Bestechung im Gesundheitswesen und Compliance in deutschen Krankenhäusern. Die Neueinführung der §§ 299a und b StGB


Masterarbeit, 2017

78 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

A) Einleitung

B) Entstehung der §§ 299a und b StGB

C) Prinzipien eines Compliancemanagementsystems als Basis
I) Der Begriff Compliance
II) Trennungsprinzip
III) Transparenzprinzip
IV) Äquivalenzprinzip
V) Dokumentationsprinzip

D) Tatbestandsmerkmale der §§ 299a und b StGB
I) Angehöriger eines Heilberufs als Täterkreis
II) Tathandlungen: Fordern, Sich-versprechen-lassen oder Annehmen
III) Vorteil
IV) Unrechtsvereinbarung
1) Verordnung nach § 299a Nr. 1 StGB, Bezug nach § 299a Nr. 2 StGB, Zuführung nach § 299a Nr. 3 StGB
2) Die weiteren Tatbestandmerkmale „unlauteres Bevorzugen im Wettbewerb“ und „im Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs“
V) Spiegelbildliche Norm des § 299b StGB
VI) Besonders schwere Fälle nach § 300 StGB
VII) Kritische Würdigung der neu eingeführten §§ 299a und b StGB

E) Die neuen §§ 299a und b StGB im Alltag eines Krankenhauses und deren Prävention eines strafbaren Handelns
I) Kooperationen mit der Industrie
1) Sponsoring
2) Spenden
3) Skonto, Rabatt, Umsatzrückvergütung
4) Kongresseinladungen
5) Dienstleistungsverträge und Nebentätigkeiten
6) Anwendungsbeobachtungen
II) Kooperationen im Rahmen der verschiedenen Behandlungsarten
1) Erwünschte Zusammenarbeit als Grundsatz
2) Vor- und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus, § 115a SGB V
3) Ambulantes Operieren im Krankenhaus, § 115b SGB V
4) Belegärztliche Leistungen, § 121 SGB V
5) Stationäre Leistungen durch Honorarärzte
6) Kooperationen mit anderen Leistungserbringern des Gesundheitswesens
7) Beteiligung von Ärzten an Unternehmen im Gesundheitswesen

F) Strafverfolgung
I) Offizialdelikt
II) Maßnahmen der Staatsanwaltschaft
III) Beweisprobleme

G) Strafrechtliche Haftungsrisiken
I) Haftungsrelevante Personen
II) Haftungsbereiche
III) Präventive Maßnahmen für eine wirksame Compliance im Krankenhaus

H) Zusammenfassung und Ausblick

I) Paragraphenverzeichnis
Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V)
Strafgesetzbuch (StGB)
(Muster-)Berufsordnung der Ärzte (MBO-Ärzte)
Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der
Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG)
Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG)
Einkommensteuergesetz (EStG)
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg (BerufsO BW LÄK)
Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG)
Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG)

J) Literaturverzeichnis

A) Einleitung

„Wie verwöhnte Kinder“-Die Pharmaindustrie zahlt Ärzten hunderte Millionen für überflüssige Studien, lädt zum Abendessen ein oder sponsert die Weihnachtsfeier. Der Bundestag will heute nach langem Ringen ein Gesetz verabschieden, das korrupten Medizinern das Handwerk legen soll.“ titelte am 14.04.2016 www.tagesschau.de.1 Mit dieser Mitteilung wurde das Ende einer langjährigen Diskussion um die Einführung eines Gesetzes zur Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen eingeläutet.

Wer als Krankenhaus heute noch wettbewerbsfähig bleiben möchte, ist gezwungen, sein Geschäftsmodell nach außen hin zu orientieren. Dazu gehört auch, mit niedergelassenen Ärzten und der „Industrie“ zusammenzuarbeiten. Kooperationen und Förderungsmodelle sind laut Gesetz sogar erwünscht, wie die Vorschriften §§ 39 I 4, 115a, 116b IV des 5. Sozialgesetzbuches (SGB V)2 zeigen. Mit einher gehen dabei Regelungen, die der Bestechung und Bestechlichkeit entgegenwirken sollen. Diese gab es auch schon vor der Diskussion um die Einführung der §§ 299a und b Strafgesetzbuch (StGB). In der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ärzte) sind diverse Paragraphen hinterlegt, die die Korruption im medizinischen Bereich unterbinden. § 32 I MBO-Ärzte mit dem Inhalt der unerlaubten Zuwendung, § 31 I MBO-Ärzte mit dem Zuweisungsverbot sowie die § 73 SGB V (Verbot der Zuweisung gegen Entgelt) und § 128 SGB V (Zuwendungsverbot) sind die relevantesten. Schärfere Regelungen im dem Sinne, dass sogar eine Freiheitsstrafe angedroht wird, bietet das StGB mit § 263 (Betrug) sowie § 266 (Untreue).

Im Ergebnis, so die Ansicht des BGH in seiner Entscheidung3 aus dem Jahre 2012, gab es trotz der genannten Regelungen zu wenig Schutz gegen korruptes Verhalten im Gesundheitswesen. Die bisher geltenden Regelungen seien nicht ausreichend. Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität freiberuflicher Entscheidungen.4 Ein Schließen der gesetzlichen Lücken nicht nur im Bereich der niedergelassenen Ärzte, auf das sich die Entscheidung vom 29.03.12 bezog, sondern im gesamten Gesundheitswesen wurde unausweichlich, so die Ansicht des BGH5 und gab damit dem Gesetzgeber auf, mittels einer wirksamen Regelung dagegen vorzugehen. Die §§ 331 ff. StGB, die die Korruptionsstraftatbestände im StGB darstellen, sind Amtsträgerdelikte, die dann einschlägig sind, wenn auf Nehmerseite ein Amtsträger nach § 11 I Nr. 2 StGB involviert ist. In der, für die nun vorliegenden §§ 299a und b StGB Korruptionsstraftatbestände, wichtigen Entscheidung aus dem Jahr 2012 sind Vertragsärzte nicht Angestellte oder Funktionsträger der Krankenkassen. Damit wurde ersichtlich, dass der Tatbestand der Korruption für diese Ärzte, im entschiedenen Fall die niedergelassenen Ärzte, nicht anwendbar war. Auf den ersten Blick ist damit eine Anwendbarkeit für Ärzte im Krankenhaus nicht ersichtlich. Abgestellt werden muss dabei aber auf das Vertragsverhältnis, welches ein Arzt für das Krankenhaus ausübt. Selbst wenn ein solcher in einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft ein Amtsträger ist, sind die §§ 331 ff. StGB nicht einschlägig, da der Arzt durch bspw. seine therapeutischen Entscheidungen, die er trifft, wie das Verschreiben von Arzneimitteln, keine öffentliche Verwaltung ausübt. Die Dienstausübung als Tatbestandsmerkmal der §§ 331 ff. StGB ist damit nicht betroffen6.

