Impulskäufe in der Konsumgüterbranche. Theoretische und empirische Aspekte


Bachelorarbeit, 2015

69 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Gang der Untersuchung

2 Kaufentscheidungsprozesse des Konsumenten
2.1 Ansatzmodelle zur Erforschung von Kaufentscheidungsprozessen
2.2 Typologien der Kaufentscheidungsprozesse
2.3 Psychologische Prozesse und ihr Einfluss in den Kaufentscheidungsarten
2.3.1 Psychologische Einflüsse bei extensiven Kaufentscheidungen
2.3.2 Psychologische Einflüsse bei limitierten Kaufentscheidungen
2.3.3 Psychologische Einflüsse bei habitualisierten Kaufentscheidungen
2.3.4 Psychologische Einflüsse bei impulsiven Kaufentscheidungen

3 Impulskäufe
3.1 Definitionsansätze in der Konsumentenforschung
3.2 Impulskäufe und das Stimulus-Response-Paradigma
3.3 Impulskäufe und das Stimulus-Organism-Response-Paradigma
3.4 Beteiligte Prozesse und ihre Wirkung auf impulsive Kaufentscheidungen
3.5 Entstehungsfaktoren impulsiver Kaufentscheidungen
3.5.1 Reizsituation als Auslöser von Impulsivität
3.5.2 Psychische Prozesse als Auslöser von Impulsivität
3.5.2.1 Wirkung aktivierender und emotionaler Prozesse
3.5.2.2 Wirkung motivationaler Prozesse
3.6 Impulskaufarten

4 Zusammenfassung und Ausblick

4.1 Diskussion und Zusammenfassung

4.2 Ausblick auf zukünftige Untersuchungsmöglichkeiten

Literaturverzeichnis

Abstract

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Entstehung und Bedeutung von Impulskäufen in der Konsumgüterbranche und dem Handel im Speziellen. Es wird der Frage nachgegangen, wie sich Impulskäufe von anderen Kaufentscheidungsprozessen unterscheiden und von diesen abgegrenzt werden können. Da sie vielfach mit ungeplanten Käufen gleichgesetzt werden, soll eine Überprüfung dieser These erfolgen. Außerdem wird ermittelt, wie Impulskäufe entstehen und durch was sie beeinflusst werden. Die Fragestellungen werden hierbei auf Grundlage von Fachliteratur, Zeitschriftenartikeln und empirischer Studien ausgewertet und diskutiert.

Im Ergebnis der vorliegenden Arbeit wird deutlich, dass sich Impulskäufe durch den Grad der gedanklichen Kontrolle von anderen Kaufentscheidungsprozessen abgrenzen lassen. Im Gegensatz zu echten und limitierten Kaufentscheidungen ist die gedankliche Kontrolle bei impulsiven Kaufentscheidungen kaum ausgeprägt, die Entscheidung läuft stattdessen automatisch ab. Von habitualisierten Kaufentscheidungen lassen sich Im- pulskäufe anhand des Gewohnheitsverhaltens abgrenzen. Impulsives Kaufverhalten ist situationsabhängig, während gewohnheitsmäßige Kaufentscheidungen vorgefestigten Verhaltensmustern folgen.

Gerade in der amerikanischen Fachliteratur wurden Impulskäufe häufig mit ungeplan- ten Käufen gleichgesetzt. Anhand der vorliegenden Arbeit wird jedoch deutlich, dass Impulskäufe lediglich als kleiner Teil von ungeplanten Käufen verstanden werden kön- nen. Ungeplante Käufe können jedoch auch dann entstehen, wenn Konsumenten nicht impulsiv handeln.

Die Arbeit konnte auch verdeutlichen, dass für die Schaffung impulsiver Kaufentscheidungen der Konsumenten verschiedene Faktoren notwendig sind. So bedarf es eines grundsätzlichen Interesses zum Kauf durch die Konsumenten. Dieses Interesse muss seitens des Handels durch Schaffung positiver Emotionen und Überraschungseffekte in eine Aktivierung im Organismus verwandelt werden. Sind diese Bedingungen erfüllt, könnenxImpulskäufexforciertxwerden.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Stimulus-Response-Paradigma

