Finina Tank. Zur numerischen Analyse einer Laborfinne


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2017

37 Seiten

Dipl.-Ing. Michael Dienst (Autor:in)


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Leseprobe


INTRO

Simulationssoftware nimmt in den naturwissenschaftlichen und ingenieur-wissenschaftlichen Berufsfeldern einen zunehmend größeren Anteil ein: organisatorisch, zeitlich und hinsichtlich der Kosten. In maschinenbaubetonten Produktentwicklungsmethoden werden bereits in der frühen Phase Wirkprinzipien und Funktionsmodelle nachgefragt; sie geben erste Auskünfte über Form und Art, Abmessungen, Anordnung und Anzahl der Gestaltungselemente eines frühen Entwurfs und bilden die Entscheidungsgrundlagen für die weitere Entwicklung. An Bedeutung gewinnen auch gegenständliche Modelle, die mit Rapid Prototyping-Verfahren (RP) direkt aus CAD-Datenbeständen generiert werden können. Experimentieren mit gegenständlichen Modellen umfasst das ganze Spektrum sehr einfacher Tests bis hin zu aufwändigen Erprobungen mit Prototypen und Vorläuferprodukten. Aus den Geometriedatenbeständen ableitbare Beanspruchungsmodelle dienen der Klärung des Bauteilverhaltens bei äußerer Beanspruchung, Verformungs- und Funktionsmodelle zur Analyse des Bauteilverhaltens hinsichtlich Festigkeit, Kinematik, Dynamik, und gegebenenfalls thermischen Verhaltens.

Die BIONIC RESEARCH UNIT[1] der Beuth Hochschule für Technik Berlin ist seit Ihrer Gründung im Jahre 2004 in zahlreichen Forschungsprojekten auf dem Gebiet anwendungsorientierten Fluidmechanik erfolgreich. Gemeinsam mit industriellen Forschungspartnern haben wir in der Vergangenheit strömungsadaptive Leit- und Steuertragflächen für Seefahrzeuge nach dem Vorbild der belebten Natur entwickelt. Im Rückblick auf mehr als zehn Jahre intensiver Bionikforschung kristallisiert sich eindeutig ein Themenschwerpunkt heraus: Die Vorhaben der BIONIC RESEARCH UNIT behandeln Fragen zur „Intelligenten Mechanik" in Natur und Technik. Allen genannten Projekten ist als übergeordnetes Ziel die Klärung des Beaufschlagungs-Verformungsgebarens intelligenter Kinema­tiken in der Biologie und die Fluid-Struktur-Wechselwirkung strömungsbeaufschlagter technischer Systeme gemein.

FININA

Die rezente Forschung der BIONIC RESEARCH UNIT behandelt die Untersuchung strömungsme­chanischer Phänomene von flexiblen, belastungsadaptiven Tauch- und Schwimmkörperstrukturen mit analytischen, experimentellen und numerischen Methoden mit dem Ziel, Regeln für Konzepte, Entwürfe und Konstruktionen innovativer Leit- und Steuertragflächen, insbesondere Surfboardfinnen zu erarbeiten.

Mit dem Vorhaben FININA-Tank[2] (Fin in a Tank) entwickeln wir einen virtuellen Strömungskanal mit der Absicht, durch numerische Verfahren, standardisierte technische Volltaucher in einem möglichst einfachen Modellansatz zu beschreiben, qualitativ und quantitativ auszuwerten und diese Berechnungsergebnisse mit anderen an Finnenforschung Befassten zu diskutieren. Das mittelfristige Ziel des Vorhabens ist die Beschreibung, Modellierung und Simulation der Fluid- Struktur-Wechsel­wirkung spezieller standardisierter Modellkörper unter Strömungslast und beim Manövrieren in voll getauchtem Zustand. Das Forschungsvorhaben FININA ist insofern einzigartig, da computerbasierte

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Abb.l: Ringkanal mit Vorlagetank, Gleichrichter und Messkammer am Fachgebiet für Fluid­Systemdynamik der TU-Berlin. Entnommen: Voß, TU Berlin 2016[3].