Trotz der Vorschriften, die bisher schon galten, wurde dem Problem der Korruption in der Praxis nur unzureichend Rechnung getragen. Man beklagte zudem eine fehlende wirksame Rechtsdurchsetzung. Allein anhand der geltenden Berufsordnungen konnte nicht ausreichend gegen korrupte Ärzte vorgegangen werden. Die Krankenkassen beklagten zu wenig Ermittlungs- und Prüfzuständigkeiten in dem Bereich.

Auch in deutschen Krankenhäusern kam man an dem Thema nicht vorbei. Fragen zur Korruption musste und muss sich jedes deutsche Krankenhaus und deren Ärzteschaft schon im letzten Jahr kurz vor Einführung der neuen gesetzlichen Regelungen, in der derzeitigen Zeit und zukünftig stellen, da die neuen Regelungen alle Angehörigen eines Heilberufs betreffen. Was beinhaltet das „Antikorruptionsgesetz“ und worauf basiert es? Betreffen die neuen Regelungen auch die Ärzte im Krankenhaus? Wie soll zukünftig mit Sponsoring durch Pharmaunternehmen umgegangen werden? Wird es zukünftig keine finanzielle Unterstützung mehr für medizinische Fortbildungen geben, um einer Strafbarkeit zu vermeiden? Welche Verhaltensweisen sind erlaubt, welche nicht? Vor allem: Kann dabei präventiv vorgegangen werden und wie? Haben die neuen Regelungen Auswirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis und wenn ja, inwiefern? Was ist zu tun bei einer Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft? Welche Auswirkungen hat eine Strafverfolgung auf das medizinische, das nicht-medizinische Personal und welche auf die Geschäftsführung eines Krankenhauses? Diese und andere Fragen sollen im Folgenden genauer beleuchtet und erläutert werden.

B) Entstehung der §§ 299a und b StGB

Die neuen Straftatbestände §§ 299a und 299b StGB wurden am 14.04.2016 verabschiedet und traten am 04.06.2016 in Kraft.7 Ursprung der Entstehung der Korruptionstatbestände war ein Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des BGH vom 29.03.2012.8 Darin urteilte der Senat, dass Ärzte, die niedergelassen und für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind, bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben weder als Amtsträger im Sinne des § 11 I Nr. 2c StGB handeln noch Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen, welches sich als Merkmal in § 299 StGB befindet, sind.

Bis 2005 war man in Literatur und Rechtsprechung eindeutig davon ausgegangen, dass niedergelassene Vertragsärzte weder Amtsträger im Sinne des § 11 I Nr. 2c StGB noch „Angestellte oder Beauftragte eines geschäftlichen Betriebes“ seien. Folglich war eine Strafbarkeit nach den Korruptionsdelikten nach §§ 299 und 331 ff. StGB nicht gegeben.9

Später wurde diese Auffassung jedoch nicht von allen getragen, da sich eine Mindermeinung formierte, die niedergelassene Vertragsärzte als „Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen“ ansah.10 Als Begründung wurde die zentrale Funktion des Vertragsarztes in der Arzneimittelversorgung angesehen. Eine Strafbarkeit nach § 299 Absatz 1 StGB war danach möglich.11 Zudem wurde auch die Frage nach der Amtsträgereigenschaft des Vertragsarztes wieder aufgeworfen.12

In Folgenden kam es zu zwei wichtigen Entscheidungen, die die gesamte Diskussion belebten: die erste Entscheidung wurde vom Landgericht Stade im Jahr 2010 getroffen.13 Darin ging es um TENS-Geräte, also Reizstromgeräte, die vom Vertragsarzt verordnet wurden. Diese stellen Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Als Gegenleistung für die Verordnung der Geräte erhielt der Vertragsarzt Miet- und Leasingkosten für andere Geräte desselben Herstellers erlassen. In der Entscheidung wurde vom LG Stade auch die Beauftragtenstellung des Vertragsarztes nach § 299 StGB geprüft. Das LG Stade lehnte diese ab mit der Begründung, dass keine konkrete Produktauswahl des Arztes und damit auch keine Letztentscheidungskompetenz bei der Verordnung von Hilfsmitteln bei dem Vertragsarzt liege.14

Die zweite Entscheidung wurde vom LG Hamburg15 gefällt. Darin leistete ein Pharma-Unternehmen aufgrund einer sog. „Verordnungsvereinbarung“ ca. 10.000 € an den Vertragsarzt. Der Arzt sollte das Arzneimittel dieses Herstellers verschreiben, so die „Verordnungsvereinbarung“ und bekam dafür 5 % des Herstellerabgabepreises persönlich überwiesen. Die Pharmareferentin und der Vertragsarzt wurden nach § 299 I, II StGB verurteilt. Eine Amtsträgereigenschaft bestehe zwar nicht, die „Beauftragtenstellung der Krankenkasse“ des Arztes sei jedoch gegeben, so das Gericht. Die Verordnungsentscheidung des Arztes sei eine Vermögensbetreuungspflicht, die der Arzt zu Gunsten der Krankenkasse ausübe. Die letztgenannten beiden Verfahren, also die Entscheidung des Landgerichts Stade und die Entscheidung des Landgerichts Hamburg, wurden zur Revision zugelassen.16 In beiden Fällen ging es um die wesentliche Frage, ob der niedergelassene Vertragsarzt ein Beauftragter der gesetzlichen Krankenkasse und ob er ein „Amtsträger“ im Sinne des § 299 StGB sei. Der 3. Senat bejahte die Amtsträgereigenschaft des Vertragsarztes im Sinne des § 11 I Nr. 2 c StGB bei der Verordnung von Hilfsmitteln (§ 73 II 1 Nr. 7 SGB V).17 Der Vertragsarzt sei dazu bestellt, im Auftrag einer sonstigen Stelle, also der gesetzlichen Krankenkasse,

Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.18 Einer Amtsträgereigenschaft stehe auch nicht entgegen, dass der niedergelassene Vertragsarzt freiberuflich tätig sei.19 Mit dem Ausstellen von Verordnungen über ein Arznei- oder Hilfsmittel komme ihm eine Schlüsselstellung zu und er nehme damit eine Beauftragtenstellung ein.20 Auch der 5. Senat stellte dieselben Fragen wie der 3. Senat an den Großen Senat für Strafsachen des BGH.21 Hilfsweise, so auch der 3. Senat in seinem Leitsatz22, werde bei Verneinung der Amtsträgereigenschaft die Frage nach der Stellung des Vertragsarztes als „Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr“ gestellt.

