Die Bedeutung individueller und kollektiver psychologischer Faktoren für die Ausarbeitung wirtschaftspolitischer Maßnahmen im Umgang mit dem Klimawandel


Seminararbeit, 2016

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Psychologische Einflussfaktoren
2.1. Psychologische Voraussetzungen
2.2. Mentale Modelle
2.3. Framing und psychologische Distanz
2.4. Social Context

3. Implikationen für wirtschaftspolitische Maßnahmen zum Klimawandel
3.1. Lösungsansätze für psychologische Voraussetzungen und mentale Modelle
3.2. Lösungsansätze für Framing und psychologische Distanz
3.3. Lösungsansätze für Social Context

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Ein Weiter-So gibt es nicht. Der Klimaschutz ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts.“ [1]

Diese Worte sagte Angela Merkel im Kanzleramt kurz nach dem Energiegipfel 2007. Damit machte sie die umweltpolitische Bedeutung dieses globalen Themas deutlich. Der Klimaschutz stellt die Politik vor eine immense Herausforderung. Seit der industriellen Revolution ist der CO2-Ausstoß deutlich angestiegen. Besonders in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg vervielfachte sich der weltweite Ausstoß. Die prognostizierten Folgen des Klimawandels in den nächsten Dekaden sind umfangreich und betreffen alle Länder dieser Erde. Viele Länder haben bereits Abkommen über gemeinsame Umweltrichtlinien beschlossen, um so den Klimawandel zu stoppen oder wenigstens zu bremsen. Die Anpassung der Politiken einzelner Länder wie auch gemeinsame umweltpolitische Maßnahmen sind unvermeidlich zur Bekämpfung des Klimawandels. Dabei stehen den Regierungen unterschiedliche politische Instrumente zur Verfügung, um dadurch ein nachhaltigeres Wachstum zu fördern. Neben möglichen Regularien für Unternehmen auf der Angebotsseite, müssen zusätzlich Anpassungsprozesse auf der Nachfrageseite, also bei den Verbrauchern bzw. Individuen, stattfinden. Um den Klimawandel langfristig bekämpfen zu können, ist ein grundlegender Wandel der Gesellschaft unumgänglich.

Einzelne Individuen haben unterschiedliche Motivationen für ihr Verhalten. Diese werden bestimmt und geprägt durch verschiedene psychologische Faktoren. Ein besseres Verständnis für solche Faktoren und ihren Wirkungen ist unabdingbar für eine effiziente und gezielte Umweltpolitik im Bereich des Klimawandels. Werden diese nicht beachtet, so können ungewollte Verhaltensweisen bei einzelnen Individuen ausgelöst werden.

Dazu müssen sich umweltpolitische Entscheidungsträger mit einigen grundsätzlichen Verhaltensfragen auseinandersetzen. Was motiviert einzelne Menschen einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten? Warum werden andere Menschen unter scheinbar gleichen Bedingungen dazu nicht motiviert? Welchen psychologischen Anforderungen müssen umweltpolitische Maßnahmen gerecht werden, damit sie die gewünschte Wirkung im Verhalten einzelner Menschen entfalten?

Das Ziel dieser Arbeit ist es, diese Fragen unter Bezug des aktuellen Forschungsstands zu beleuchten und zu beantworten. Dazu werden zu Beginn die wichtigsten psychologischen Einflussfaktoren für das Verhalten von Individuen bei ihren Entscheidungen erläutert. Der Fokus liegt hier auf den vier wichtigsten Faktoren, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu überschreiten. Im Anschluss werden einige wesentliche Implikationen für die Ausarbeitung von umweltpolitischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels abgeleitet. Zum Abschluss gibt es ein kurzes Fazit, das die wichtigsten Punkte zusammenfasst und schlussendlich die Bedeutung dieses Themas für die Umweltpolitik erklärt.