Der Simulationsraum ist eine Referenz zu einer existierenden Messstrecke, dem DN400-Messstand des Fachgebiets für Fluid-Systemdynamik der TU-Berlin. Dieser reale Messstand besteht aus einem großen Vorlagebehälter, einer unteren Zuführungsstrecke, zwei Krümmern und einer Beruhigungs­einheit direkt hinter der zweifachen Umlenkung. Bis auf die Düsen im direkten Vor- und Nachlauf der Messkammer sind alle Zu- und Ableitungen aus DN400-Rohrsegmenten aufgebaut. Die im unteren Teil des Vorlagebehälters horizontal eingebaute Unterwassermotorpumpe liefert einen maximalen Volumenstrom von 1600 m3/h bei einer Förderhöhe von 4,6 m und kann mittels eines Frequen- zumwandlers direkt angesteuert werden. Der Vorlagebehälter ist durch Trennbleche in zwei horizontale Sektionen unterteilt, um eine Kurzschlussströmung zwischen Zulauf und Pumpensaug­mund zu verhindern. Druckseitig schließt sich an die Pumpe eine Drallblecheinheit an. Die Rohrkrümmer sind mit jeweils fünf Umlenkschaufeln bestückt. Neben den Umlenkschaufeln und der Dralleinheit wurden im Zulauf der Messkammer ein Rohrbündelgleichrichter, als auch ein Lochplattenumformer zur Strömungsvergleichmäßigung integriert. Das Gesamtfassungsvolumen der Anlage beträgt mit Vorlage und vollgefüllten Zu- und Ableitungen ca. 8,5 m[3].

CFD

In den Naturwissenschaften und in der Technik sind es fluidmechanische Fragestellungen, die sowohl einen hohen strukturellen Aufwand (Windkanäle, Strömungsmessstrecken), ausgefeilte numerische Methoden (Strömungs-simulation, Computational Fluid Dynamics, CFD) als auch eine sehr hohe theoretische Sachverständigkeit aller Beteiligten fordern. Die numerische Strömungsmechanik ist eine Schlüsselkompetenz in der Ingenieurausbildung. Der Einsatz professioneller CFD-Software trägt diesem Anspruch Rechnung. Gerade in den frühen Semestern scheint jedoch das von den Studierenden als „gesichertes Wissen Anerkannte" und das durch die abrufbare „gefühlte Lösungsautorität der Computerprogramme Vermutete" auf unterschiedlichen Kontinenten zu liegen.

In der Forschung an Hochschulen und in der Industrie und in der Lehre ist kommerzielle Simulationssoftware im Einsatz. Die ersten kommerziellen CFD-Programmsysteme zur numerischen Strömungssimulation waren in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit PHOENICS (1981), Fluent (1983), Flow-3D (1985) verfügbar. Der Begriff CFD umfasst das Aufstellen und Lösen gekoppelter Differentialgleichungen und Randbedingungen mittels algebraischer Gleichungssysteme, die Numerik und Näherungsverfahren, die statt exakter Lösungen von Differentialgleichungen Approximationen liefern, auch die vorbereitenden Arbeiten am Rechner und die Aufbereitung und Auswertung der Ergebnisse. Die Wahl des Strömungsmodells und die Deklaration der Randbedingungen des strömungsmechanischen Problems sind die wichtigsten Festlegungen zu Beginn jeder Simulation. (Preprocessing) das Einlesen der Geometrie, die Erzeugung des Rechennetzes, die Definition der Fluideigenschaften oder die Festlegung der Anfangs- und Randbedingungen. Das eigentliche Lösen der partiellen Differentialgleichungen mit einem numerischen Verfahren ist der Kern jeder Simulation. Wichtige Kriterien zur Auswahl des passenden Näherungsverfahrens sind etwa die Genauigkeit, die Stabilität, die Flexibilität oder die notwendige Anzahl an Iterationen. Nach erfolgreichem Simulationslauf wird das berechnete Ergebnis in Textform oder graphisch ausgegeben. Zur besseren Darstellung der zahlreichen Daten werden die Feldgrößen in verschiedene Diagrammtypen aufbereitet wiedergegeben (Postprocessing) Abschließend ist zu überprüfen, ob und wie genau die Rechenergebnisse mit evtl. experimentellen Messungen, mit Werten aus der Literatur oder Lösungen anderen numerischen Methoden übereinstimmen.