Der Große Senat des BGH verneinte beide Fragen. Amtsträger sei der Vertragsarzt deswegen nicht, weil er nicht im Auftrag der Krankenkassen dazu bestellt wurde, öffentliche Aufgaben wahrzunehmen23. Die Krankenkassen seien zwar „sonstige Stellen“ im Sinne des § 11 I Nr. 2 c StGB, da sie eine behördenähnliche Struktur aufweisen24, aber der Vertragsarzt nehme keine öffentlichen Aufgaben wahr25. Vielmehr sei der Vertragsarzt gegenüber seinen Patienten im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses tätig26, übe aber keine öffentliche Funktion aus. Niedergelassene Vertragsärzte seien auch keine Beauftragten der gesetzlichen Krankenkassen, so der Große Senat.27 Dabei ließ er offen, ob die Krankenkassen „geschäftliche Betriebe“ seien28. Entscheidend für die Verneinung des § 299 StGB war jedoch, dass der Vertragsarzt nicht als „Beauftragter“ der gesetzlichen Krankenkasse handele. Da er mit der Krankenkasse auf gleicher Ebene handele, bestünde keine Beauftragung.29 Durch die Arzneimittelverordnung entstünde zwar eine Leistungspflicht der Krankenkasse, welche jedoch nur eine Reflexwirkung habe.30 Letztlich sei die Bindung des Vertragsarztes an das Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V nicht Grundlage dafür, dass der Vertragsarzt „Beauftragter“ der gesetzlichen Krankenkassen werde.31

Die Entscheidung des Großen Senats hatte nicht nur Auswirkung auf den Arzneimittel- und Pharmabereich. Auch die Tätigkeiten, die in den vertragsärztlichen Bereich fallen, siehe § 73 II SGB V, waren davon betroffen. Weiterhin umfasste es den Hilfsmittelbereich sowie die Problematik der Zuweisung gegen Entgelt. Zu beachten war, dass niedergelassene Vertragsärzte nicht vollständig der Strafbarkeit entzogen wurden. Zwar galten nach der Entscheidung aus dem Jahre 2012 die §§ 299 sowie §§ 331 ff. StGB nicht, jedoch kam auch eine Strafbarkeit nach §§ 263, 266 StGB in Betracht. Angestellte Ärzte hingegen unterfielen dem § 299 StGB. Ärzte, die in öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern tätig waren, konnten den §§ 331 ff. StGB unterfallen.32

Begründet wurde die Entscheidung vor allem damit, dass Ärzte eine besondere Vertrauensstellung innehätten, die eine Art „doppelte Treuhänderstellung“33 sei. Einerseits seien sie durch ihr medizinisches Wissen für den Patienten verantwortlich, andererseits hätten sie durch die Möglichkeit der Medikamentenverschreibung eine wichtige Stellung für die Solidarsysteme.

Im Rahmen der Entscheidung vom 29.03.2012 des Großen Senats des BGH gab es eine Aufforderung an den Gesetzgeber, dass „durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll“34. Auch wies der Große Senat darauf hin, dass hier in den beiden angeklagten Fällen eine Strafbarkeit nicht gegeben sei, dies jedoch keine Duldung der Korruption im Gesundheitswesen und deren Umfang insgesamt bedeute. Da es schließlich durch die Prüfung in den beiden genannten Fällen zu Strafbarkeitslücken gekommen sei, sollte der Gesetzgeber für entsprechende Regelungen sorgen, die das Problem der Korruption im Gesundheitswesen allumfassend lösen können und nicht nur im Aktionsradius eines Gerichts agieren würden.35 Letztlich bliebe man ohne die Einführung neuer Regelungen bei einer verfassungswidrigen Überdehnung von Straftatbeständen.36

Auf Initiative der Regierungskoalition wurde noch in der 17. Legislaturperiode ein Vorschlag zur Einführung eines Verbots der Bestechlichkeit und Bestechung von Leistungserbringern in den neuen §§ 307c, 70 III SGB V eingebracht.37 Bei diesem Vorstoß wurde kritisiert, dass er sich nicht auf freiberuflich tätige Ärzte ohne Vertragsarztzulassung beziehe.38 Zudem wurde von Seiten des Bundesrats der Vorschlag blockiert, da man eher Regelungen im Strafgesetzbuch favorisierte.39 Der Bundesrat brachte sodann im Rahmen eines Strafrechtsänderungsgesetzes einen Entwurf zum neuen § 299a StGB ein.40 Die vorgenannten Ideen unterfielen letztlich dem Diskontinuitätsprinzip. Im Rahmen des Koalitionsvertrags der regierenden Fraktionen CDU/CSU und SPD vereinbarte man jedoch zu Beginn der 18. Legislaturperiode die Schaffung eines neuen Straftatbestandes der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen.41

Einen überarbeiteten Entwurf zu § 299a Strafgesetzbuch-Entwurf (StGB-E) brachte zunächst das Bayerische Staatsministerium für Justiz am 15.01.15 ein.42 Auch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) legte einen Gesetzesentwurf für einen neuen § 299a StGB-E am 04.02.15 vor. Diskutiert wurde hierbei darüber, ob die Übernahme der wettbewerbsbezogenen Tatbestandsmerkmale des bestehenden § 299 StGB notwendig sei43 und der Adressatenkreis nur auf Ärzte und Zahnärzte beschränkt werden oder weiter gehen solle44. Auch wurde diskutiert, ob der Entwurf nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoße, da mit dem Tatbestandsmerkmal „Verletzung der Berufsausübungspflichten in sonstiger Weise“45 eine Weite erfasst werde, die nicht fassbar sei.46 Das eben genannte Tatbestandmerkmal wurde in der nun geltenden Fassung komplett gestrichen, um dem Bestimmtheitsgrundsatz Rechnung zu tragen.47 Neben dem Bezug von Arzneimitteln wurde auch deren Abgabe in der Fassung des BMJV vom 04.02.15 miterfasst, was letztendlich aber nicht umgesetzt wurde48 aufgrund anhaltender Kritik. Ursprünglich als relatives Antragsdelikt vorgesehen, wurden die Tatbestände als Offizialdelikte neu eingeführt.49

Die endgültige Fassung der jetzt geltenden §§ 299a und b StGB wurden am 14.04.16 in der 3. Lesung im Bundesparlament durch Abstimmung festgelegt. Nach Vorlage im Bundesrat (13.05.16), Verabschiedung durch den Bundespräsidenten (30.05.16) und Verkündung im Bundesgesetzblatt (03.06.16) trat das neue Gesetz am 04.06.16 in Kraft. Folgende Grafiken (Abb. 3) zeigen die Entstehung der §§ 299a und b StGB.

