Kognitive Karten und mentale Modelle. Ausführung zu Hutchins "Applied Mental Models"


Hausarbeit, 2014

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung/ Navigation in Ozeanien

2. Struktur der Ausarbeitung

3. Parameter und Techniken (Hutchins)/p> 3.1 Sternenkompass
3.2 ETÁK Inseln

4. Diskussion- am Beispiel der Cookinseln

5.Abbildungsverzeichnis

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung / Navigation in Ozeanien

Möchten wir wissen, auf welchen Ursachen räumliche Repräsentationen in kognitiven Prozessen basieren, so gilt es Beobachtungen bezüglich der Strukturen des physischen Raumes vorzunehmen. Hierbei liefert die Navigation, mit ihrer Kernfrage, wie ich mich, ob ทนท zu Land, zu Wasser oder zu Luft, 'von A nach B' fortbewege, wertvolle Anhaltspunkte. So zeigen Beobachtungen bezüglich räumlicher Strukturen Erkenntnisse über die Verarbeitung von Wissen über Raum aber auch über die Repräsentation und Verarbeitung von Wissen im Allgemeinen, da sich die hierzu erforderlichen Prozesse im Raum abspielen.

In der zu verfassenden Hausarbeit soll der Navigation auf See eine besondere Bedeutung zukommen. Dass sich hierbei die Methoden der Seefahrer im pazifischen Raum stark von der uns bekannten westlichen Navigation unterscheiden, wird schnell deutlich, wenn man Bezug auf mentale Konzepte und angewandte Hilfsmittel nimmt. Umso größer ist die Faszination über die nautischen und „navigatorischen Glanzleistungen“[1], die Navigatoren auf hoher See bereits vor ca. 1000 Jahren vollbrachten. Reisen bei Natur gegebenen Widrigkeiten über tausende von Meilen „ohne zwei- oder einseitige terrestrische Marken“[2], waren allein durch „kommunikatives, organisatorisches und sorgsames Planen erfolgreich zu bewältigen.“[3]

So ist es von großem Interesse, dies zeigen viele Untersuchungen und Beobachtungen, zu erörtern, welcher Parameter und Techniken man sich bedient, um Naturwidrigkeiten kalkulierbar zu machen und die Präzision der Raumpräsentation möglichst aufrecht zu erhalten. Und was geschieht bei unvorhersehbaren Situation, gibt es Möglichkeiten der Kompensation?

Im Vortrag „Kognitive Karten“ wurde anhand der Navigatoren auf den Karolinen gezeigt, wie die Erstellung komplexer räumlicher Relationen in kognitiven Karten realisiert wird. Die zur Navigation erforderliche Leistung ist hierbei rein mentaler Natur und entzieht sich jeglicher technischer Instrumente, die bei der Bestimmung von relevanten Faktoren wie Geschwindigkeit, Route und Position Gebrauch finden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1 Karte von den Karolinen

2. Struktur der Ausarbeitung

In der anzufertigenden Hausarbeit soll folgende Kernfrage aufgegriffen werden:

Welcher physischer uns psychischer Hilfsmittel bedarf es auf hoher See, um das Ziel, ohne jegliche technische Instrumente, möglichst komplikationsfrei zu erreichen?[4]

Abschließend erfolgt ein kurzer Ausblick zu einer im Seminar bereits erarbeiteten Erkenntnis: Mentale Modelle stehen im kulturellen Kontext und fordern verschiedene Adaptionen. So stellt sich die Frage: Was passiert, wenn eine kulturell voreingenommene zweite Instanz in das System der Inselbewohner eingreift?

3. Parameter und Techniken (Hutchins)

Edwin Hutchins hat in seinem Werk Applied Mental Models (1996), die Navigationstechniken der Karoliner im pazifischen Raum auf der Basis vorangegangener Forschungen geprüft, zusammengetragen und die Thematik kulturell eingebettet. Bei den hier betrachteten Orientierungsformen, welche ohne die Nutzung einer klassischen Karte auskommen, stützt sich Hutchins vornehmlich auf die Schlussfolgerungen, der wie er sagt „vollkommensten Beschreibung des Systems“[5] von Thomas Gladwin.