Für die Erforschung der Strömungswirklichkeit von Surfboardfinnen und im weiteren Sinn von fluidisch beaufschlagten Leit- und Steuertragflächen von Seefahrzeugen, sollen experimentelle, analytische Methoden und Simulationsprogramme vom Stand der Wissenschaft und Technik zum Einsatz kommen. Gegenstand der ersten Untersuchungen sind synthetische Surfboardfinnen, so genannte LAB Fins die als artifizielle standardisierte Laborfinnen (LABFin) unzweideutig gestaltet und extrem einfach herzustellen sind. Laborfinnen nach dem LABFin-Standard werden im Laufe der Untersuchung als materielle Technik- und Technologie -Demonstatoren und als Computermodelle vorliegen. Bei der formulierung eines validierbaren Strömungsraumes werde ich mich an der Geometrie eines realen Messkanals am Standort des Instituts für Fluidsystemdynamik der Technischen Universität Berlin orientieren, an dem ein Mitglied der BIONIC RESEARCH UNIT (M. Voß) eine Forschungskampagne zu belastungsadaptiven Tragflügelsystemen durchführte. Die meisten kommerziellen Computerprogramme zur Strömungssimulation verwenden so genannte Reynolds­gemittelte Navier-Stokes-Gleichungen. Derartige CFD-Solver benötigen längere Rechenzeiten zur Simulation und Berechnuing einer Strömungswirklichkeit einer Surfboardfinne. Wir sprechen von Stunden und Tagen. Auf der anderen Seite der Skala stehen Potentialtheoretische Verfahren. Hier verkürzen sich die Berechnungszeiten um den Faktor 1000. Der vorliegende Aufsatz wird die wesentlichen Unterschiede zwischen CFD und Potentialtheoretischen Verfahren ansprechen ohne jedoch auf die Grundaussage der klassischen Strömungsmechanik einzugehen. Hier sei auf die einschlägige Literatur[4] verwiesen [Tham-08] [Lech-14] [Scha-13] [Oert-11].

Strömungen können auf unterschiedliche Weise beschrieben werden. Die EULER-Formulierung geht von einem raumfesten Koordinatensystem aus. Werden dagegen materielle Partikel des strömenden Mediums verfolgt, so spricht man von der sogenannten materialbezogenen oder LAGRANGE- Formulierung. Allen CFD Programmen gemein ist, dass sie die Erhaltungsgleichungen der Strömungsmechanik numerisch zu lösen versuchen. Die Unterschiede bestehen in der Abstrak­tion der Grundgleichungen und den Berechnungsmethoden. Die Navier-Stokes Gleichungen sind die allgemeinste Form der Bewegungsgleichung für viskose Fluide und beschreiben nach heutigem Wissensstand alle realen Flüssigkeitsphänomene. Sowohl die Berechnung von Grenzschichten, Verwirbelungen und Turbulenzen als auch der Umgang mit instationären und kompressiblen Strömungen wird ermöglicht.

Die vollständigen Navier-Stokes Gleichungen umfassen die Erhaltungssätze von Masse, Impuls und Energie. Zur Bestimmung der 17 Unbekannten werden zu den fünf Grundgleichungen noch die thermischen und kalorischen Zustandsgleichungen sowie die Stokes'schen Beziehungen für Newtonsche Fluide hinzugezogen [Lecheler 2008, S. 23 ff]. Die Lösung des strömungstechnischen Problems erfordert die Integration der Differentialgleichungen. Durch Vorgabe von Rand­bedingungen werden die Integrationskonstanten und damit die gesuchten Variablen eindeutig bestimmt. Bei der Untersuchung der Fuid-Struktur Wechselwirkung beweglicher, strömungs­adaptiver Bauteile in einem Fluid müssen stark verformte Bereiche oder bewegliche Grenzen in der jeweiligen Formulierung abgebildet werden. Für eine gemeinsame Beschreibung der Bewegungen eines Mediums kann daher eine übergeordnete, willkürliche (engl. arbitrary) Beschreibung aus raum­und materialbezogener Formulierung, die sogenannte Arbitrary Lagrangian-Eulerian-Formulierung (ALE) erfolgen. Angewandt gebietsweise auf к und mit dem NABLA-Operator[5] kann für die Erhaltung von Masse, Impuls und Energie geschrieben werden:

