitierung seiner selbst in der Figur des „David“

5. Die Bedeutung der Skulptur im Barock

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Abbildungsverzeichnis und Abbildungen

1. Einleitung: zeitlicher und kultureller Rahmen des Barock

Die Zeit des Barock ist geprägt von zahlreichen geschichtlichen, philosophischen sowie gesellschaftlichen Veränderungen. Einerseits wird die päpstliche Autorität durch die Aufklärung in Frage gestellt, während andererseits höhere Summen in die künstlerisch prunkvolle Ausgestaltung kirchlicher Institutionen investiert werden als je zuvor. Erwei- tert werden diese zudem durch den noch jungen Jesuitenorden. Wie keine zweite italie- nische Stadt hebt sich das Rom des frühen 17. Jahrhunderts als Zentrum und Geburts- städte des Barock hervor. Damit verbunden ist sicherlich auch der schwindende Einfluss der florentiner A delsfamilie der Medici, welche allmählich durch neu emporsteigende Herrscherhäuser, wie beispielsweise das Geschlecht der Borghese in Rom, abgelöst wird. Folglich verwundert es nicht, dass auch die nicht-sakrale Kunst unter zunehmend weltlichen Auftraggebern aufblüht.[1]

Unter ihnen ist auch Kardinal Scipione Borghese (1577-1633), einer der ein- flussreichsten Männer Roms um 1600. Als Förderer und Auftraggeber des Hauptakteurs des italienischen Barock, ist es teilweise auch jenem zu verdanken, dass die Meisterwer- ke Gian Lorenzo Berninis (1598-1680) so vielfältig sind. Kardinal Borghese lässt den Künstler zahlreiche Büsten, Gruppen und einzelne Skulpturen für seine Villa anfertigen. Bei einem dieser Werke handelt es sich um die Skulptur des „David“ (1623-1624). Wie kaum eine andere Statue steht sie exemplarisch für die frühbarocke Bildhauerei Roms.[2]

Da dieses Werk in besonderem Maße die Merkmale barocker Kunst in sich ver- einigt, ist die vorliegende Arbeit Berninis „David“ gewidmet. Zu Beginn steht eine Ein- bettung in den religiösen und ikonographischen Hintergrund des Themas anhand zweier Beispiele. Im darauffolgenden Abschnitt erfolgt eine Beschreibung und, basierend auf Attributen, eine eindeutige Identifizierung der Figur als biblischen David. Bevor näher auf die Skulptur an sich eingegangen wird, soll vorangestellt eine weitere Statue Berni- nis in Kürze präsentiert werden, welche als ,Vorstufe´ bezeichnet werden kann. Danach gilt es, die beiden Werke im Groben gegenüberzustellen. Der darauf folgende Abschnitt widmet sich wieder der „David“-Skulptur und insbesondere deren barocke Charakteris- tika. Anschließend soll über das eigentliche Thema hinaus die Frage aufgeworfen wer- den, ob es sich bei dem besprochenen Werk womöglich um eine Selbstdarstellung des Künstlers handelt.

Bevor die Arbeit mit einem abschließenden Fazit abgerundet wird, soll noch die besondere Bedeutung der Skulptur im Barock hervorgehoben werden. An dieser Stelle erscheint es angebracht noch exemplarisch einige literarische Quellen vorzustellen, die in besonderem Maße zur Erarbeitung und Fertigstellung der vorliegenden Arbeit beigetragen haben. Zunächst sei das Werk „ Giovanni Lorenzo Ber-nini - die figürlichen Kompositionen “ von Hans Kauffmann erwähnt, welches sich aus-führlich mit dem zu behandelnden Thema befasst. Des Weiteren sollen „ Die Kunst des Barock “ von Yves Bottineau, sowie „ Skulptur: Von der Antike bis zur Gegenwart. Bd. 3: Renaissance bis Rokoko “ von Philippe Bruneau hervorgehoben werden, da sie ein umfassendes Bild barocker Weltanschauung im Bezug auf die Kunst vermitteln. Dar-über hinaus haben zahlreiche weitere literarische Werke zur Wissensaneignung und zum besseren Verständnis beigetragen; diese werden im Literaturverzeichnis aufgeführt.