C) Prinzipien eines Compliancemanagementsystems als Basis

I) Der Begriff Compliance

Der Begriff Compliance wird in der Medizin mit der sogenannten Therapietreue des Patienten in Verbindung gebracht. Compliance ist der Oberbegriff für das kooperative Verhalten des Patienten im Rahmen einer Therapie. Von guter Compliance spricht man, wenn der Patient die ärztlichen Ratschläge konsequent befolgt.50

Eine andere Bedeutung bekommt der Begriff im Rahmen der Betriebswirtschaft. Aufgabe eines Compliancemanagementsystems ist darin zu sehen, Risiken, die bestehen, zu erkennen, so gut wie möglich zu minimieren, einen Schutz vor Gesetzesverstößen einzuführen und letztlich auch auf Verstöße, die begangen werden, zu reagieren. Bei Compliance geht es also um die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und freiwilligen Kodizes in Unternehmen.51

Auch im Krankenhaus ist Compliance derzeit ein aktuelles Thema. Die Hygiene- Skandale der vergangenen Jahre52 haben gezeigt, dass das Thema immer mehr als eigenständiger Bereich in das Krankenhaus einzieht. Allerdings ist der Begriff Compliance, von dem hier die Rede ist, geprägt durch die Industrie. Auch dort gab es in Vergangenheit berechtigte Anlässe für die Verantwortungsträger der Unternehmen, die Einhaltung von geltenden Regelungen und Gesetzen sicherzustellen. In der Industrie wird Compliance schon lange nicht mehr als nur die bloße Pflicht zu legalem Verhalten gesehen. Dort hat sich mittlerweile eine „Good Corporate Governance“ gebildet, was so viel wie eine gute, moralisch unantastbare Unternehmensführung heißt. Eine Übertragung auf den Krankenhaussektor sollte durchaus in naher Zukunft denkbar sein, stellt jedoch eine Herausforderung dar. Gezeigt hat sich, dass Compliancerisiken erhebliche wirtschaftliche Belastungen sein können. Compliance stellt eine Investition in die Zukunft des Unternehmens dar, muss aber mit einer Kosten-Nutzen-Betrachtung einhergehen. Diese Abwägung muss jedes Krankenhaus als Unternehmen mit seinen unterschiedlichen Marktbedingungen, die sich schnell verändern, selbst schaffen und sich damit auch ein Maßstab für eine gute Compliance geben.

Im modernen Gesundheitswesen und speziell im Krankenhaus gibt es eine Vielzahl diverser Vorgaben, wobei die Umsetzung dieser Rechtsvorschriften häufig Probleme bereitet. Dabei sind Regelungen zum Datenschutz, zum Schutz und der Sicherheit des Patienten genauso zu beachten wie Vorschriften zur Lauterkeit des Wettbewerbs. Bei dieser divergenten Interessenlage ist es schwer, dem Wettbewerb standhalten zu können. Durch die Neueinführung der §§ 299a und b StGB wurde die Thematik Compliance in strafrechtlicher Weise relevant. Um dem Strafrecht gerecht zu werden, stellte man auch schon vor dem 04.06.2016 auf vier grundlegende Prinzipien ab, die der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben dienten. Zu benennen sind sie mit dem Trennungs-, dem Transparenz-, dem Äquivalenz- und dem Dokumentationsprinzip, auf die später noch eingegangen wird.

Zu einem guten Compliancemanagementsystem gehören wesentliche Elemente, die aufzuzählen sind mit einer allgemeinen Risikoanalyse, einer guten Kommunikation im Unternehmen („Tone from the Top“), einem effizienten Vertragsmanagement sowie der Einführung von Richtlinien und Arbeitsanweisungen. Auch sollten regelmäßige Schulungen und eine Personalentwicklung im Unternehmen, eine externe und eine interne Hinweisgeberstelle und letztlich die Prüfung der Einhaltung der Vorgaben und eventuelle Sanktionen nicht fehlen. Zu den organisatorischen Maßnahmen gehören die Einführung von klaren Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, Vieraugenprinzip und entsprechende Unterschriftenregelungen. Eine klare Trennung von wichtigen Funktionen, wie beispielsweise des praktischen medizinischen Bereiches und des Einkaufs, sowie ein regelmäßiger Wechsel der Funktionen („Job Rotation“) sind weitere compliancerelevante Maßnahmen.53 Letztlich sollten im Unternehmen Complianceklauseln, die zur Anwendung kommen, nicht fehlen.

Für die Einführung eines Compliancemanagementsystems sollten nach einer spezifischen Risikoanalyse unternehmensbezogene Grundsätze und Maßnahmen ausgewählt und schließlich zur Einführung gebracht werden. Dabei sollten die Besonderheiten des jeweiligen Krankenhauses als Unternehmen mit seiner Größe, dem Umfeld, in dem es zusammenarbeitet, vorausgegangene Vorfälle und natürlich die rechtlichen Vorgaben beachtet werden. Die Krankenhausleitung sollte dabei die Aufgaben und Funktionen einzelner Personen im Unternehmen und Verantwortlichkeiten bestimmen. Es kommt darauf an, diese in die Organisation des Unternehmens zu integrieren.54