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Die Massen-Gleichung reduziert sich auf die Divergenzfreiheit des Geschwindigkeitsfeldes und die Energie-Gleichung wird zur Bestimmung der Druck- und Geschwindigkeitsverteilung erst gar nicht benötigt. Auf einer abstrakten Ebene liefert die (dimensionslose) Navier-Stokes-Gleichung Aussagen überTransportvorgänge in einer Strömungs-Wechselwirklichkeit:

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Die vereinfachte Betrachtung der reibungsfreien Umströmung ist als EULER-Gleichung[6] bekannt:

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Die Berechnung von nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen ist stets mit einem immensen Rechenaufwand verbunden, da bereits kleine Turbulenzen die Lösung beeinflussen (gerade bei großen Reynolds-Zahlen) und aufgelöst werden müssen, was ein sehr feines Rechennetz bedingt. Aufgrund der aufwendigen Berechnungen selbst für einfache Geometrien mit niedrigen Reynolds­Zahlen und begrenzter Anzahl an Gitterpunkten, wurden vereinfachte Modelle und Methoden entwickelt, die die rechnerische Lösung der vollständigen instationären Navier-Stokes Gleichungen dennoch gut approximieren. Die Navier-Stokes-Gleichungen gelten für (fast) alle Strömungen. Um das gegebene Strömungsproblem lösen zu können, sind neben der Geometrie auch fluidmechanische Randbedingungen notwendig. Nur durch die Wahl physikalisch richtiger Randbedingungen stellt sich auch eine Strömung ein.

Grundsätzlich fragen wir zuerst: Was strömt in das Strömungsgebiet ein, was strömt heraus. Welcher Art ist die Strömung an den Wandungen des Modells. Wir unterscheiden die Randbedingungen nach physikalischen Randbedingungen, pRB und numerischen Randbedingungen, nRB. Hierin sind: pRB, alle vorgegebenen Größen am (Berechnungs-) Rand und nRB, alle berechenbaren Größen am (Berechnungs-) Rand. Die Anzahl der zu lösenden Erhaltungs-gleichungen muss der Summe aller physikalischen Randbedingungen X pRB und aller numerischen X nRB entsprechen. Im dreidimensionalen Fall sind das also S3D=X nRB + X pRB = 5. Die eine numerische Randbedingung (innen) am Einströmrand EIN wird vom Simulationsprogramm berechnet, die vier äußeren physikalischen Randbedingungen pRB müssen vorgegeben werden; z.B. den Totaldruck pt, die Totaltemperatur Tt die Zuströmrichtung in der xz- Ebene (bzw. das Verhältnis der Zuströmgeschwindigkeit w/u) und die Zuströmung in der xy-Ebene (bzw. das Verhältnis der Zuströmgeschwindigkeit v/u) die wir in unserem virtuellen Finnen­Strömungskanal als den Anströmwinkel F benennen werden. In anderen Anwendungen sind Randbedingungen, wie beispielsweise der Massenstrom m anzugeben. Am Abströmrand AUS wird lediglich eine physikalische Randbedingung gefordert, in der Regel ein statischer Druck p=const. oder eine statische Druckverteilung p=f(y,z); die vier numerischen Randbedingungen werden vom Simulationsprogramm berechnet. Am Festkörperrand des Strömungsraumes müssen vier physikalische Ranbedingungen angegeben werden - drei Geschwindigkeitskomponenten und die Wandtemperatur, bzw. deren Gradient falls dieser bekannt ist - und eine Randbedingung nRB wird vom Programm berechnet. Bei reibungsbehafteten Strömungen gilt (die so genannte Haftbedingung) dass die Geschwindig-keitskomponenten an der Wand verschwinden: u=v=w=0.

