Handout zur potentialtheoretischen Untersuchung einer standardisierten Laborfinne

Beitrag zu Strömungswirklichkeit von Surfboardfinnen


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2017

16 Seiten

Dipl.-Ing. Michael Dienst (Autor:in)


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Leseprobe


ABSTRACT

Zur Erforschung der Strömungswirklichkeit von Surfboardfinnen kommt ein potential­theoretisches Verfahren zum Einsatz. Gegenstand der Untersuchung sind standardisierte Laborfinnen, die so genannten LABFins. Bei der Analyse mit der Potentialtheorie werden Gleichungen gelöst, deren verallgemeinernde Beschreibung der sogenannte Arbitrary Lagrangian-Eulerian-Formulierung folgt.

INTRO

In maschinenbaubetonten Entwicklungsszenarien werden in der frühen Phase physikalische Wirkprinzipien Funktionsstrukturen und numerische Funktionsmodelle nachgefragt. Computersimulationen geben erste Auskünfte über Form und Art, Abmessungen, Anordnung der Gestaltungselemente eines frühen Entwurfs und bilden die Entscheidungsgrundlagen für die weitere Entwicklung. An Bedeutung gewinnen dabei gegenständliche Modelle, die mit konventioneller Gießtechnik oder in Rapid-Prototyping-Verfahren (RP) direkt aus CAD- Datenbeständen generiert werden. Aus der CAD-Geometrie ableitbare Beanspruchungs­modelle dienen der Klärung des Bauteilverhaltens bei äußerer Beanspruchung, Verformungs­und Funktionsmodelle zur Analyse des Bauteilverhaltens hinsichtlich Festigkeit, Kinematik und Dynamik.

STRÖMUNGSSIMULATION

In der Technik sind es fluidmechanische Fragestellungen, die sowohl einen hohen strukturellen Aufwand (Windkanäle, Strömungsmessstrecken), ausgefeilte numerische Methoden (Strömungssimulation, Computational Fluid Dynamics, CFD) als auch eine sehr hohe theoretische Sachverständigkeit aller Beteiligten fordern. Für die Erforschung der Strömungswirklichkeit von Surfboardfinnen sollen analytische Methoden und Simulations­programme zum Einsatz kommen. Gegenstand der ersten Untersuchungen sind synthetische Surfboardfinnen, so genannte „LAB Fins" die als artifizielle, standardisierte Laborfinnen (LABFin) eindeutig gestaltet und herzustellen sind.

Laborfinnen nach dem LABFin-Standard werden im Laufe der Untersuchung als materielle Technik- und Technologie -Demonstratoren und als Computermodelle vorliegen; sie sollen einer numerischen Evaluation zugänglich sein. Die Strömungssimulationsverfahren, die für die Analyse von Unterwasserbauteilen eingesetzt werden können, lassen sich grob in Kategorien einteilen. Erweiterte potentialtheoretische Verfahren zur Berechnung der Konturnahen Strömung und des näheren Fernfeldes mit so genannten Panel-Codes. Die 2D- Strömungswirklichkeit des klassischen Potentiallösers kann durch eine schichtweise Anwendung auf die Finnengeometrie mit Traglinienverfahren (Prandtl) zu einem quasi-3D- Berechnungsansatz aufgebaut werden immer dann, wenn auch Lösungsmodell für endliche Tragflügel existiert. Mittelschnittverfahren auf der Grundlage klassische Potentiallöser stellen bei sehr einfachen Finnengeometrien eine Option dar. Bei zylindrischen Finnen - diese kommen bekanntlich weder in der belebten Natur noch in der Praxis artifizieller Strömungsbauteile vor - sind unter Berücksichtigung der Randbogenumströmung sogar die aus der Simulation von Strömungsmaschinen bekannten Mittelschnittverfahren zulässig. RANSE-Verfahren lösen eine zeitlich gemittelte Form der Navier-Stokes-Gleichung mit Finite Volumen Verfahren. Bei der Analyse der Finnen interessieren Auftriebs- und Widerstandskennwerte , Kenngrößen der konturnahen Grenzschicht, die Vorhersage der Strömungsablösung und die Berechnung der Strömungswirklichkeit im näheren Fernfeld der Finne. Potentiallöser, RANSE-Verfahren und hochperformanten Grenzschichtverfahren ist gemeinsam, dass sie auf Erhaltungsgleichungen basieren. Die meisten kommerziellen Computerprogramme zur Strömungssimulation verwenden so genannte Reynolds-gemittelte Navier-Stokes-Gleichungen. Derartige CFD-Solver benötigen oft längere Rechenzeiten zur Simulation und Berechnung der Strömungswirklichkeit von Surfboardfinnen. Auf der anderen Seite der Skala Stehen Potentialtheoretische Verfahren. Hier verkürzen sich die Berechnungszeiten um den Faktor 1000. Zunächst werden die wesentlichen Eigenschaften der potentialtheoretischen Verfahren angesprochen ohne jedoch auf Grundaussagen der klassischen Strömungsmechanik einzugehen. Hier sei auf die einschlägige Literatur[1] verwiesen [Tham-08] [Lech-14] [Scha-13] [Oert-11],