2. Psychologische Einflussfaktoren

Um wirtschaftspolitische Maßnahmen effizient umsetzen zu können, ist es notwendig zu verstehen, wie einzelne Individuen und Gruppen auf diese Maßnahmen reagieren.[2] Dazu wird in der Volkswirtschaftslehre oft von vereinfachten Modellen des Menschen ausgegangen, wie beispielsweise dem rational handelnden und nutzenmaximierenden Homo oeconomicus, der sämtliche notwendigen Informationen für seine Entscheidung kennt und diese ohne zeitliche Verzögerung umsetzen kann.[3] Darüber hinaus gibt es viele weitere theoretische Modelle des menschlichen Handelns. Jedoch stoßen diese Modelle in der Realität an ihre Grenzen, da alle Individuen in ihren getroffenen Entscheidungen Verhaltensanomalien aufweisen bzw. sie nur selten vollkommen modelltheoretisch handeln.

Genau an diesem Punkt setzt die Wirtschafts- und Sozialpsychologie an, die in den letzten Jahrzehnten an immer größerer Bedeutung gewonnen hat. Während die Volkswirtschaftslehre versucht zu erklären, wie ein Individuum im Optimum handeln müsste, versucht die Psychologie zu erklären, warum ein Individuum unter seinen beschränkten kognitiven Kapazitäten und auf Basis seiner Erfahrungen und Ziele bestimmte Entscheidungen in der Realität trifft.[4] Sie betrachtet somit das subjektive Verhalten von Individuen in ihrem jeweiligen ökonomischen und sozialen Umfeld und versucht psychologische Ursachen und Regeln für das jeweils aufgezeigte Verhalten zu finden.[5]

Dabei gibt es im Bereich der Nachhaltigkeitsökonomie bzw. -politik eine breite Anzahl an Gründen für Individuen Entscheidungen zu vermeiden, die einen positiven Einfluss auf die Umwelt hätten.[6] Viele umweltpolitische Themen sind gekennzeichnet durch eine hohe Emotionalität, politische Disparitäten und dem Zusammentreffen verschiedener Moralvorstellungen.[7] Darüber hinaus enthält jede Entscheidung ein bestimmtes Maß an Unsicherheit, die mit begrenzten Informationen nur eingeschränkt bewertet werden kann.[8]

Um dennoch optimale wirtschaftspolitische Maßnahmen im Bereich der Umweltpolitik ausarbeiten zu können, müssen zwei entscheidende Punkte im Verhalten der Individuen betrachtet und verstanden werden. Zum einen ist die Wahrnehmung von Umweltproblem wichtig. Also welche psychologischen Faktoren die Sensibilität der Menschen für Umweltprobleme verschlechtern bzw. verbessern. Zum anderen muss betrachtet werden, welche Faktoren einzelne Menschen oder Gruppen dazu motivieren, umweltunterstützend zu handeln.[9] Die beiden Punkte lassen sich nicht klar voneinander trennen, da sich viele psychologische Faktoren auf beiden Seiten auswirken und auch in unterschiedlichen Erklärungsmodellen Bedeutung finden. Im Folgenden werden einige der wichtigsten psychologischen Faktoren am Beispiel der Problematik des Klimawandels näher beleuchtet.

2.1. Psychologische Voraussetzungen

Jede Entscheidung wird auf Grundlage von persönlichen inneren Einstellungen und Werten getroffen. Diese werden wiederum von verschiedenen Faktoren beeinflusst und geprägt. Eine mögliche Aufteilung dieser inneren Werte nach Stern (2000) ist die Unterteilung der Menschen in drei Wert-Typen: Egoisten, Altruisten und Umweltbedachte. Während die Egoisten bei ihren Entscheidungen nur ihren eigenen Nutzen betrachten, ist es das Ziel der Altruisten die Wohlfahrt aller Menschen zu maximieren. Die Gruppe der Umweltbedachten legt ihren Fokus auf den Erhalt und die Verbesserung der Umwelt. Unterschiedliche Studien zeigen eine Korrelation zwischen den jeweiligen Wert-Typen und der Motivation umweltunterstützend zu handeln. Während die Gruppe der Egoisten häufig umweltunterstützende Maßnahmen vermeidet, sind Umweltbedachte und Altruisten eher bereit solche Maßnahmen zu unterstützen.[10]