„Das Wissen über den eigenen Standort, unter Einbezug der

Wetterverhältnisse, sind zwei der wichtigsten Anliegen eines Tiefseefahrers.“[6], so lauteten 1953 die Worte von Ward H. Goodenough. Und so gilt es sich bei Fahrten, bei denen sich die Seefahrer größtenteils außerhalb der Sicht von Land bewegen, zur Lokalisierung des eigenen Bootes „alle

Informationsquellen“[7] zu nutzen. So fungieren unbeständige Faktoren, wie Z.B. „[...] kleine Riffe, Sandbänke, verfärbte Wasserflächen [,..]“[8], das Wasserleuchten in der Nacht, der Seegang (in unmittelbarer Abhängigkeit zu den Witterungsverhältnissen) als „[...] mehr oder weniger nützliche Meeresmarken.“[9] Diese Meeresmarken sind Grundlage für sogenannte „Meereswege“[10] und fungieren ähnlich wie Landmarks zu Land als Wegeweiser und Richtungsindikatoren. So „ bilden die Meereswege den Ozean, den der Seefahrer kennt und versteht.“[11]

Für ihn (Seemann) ist die Oberfläche des Ozeans mit Hunderten, vielleicht Tausenden von Dingen bestückt, deren Namen, Orte und Beziehungen er kennt, und welche für ihn als Meeresmarken fungieren. (Riesenberg 1972, ร. 19)

Besondere Aufmerksamkeit gilt hierbei den Vögeln. Die „hilfreichen Wegbegleiter, fliegen regelmäßig auf das Wasser hinaus, auf der Suche nach

Fischen. Ihr Auftreten ist für die Seefahrer ein Zeichen, dass sich die Insel in unmittelbarer Nähe befindet.“[12] Welch bedeutendes Indiz die Vögel sein können, zeigt die von Edwin Hutchins immer wieder aufgegriffene Situation, in welcher die Seeleute sogar bis zur Abenddämmerung warten, um dann „mit den Vögeln“ die ca. 20 Meilen Rückreise zur Insel anzutreten.

3.1 Sternen kompass

Ein nächster Parameter, welcher als Referenzgrundlage der hier betrachteten Navigationstechnik fungiert, sind die Sterne, welche sich klarleuchtend in mitten auf dem Ozean befinden. In East is a big bird, führt Thomas Gladwin, basierend auf dem Sternenkompass von Ward H. Goodenough (1953), die sternenbilder als Hilfsmittel der nautischen Navigation ein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2 Westliche Konzeptualisierung (runde Darstellung) des Sternenkompasses von Ward H. Goodenough. 14 Sternpfade kombiniert mit der Position des Polarsterns, ergeben 32 Richtungen. Ausgangspunkt ist der „Rising Point“ Altair.

Diese beruhen auf der Feststellung, dass an einem festgelegten Punkt auf der Erde jeder Stern am selben Punkt am östlichen Horizont aufsteigt und am selben Punkt am westlichen Horizont versinkt.[13] Die Sterne folgen also einem Pfad und bilden eine lineare Konstellation. Diese zu Erkennen ist ein aktiver Prozess, bei dem man die Sternbilder erst einmal erschließen muss, d.h. die bewegten Sterne in die Form eines Pfades[14] zu bringen, um Ihnen dann eine Funktion zusprechen zu können. Dabei ist zu beachten, dass „das Wissen über die Sterne, ihre Namen und ihre Bewegungen weitestgehend professionellen Navigatoren Vorbehalten ist.“[15] Diese Navigatoren sind sogar in der Lage „sternenbilder von nie bereisten Inseln zu kennen- und könnten, wenn es darauf ankommt , genau bestimmen, wo sich die Insel befindet.“[16] Edwin Hutchins geht soweit, dass er davon spricht, dass man die Verbindungslinien zwischen den Sternen mit der Zeit automatisch sieht. Die kognitive Karte[17] umfasst so bei einem ausgebildeten Seefahrer unter anderem 50- 100 Inseln zu denen die dazugehörigen sternenbilder im Gedächtnis memoriert werden.

Doch was passiert, wenn die Sterne bedeckt sind? Ein Algorithmus, welcher normalerweise bei der Betrachtung der Sterne abläuft[18] und auf dem der automatisierte Bewegungsablauf/die Bootsfahrt basiert, wird unterbrochen und abgebrochen. Erfahrenen Seeleuten ist es dabei möglich anhand von nur zwei Sternen den Kompass nachzubilden. Dennoch sieht man, dass genau wie alle zuvor beschriebenen Parameter, auch die Sterne den natürlichen Widrigkeiten unterworfen sind. Und so gilt es fernab von den Tugenden der Mathematik und hoch technologisierten Instrumenten, sich des intuitiven Sinnes der Richtung und der Wahrnehmung und Deutung von Dingen aus der Umgebung zu bedienen. Es muss in solchen Situationen zur weiteren

Absicherung auf neue Anhaltspunkte, in Form von zuvor geschilderten Seemarken, zurückgegriffen werden und neue Konzepte erschlossen werden.