Turbulenzmodelle. Die oben angesprochenen vollständigen, dreidimensionalen Navier-Stokes- Gleichungen können durchaus numerisch gelöst werden. Jedoch ist für eine allgemeine turbulente Strömung, bei der auch kleinste Turbulenzen aufgelöst werden (sollen), der Berechnungsaufwand erheblich, weil hier die zu deklarierenden Volumenelemente sehr klein sind. In der Berechnungspraxis haben sich deshalb CFD-Programme etabliert, die Reynolds-gemittelte Navier- Stokes-Gleichungen lösen. Die Berechnungsungeauigkeiten können somit auf ein erträgliches Maß eingesteuert werden. Bei Reynolds-gemittelten Navier-Stokes-Gleichungen werden die kleinen Turbulenzenm durch Turbulenzmodelle ersetzt mit dem Vorteil, dass das Berechnungsnetz die kleinen turbulenten Schwankungen nicht mehr auflösen muss. Die tatsächlichen Strömungsgrößen p, u, v, w, e werden durch ihre Mittelwerte ß, u,v, w,e und ihrer Schwankungsgröße Ap, Au, Av, Aw, Ae ersetzt, also u=u+Au, w=w+Aw, usw. In der Literatur wird die explizite Schreibweise (etwa w=w+Aw) oftmals vernachlässigt, die Reynolds-Mittelung unterstellt so dass die Navier-Stokes- Gleichungen die gleiche Erscheinung bilden, wie der vollständige Ansatz. Mit der Reynolds-Mittelung wir natürlich die Güte der gesamten Simulation vom Turbulenzmodell abhängig. Wenn beispielsweise die Umschlagpunkte von der laminaren in die turbulente Strömung (Transition) oder der Ablösepunkt der turbulenten Strömung an einer Körperwand (Separation) interessieren, sind entsprechend fein auflösende Turbulenzmodelle zu wählen. An dieser Stelle soll nur sehr allgemein auf die Unterschiede und die (wechsel-) wirksame Physik hinter den Modellen eingegangen werden. Neben den rein laminaren Modellen die bei höheren Reynold Zahlen die Strömungswirklichkeit nicht abbilden finden verschiedene Wirbelviskositätsmodelle Anwendung.

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Das Baldwin-Lomax-Modell verwendet keine Transportgleichungen, sondern nur ein algebraisches Ersatzmodell. Bei abgelösten Strömungen arbeitet dieses Verfahren ungenau. Das k-e-Modell war lange Zeit Industriestandard. Hier werden zwei Transportgleichungen für die turbulente kinetische Energie k und die turbulente Dissipation e. Auch hier wird die Ablösung an der Körperwand nachlässig - im Sinne von zu spät und eher „optimistisch" - behandelt. Beim k-ro-Modell ist in dieser Hinsicht die abgebildete Strömungswirklichkeit näher an der physikalischen Realität. Neben der turbulenten Dissipation e wird in diesem Zwei-Gleichungs-Modell die turbulente Frequenz ro verwendet, die schon bei nicht allzu feiner Gitterdiskretisierung in Wandnähe gute Ergebnisse liefert. Aus den Erfahrungen in der Berechnungspraxis wurde das SST-Modell entwickelt. Es kombiniert das robuste k-e-Modell mit den guten Eigenschaften des k-ro-Modells. Das Shaer-Stress-Modell (SST) liefert gute Berechnungsergebnisse hinsichtlich Transition und Separation in der Grenzschicht.