Abbildung 2: Das Stimulus-Organism-Response-Paradigma

Abbildung 3: Kaufverhaltens-Modelle

Abbildung 4: Veränderung des Kaufverhaltens im Zeitablauf

Abbildung 5: Kaufentscheidungsarten und ihre beteiligten Prozesse

Abbildung 6: Verstärkung oder Beendigung habitualisierten Kaufverhaltens

Abbildung 7: Impulskaufartikel am Beispiel von Süßigkeiten

Abbildung 8: Verschiedene Definitionselemente nach Piron (1991)

Abbildung 9: Schlüsselreiz Hunger am Beispiel eines SB-Backshops

Abbildung 10: Motivationale Konflikte

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Einkaufsmärkte stecken voller Psychologie, beispielsweise im Bereich der Warte- schlange einer Kasse. Dabei wäre folgende Situation vorstellbar: Man steht im Kassen- bereich eines beliebigen Einkaufsmarktes in der Warteschlange und hofft auf die schnellstmögliche Bezahlung seiner ausgewählten Artikel. Während der Kassierer die Waren der vorangehenden Käufer scannt, fällt unverhofft eine Packung Kaugummis oder ein vergleichbarer Artikel ins Auge, welcher meist erhöht platziert angeboten wird. Sofort entsteht Lust, den entsprechenden Artikel zu konsumieren. Innerhalb von Sekundenbruchteilen legt man deshalb diesen Artikel auf das Förderband und fügt ihn somit zu seinen bisherigen Einkäufen hinzu. Dies geschieht im Großteil der Fälle ohne vorherige Planung und längere Überlegungen. Man hat also unbewusst einen Impuls- kauf getätigt. Wie kommen diese Impulskäufe jedoch zustande? Mit Hilfe der vorlie- genden Arbeit soll diese Fragestellung beantwortet und der Prozess der impulsiven Kaufentscheidungen besser verständlich gemacht werden.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

„Es wird geschätzt, dass 40-70 % der Käufe nicht geplante Käufe sind. Die echten („reinen“) Impulskäufe dürften 10-20 % ausmachen.“ (Kroeber-Riel und Gröppel-Klein, 2013, S.496). Anhand dieser Einschätzung einer wissenschaftlichen Studie wird ersicht- lich, dass Impulskäufe für den Handel von wichtiger Bedeutung sind. Sie helfen dabei, Gewinne zu maximieren, zusätzliche Umsätze zu generieren oder Neukunden zu ge- winnen. Die Einschätzung lässt aber auch erkennen, dass nur ein geringer Teil der Kau- fentscheidungen tatsächlich impulsiv getätigt wird. Da die Zahl an Studien noch gering ist, nähert sich diese Arbeit dem Thema explorativ mit Forschungsfragen statt mit The- sen oder Hypothesen. Anhand der ersten Forschungsfragen soll ermittelt werden, wel- che verschiedenen Arten von Kaufentscheidungen im Handel auftreten können:

1. Welche Arten von Kaufentscheidungsprozessen gibt es und wie lassen sich Impuls- käufe von diesen Kaufentscheidungen abgrenzen?

Gerade in der amerikanischen Literatur wurden Impulskäufe häufig mit ungeplanten Käufen gleichgesetzt (vgl. hierzu Studien von Applebaum, 1951; Kollat und Willett, 1967). Ob diese Ansicht zu teilen ist oder möglicherweise widerlegt werden kann, soll anhand eines Teiles der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Hierzu wurde die zweite Forschungsfrage entwickelt:

2. Sind Impulskäufe generell als ungeplante Käufe anzusehen und wie lassen sie sich definieren?

Ein weiteres Ziel der Arbeit mündet in der dritten Forschungsfrage und beschäftigt sich mit der Entstehung und Einflussgrößen von Impulskäufen:

3. Wie entstehen Impulskäufe und durch welche Faktoren werden sie beeinflusst?

Um einen umfassenden Überblick über den Ablauf der Untersuchung und die Struktur der Arbeit zu erhalten, soll im Folgenden der Aufbau der Arbeit verdeutlicht werden.