Um all die der Umwelt entnommenen Informationen richtig deuten zu können und sie für eine möglichst komplikationsfreie Reise zu nutzen, muss, wie bereits Keith G. Oatly feststellte ein Experte der nautischen Navigation mit einen unglaublichen geographischen Wissen ausgestattet sein. Denn wie Thomas Gladwin notierte braucht es ein auf das Territorium abgestimmtes spezifisches Wissen, da selbst identische Umweltfaktoren im pazifischen Raum „[...] für unterschiedlichste Zwecke in den verschiedenen Bereichen verwendet [,..]“[19] und interpretiert werden.

3.2 ETAK Inseln

Ein weiteres mentales Modell, welches bei Edwin Hutchins Anwendung findet, ist jenes, in welchem eine dritte Insel als Referenzpunkt bei einer Reise zwischen zwei Inseln dient. Laut Thomas Gladwin muss diese keinesfalls real sein und kann somit nur in der Vorstellung des Seefahrers existieren. Die Referenzinsel befindet sich hinter dem Horizont und liegt somit außerhalb der Sicht und wird deshalb auch als Phantominsel betitelt. Die fundamentale Konzeption bei diesem Modell lautet folgend: Das Boot ist fix und die Umgebung, eingeschlossen der Referenzinsel, bewegt sich ausgehend vom Kurs auf das Boot zu und fällt während der Reise hinter dieses zurück. Diese Abstraktion des Zurückfallens ist kulturabhängig, denn obgleich die Seefahrer wissen, dass sie sich sehr wohl bewegen, benötigen sie diese Darstellung von Bewegung im Raum, damit ihr Verständnis von Navigation funktionieren kann. So startet die Referenzinsel unter einen bestimmten Stern eines Sternbildes entgegen der Fahrtrichtung des Bootes. Auch auf der weiteren Reise befindet sie sich stetig unter Sequenzen von sternenpunkten und kann demzufolge immer wieder mit Sternenpositionen verknüpft werden. Der Horizont bildet eine Gerade auf der sich die Phantom insei, unter besagten Abfolgen von

[...]


[1] Vgl. Wolfschmidt G. (2008), Navigare necesse est, Die Geschichte der Navigation, ร. 145

[2] Ebenda.

[3] Ebenda.

[4] Hierbei wird sich nur auf die im Referat herangezogenen Elemente bezogen. Techniken, wie beispielsweise die Koppelnavigation werden auf Grund der vorgegebenen Länge der Arbeit nicht aufgegriffen.

[5] Hutchins E. (1996), Applied Mental Models, ร.67

[6] Goodenough Ward H. (1953), Native astronomy in the Central Carolines, The University Museum/ University of Pennsylvania/ Philadelphia, ร.3

[7] Hutchins E. (1996), Applied Mental Models

[8] Riesenberg, Saul H. (1972), The Organisation of navigational knowledge on Puluwat in The Journal of the Polynesian Society, Voi.81(1), ร. 20 ® Ebenda. ]° Ebenda, S.34

[11] Ebenda!

[12] Finney В. Voyage to Polynesia's land's end., Html, http://www.thefreelibrary.com/Voyage+to+Polynesia's+land's+end.-a072501256

[13] Die Karoliner orientieren sich an den markierten Himmelsrichtungen Ost-West und der Meridianlinie. (Sarfert 1911, ร. 132)

[14] Man spricht auch von „fixed frame of references" (Hutchins 1996, ร.68)

[15] Goodenough Ward H. (1953), Native astronomy in the Central Carolines, The University Museum/ University of Pennsylvania/Philadelphia, ร.3

[16] Gladwin T., East is a Big Bird: Navigation and Logic on Puluwat Atoll, ร. 34 Die kognitive Karte dient der Strukturierung der Umgebung.

[18] Erschließen, in Form bringen, Funktion zusprechen. Gladwin ไ·. 1 East is a Big Bird: Navigation and Logic on Puluwat Atoll, ร.145

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Kognitive Karten und mentale Modelle. Ausführung zu Hutchins "Applied Mental Models"
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Sprache und Kommunikation)
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V367971
ISBN (eBook)
9783668470545
ISBN (Buch)
9783668470552
Dateigröße
2405 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunikation, Mentale Modelle, Kognitive Karten, Mental Models, Hutchins, Kognition, Navigation
Arbeit zitieren
Anne Kautz (Autor:in), 2014, Kognitive Karten und mentale Modelle. Ausführung zu Hutchins "Applied Mental Models", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367971

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