POTENTIALLÖSER

Die durch einen Potentiallöser erstellte Strömungswirklichkeit kann in ausgesuchten Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit an das reale Strömungsphänomen hinreichen. In der Potentialtheorie werden, unter Berücksichtigung spezieller Randbedingungen, geschlossene (Potential-) Gleichungen aufgestellt und gelöst. Eingebettet in moderne Programmumgebungen können potential­theoretische Berechnungen sehr schnell sein. Wir betrachten in diesem Aufsatz nur ebene Strömungsfelder. Wegen der Linearität der Gleichungen gilt für Potentialströmungen das Superpositionsprinzip, das die Darstellung und Berechnung komplexer Lösungen aus der Über­lagerung von einfachen Strömungen für die Elementarlösungen erlaubt. Für Potentialströmungen ist die Zirkulation immer dann Null, wenn keine Festkörper oder Singularitäten eingeschlossen werden. Mit der Zirkulation lassen sich Wirbelstärke und Auftriebskräfte berechnen. Als Potential werden hierbei Skalarfunktionen verstanden, deren partielle Ableitung eine Größe mit physikalischer Bedeutung angibt. Potentiallinien kennen wir als Höhenlinien in einer Landkarte oder als Isobaren auf einer Wetterkarte. Ist eine Strömung wirbelfrei, so folgen aus dem Gradienten der Feldfunktion die Geschwindigkeits-komponenten der Strömung. Bei wirbelfreien Strömungen sind die Vektorkomponenten nicht mehr unabhängig voneinander sondern über das Potential verbunden. Nach dem Satz von Kutta-Joukowsky kann die auftriebsbehaftete Umströmung eines Profils als Kombination aus Parallel- und Zirkulationsströmung betrachtet werden, wenn die (Kutta'sche) Abfluss-bedingung erfüllt ist. Diese fordert ein glattes Abströmen des Fluids an der Hinterkante.

Die Programmsysteme JAVAFOIL, EPPLER und XFOIL[7] sind robuste, einfache Codes zur zwei­dimensionalen Strömungsberechnung nach der Potentialtheorie und arbeiten mit einigen Einschränkungen. In dieser Untersuchung arbeite ich mit dem System JAVAFOIL. Die Betrachtung des Strömungsgeschehens in der Grenzschicht ist bei einem Potentiallöser in aller Regel direktional; das bedeutet, dass die Grenzschichtanalyse keine Rückmeldung an die potentialtheoretische Strömungslösung enthält und keine (zur Konvergenz führenden) Iterationsschleifen durchlaufen werden. Die Direktionalität schränkt natürlich die Aussagekraft der berechneten Strömungs­wirklichkeit des Potentiallösers über die reale Strömung ein. Für das wandnahe Strömungsgeschehen berechnet JAVAFOIL keine laminaren Trennblasen und modelliert keine Strömungstrennung in derartigen Strömungsgebieten. Immer dann, wenn solche Effekte auftreten, werden die Berechnungsergebnisse ungenau.

Eine Auftrennung der Strömung, wie sie bei Stall auftritt, wird nur bis zu einem gewissen Grad durch empirische modellierte Korrekturen beschrieben. Strömungstrennung und Stall speziell sind dreidimensionale Strömungsgeschehen und auch schnittweise durch einen zweidimensionalen Strömungslöser nicht darstellbar. Für Strömungszustände, die jenseits des Stallpunktes liegen, liefert der (zweidimensionale) Potentiallöser ungenaue Ergebnisse. Eine genauere Analyse der Grenzschichtströmung würde ein anspruchsvolleres Verfahren zur Lösung der Navier-Stokes- Gleichungen erfordern; dies ist (im Falle einer CFD-Rechnung) mit einer Steigerung der CPU-Zeit um den Faktor 1000 verbunden.