2. Religiöser und ikonographischer Hintergrund

2.1 Biblischer Hintergrund: David und Goliath

Bevor näher auf Berninis bildhauerische Darstellung Davids eingegangen werden kann, ist es zunächst von Bedeutung, sich mit dem religiösen Hintergrund, sowie der sich daraus entwickelten Ikonographie des Dargestellten, vertraut zu machen, da hierauf die nachstehende Analyse basiert.

David ist eine biblische Figur des Alten Testaments von außerordentlicher Be- deutung, deren Abbild vor allem in der Malerei und Bildhauerei ein über die Jahrtausen- de hinweg wiederkehrendes Motiv für künstlerische Auseinandersetzungen bietet. Da sich auch die von Bernini gewählte Darstellungsform eindeutig der alttestamentarischen Heldenlegende zuordnen lässt, soll diese im Folgenden in Kürze vorgestellt werden. Diesbezüglich dienen die beiden Bücher des Propheten Samuel als zentrale Schriftquel- len.

Gerahmt wird die biblische Geschichte Davids von dem Kampf zweier Völker. Unter König Saul ziehen die Israeliten, das Volk Gottes, gegen die Philister und deren Vorkämpfer, den bewaffneten Hünen Goliath, in die Schlacht. Auf Seiten der Israeliten findet sich jedoch kein freiwilliger Duellant für Goliath. Einzig der Hirtenjunge David wagt sich, geleitet von einer intuitiven Entscheidung, gegen den Riesen anzutreten. Nur mit einer Steinschleuder bewaffnet, schafft es der Jüngling, Goliath durch einen Stein- wurf zu Fall zu bringen und anschließend zu enthaupten. Folglich gelingt den Israeliten der entscheidende Sieg gegen die feindlichen Philister und der einfache Knabe wird zum gefeierten Helden, welcher einige Jahre später zum König der Israeliten erkoren werden wird.[3]

Der Kampf gegen Goliath stellt ein frühes, einschneidendes Ereignis im Leben Davids dar. Infolgedessen verwundert es nicht, dass es sich hierbei um das am häufigsten gewählte Motiv in schöpferischen Auseinandersetzungen in Malerei und Skulptur des vorgestellten Themas handelt.[4] Aufgrund der großen Beliebtheit der David-Darstel- lungen über Jahrhunderte hinweg, haben sich mit der Zeit ikonographische Merkmale entwickelt, die zur Identifizierung Davids in Kunstwerken beitragen.

2.2 Die traditionelle Ikonographie Davids anhand zweier Beispiele

Erste Darstellungen der biblischen Figur des David befinden sich in den Katakomben Roms und lassen sich auf die ersten christlichen Gemeinden der Antike zurückführen. Anfang des 17. Jahrhunderts, zu Zeiten Berninis, erstreckt sich daher bereits ein weites Feld an Abbildungen, deren Szenen den biblischen David thematisieren. Trotz der Viel- zahl an Darstellungen, sowie verschiedenartiger Abweichungen, fallen dennoch wesent- liche, immer wiederkehrende Gemeinsamkeiten auf, die Rückschlüsse auf eine ,traditio- nelle´ Ikonographie zulassen.[5]

Die in der Kunst etablierte Darstellungsform zeigt David zumeist kurz vor oder nach der eigentlichen Kampfszene gegen seinen Antagonisten Goliath. Aus den zahlreichen Beispielen, sollen an dieser Stelle lediglich zwei Künstler, deren Werke Bernini sicherlich aufgrund der zeitlichen, sowie unmittelbaren lokalen Nähe bekannt waren, stellvertretend hervorgehoben werden.