Die Weltanschauung und die Moral sind weitere wichtige innere Werte bei der Entscheidungsfindung. Über die Weltanschauung definiert jede Person für sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, welche Rolle die Gesellschaft darin spielt und welchen Beitrag jeder Einzelne leisten sollte. Die Moral legt darüber hinaus die persönliche Verantwortung eines jeden Menschen gegenüber anderen Menschen und der Natur fest.[11] Der Einfluss dieser beiden Werte auf Umweltentscheidungen ist sehr ähnlich zu den inneren Wert-Typen. Je stärker sich die Person über ihre Weltanschauung bzw. ihrer Moral mit der Natur verbunden und für sie verantwortlich fühlt, umso eher wird sie sich bei Entscheidungen für Umweltmaßnahmen entscheiden.[12]

Klimawandelskeptiker stellen den extremen Gegenfall dar. Diese Gruppe an Menschen leugnet den Klimawandel, ihre Folgen oder den menschlichen Beitrag am Klimawandel. Mit diesen Ansichten gehören sie jedoch zur Minderheit der Bevölkerung. Zu diesem Ergebnis kam Leiserwowitz (2013) in seiner Umfrage, an der mehr als 1000 Amerikaner teilnahmen. Etwa 63 Prozent der Befragten gaben an, dass sie an die globale Klimaerwärmung glauben. Nur etwa 16 Prozent sprachen sich klar dagegen aus. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen viele weitere Studien.[13],[14] Gleichzeitig verdeutlicht die Studie auch, dass die Sorgen über die Folgen des Klimawandels trotzdem zurückgehen.[15] Dieses Ergebnis zeigt sich aber nur in den Industrieländern, da diese mehr Ressourcen und Kapazitäten besitzen, um die Folgen des Klimawandels im eigenen Land zu begrenzen.[16] Betrachtet man das Bewusstsein für den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel über einen längeren Zeitraum, so zeigt dieses kaum Veränderung. Zu diesem Ergebnis kamen Reynolds et al. (2010) nachdem sie Umfrageergebnisse aus den Jahren 1992 und 2009 verglichen. Zu beiden Zeitpunkten glaubte die Mehrheit der Befragten, dass der Mensch mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Einfluss auf den Klimawandel hat. Der Anteil der Klimawandelskeptiker hat sich über den Zeitraum der Befragungen von zwei Prozent auf neun Prozent erhöht.[17] Eine deutlichere Veränderung in der Studie gab es hingegen bei den genannten Ursachen für den Klimawandel. Besonders zu erkennen ist, dass der Einfluss der weltweiten Abholzung von Wäldern stark zurückgegangen ist und dafür neue Faktoren wie die Landwirtschaft und der Ausstoß von Methan als neue Ursachen genannt wurden.[18]

Insgesamt zeigen die psychologischen Voraussetzungen einen großen Einfluss bei der Entscheidung für oder gegen Umweltmaßnahmen, da sie über die persönliche Wahrnehmung der Problematik bzw. ihrer Folgen entscheiden und die jeweilige Verantwortung dafür festlegen.

2.2. Mentale Modelle

Mentale Modelle dienen einem Menschen dazu, komplexe Sachverhalte und Prozesse durchdenken zu können, in dem er sich diese mental in einer vereinfachten Dimension vorstellt. Sie stellen somit ein verkleinertes Abbild der Realität dar und zeigen die Verbindung zwischen verursachendem Faktor und dem Effekt.[19] Einzelne Erfahrungen und das Wissen eines Individuums sind die Grundlage für ein solches Modell. Es werden dadurch Denkprozesse und Handlungen für verschiedene Situationen ermöglicht.[20] Jeder Mensch ist mit unterschiedlichen mentalen Modellen ausgestattet. Je nach Situation, kann auf ein anderes passendes Modell zurückgegriffen werden.[21] Ohne diese Modelle wäre es dem Menschen kaum möglich Entscheidungen zu treffen, da er niemals mit allen nötigen Informationen ausgestattet ist, um ein komplexes Thema vollständig und korrekt zu durchdenken.[22]