Im Potentiallöser JAVAFOIL ist eine klassische Panel-Methode implementiert, um das lineare Potential-Flow-Feld zu bestimmen. Wie bei den meisten Panel-Methoden erhöht sich die Lösungszeit für das lineare Gleichungssystem mit dem Quadrat der Anzahl der Unbekannten. Daher ist es ratsam, die Anzahl der Punkte auf Werte zwischen 50 und 150 zu begrenzen. Diese relativ kleine Zahl liefert bereits ausreichend Genauigkeit der Ergebnisse. Für die Simulation der wandnahen (Grenz-schicht-) Strömung wird eine Grenzschichtintegration nach Eppler durchgeführt. Solche ganzheitlichen Methoden basieren auf Differentialgleichungen, die das Wachstum der Grenzschicht-parameter in Abhängigkeit von der lokalen Strömungsgeschwindigkeit ermitteln. Während genaue analytische Formulierungen für laminare Grenzschichten vorhanden sind, ist für den turbulenten Teil eine empirische Korrelationen erforderlich. Methoden zur Vorhersage des Übergangs von laminar zu turbulenter Strömung wurden seit den frühen Tagen der Prandtl'schen Grenzschichttheorie von vielen Autoren entwickelt. Grundsätzlich ist es möglich, die Stabilität einer Grenzschicht numerisch zu analysieren. Dennoch sind alle praktischen und schnellen Methoden mehr oder weniger auf empirische Beziehungen angewiesen, die meist aus Experimenten abgeleitet sind. Die lokalen Parameter an einem Punkt P auf der Kontur des Profils sind das Ergebnis einer Integration (der Strömungsgrößen um P) und enthalten und verarbeiten damit Informationen über die Geschichte der Strömung. Die Wirkung der Rauigkeit auf den Übergang von der laminaren in die tubulente Strömung ist komplex und kann mit einem Potentiallöser nicht genau simuliert werden. Auch moderne direkte numerische Simulationsmethoden haben Schwierigkeiten den Effekt zu simulieren. JAVAFOIL besitzt einen Friktionsansatz mit dem zwei Effekte der Oberflächenrauigkeit modelliert werden: (1) Die laminare Strömung wird auf einer rauen Oberfläche destabilisiert, was zu einem vorzeitigen Übergang führt und (2) laminare als auch turbulente Strömung erzeugen auf rauen Oberflächen einen höheren Reibungswiderstand. Aus dem Vergleich mit Lösungen aus Experimenten am Strömungskanal kann dem Potentiallöser mit dem Ansatz reibungsfreier Strömung und dem Kriterium der Rotationsfreiheit in ausgesuchten Fällen eine zufriedenstellende Voraussage­wahrscheinlichkeit attestiert werden. Rotorfreie Potentialströmungen sind Wirbelströmungen. Unter der Drehung einer Strömung kann man sich die Rotation der einzelnen Fluidteilchen um die eigene Achse vorstellen.

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Eine weitere wichtige Größe als Maß für die Drehung der Strömung über eine Fläche A ist die Zirkulation. Definiert ist Zirkulation Г als Linienintegral der Geschwindigkeit über eine beliebig geschlossene Kurve L im Strömungsfeld. Ob und im welchem Ausmaß sich Wirbel auf einem Gebiet A befinden, kann demnach über die Zirkulation bestimmt werden. Mit Hilfe des Stokes'schen Integralsatzes lässt sich der Zusammenhang von Drehung und Zirkulation beschreiben. Für Potentialströmungen ist die Zirkulation immer Null, wenn keine Festkörper oder Singularitäten mit eingeschlossen wurden. Über die Zirkulation lassen sich, Wirbelstärke und Auftriebskräfte berechnen. In der Potentialtheorie werden Strömungsfelder mittels Stromlinien dargestellt. Wenn Kontinuität herrscht (0=ôu/ôx + ôv/ôy) und das ist natürlich hier der Fall, ist die Stromlinie eine sehr anschauliche Metapher für die Strömungswirklichkeit um einen Körper in der Art, dass sie die Tangenten der vektoriellen Hauptströmungsrichtung graphisch darstellt. In stationären Strömungen repräsentieren die Stromlinien die Teilchen­bahnen. Ausgenommen an Staupunkten, an denen sich mehrere Stromlinien treffen können, schneiden sich Stromlinien nicht, da an einem Punkt nicht gleichzeitig zwei Geschwindigkeiten herrschen können. Stromlinien sind also quasi fiktive Konstrukte und dennoch kommen sie uns alltäglich vor. Wie selbstverständlich rauschen auf der abendlichen Wetterkarte Geschwindigkeits-Pfeile auf Stromlinien über Isobaren und Temperaturfelder. Das Auge hat bereits verstanden, was Strömungen und Potentiale zu bedeuten haben.