Für die Einführung eines Compliancemanagementsystems sollte eine oder mehrere Personen bestimmt werden, die klare Zuständigkeiten und Befugnisse im Unternehmen erhalten (Complianceverantwortliche/r). Dabei sind diese Personen am besten in der Rechtsabteilung eines Krankenhauses und/oder der internen Revision angesiedelt. In kleineren Häusern liegt die Aufgabe der Compliance direkt in der Geschäftsführung. Kenntnisse auf diversen Rechtsgebieten machen eine entsprechende Vorbildung notwendig. Für ein wirksames Compliancemanagementsystem müssen regelmäßig Maßnahmen und Prozesse eingeführt, überwacht und gegebenenfalls angepasst werden. Entscheidende Vorgänge und Verstöße im Rahmen der Compliance sind nicht nur zu erfassen, sondern auch regelmäßig an die Geschäftsführung zu berichten.55 Entscheidendes Instrument des Complianceverantwortlichen sind Richtlinien, Arbeitsanweisungen und Prozessbeschreibungen. Dabei hat der Compliance- Verantwortliche auf gesetzliche Vorgaben zu achten. Auch freiwillige unternehmenseigene Regelungen sind von ihm einzuführen und dann zu überwachen. Besonders relevant im Rahmen der neuen strafrechtlichen Regelungen sind Fragen, ob Geschenke, Spenden, Einladungen, persönliche Dienste, Gefälligkeiten, Preisnachlässe und andere Zuwendungen gewährt werden dürfen. Auch stellt sich die Frage nach dem Umfang der Vorteile, die von Externen angeboten werden. Schließlich ist auch festzulegen, in welcher Art und Weise Verstöße gegen diese Vorgaben zu ahnden sind.56 Besonderes Augenmerk gilt korruptionsgefährdeten Geschäftsbereichen, wie beispielsweise der Bestellung von Medikamenten durch medizinisches Personal oder der Auswahl von Lieferanten. Am Ende sollte im Unternehmen Krankenhaus die Erwartungshaltung der Geschäftsführung an die Mitarbeiter zu einem antikorruptive Verhalten eine gute Compliance auszeichnen. Vor Einführung der §§ 299a und b StGB und auch heute noch gilt der 2013 verabschiedete „Kodex für die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit unternehmensübergreifenden, branchenspezifischen Verhaltenskodizes herangezogen werden kann. Hierbei sind die Mitgliedsunternehmen des FSA dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit Fachkreisen Zuwendungen finanzieller Art offen zu legen. Relevanz bekommt der FSA-Transparenzkodex im Unternehmen Krankenhaus dann, wenn es um die Anbahnung, Prüfung und Durchführung von Kooperationsverträgen mit der pharmazeutischen Industrie geht. Anhand der zentralen Grundprinzipien dieses Kodexes wird die Zusammenarbeit zwischen dem Krankenhaus und der Industrie gemessen. Diese basieren auf der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung (sogenanntes Äquivalenzprinzip), der eindeutigen Trennung von Verordnungsentscheidungen und Kooperationen (sogenanntes Trennungsprinzip), der Dokumentation der Zusammenarbeit (sogenanntes Dokumentationsprinzip) sowie der Transparenz der Kooperationen (sogenanntes Transparenzprinzip). Auf die Prinzipien soll später noch näher eingegangen werden. Der Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V., der diesen Kodex herausgegeben hat, überwacht durch eine unabhängige Schiedsstelle die Einhaltung der Prinzipien. Im Falle von Verstößen gegen die Grundsätze wird der Verein tätig. Betroffene Unternehmen müssen bei Verstößen mit hohen Geldstrafen rechnen. Die Befolgung des FSA- Kodexes ist nicht verpflichtend und steht damit den Unternehmen der pharmazeutischen Industrie offen.57

Eine Zusammenarbeit von Industrie und medizinischen Leistungserbringern ist notwendig, um dem Fortschritt der Medizin auch den Krankenhäusern und letztlich dem Patienten zugutekommen zu lassen. Klinische Prüfungen und Anwendungsbeobachtungen machen Kooperationen notwendig, da die Unternehmen der Industrie nicht über eigene Kliniken verfügen, in denen sie Tests durchführen können, die für die Zulassung der Produkte erforderlich sind. Eine wissenschaftliche Unterstützung bei der Entwicklung innovativer Produkte ist einerseits unabdingbar, andererseits tritt das Problem der Beeinflussung von Leistungserbringern, wenn es mit dem Produktabsatz verbunden ist, auf die Bildfläche. Die praktische Grenze dabei zu ziehen, ist eine Herausforderung. Aufgabe der Compliance ist es, die Zusammenarbeit zu fördern, dabei allerdings die Prinzipien zum Schutz eines fairen Wettbewerbs zu achten.

II) Trennungsprinzip

Das Trennungsprinzip ist deswegen so entscheidend, da strafrechtlich relevante Verhaltensweisen insbesondere dort verankert sind, wo Personen tätig werden, die Vorteile empfangen können und gleichzeitig eine Zuständigkeit für Aufgaben und Entscheidungen haben, die kostenrelevant für das Unternehmen sind.58 Zuwendungen an Ärzte und andere Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen dürfen nach diesem Prinzip also nur unabhängig von Umsatzgeschäften mit der medizinischen Einrichtung, wie beispielsweise dem Krankenhaus, erfolgen. Um einer Strafbarkeit zu entgehen, ist eine personelle Trennung von den Personen, die in Umsatzgeschäften tätig sind und denen, die mit Verordnungen und Therapieentscheidungen, meist Medizinern, betraut sind, zwingend erforderlich.

Dem Trennungsprinzip kann dadurch Rechnung getragen werden, dass das Krankenhaus dem Prinzip der Organisation von Beschaffungsprozessen folgt und eine separate Beschaffungsordnung hat. In der Beschaffungsordnung können die entsprechenden Mitarbeiter dazu aufgefordert werden, wahrhaft, unbestechlich und loyal gegenüber dem eigenen Unternehmen zu handeln. Mit Fairness gegenüber den Lieferanten rundet dies die Compliance-Kultur im Unternehmen Krankenhaus ab. Für bestimmte Beschaffungsentscheidungen ist medizinisches Fachwissen erforderlich. Das zeigt sich zum Beispiel in der Bestellung von Arzneimitteln, welche vom Arzt verordnet, jedoch auch von ihm gegenüber den Pharmaherstellern in Bestellung gegeben werden kann. Die Personenidentität ist dabei das Problem, welche durch ein Vieraugenprinzip oder durch die hausinterne Angabe allein des Wirkstoffs gegenüber anderen Personen, die mit der Bestellung betraut werden, aufgehoben werden kann.59 Das Trennungsprinzip trägt dazu bei, dass Beschaffungs- ,Verordnungs- und Therapieentscheidungen objektiv in der Entscheidungsfindung sind.