Einen sehr starken Einfluss auf die Modelle haben persönliche Erfahrungen mit dem Klimawandel. Waren einzelne Individuen in der Vergangenheit von Auswirkungen des Klimawandels betroffen bzw. haben sie diese selbst erlebt, dann haben sie eine wesentlich höhere Bereitschaft an umweltunterstützenden Maßnahmen teilzunehmen.[23] Verdeutlicht wird dies u. a. durch das Spendenverhalten für Organisationen, die versuchen, die Klimaerwärmung zu bekämpfen. Menschen, die die Klimaerwärmung mental auch in ihr Heimatland projizieren und nicht nur in ferne Ländern, setzen sich stärker mit ihren Folgen auseinander und haben daher eine höhere Spendenbereitschaft.[24]

Die mentale Vereinfachung eines komplexen Themas stellt jedoch gleichzeitig ein Problem dar, denn fehlende Informationen können zu falschen Annahmen und damit zu fehlerhaften mentalen Modellen führen.[25] Individuen erhalten zwar sehr schnell Grundannahmen über andere Personen oder Situationen, dadurch werden aber oft neue Informationen ignoriert, die dem jeweiligen mentalen Modell widersprechen. Stattdessen werden Informationslücken mit Annahmen gefüllt, die aufgrund eigenen Wissens und bisheriger Erfahrungen erzeugt werden.[26] Zwei häufig fehlerhafte Modelle in Bezug auf den Klimawandel haben Newell/Pitman (2010) aufgegriffen. Zum einen nutzen die Menschen und die Medien die Begriffe Klima und Wetter synonym, obwohl es sich bei diesen um unterschiedliche Dinge handelt. Dies führt dazu, dass die Menschen das aktuelle Wetter betrachten und darüber Rückschlüsse auf den Klimawandel ziehen. Kommt es nun beispielsweise zu einem relativ langen und kalten Winter, dann beginnen einige Menschen an der Klimaerwärmung zu zweifeln. Zum anderen betrachten viele Menschen die Klimaveränderung nur über kurze Zeiträume, und innerhalb dieser kommt es zu Schwankungen der Durchschnittstemperatur in beide Richtungen. Um eine Veränderung des Klimas zu erkennen, ist es nötig, den langfristigen Trend über viele Jahre zu betrachten.[27] Diese Beispiele machen deutlich, wie falsche mentale Modelle zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führen können.

Die Schwierigkeit der korrekten Entwicklung eines mentalen Modells verdeutlicht ein Experiment von Sterman/Sweeney (2007) mit hochqualifizierten Absolventen am Massachusetts Institute of Technology. Dazu wurde ein Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre innerhalb eines festgelegten Zeitraums an Jahren in einem dynamischen Modell simuliert. Die Studierenden sollten als Aufgabe versuchen einzuschätzen, wie hoch der nötige Abbau an CO2 in der Atmosphäre sein muss, damit innerhalb des Zeitraums ein langfristiges Gleichgewicht entsteht. Trotz ihres Qualifikationsniveaus und der dadurch hohen Ausstattung mit Wissen bzw. Informationen, war es schwierig für die Studierenden die nötige Menge an CO2-Abbau zu berechnen. Zusätzlich zeigten sich wiederkehrende Denkfehler in der Berechnung bei einer großen Anzahl an Teilnehmern.[28]

Mentale Modelle sind einen wichtiger Ansatzpunkt für wirtschaftspolitische Entscheidungen, da sie aufgrund des Wahrnehmungsfaktors zu einem besseren Verständnis von Umweltproblemen und einer höheren Handlungsbereitschaft führen können. Darüber hinaus wirken diese Modelle oft generationsübergreifend und haben dadurch einen langfristigen Nachhaltigkeitseffekt.[29] Richtig eingesetzt, lösen sie daher einen Hebeleffekt aus.[30]

2.3. Framing und psychologische Distanz

Der starke Einfluss von Framing in Kombination mit psychologischer Distanz ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der Psychologie im Bereich der Entscheidungsfindung. Der Begriff Framing bezeichnet die unterschiedliche Formulierungsweise einer Aussage, die, trotz identischen Inhalts, den Empfänger in seinem Entscheidungsverhalten unterschiedlich beeinflusst. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist der Effekt, den Gewinne oder Verluste bei einem Individuum auslösen. Der Nachteil den ein Individuum beim Verlust einer Summe an Geld verspürt ist häufig größer als der Vorteil den es verspürt, wenn es die gleiche Summe an Geld gewinnt. Dieses Phänomen begründet eine Verlust- bzw. Risikoaversion, die sich zusätzlich auf Entscheidungen in anderen Bereichen auswirkt.[31]