1.2 Gang der Untersuchung

Um ein grundsätzliches Verständnis über Impulskäufe zu erlangen, sollen zunächst die unterschiedlichen Kaufentscheidungsprozesse aufgezeigt werden. Dazu werden in Ka- pitel 2.1 Ansatzmodelle zur Erforschung der Kaufentscheidungen erläutert und ihre Eignung für die Forschung untersucht. Kapitel 2.2 beschäftigt sich mit den verschiede- nen Möglichkeiten der Typologisierung von Kaufentscheidungen und zeigt auf, welche Möglichkeit der Betrachtung für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung ist. In Kapitel 2.3 sollen schließlich die vier verschiedenen Kaufentscheidungsprozesse er- läutert werden. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf die psychologischen Pro- zesse im Organismus des Konsumenten gelegt und aufgezeigt, inwiefern sie ihn in sei- ner Entscheidung beeinflussen können.

Die impulsive Kaufentscheidung wird hierbei nur in groben Zügen beschrieben, eine ausführliche Untersuchung erfolgt in den nachfolgenden Kapiteln.

Kapitel 3 beschäftigt sich im Anschluss mit der Hauptbetrachtung der Arbeit, dem Im- pulskauf. Dazu werden in Kapitel 3.1 zunächst verschiedene Definitionsansätze aus der Konsumentenforschung gegenübergestellt und mögliche Unterschiede und Ge- meinsamkeiten offengelegt. Im Anschluss erfolgt die Betrachtungsmöglichkeit von Im- pulskäufen mittels des Stimulus-Response- und Stimulus-Organism-Response- Paradigmas in Kapitel 3.2 und 3.3. Beteiligte Prozesse und ihre Wirkung auf impulsive Kaufentscheidungen werden in Gliederungspunkt 3.4 definiert und ihre Auswirkung aufgezeigt. Kapitel 3.5 widmet sich den Entstehungsfaktoren von impulsiven Kaufent- scheidungen und hier besonders der Reizsituation und den psychischen Prozessen. Da der Impulskauf in verschiedenen Ausprägungsformen auftreten kann, werden in Kapi- tel 3.6 schließlich die unterschiedlichen Impulskaufarten erläutert.

Im abschließenden vierten Kapitel werden die zentralen Erkenntnisse der Arbeit aufgezeigt und ein Ausblick auf mögliche, weitere Untersuchungsfelder gegeben.

2 Kaufentscheidungsprozesse des Konsumenten

Die Untersuchung der Kaufentscheidungsprozesse von Konsumenten1 hat in den letz- ten Jahren für den Handel verstärkt an Bedeutung gewonnen. Bereits heute werden nach Produktgruppe bis zu 70 % aller Kaufentscheidungen der Kunden unmittelbar am Point-of-Sale (PoS)2 getroffen. Die Kunden lassen sich dabei durch das Sortiment, be- stimmte Angebote, die Ladengestaltung und Warenpräsentation beeinflussen und so- mit zu Käufen anregen (vgl. Gröppel-Klein, 2007, S.14 ff.). Die Untersuchung der jewei- ligen Kaufentscheidungsprozesse ist dabei von großer Wichtigkeit, da sie Erkenntnisse über die unterschiedlichen Kundengruppen liefern kann und es somit ermöglicht, die verschiedenen Konsumentengruppen entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse anzusprechen und ihnen Informationen und Rahmenbedingungen zu liefern, welche für die jeweilige Kaufentscheidung von Bedeutung sind (vgl. Silberer, 2013, S.71 ff.). Doch wie lassen sich die entsprechenden Kaufentscheidungsprozesse ermitteln und erklären? Im folgenden Untergliederungspunkt sollen dazu die in der Marktforschung genutzten Modelle der stochastischen und Struktur-Ansätze näher erläutert werden.

2.1 Ansatzmodelle zur Erforschung von Kaufentscheidungsprozessen

In der Marketing- und Konsumentenforschung haben sich seit Beginn der 1950-er Jahre zwei Ansätze der Herangehensweise an die Untersuchung von Kaufentscheidungsprozessen durchgesetzt, welche als stochastische Ansätze und Struktur-Ansätzen bezeichnet werden (vgl. Bänsch, 2002, S.3).

Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe Konsument, Käufer und Verbraucher synonym verwendet.

Die stochastischen Ansätze folgen dabei dem Stimulus-Response-Paradigma (S-R- Paradigma), welches auf der Forschungsrichtung des Behaviorismus aufbaut. Die Ansichten des Behaviorismus beruhen hierbei darauf, dass Erkenntnisse über das menschliche und tierische Verhalten ausschließlich über zu beobachtende ReizReaktions-Prozesse gewonnen werden und innere Vorgänge in den Individuen dabei zu vernachlässigen sind (vgl. Schneider, 2006, S.33).