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Strömungen können auf unterschiedliche Weise beschrieben werden. Die EULER­Formulierung geht von einem raumfesten Koordinatensystem aus. Werden dagegen materielle Partikel des strömenden Mediums verfolgt, so spricht man von der sogenannten materialbezogenen oder LAGRANGE-Formulierung. Bei der Untersuchung der Fuid-Struktur Wechselwirkung beweglicher, strömungsadaptiver Bauteile in einem Fluid müssen stark verformte Bereiche oder bewegliche Grenzen in der jeweiligen Formulierung abgebildet werden. Für eine gemeinsame Beschreibung der Bewegungen eines Mediums darf eine übergeordnete, willkürliche (engl, arbitrary) Beschreibung aus raum- und materialbezogener Formulierung, die sogenannte Arbitrary Lagrangian-Eulerian-Formulierung (ALE) erfolgen. Angewandt auf das Gebiet к und mit dem NABLA-Operator[2] kann für die Erhaltung von Masse, Impuls und Energie geschrieben werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auf einer abstrakten Ebene liefert die (dimensionslose) Navier-Stokes-Gleichung Aussagen über Transportvorgänge in einer Strömungs-Wechselwirklichkeit:

Lokale Beschleunigung + konvektive Beschleunigung =Druck +Reibung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die vereinfachte Betrachtung der reibungsfreien Umströmung ist die EULER-Gleichung[3]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Navier-Stokes-Gleichungen gelten für (fast) alle Strömungen. Um das gegebene Strömungsproblem lösen zu können, sind neben der Geometrie auch fluidmechanische Randbedingungen notwendig. Nur durch die Wahl physikalisch richtiger Randbedingungen stellt sich auch eine Strömung ein. Grundsätzlich fragen wir zuerst: Was strömt in das Strömungsgebiet ein, was strömt heraus. Welcher Art ist die Strömung an den Wandungen des Modells. Wir unterscheiden die Randbedingungen nach physikalischen Rand­bedingungen, pRB und numerischen Randbedingungen, nRB. Hierin sind: pRB, alle vorgegebenen Größen am (Berechnungs-) Rand und nRB, alle berechenbaren Größen am (Berechnungs-) Rand. Die Anzahl der zu lösenden Erhaltungsgleichungen muss der Summe aller physikalischen Randbedingungen Σ pRB und aller numerischen Σ nRB entsprechen. Im dreidimensionalen Fall sind das also S3D= Σ nRB + Σ pRB = 5. Die eine numerische Randbedingung (innen) am Einströmrand EIN wird vom Simulationsprogramm berechnet, die vier äußeren physikalischen Randbedingungen pRB müssen vorgegeben werden; Z.B. den Totaldruck Pt, die Totaltemperatur Tt die Zuströmrichtung in der xz-Ebene (bzw. das Verhältnis der Zuströmgeschwindigkeit w/u) und die Zuströmung in der xy-Ebene (bzw. das Verhältnis der Zuströmgeschwindigkeit v/u) die wir in unserem virtuellen Finnen­strömungskanal als den Anströmwinkel oc benennen werden. In anderen Anwendungen sind Randbedingungen, wie beispielsweise der Massenstrom m anzugeben. Am Abströmrand AUS wird lediglich eine physikalische Randbedingung gefordert, in der Regel ein statischer Druck p=konst. oder eine statische Druckverteilung p=f(y,z); die vier numerischen Randbedingungen werden vom Simulationsprogramm berechnet. Am Festkörperrand des Strömungsraumes müssen vier physikalische Ranbedingungen angegeben werden - drei Geschwindigkeitskomponenten und die Wandtemperatur, bzw. deren Gradient falls dieser bekannt ist - und eine Randbedingung nRB wird vom Programm berechnet. Bei reibungs­behafteten Strömungen gilt (die so genannte Haftbedingung) dass die Geschwindigkeits­komponenten an der Wand verschwinden: u=c=w=0.