Ein anderes Beispiel für Framing stellen Labels dar. Hierbei wird eine identische Maßnahme oder ein identisches Produkt unter verschiedenen Begriffen angeboten. Trotz gleichen Inhalts, kann dies zu unterschiedlichen Entscheidungen führen. Zu diesem Thema führten Hardisty et al. (2010) eine Studie in den USA durch. In einem der Experimente wurde den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, beim Kauf eines Flugtickets einen zusätzlichen Betrag zur Reduzierung der CO2-Emission zu zahlen. Wurde dieser Betrag als „CO2-Steuer“ bezeichnet, dann waren nur 26 Prozent der republikanischen Teilnehmer dazu bereit. Bei einer Änderung des Begriffes auf „CO2-Ausgleich“ stieg die Bereitschaft auf 58 Prozent. Demokraten zeigten hingegen bei beiden Begriffen eine Zahlungsbereitschaft von über 60 Prozent der Teilnehmer. Dies macht gleichzeitig deutlich, dass Labels auf verschiedene Individuen oder Gruppen eine unterschiedlich starke Wirkung haben.[32]

Ein weiterer Effekt im Bereich des Framing sind sogenannte Defaults. Dabei handelt es sich um Ausgangszustände, aus denen heraus Individuen Entscheidungen treffen. In vielen Fällen entscheiden sie sich aufgrund von Unsicherheit für den bisherigen Ausgangszustand und sind nicht bereit das Risiko eines neuen Zustandes einzugehen.[33] Dazu führten Pichert/Katsikopoulos (2008) eine Studie durch, die sich aus einer Beobachtungsstudie und zwei Laborexperimenten zusammensetzte. Innerhalb der Studie hatten die Teilnehmer die Wahl zwischen zwei Stromanbietern, wobei einer grünen Strom und der andere grauen Strom anbot. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Teilnehmer zwar eine Präferenz zu grünem Strom haben, sie jedoch noch stärker zum Ausgangszustand hingezogen werden. Besaß ein Teilnehmer bereits grünen Strom, so entschied er sich häufig wieder für diesen Anbieter. Das gleiche gilt für Haushalte mit grauem Strom. Wurde jedoch simuliert, dass die Teilnehmer noch keinen Stromanbieter haben, so fiel die Entscheidung sehr häufig auf den grünen Anbieter.[34] Insgesamt besteht daher für viele Menschen die Präferenz sich umweltunterstützend zu entscheiden, Defaults können hier aber einen entscheidenden Begrenzungsfaktor darstellen.

Der Effekt der unterschiedlichen Formulierungsweisen wird besonders im Bereich der psychologischen Distanz bedeutend. Verändert sich die Formulierungsweise, so können dadurch verschiedene psychologische Distanzen ausgelöst werden. Unter psychologischer Distanz wird die Entfernung eines Individuums zu einem bestimmten Ereignis oder einem Objekt verstanden. Diese Distanz findet innerhalb einer zeitlichen, räumlichen, sozialen und hypothetischen Dimension statt.[35] Die hypothetische Distanz legt dabei fest, für wie wahrscheinlich ein Ereignis durch die jeweilige Person betrachtet wird. Im Allgemeinen führt eine Vergrößerung der psychologischen Distanz zu einer Verringerung der Bereitschaft einer Person sich mit der jeweiligen Problematik auseinanderzusetzen. Dieses Phänomen wurde im Bereich des Klimawandels vielfach nachgewiesen. Beispielsweise führten Spence/Pidgeon (2010) eine Onlineumfrage bei Psychologiestudenten durch, um den Einfluss der psychologischen Distanz in der räumlichen und sozialen Dimension nachzuweisen. Dazu wurden Klimaszenarien in verschiedenen Entfernungen dargestellt und die Bereitschaft etwas dagegen zu unternehmen beobachtet. Es wurde deutlich, dass mit sinkender Entfernung des Umweltproblems die Bereitschaft zu handeln steigt. Solange das Problem räumlich weit entfernt ist und es dort nur fremde Menschen betrifft, ist hingegen die Handlungsbereitschaft wesentlich geringer.[36] Die räumliche und soziale Nähe hat somit einen starken Einfluss auf die Entscheidungen.[37] Die Distanz zur zeitlichen Dimension bewirkt den gleichen Effekt. Je weiter zeitlich entfernt ein Umweltproblem wahrgenommen wird, umso geringer ist die Bereitschaft zu handeln. Grund dafür ist die Gegenwartspräferenz und die daraus folgende Diskontierung. Studien haben gezeigt, dass die Bereitschaft zu einem umweltbewussteren Verhalten sinkt, wenn die positiven Folgen dieser Verhaltensänderung erst in einer relativ fernen Zukunft sichtbar sind. Die Individuen entscheiden sich also eher für einen heute geringeren positiven Effekt auf die Umwelt als für einen größeren positiven Effekt in der Zukunft.[38] Auch eine hohe Unsicherheit über den Klimawandel wirkt sich negativ auf die Motivation zur Teilnahme an Gegenmaßnahmen aus. Diese Unsicherheit wird beispielsweise durch unterschiedliche Meinungen der Wissenschaftler über den Klimawandel ausgelöst, die dann an die Öffentlichkeit weitergetragen werden.[39]