Abbildung 1: Das Stimulus-Response-Paradigma

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Schneider 2006, S.34.

Abbildung 1 verdeutlicht die theoretischen Annahmen des S-R-Paradigmas auf einfache Art und Weise. Hierbei wird angenommen, dass durch einen bestimmten auslösenden Reiz (Stimulus) bei einem Organismus eine auftretende Reaktion (Response) wahrgenommen oder beobachtet werden kann. Ein solcher Reiz könnte beispielsweise durch eine schön dekorierte Warenauslage im Konsumenten ausgelöst werden, während sich die auftretende Reaktion im Kauf eines Artikels dieser Warenauslage ergeben kann. Es werden also nur die jeweiligen Einflussfaktoren auf den Konsumenten (Reize) und seine anschließende Reaktion auf diese beobachtet.

Innere Vorgänge im Konsumenten, also psychische Prozesse, welche ihn zum Kauf an- regen, werden innerhalb dieses Ansatzes nicht beachtet. Sie werden hierbei als Black Box bezeichnet und als nicht beobachtbar oder messbar angesehen. Es kann somit nicht ermittelt werden, warum manche Konsumenten ein bestimmtes Produkt kaufen, andere Konsumenten jedoch nicht. Das S-R-Paradigma ist deshalb für die Erklärung des Käuferverhaltens ungeeignet, da die unterschiedliche Wirkung von Reizen und die je- weilige Reaktion der verschiedene Konsumenten nicht hinreichend erklärt werden kann. Das genaue Wissen über das Innere und die Psyche des Kunden ist für die Markt- forschung jedoch wichtiger denn je. Deshalb werden die Ansätze des S-R-Paradigmas heutzutage als veraltet angesehen. Mittels Strukturmodellen wird mittlerweile ver- sucht, das Vorgehen im Organismus für den Kaufentscheidungsprozess besser zu erfor- schen und zu ermitteln. Das bestehende S-R-Paradigma wurde deshalb um die Variable O (Organismus) erweitert und somit zu den Stimulus-Organism-Response-Modellen weiterentwickelt (vgl. Madhavaram und Laverie, 2004, S.59.). Diese Modelle folgen daher den Ansichten des Neobehaviorismus (vgl. Foscht und Swoboda, 2011, S.23).

Abbildung 2: Das Stimulus-Organism-Response-Paradigma

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Schneider 2006, S.36.

Einfach definiert, treffen innerhalb dieser Modellansicht bestimmte Reize auf einen Organismus, werden dort verarbeitet und führen zu einer Reaktion. Dabei sind sowohl die Reize als auch die Reaktion direkt beobachtbar. Die Prozesse im Organismus hinge- gen sind nicht direkt zu betrachten (vgl. hierzu Abbildung 2). Es wird hierbei nochmals unterschieden in den Grad der Untersuchung aller innerhalb des Organismus ablau- fenden Prozesse. Wenn man alle innerhalb des Organismus ablaufenden Prozesse möglichst im Ganzen ermitteln möchte, spricht man von Totalmodell. Soll jedoch nur ein gewisser Teil der Prozesse betrachtet werden, spricht man von Partialmodellen (vgl. hierzu Abbildung 3). Partialmodelle sind in der praktischen Anwendung einfacher zu nutzen, da sie auf Grund ihres geringeren Umfanges leichter empirisch zu überprü- fen sind (vgl. Walter, 2010, S.18). Beide Modelle versuchen, psychische Hypothesen aufzustellen und sind deshalb zu den Systemansätzen zugehörig.

Diesen Systemansätzen stehen die Entscheidungsnetz-Ansätze gegenüber, welche versuchen, Aussagen über den Organismus mit Hilfe von Protokollen lauten Denkens zu erlangen. Die Konsumenten werden dazu aufgefordert, während ihres Einkaufs alles zu äußern, was ihnen durch den Kopf geht (vgl. Meffert, 1992, S.101).

Abbildung 3: Kaufverhaltens-Modelle

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an Bänsch 2002, S.8.

2.2 Typologien der Kaufentscheidungsprozesse

Kaufentscheidungsprozesse können anhand verschiedenster Kriterien klassifiziert und unterschieden werden. Im Folgenden soll ein Überblick über die unterschiedlichen Möglichkeiten der Typologisierung erfolgen.