Stromlinien sollen also mit einem Pärchen aus zwei sehr nützlichen Funktionen, einerseits der Stromfunktion Ф und einer ihr mathematisch sehr verwandten Potentialfunktion Ф beschrieben werden. Der auf den ersten Blick vielleicht umständlich erscheinende Ansatz über die Stromfunktion und eine auf dieser orthonormal abbildbaren Potentialfunktion, bringt tatsächlich Klarheit in die Argumentation. Erinnern wir uns noch einmal an die Strömungsgrößen p, u, v, w so werden die Stromlinien (in der ebenen Betrachtungsweise: x,y) durch genau diese Stromfunktion Ф = konst beschrieben. Für die Geschwindigkeitskomponenten u und v schreiben wir:

[...]


[1] Die BIONIC RESEATCH UNIT ist eine forschungs-bezogene Fachgruppe für Bionik an der Beuth Hochschule für Technik zu Berlin. http://proiekt.beuth-hochschule.de/bru/

[2] Vorhaben seit 2016 der BIONIC RESEATCH UNIT: FININA-Tank (sprich: Fin in a Tank).

[3] M. Voss, (2015) Experimentelle und numerische Untersuchung flexibler Tragflügelprofile. Dissertation, Technische Universität Berlin 2015.

[4] Siekmann, H.E., Thamsen, P. U. (2008) Strömungslehre Grundlagen, Springer Verlag Berlin Heidelberg. Lecheler, S. (2014)NumerischeStrömungsberechnung SpringerVerlag Berlin Heidelberg.

Schade, H. (2013) Strömungslehre. De GruyterVerlag.

Oertel jr., H., Böhle, M., Reviol, Th. (2011) Strömungsmechanik, Grundlagen. Springer Verlag Berlin Heidelberg. BIONIC RESEARCH UNIT BERLIN

[5] DerNablaOperatorV angewandtaufeinSkalarfeldf: gradf =Vf = ôf/ôx + ôf/ôy + ôf/ôz

DerNablaOperatorV angewandtaufeinVektorfeldV: divV =V-V = ôVx/ôx+ ôVy/ôy+ ôVz/ôz

[6] Die EULER-Gleichung für eine eindimensionale Strömung u(s) lautet: (ôu/ôt) + u (ôu/ôs) = - 1/p (dp/ds)

[7] Das frei verfügbare Programm JavaFoil ist in der Programmiersprache Java geschrieben. The potential flow analysis is done with a higher order panel method (linear varying vorticity distribution). Taking a set ofairfoil coordinates, it calculates the local, inviscid flow velocity along the surface of the airfoil for any desired angle of attack. http://www.mh- aerotools.de/airfoils/iavafoil.htm The Eppler program PROFILfrom Public Domain Computer Programs for the Aeronautical Engineer containingthe original source code, the source code converted to modern Fortran, and several test cases, references for the Eppler program and a revision of Eppler models that includes a correction for compressibility in: http://www.pdas.com/epplerdownload.html XFOIL wurde in den 1980erJahren von Mark Drela als Entwicklungstool im Daedalus-Projekt beim Massachusetts Institute of Technology programmiert. XFOIL ist ein interaktives Programm zum Entwurf und zur Berechnung von Tragflächenprofilen im Unterschallbereich.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Finina Tank. Zur numerischen Analyse einer Laborfinne
Veranstaltung
Bionik
Autor
Jahr
2017
Seiten
37
Katalognummer
V367664
ISBN (eBook)
9783668454705
ISBN (Buch)
9783668454712
Dateigröße
1755 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
finina, tank, analyse, laborfinne
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. Michael Dienst (Autor:in), 2017, Finina Tank. Zur numerischen Analyse einer Laborfinne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367664

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