Auch im Rahmen des Sponsorings ist das Trennungsprinzip relevant. Dabei handelt es sich, grob umzeichnet, um die Förderung mittels Geld oder geldwerten Vorteilen durch andere Unternehmen für diverse Bereiche beispielsweise in einem Krankenhaus. Werbung bzw. eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit sind Ziele des externen Unternehmens. Grundsätzlich kommt dem Sponsoring keine strafrechtliche Relevanz entgegen. Diese bekommt es aber dann, wenn weitere Umstände hinzukommen.60 Dabei ist besonderes Augenmerk auf die Unrechtsvereinbarung innerhalb des Sponsoringvertrags zu legen. Auch hier ist das Trennungsprinzip zu beachten. Im Speziellen bedeutet dies, dass die Vertragsbeziehung strikt umsatzunabhängig ausgestaltet ist. Das Leistungsaustauschverhältnis besteht in der Zahlung der Sponsoringsumme verbunden mit der Werbemöglichkeit, die der Sponsoringpartner gewährt.

Auch Spenden im Sinne des § 10 b EStG als weiteres Beispiel können im Rahmen des Trennungsprinzips relevant werden. Nach § 10 EStG handelt es sich um Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigender Zwecke, die freiwillig oder aufgrund einer freiwillig eingegangenen Rechtspflicht erbracht werden und kein Entgelt für eine bestimmte Leistung des Empfängers sind und nicht in einem tatsächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dessen Leistung stehen.61 Im Unterschied zum Sponsoring sind Spenden einseitige Förderungen. Sie sollen Zwecke verfolgen, die ausschließlich zur Forschung und Lehre gedacht sind, der Verbesserung der Versorgung der Patienten, zu Zwecken der Aus- und Weiterbildung oder der Mildtätigkeit dienen. Auch hier dürfen diese Gelder oder geldwerten Vorteile nicht unter Umsatzgesichtspunkten vergeben oder an Umsatzgeschäfte gekoppelt werden.

III) Transparenzprinzip

Im Rahmen des Unternehmens Krankenhaus muss jede Zuwendung die Bedingungen erfüllen, dass sie transparent gegenüber der Geschäftsleitung gemacht wird. Folge eines Verstoßes gegen das Transparenzprinzip ist, dass die Mitarbeiter eines Krankenhauses begünstigt werden oder dies werden könnten ohne Wissen Dritter. Deshalb sollen Zuwendungen, gleich welcher Art, gegenüber dem Träger der medizinischen Einrichtung offengelegt und genehmigt werden. Dies kann, wenn es nicht schon eine gesetzlich vorgesehene Pflicht im speziellen Fall zur Anzeige gibt, im Rahmen der Compliancerichtlinien des Unternehmens durchgeführt werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die notwendige Genehmigung der zuständigen Stelle, meist der Rechtsabteilung, erfolgt und erst dann die Leistungen gewährt werden. Diese vorherige Zustimmung der zuständigen Stelle, die vertretend für die Geschäftsführung ist, wirkt für den beantragten Fall schon tatbestandsausschließend für die Vorteilsgewährung bzw. Vorteilsannahme.

Es sollten beispielsweise in einem Vertrag konkret die jeweils empfangenen und gewährten Leistungen beschrieben und diese auch nachvollziehbar überprüft werden können. Dabei ist zudem wichtig, dass gegenüber den Mitarbeitern des Unternehmens verdeutlicht wird, was Vorteile im Sinne der neuen Vorschriften sind und dadurch deren Problembewusstsein gestärkt wird.62 Entscheidend ist, dass eine ausführliche Dokumentation aller Formen der Zusammenarbeit und insbesondere der einzelnen Zuwendungen und Gegenleistungen unerlässlich ist. Dies kann zum Beispiel durch ein Vertragsmanagement im Unternehmen, angesiedelt im Bereich Recht, erfolgen. Sollte es zu einem Ermittlungsverfahren aufgrund des Verdachts einer Korruption kommen, ist letztlich eine lückenlose Darlegung der Vertrags- und Leistungsbeziehung entscheidend, um die Vorwürfe zu entkräften.

IV) Äquivalenzprinzip

Es ist auch ein besonderes Augenmerk auf eine entsprechende Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung zu legen. Auch die neu eingeführten §§ 299a und b StGB basieren darauf. Eine Äquivalenz ist immer dann nicht gegeben, wenn sich durch die Annahme des Vorteils die finanzielle Lage des Empfängers in irgendeiner Art und Weise verbessert und dieser darauf keinen Anspruch hat. Gibt es jedoch eine adäquate Leistungserbringung, so hat er einen Anspruch auf die entsprechende Gegenleistung und das Verhältnis ist ausgeglichen. Als Beispiel für vorliegende Äquivalenz dienen von Ärzten gefertigte Gutachten, die der Bezahlung nach marktüblich bzw. entsprechend und dem Aufwand, den der Arzt hatte, angemessen sind. Wenn die Bezahlung diesen Kriterien nicht entspricht, liegt die Annahme nahe, dass mit der Zuwendung finanzieller Art anderweitige Zwecke verfolgt werden.

Das Prinzip der Äquivalenz kommt auch bei Kooperationsverträgen zum Tragen. Sinn des Äquivalenzprinzips insbesondere bei gegenseitigen Verträgen ist die Verhinderung der Gewährung von verdeckten Zuwendungen an Ärzte durch Scheinverträge. Bei der Bestimmung der Höhe der Vergütung ärztlicher Leistungen war und ist zunächst unklar, nach welchem System die Angemessenheit von Leistung und Vergütung zu erfolgen hat. Dies ist auch jetzt noch von großer Unsicherheit geprägt, da es auf den Kooperationsvertrag und die Art der Leistung ankommt. Diesem Problem hat sich die sogenannte Würzburger Erklärung zur Angemessenheit der ärztlichen Vergütung angenommen.63

Der Würzburger Erklärung nach ist die Gewährung von Entgelten grundsätzlich erlaubt. Sie ist es ausnahmsweise dann nicht, wenn keine erkennbare Gegenleistung dahinter steht.64 Um der Abgrenzung zu entgegnen, sollte ein Vergleich des objektiven Marktwertes der Leistung, die der Arzt verbracht hat, gemacht werden. Klar ist zumindest jetzt schon, dass die Maßstäbe und Kriterien für die Bestimmung der Höhe der Vergütung derzeit noch nicht in Stein gemeißelt sind und es der strafrechtlichen Praxis bedarf. Die Obergrenze für die Vergütung kann dort gezogen werden, wo frei auszuhandelnde Verträge der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unterfallen.65 Für die Höhe der Vergütung ist zunächst an den Marktpreis zu denken. Dieser ist jedoch nicht besonders hilfreich, da die Bandbreite dessen recht weit ist und nachvollziehbare Kriterien unterschiedlich sind. Aufgrund dessen lehnt man sich an die aktuellen Vergütungsvorschriften, die bei ärztlichen Leistungen zum Tragen kommen.66 Darunter fallen die Gebührenordnung für Ärzte, auch GOÄ abgekürzt, der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) und das Krankenhausentgeltgesetz, kurz KHEntgG.