Eine Möglichkeit der Typologisierung von Kaufentscheidungsprozessen besteht bei- spielsweise in den unterschiedlichen Phasen der Kaufentscheidung. Der Prozess wird dabei in Anregungsphase (Bedarf nach einem Produkt oder einer Dienstleistung ent- steht beim Verbraucher), Suchphase (Verbraucher informiert sich über Produktalterna- tiven), Bewertungs- und Auswahlphase (Verbraucher entscheidet sich für eine Alterna- tive), Kaufaktphase (Produkt oder Dienstleistung wird durch den Käufer erworben oder in Anspruch genommen) und Nachkaufphase (Produkt/Dienstleistung wird genutzt oder verbraucht) unterteilt (vgl. Schneider, 2006, S.29; Müller-Hagedorn und Natter, 2011, S.399). Neben den unterschiedlichen Phasen der Kaufentscheidung können auch Produkte als Kriterium für die Einteilung von Kaufentscheidungsprozessen herangezo- gen werden. Hierbei wird davon ausgegangen, dass verschiedene Arten von Produkten einen unterschiedlichen Informations- und Zeitbedarf für den Entscheidungsprozess benötigen und die Käufer mit unterschiedlichen Verhaltensweisen auf sie reagieren. So könnten beispielsweise neue Produkte für den Kunden bedeuten, dass er im Gegen- satz zu bereits am Markt eingeführten und ihm bekannten Produkten mehr Informati- onen und Zeit benötigt, um sich für einen möglichen Kauf zu entscheiden (vgl. Bänsch, 2002, S.9). Eine weitere Möglichkeit der Typologisierung von Kaufentscheidungspro- zessen besteht nach Bänsch (2002, S.9) in der Aufteilung der Käufer in Käuferkatego- rien. Hierbei wird einerseits unterschieden, ob der Kauf von einem Verbraucher oder Unternehmer getätigt wird, anderseits ob es sich um einen Einzelkäufer oder eine Käu- fergruppe handelt. Die Unterscheidung zwischen Verbraucher und Unternehmer könn- te hierbei in gesetzlichen Bestimmungen begründet sein.

Unternehmer müssen bei Käufen für das Unternehmen bestimmte Verfahrensvor- schriften beachten (z.B. dass oft mehrere Personen am Kaufvorgang beteiligt sind), während für Verbraucher diese Vorschriften nicht gelten. Bei Einzelkäufern und Käu- fergruppen wird hinsichtlich der Beeinflussung unterschieden. Während Kaufentschei- dungen innerhalb der Käufergruppe von der Kommunikation und Beeinflussung unter- und miteinander beeinflusst werden, treffen Einzelkäufer die Entscheidungen selbst- ständig und unabhängig von anderen Personen (vgl. Weise und Berndt, 2008, S.54).

Die für die vorliegende Arbeit relevanteste Typologisierungmethode besteht hingegen in der Klassifizierung der Kaufentscheidungsprozesse nach dem Grad des Denkens in der Kaufentscheidung (vgl. Bänsch, 2002, S.9 f.). Katona (1951, 1960 in deutscher Übersetzung) ist in diesem Klassifizierungsbereich als Vorreiter anzusehen, da durch ihn erstmals verstärkt die Rolle des Organismus für die Kaufentscheidung explizit un- tersucht wurde. Er differenziert in seinem Buch über die Verhaltensforschung von Kon- sumenten zwischen echten Entscheidungen und habituellem Verhalten. Während in der Theorie rationaler Erwartungen automatisch echte Entscheidungen unterstellt werden, kann bei allgemeinen Gleichgewichtszuständen davon ausgegangen werden, dass sowohl echte Entscheidungen getroffen werden als auch habituelles Verhalten auftritt (vgl. Ribhegge, 1987, S.21). Echte Entscheidungen werden hierbei als Entschei- dungen definiert, welche nur ab und zu getroffen werden. Sie bedürfen „einer Span- nung als Ausdruck starker Motivationskräfte, die uns antreiben, uns auf eine neuartige, ungewohnte Aufgabe einzulassen. Solche Situationen treten jedoch nicht häufig auf.“ (Katona, 1960, S.57) Auf Grund des seltenen Auftretens befindet sich der Käufer dabei in einer für ihn ungewohnten Situation. Sie stellt hierbei für den Käufer ein unterbe- wusstes Problem dar. Diese neue Situation muss im Anschluss an das Auftreten des Problems durch den Käufer erkannt und das Problem schließlich gelöst werden. Als typisches Beispiel für echte Entscheidungen kann z.B. der Kauf einer neuen Küche an- gesehen werden. Der Kauf bedeutet dabei für den Kunden eine intensivere Planung als beispielsweise der Kauf von Süßigkeiten.