Die Kunstwerke der italienischen Renaissance können als Fundament für den daraus hervorgehenden Barock angesehen werden, da sich gegen Ende des 16. Jahrhun- derts eine einschneidende Entwicklung in der Rolle des Künstlers beobachten lässt. Be- günstigt durch die Lehre des Humanismus, keimt erstmals der Geniekult auf, der sich um kaum einen zweiten Künstler so sehr rankt, wie um Michelangelo Buonarroti, der insbesondere von Giorgio Vasari in dessen Viten (Künstlerbiographien) hervorgehoben wird.[6] Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass sich Künstler auch mehr als 120 Jahre später noch an den Werken des Michelangelo inspirieren, als dessen wohl populärste Plastik der „David“ (1501-1504) (Abb.2) gilt. Bei der 5,17 Meter hohen Skulptur aus weißem Marmor handelt es sich um eine klassische Darstellung. Der alttestamentarische Held steht im Kontrapost, welcher durch klar definierte Differenzierung von Stand- und Spielbein deutlich gemacht wird. Rückschlüsse auf die dargestellte Figur können anhand der Pose allein jedoch nicht gezogen werden, sondern lassen sich lediglich auf die Steinschleuder als Attribut Davids zurückführen. Rainer K. Wick zufolge vermittelt diese Haltung die Dominanz des „Psychische[n] über das Physische, also die innere Spannung vor dem Kampf“.[7] Im Vordergrund steht hier die Ästhetik des ideal-proportionierten Körpers, sowie die geistige Überlegenheit Davids, der eigentliche Akt des Wurfes wird der Repräsentation des Helden untergeordnet.

Die Hervorhebung Davids als siegreichen Triumphator spiegelt sich ebenfalls in den Gemälden Caravaggios wider. Mehrmals thematisiert der Künstler des Frühbarock den Kampf David gegen Goliath, wobei jede der Darstellungen den jugendlichen Helden mit dem bereits abgeschlagenen Haupt des Bezwungenen zeigt. Als signifikant erweisen sich diesbezüglich die beiden Werke aus den Entstehungsjahren 1606 (Abb.3), beziehungsweise 1610 (Abb.4). Der Kampf ist bereits gewonnen, der Gegner enthauptet und der Jüngling eindeutig als Held der Geschichte identifizierbar. Noch greifbarer als in Michelangelos Werk, wird Davids psychische Dominanz bei Caravaggio demonstriert. Giorgio Bonsanti äußert sich diesbezüglich wie folgt:

„David is shown as the adolescent who triumphs not by his stength, but by his power of character and his faith.“[8]

Es ließen sich beliebig viele weitere Beispiele dieser Art der Darstellungsform Davids aufzählen. Gian Lorenzo Bernini jedoch, hebt sich mit seiner Skulptur auf frap- pierende Weise von der Repräsentation des nur geistigen Helden ab. Diese Abweichung gilt es, unter Berücksichtigung des barocken Kunstverständnisses, im Folgenden näher zu erläutern.

[...]


1 Vgl. Bottineau, Yves, Übers. Schürmann, Susanne: Die Kunst des Barock, Verlag Herder, Freiburg i. Br. 1986, S.43f.

2 Vgl. ebd., S.47f.

3 Vgl. Die Bibel - Altes und Neues Testament, Hrsg. Prof. Dr. Vinzenz Hamp, Pattloch Verlag, Augs- burg 1989, 1 Sam. (1 Kg), 17-18 (S. 281-284).

4 Vgl. Zuffi, Stefano, Übers. Dr. Pichler, Karl: Erzählungen und Personen des Alten Testaments, Parthas Verlag, Berlin 2004, S.221.

5 Vgl. Kauffmann, Hans: Giovanni Lorenzo Bernini - Die figürlichen Kompositionen, Gebr. Mann Ver- lag, Berlin 1970, S.52.

6 Vgl. Vasari, Giorgio: Le vite dei pi ù eccellenti architetti, pittori et scultori italiani, Teil 3, Florenz 1568.

7 Vgl. Wick, Rainer K.: Die Kunst Italiens - Architektur, Malerei und Plastik von der Antike bis heute, Philipp von Zabern Verlag, Darmstadt 2014, S. 316.

8 Bonsanti, Giorgio: Caravaggio, Scala, Antella 1990, S.44.

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Details

Titel
Die Skulptur im Barock. Gianlorenzo Berninis "David"
Hochschule
Universität Passau
Note
1,30
Autor
Jahr
2016
Seiten
24
Katalognummer
V368025
ISBN (eBook)
9783668464490
ISBN (Buch)
9783668464506
Dateigröße
7189 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bernini, David, Barock, Skulptur, Gianlorenzo Bernini, Barocke Skulptur, Borghese
Arbeit zitieren
Christina Haupt (Autor:in), 2016, Die Skulptur im Barock. Gianlorenzo Berninis "David", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368025

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