An sich ist die Gebührenordnung für Ärzte, GOÄ, geeignet, alle beruflichen Leistungen der Ärzte zu vergüten, wenn keine anderen gesetzlichen Regelungen gelten, § 12 Abs. 1 Satz 2 MBO-Ärzte. Dabei kann die Vergütungsvereinbarung mit einem 2,3-fachen Steigerungssatz grundsätzlich möglich sein. Bei Leistungen, die als schwieriger anzusehen sind, kann auch durchaus ein höherer Steigerungssatz zur Anwendung kommen. § 12 Abs. 1 Satz 3 MBO-Ärzte verbietet die Unterschreitung der Sätze der GOÄ. Ein solcher ist beispielsweise der 1,0-fache Satz. Die GOÄ bietet folglich ein mögliches System zur Bestimmung der Höhe der Vergütung medizinischer Leistungen.

Auch der EBM, der für vertragsärztlichen Leistungen in niedergelassenen Bereich gilt, § 87 Abs. 2 SGB V, kann zur Angemessenheit der Höhe der Vergütung herangezogen werden. Er ist allerdings nur bedingt geeignet, da es innerhalb des EBM nicht dieselben Einzelleistungen zu gleichen Preisen wie der GOÄ gibt. Letztlich fallen die Leistungen des EBM der Höhe nach niedriger aus und sind demnach zu gering vergütet.67

Das pauschalierte Vergütungssystem im Rahmen der Krankenhausabrechnung nach § 17b KHG, welches die Krankenhaus-Fallpauschalen durch die DRG (Diagnosis Related Groups) darstellt, kommt einer geeigneten Methode zur Bestimmung der Angemessenheit der Vergütungshöhe wesentlich näher. Dabei wird unterschieden zwischen der Behandlung in Hauptabteilungen (A-DRG), bei der alle Leistungen vom Krankenhaus selbst erbracht werden, und der Behandlung in Belegabteilungen (B-DRG), wobei die ärztlichen Leistungen im Krankenhaus von nicht angestellten Ärzten und folglich diesen auch separat abgerechnet werden. Die B-DRG enthält nicht die Kosten für eine ärztliche Leistung. Die Differenz zwischen einer DRG in der Hauptabteilung und einer DRG in einer Belegabteilung entspricht den kalkulatorischen Kosten des Belegarztes. Diese Möglichkeit der Vergütung entspricht einer nachvollziehbaren Kalkulation und kann der Höhe nach abgewandelt werden, wenn Klinik und Belegarzt eine andere Vereinbarung treffen. Zulässig ist dies, da es dem Grundsatz der vertraglichen Freiheit entspricht.68

Schwieriger wird die Bestimmung der Vergütungshöhe mittels der InEK- Kalkulationsmatrix. Innerhalb der Hauptabteilungs-DRG eines Krankenhauses sind die Kosten für den ärztlichen Dienst enthalten. Für jede DRG lässt sich diese darstellen. Im Rahmen der vertraglichen Freiheit die Vereinbarung spricht Vieles dafür, dass eine höhere Vergütung noch in der Angemessenheit liegt.69 Durch die pauschalierte Darstellung der DRG werden Personal- und Sachkosten auch nur so abgebildet. Kliniken sind heutzutage jedoch immer mehr darauf angewiesen, die ärztliche Versorgung mittels eines Facharztstandards sicherzustellen. Die höhere Vergütung kann auch damit begründet werden, dass die von externen kommenden Fachärzte durch ihre Freiberuflichkeit ein erhöhtes eigenes wirtschaftliches Risiko tragen, welches sie abfangen müssen. Folglich gibt es auch hier die Möglichkeit, Vergütungen über die in der DRG dargestellten Kosten für den ärztlichen Dienst zu vereinbaren.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Qualifikation und der Schwierigkeitsgrad für die Beurteilung der Höhe der Vergütung auch mit einspielen. Eine pauschale Einschätzung der Vergütungen von medizinischen Leistungen verbietet sich demnach. Was als angemessen anzusehen ist, muss sich erst im Rahmen der gerichtlichen Praxis herausbilden.

[...]


1 https://www.tagesschau.de/inland/korruption-gesundheit-101.html, zuletzt aufgerufen am 30.10.2016

2 Alle genannten Paragraphen finden sich im Paragraphenverzeichnis wieder.

3 BGH, Beschluss vom 29.03.2012, GGSt 2/11

4 BT-Drs. 18/6466, S. 1

5 BGH, Beschluss vom 29.03.2012, GGSt 2/11

6 (Damas & Scur, 2015), S. 327

7 http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP18/685/68571.html, zuletzt aufgerufen am 14.01.2017

8 BGH, Beschluss vom 29.03.2012, GGSt 2/11

9 (Klötzer, 2008), S. 12 f.

10 (Böse & Mölders, 2008), S. 586

11 (Pragal, Das Pharma-„Marketing” um die niedergelassenen Kassenärzte: „Beauftragtenbestechung” gemäß § 299 StGB!, 2005), S. 133

12 (Neupert, 2006), S. 2811 ff.