Es entsteht ein erhöhter Informationsbedarf, beispielsweise in Bezug auf verschiedene Händler, Preise oder Rabattmöglichkeiten. Habituelles Verhalten wird im Gegensatz dazu als Verhalten beschrieben, in dem sich der Käufer so verhält, wie er in typischen alltäglich auftretenden Situationen oder zumindest regelmäßig wiederkehrenden Situ- ation reagiert. Es werden also bestimmte Routinen angewendet, die in ähnlichen Situ- ationen bereits zu einer Problemlösung geführt haben. Eine solche Verhaltensweise wird häufig angewendet, wenn beim Kauf zwischen verschiedenen Marken nur geringe bis keine Unterschiede bestehen. Als typisches Beispiel kann hier Salz oder Zucker an- gesehen werden. Als Unterschied zwischen echten Entscheidungen und habituellem Verhalten dient der Grad der Flexibilität bzw. die Starrheit des Verhaltens. Flexibilität ist dabei die Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen und dafür neue Lö- sungsmuster zu entwickeln. Unter Starrheit des Verhaltens versteht man bestimmte Routinehandlungen, die immer auf dieselbe Art und Weise wiederholt werden. (vgl. Katona, 1960, S.57 ff.)

Howard und Sheth (1969) haben in ihrer Untersuchung die Unterscheidung des Kauf- verhaltens nach Katona nochmals verfeinert und erweitert. Neben extensiven (echten) Kaufentscheidungen und habitualisierten (gewohnheitsmäßigen) Verhalten führen sie die limitierte Entscheidung als dritte Möglichkeit ein. Sie definieren diese limitierten Entscheidungen als Zustand, in dem der Kunde bereits klare Erwartungen an das zu erwerbende Produkt hat und in dem er sich über bestimmte Entscheidungskriterien für die Produktauswahl im Klaren ist. Bereits im Vorfeld der Kaufhandlung hat der Kunde dabei Erfahrungen mit dem Produkt gesammelt und kennt dadurch seine Vor- und Nachteile. Dennoch ist er sich über die Auswahl aus den verschiedenen Marken unschlüssig, da er nicht abschätzen kann, welche Marke in dieser bestimmten Situati- on seinen Ansprüchen am Besten gerecht wird. Trotz dieser Unsicherheit ist das Be- dürfnis nach Informationen über das Produkt für den Kunden gering und die Suche danach limitiert.

Während der Kaufentscheidung kommt es schließlich zu einem Vergleich der verfügba- ren Produkte und einer daran anschließenden Entscheidung für das in dieser Situation beste Produkt. Der Kaufprozess läuft somit wesentlich schneller ab als bei extensiven (echten) Kaufentscheidungsprozessen. Typische Produktbeispiele für limitierte Kau- fentscheidungen sind Bekleidung oder Kosmetik (vgl. Howard und Sheth, 1969, S.151 f.). Echte Entscheidungen können sich über limitierte Entscheidungen zum habituellem Verhalten entwickeln (Kuß und Tomczak, 2007, S.108). Am Anfang ist dem Kunden das Produkt gänzlich unbekannt, er hat einen hohen Informationsbedarf und keine Kennt- nis über mögliche Alternativen. Mit zunehmender Erfahrung über die Marke oder das Produkt und regelmäßig wiederholten Käufen kann ein bestimmter Erfahrungseffekt eintreten, ohne dass sich jedoch Präferenzen für bestimmte Marken oder Produkte entwickeln. Die Kaufentscheidung erfolgt in diesem Stadium noch auf Grundlage be- währter Entscheidungsgrundlagen (vgl. Foscht und Swoboda, 2011, S.174). Werden die Erfahrungseffekte noch weiter verstärkt, kann schließlich habituelles Verhalten in der Kaufentscheidung auftreten. Bei auftretenden Probleme in der Kaufentscheidung wer- den Marken und Produkte schließlich nur noch auf Grund ihres Wieder- erkennungswertes für den Kunden gekauft (vgl. Nieschlag und Dichtl et al., 2002, S.610). Für den Handel gilt verstärkt zu versuchen, mittels Branding3 besagte Wieder- erkennungswerte zu schaffen und sich somit von konkurrierenden Unternehmen abzu- setzen. Je größer dabei der Wiedererkennungswert wird, desto höher sind Bekanntheit und Image der Marke und Produkte (vgl. Brandt, 2011, S.207).