Framing hat insgesamt einen sehr starken Effekt auf das Entscheidungsverhalten einzelner Individuen. Schon kleine Änderungen in diesem Bereich können die Bereitschaft zu umweltunterstützendem Verhalten deutlich fördern.[40] Der richtige Einsatz von Framing muss daher in der Zukunft stärker in umweltpolitische Entscheidungen einfließen.

2.4. Social Context

Ein weiterer wichtiger psychologischer Einflussfaktor ist der Social Context. Dieser umfasst sämtliche Einflüsse des Verhaltens anderer Menschen oder Gruppen auf das eigene Verhalten und die eigenen Entscheidungen. Die sozialen Normen und das soziale Verhalten der Gemeinschaft haben dabei einen sehr starken Einfluss auf die Entscheidungen.[41]

Zwischen dem Verhalten anderer Menschen und dem eigenen Verhalten besteht eine hohe Korrelation, sowohl bei Entscheidungen für Umweltmaßnahmen als auch bei Entscheidungen dagegen.[42] Diese Korrelation konnten Schultz et al. (2007) in einem Feldexperiment nachweisen. Dazu sammelten sie über einen Zeitraum von mehreren Wochen die Daten über den Durchschnittsverbrauch an Energie bestimmter Haushalte in einer Region. Im Laufe des Experiments wurden die Haushalte mit den Durchschnittsverbrauchswerten der Nachbarschaft konfrontiert und ihnen wurden Informationen zum Thema Energiesparen vermittelt. In den folgenden Wochen kam es zu einer sichtbaren Veränderung des Energieverbrauchs der Haushalte. In dieser Zeit hat sich der Energieverbrauch der vorher unterdurchschnittlich verbrauchenden Haushalte erhöht, während die im Vorfeld überdurchschnittlichen Haushalte ihren Energieverbrauch sichtbar senkten. Beide Seiten orientierten sich nachweislich am durchschnittlichen Verbrauch der Nachbarschaft.[43] Ein ähnliches Experiment führten Nolan et al. (2008) ein weiteres Mal durch. Zusätzlich wurden in diesem Experiment Interviews geführt, in denen die Teilnehmer u. a. den Einfluss der Informationen über den Verbrauch in der Nachbarschaft und den Informationen über Möglichkeiten des Energiesparens einschätzen sollten. Dabei wurde der Einfluss der sozialen Komponente, also die Informationen über den Verbrauch in der Nachbarschaft, als am geringsten eingestuft. Die Ergebnisse zeigten aber, dass die soziale Komponente sogar den stärksten Einflussfaktor im Experiment ausgemacht hat. Daraus lässt sich schließen, dass der Einfluss durch das Verhalten anderer Menschen deutlich unterschätzt wird und dieser in Wirklichkeit einen entscheidenden Faktor darstellt.[44]

Das soziale Ansehen spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.[45] Die Menschen sind nachweislich eher bereit nachhaltige Entscheidungen zu treffen, wenn dadurch ihr soziales Ansehen steigt. Je präsenter das Problem ist und je auffälliger ihr Handeln, umso wahrscheinlicher ist die Entscheidung zu einem umweltunterstützendem Verhalten.[46] Dies kann sogar dazu führen, dass einzelne Menschen aus strategischen Gründen eine umweltfördernde Maßnahme unterstützen, um dadurch ihren sozialen und gesellschaftlichen Status zu erhöhen.[47]

[...]