13 LG Stade vom 04.08.10, 12 Kls 170 Js 18207/09 (19/09)

14 LG Stade vom 04.08.10, 12 Kls 170 Js 18207/09 (19/09), S. 17f.

15 Landgericht Hamburg, 18. Große Strafkammer, Urt. v. 9.12.2010, 618 KLs 10/09

16 BGH, Beschluss vom 05.05.11, Az 3 StR 458/10; BGH, Beschluss vom 20.07.11, Az 5 StR 115/11

17 BGH, Beschluss vom 05.05.2011, 3 StR 458/10 in NStZ 2012, 35ff. RN 11

18 BGH, Beschluss vom 05.05.2011, 3 StR 458/10 in NStZ 2012, 35ff. RN 20

19 BGH, Beschluss vom 05.05.2011, 3 StR 458/10 in NStZ 2012, 35ff. RN 41

20 BGH, Beschluss vom 05.05.2011, 3 StR 458/10 in NStZ 2012, 35ff. RN 59

21 BGH, Beschluss vom 20.07.2011, 5 StR 115/11 in NStZ-RR 2011, 303 ff.

22 BGH, Beschluss vom 05.05.2011, 3 StR 458/10 in NStZ 2012, 35ff., Leitsatz; BGH, Beschluss vom 20.07.2011, 5 StR 115/11 in NStZ-RR 2011, 303 ff., Leitsatz

23 BGH, Beschluss vom 29.03.12, GGSt 2/11, RN 14

24 BGH, Beschluss vom 29.03.12, GGSt 2/11, RN 10

25 BGH, Beschluss vom 29.03.12, GGSt 2/11, RN 14

26 BGH, Beschluss vom 29.03.12, GGSt 2/11, RN 18, RN 20

27 BGH, Beschluss vom 29.03.12, GGSt 2/11, RN 14

28 BGH, Beschluss vom 29.03.12, GGSt 2/11, RN 26

29 BGH, Beschluss vom 29.03.12, GGSt 2/11, RN 32

30 BGH, Beschluss vom 29.03.12, GGSt 2/11, RN 37

31 BGH, Beschluss vom 29.03.12, GGSt 2/11, RN 41 ff.

32 (Geiger, High Noon im Gesundheitswesen: Niedergelassene Vertragsärzte sind keine tauglichen Täter der Korruptionsdelikte, Besprechung des Beschlusses des Großen Senats für Strafsachen am BGH am 29.3.2012 - GGSt 2/11, 2012), S. 176

33 (Geiger, High Noon im Gesundheitswesen: Niedergelassene Vertragsärzte sind keine tauglichen Täter der Korruptionsdelikte, Besprechung des Beschlusses des Großen Senats für Strafsachen am BGH am 29.3.2012 - GGSt 2/11, 2012), S. 177

34 Mitteilung der Pressestelle des BGH, Nr. 97/2012 vom 22.06.2012

35 (Geiger, High Noon im Gesundheitswesen: Niedergelassene Vertragsärzte sind keine tauglichen Täter der Korruptionsdelikte, Besprechung des Beschlusses des Großen Senats für Strafsachen am BGH am 29.3.2012 - GGSt 2/11, 2012), S. 177

36 (Geiger, High Noon im Gesundheitswesen: Niedergelassene Vertragsärzte sind keine tauglichen Täter der Korruptionsdelikte, Besprechung des Beschlusses des Großen Senats für Strafsachen am BGH am 29.3.2012 - GGSt 2/11, 2012), S. 179

37 BT-Drs. 17/14184

38 (Dann, Achtung - der Gesetzgeber bewegt sich, Im Blickpunkt: Neuer Entwurf eines Straftatbestands der Bestechlichkeit und Bestechung Im Gesundheitswesen, 2015), S. 13

39 (Schneider), S. 3

40 BR-Drs. 451/13

41 Koalitionsvertrag vom 27.11.13, S. 77

42 BR-Drs. 16/15

43 (Dann, Achtung - der Gesetzgeber bewegt sich, Im Blickpunkt: Neuer Entwurf eines Straftatbestands der Bestechlichkeit und Bestechung Im Gesundheitswesen, 2015), S. 14

44 (Dann, Achtung - der Gesetzgeber bewegt sich, Im Blickpunkt: Neuer Entwurf eines Straftatbestands der Bestechlichkeit und Bestechung Im Gesundheitswesen, 2015), S. 14

45 Gesetzesentwurf des BMJV vom 04.02.15 in § 299a I Nr. 2 StGB-E

46 Stellungnahme BÄK vom 04.02.15, S. 9; KBV vom 09.04.15, S. 4

47 BT-Drs. 18/8106, S. 5f.

48 BT-Drs. 18/8106, S. 2

49 BT-Drs. 18/8106, S. 2, S. 7

10

50 https://de.wikipedia.org/wiki/Compliance_(Medizin), zuletzt aufgerufen am 29.01.2017

51 (Janssen, 2010), S. 116

52 https://www.kma-online.de/aktuelles/klinik-news/detail/tiefer-rutsch-in-die-roten-zahlen-a-30522, zuletzt aufgerufen am 26.11.2016

53 (Passarge, 2015), S. 255 ff.

54 (Passarge, 2015), S. 256

55 (Passarge, 2015), S. 256

56 (Passarge, 2015), S. 256

57 https://www.vfa.de/de/verband-mitglieder/fs-arzneimittelindustrie, zuletzt aufgerufen am 23.11.2016

58 (Dieners, 2010, 3. Auflage), Kapitel 5, RN 2

59 (Boemke & Schneider, 2011), Kapitel 4.1.1.1.

60 BGH, Urteil vom 14.10.2008, 1 StR 260/08

61 BFH vom 25.11.1987, I R 126/85

62 (Dann, Compliance im Krankenhaus, 2015), S. 265

63 https://www.medstra-online.de/pdf/Wuerzburg.pdf, zuletzt aufgerufen am 27.12.2016

64 BT-Drs. 18/6446, S. 18

65 (Bahner, Bechtler, Hartmannsgruber, Piltz, & Schulz-Hillenbrand, 2016), S. 6

66 (Bahner, Bechtler, Hartmannsgruber, Piltz, & Schulz-Hillenbrand, 2016), S. 7

67 (Bahner, Bechtler, Hartmannsgruber, Piltz, & Schulz-Hillenbrand, 2016), S. 9

68 (Bahner, Bechtler, Hartmannsgruber, Piltz, & Schulz-Hillenbrand, 2016), S. 10

69 (Bahner, Bechtler, Hartmannsgruber, Piltz, & Schulz-Hillenbrand, 2016), S. 11

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Bestechung im Gesundheitswesen und Compliance in deutschen Krankenhäusern. Die Neueinführung der §§ 299a und b StGB
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
78
Katalognummer
V367358
ISBN (eBook)
9783668498099
ISBN (Buch)
9783668498105
Dateigröße
1883 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Compliance Gesundheitswesen Krankenhaus § 299a StGB § 299b StGB
Arbeit zitieren
Britta Dietrich (Autor:in), 2017, Bestechung im Gesundheitswesen und Compliance in deutschen Krankenhäusern. Die Neueinführung der §§ 299a und b StGB, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367358

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