Abbildung 4: Veränderung des Kaufverhaltens im Zeitablauf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Kuß und Tomczak 2007, S.109.

Abbildung 4 verdeutlicht die Veränderung des Kaufverhaltens im Zeitablauf nochmals auf visuelle Art und Weise. Die Menge der für die Kaufentscheidung benötigten Infor- mationen nimmt von der Entwicklung von extensiven Kaufentscheidungen hin zum habitualisierten Kaufverhalten umso stärker ab, je mehr Wiederholungskäufe getätigt wurden. Gleichzeitig steigt dabei die Wahrscheinlichkeit für den wiederholten Kauf der gleichen Produkte. Bei limitierten Kaufentscheidungen ist die Menge der verwendeten Informationen schon geringer als bei extensiven Kaufentscheidungen, jedoch ist sie noch zu hoch, um eine hohe Wahrscheinlichkeit für den wiederholten Kauf der glei- chen Produkte feststellen zu können. Dazu müsste die Anzahl der Wiederholungskäufe weiterhin steigen.

Die Klassifizierung der Kaufentscheidungsprozesse nach dem Grad des Denkens in der Kaufentscheidung kann schließlich noch um impulsive Kaufentscheidungen erweitert werden. Diese Erweiterung wurde von Weinberg (1981, S.13) vorgenommen und gilt bis zum heutigen Zeitpunkt als vierte Möglichkeit, Kaufentscheidungen nach Arten zu typologisieren. Er unterscheidet dabei diese vier unterschiedlichen Kaufentschei- dungsarten nach ihrer Beteiligung der am Ablauf der Kaufentscheidung beteiligten affektiven, kognitiven und reaktiven Prozesse. Im nachfolgenden Unterkapitel sollen diese beteiligten Prozesse definiert und ihr Einfluss in den jeweiligen Kaufentschei- dungsarten untersucht werden.

2.3 Psychologische Prozesse und ihr Einfluss in den Kaufentscheidungsarten

Wie bereits im vorherigen Kapitel verdeutlich wurde, können die vier verschiedenen Arten von Kaufentscheidungen nach den bei der Entscheidungsfindung beteiligten affektiven, kognitiven und reaktiven Prozessen charakterisiert werden. Bei affektiven Prozessen erfolgt eine hohe emotionale Aufladung des Käufers, sprich: er nimmt etwas wahr (Aktivierung), was in diesem Moment seine gesamte Aufmerksamkeit einnimmt. Kognitive Prozesse sind hingegen solche Prozesse, welche im Moment der Kaufent- scheidung einer gedanklichen Steuerung bedürfen, man denkt also in der vorliegenden Situation über den Kauf nach. Unter reaktiven Prozessen versteht man auftretende Reize, durch die im Moment der Kaufsituation automatisch gehandelt wird. Der Käufer macht sich während der eigentlichen Kaufhandlung also keine Gedanken über das Wa- rum des Kaufes. (vgl. Weinberg und Gottwald, 1982, S.43 ff.) Wie sich die Käufer in der jeweiligen Situation verhalten, hängt jedoch von zusätzlichen Voraussetzungen ab, z.B.:

- vom auszuwählenden Produkt
- Ausgabeverhalten der Konsumenten
- Kaufsituation
- Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmalen (vgl. Weinberg, 1981, S.13).

Abbildung 5: Kaufentscheidungsarten und ihre beteiligten Prozesse

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Weinberg 1981, S.16.