[1] Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH (2007).

[2] Vgl. Spence et al. (2012), S. 957 f.

[3] Vgl. Müller (2015), S. 35.

[4] Vgl. Jungermann et al. (2010), S. 1 f.

[5] Vgl. Dorsch et al. (2014), S. 74 ff.

[6] Vgl. Newell et al. (2014), S. 445.

[7] Vgl. Price et al. (2014), S. 8 ff.

[8] Vgl. Newell et al. (2014), S. 444 f.

[9] Vgl. ebd., S. 444 f.

[10] Vgl. Stern (2000), S. 411 ff.

[11] Vgl. Haller/Rodekohr (2010), S. 233.

[12] Vgl. Newell et al. (2014), S. 447 f.

[13] Vgl. Pidgeon et al. (2008), S. 69 ff.

[14] Vgl. Poortinga et al. (2006), S. 1 ff.

[15] Vgl. Leiserowitz et al. (2013), S. 4 ff.

[16] Vgl. Gifford et al. (2009), S. 1 ff.

[17] Vgl. Reynolds et al. (2010), S. 1523.

[18] Vgl. ebd., S. 1526 f.

[19] Vgl. Newell et al. (2014), S. 449.

[20] Vgl. The World Bank (2015), S. 2.

[21] Vgl. ebd., S. 1.

[22] Vgl. Newell/Pitman (2010), S. 1010.

[23] Vgl. Reser et al. (2012), S. 11 ff.

[24] Vgl. Li et al. (2011), S. 454 ff.

[25] Vgl. Newell et al. (2014), S. 449.

[26] Vgl. The World Bank (2015), S. 2.

[27] Vgl. Newell/Pitman (2010), S. 1004 f.

[28] Vgl. Sterman/Sweeney (2007), S. 216 ff.

[29] Vgl. The World Bank (2015), S. 11.

[30] Vgl. ebd., S. 1 f.

[31] Vgl. Newell et al. (2014), S. 452.

[32] Vgl. Hardisty et al. (2010), S. 86 ff.

[33] Vgl. Newell et al. (2014), S. 452.

[34] Vgl. Pichert/Katsikopoulos (2008), S. 67 ff.

[35] Vgl. Liberman/Trope (2008), S. 1201.

[36] Vgl. Spence/Pidgeon (2010), S. 656 ff.

[37] Vgl. Newell et al. (2014), S. 454.

[38] Vgl. Hardisty/Weber (2009), S. 329 ff.

[39] Vgl. Ding et al. (2011), S. 462 ff.

[40] Vgl. Tversky/Kahneman (1981), S. 453 ff.

[41] Vgl. Newell et al. (2014), S. 455 f.

[42] Vgl. Göckeritz et al. (2010), S. 514 ff.

[43] Vgl. Schultz et al. (2007), S. 432 f.

[44] Vgl. Nolan et al. (2008), S. 913 ff.

[45] Vgl. Griskevicius et al. (2010), S. 392 ff.

[46] Vgl. Fritsche et al. (2010), S. 67 ff.

[47] Vgl. Newell et al. (2014), S. 456.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung individueller und kollektiver psychologischer Faktoren für die Ausarbeitung wirtschaftspolitischer Maßnahmen im Umgang mit dem Klimawandel
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Professur für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung)
Veranstaltung
Experimental Economics and Environmental Policy
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
22
Katalognummer
V367209
ISBN (eBook)
9783668457690
ISBN (Buch)
9783668457706
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umweltpolitik, Nachhaltigkeit, Klimawandel, Psychologie, Sustainability, Environment
Arbeit zitieren
B.A. Michael Beniers (Autor:in), 2016, Die Bedeutung individueller und kollektiver psychologischer Faktoren für die Ausarbeitung wirtschaftspolitischer Maßnahmen im Umgang mit dem Klimawandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367209

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