In Abbildung 5 wird ersichtlich, dass die Kaufentscheidungen nach dem Grad der affektiven, kognitiven und reaktiven Prozesse unterschieden werden können. Während bei extensiven und limitierten Kaufentscheidungen die kognitiven Prozesse stark ausgeprägt sind, herrscht bei habitualisierten und impulsiven Kaufentscheidungen kaum kognitive Kontrolle vor. Sie sind dafür sehr starken reaktiven Prozessen ausgesetzt. Affektive Prozesse herrschen hingegen besonders bei extensiven- und habitualisierten Kaufentscheidungen vor (vgl. Solomon, 2013, S.306).

2.3.1 Psychologische Einflüsse bei extensiven Kaufentscheidungen

Für extensive Kaufentscheidungen werden in der Marktforschung häufig alternative Bezeichnungen wie Suchkauf, nicht programmierte, innovative, oder komplexe Ent- scheidungen verwendet. Die Konsumenten werden dabei gedanklich stark gesteuert (hohe Kognition) und die Kaufabsicht entwickelt sich während des Entscheidungspro- zesses (vgl. Weinberg, 1981, S.13 f.). Dabei stellt die Kaufabsicht für den Konsumenten ein Problem dar, das es zu lösen gilt. Die gedankliche Steuerung ist hierbei umso grö- ßer, je weniger Muster zur Problemlösung der Konsument bis zu diesem Zeitpunkt entwickelt hat.

Für die Problemlösung, also die Kaufentscheidung, benötigt der Käufer eine große Menge an Informationen, welche aus externen Quellen (z.B. Werbung oder Verkäufer) oder aus bereits im Gedächtnis befindlichen Informationen gewonnen werden können. Externe Informationen können dabei leicht aus der Umgebung (z.B. Werbeaufsteller) oder durch eine aktive Suche (z.B. durch das Lesen von Testberichten) eingeholt wer- den (vgl. Kuß und Tomczak, 2007, S.112). Die Suche nach Informationen und ihre an- schließende Verarbeitung ist hierbei die Erklärung dafür, dass extensive Kaufentschei- dungen nicht als reaktiv (also gewohnheitsmäßig) getätigt anzusehen sind.

Charakteristisch für eine extensive Entscheidung ist weiterhin eine lange Entschei- dungsdauer bis zur eigentlichen Kaufhandlung. Sie resultiert aus dem hohen Bedarf an Informationen über das Produkt und die benötigte längere Zeit für eine entsprechende Verarbeitung dieser. Sind die Informationen schließlich verarbeitet, entsteht unterbe- wusst das Bedürfnis, sie anhand von Kriterien zu bewerten und somit das beste Pro- dukt auszuwählen. Positiv an der langen Entscheidungsdauer ist, dass durch das Sam- meln der großen Menge an Informationen und ihrer anschließenden Verarbeitung Kaufrisiken minimiert werden können. (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein, 2013, S.470 ff.)

[...]


1 Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe Konsument, Käufer und Verbraucher synonym verwendet.

2 Der Point of Sale (PoS) ist der Ort im Geschäft, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen (vgl. Rüdell, 1993, S.7).

3 Unter Branding werden Maßnahmen verstanden, mit deren Hilfe ein Angebot gegenüber konkurrie- renden, gleichwertigen Angeboten hervorgehoben werden soll. Ziel dabei ist, dass sich dieses Ange- bot eindeutig einer Marke zuordnen lässt (vgl. Langner, 2003, S.5).

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Impulskäufe in der Konsumgüterbranche. Theoretische und empirische Aspekte
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
69
Katalognummer
V367478
ISBN (eBook)
9783668460232
ISBN (Buch)
9783668460249
Dateigröße
1068 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Impulskauf, Impulskäufe, Marketing, Marktforschung, Konsumgüterbranche, Handel, Kaufentscheidungsprozesse, limitierte Kaufentscheidungen, impulsive Kaufentscheidungen, habitualisierte Kaufentscheidungen, ungeplante Käufe, Konsumenten, Aktivierung, extensive Kaufentscheidungen, Stimulus-Response-Paradigma, Stimulus-Organism-Response-Paradigma, Reizsituation, aktivierende Prozesse, emotionale Prozesse, Impulskaufarten, Psychische Prozesse als Auslöser von Impulsivität, Piron, Schlüsselreiz, Motivationale Konflikte, Kaufverhaltens-Modelle, Typologien
Arbeit zitieren
Sebastian Herzog (Autor:in), 2015, Impulskäufe in der Konsumgüterbranche. Theoretische und empirische Aspekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367478

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