POTENTIALLÖSER

Die durch Potentiallöser erstellte Strömungswirklichkeit kann in ausgesuchten Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit an das reale Strömungsphänomen hinreichen. In der Potential­theorie werden, unter Berücksichtigung spezieller Randbedingungen, geschlossene (Potential-) Gleichungen aufgestellt und gelöst. Eingebettet in moderne Programm­umgebungen können potential-theoretische Berechnungen sehr schnell sein. Wir betrachten in diesem Handout nur ebene Strömungsfelder. Wegen der Linearität der Gleichungen gilt für Potentialströmungen das Superpositionsprinzip, das die Darstellung und Berechnung komplexer Lösungen aus der Überlagerung von einfachen Strömungen für die Elementarlösungen erlaubt. Bei Potentialströmungen ist die Zirkulation immer dann Null, wenn keine Singularitäten eingeschlossen werden. Mit der Zirkulation lassen sich Wirbelstärke und Auftriebskräfte an einem Tragflügel berechnen. Als Potential werden hierbei Skalarfunktionen verstanden, deren partielle Ableitung eine Größe mit physikalischer Bedeutung angibt. Ist eine Strömung wirbelfrei, so folgen aus dem Gradienten der Feld­funktion die Geschwindigkeitskomponenten der Strömung. Bei wirbelfreien Strömungen sind die Vektorkomponenten nicht mehr unabhängig voneinander sondern über das Potential verbunden. Nach dem Satz von Kutta-Joukowsky kann die auftriebsbehaftete Umströmung eines Profils als Kombination aus Parallel- und Zirkulationsströmung betrachtet werden, wenn die (Kutta'sche) Abflussbedingung erfüllt ist. Diese fordert ein glattes Abströmen des Fluids an der Hinterkante.

Programmsysteme wie JAVAFOIL, EPPLER PROFIL und XFOIL[4] sind robuste, einfache Codes zur zweidimensionalen Strömungsberechnung nach der Potentialtheorie. Sie arbeiten jedoch mit einigen Einschränkungen. In diesem Handout betrachten wir das Programm system JAVAFOIL. Die Analyse des Strömungsgeschehens in der Grenzschicht eines Tragflügels ist bei einem Potentiallöser direktional. Die Grenzschichtanalyse gibt also keine Rückmeldung an die potentialtheoretische Strömungslösung und enthält keine (zur Konvergenz führenden) Iterationsschleifen. Die Direktionalität schränkt damit die Aussagekraft der berechneten Strömungswirklichkeit des Potentiallösers über eine reale Strömung ein. Für das wandnahe Strömungsgeschehen berechnet JAVAFOIL keine laminaren Trennblasen und modelliert keine Strömungstrennung in derartigen Strömungsgebieten. Immer dann, wenn solche Effekte auftreten, werden die Berechnungsergebnisse ungenau. Eine Auftrennung der Strömung, wie sie bei Stall auftritt, wird nur bis zu einem gewissen Grad durch empirische modellierte Korrekturen beschrieben. Strömungstrennung und speziell Stall sind drei­dimensionale Strömungsgeschehen und auch schnittweise durch einen zweidimensionalen Strömungslöser nicht darstellbar. Für Strömungszustände, die jenseits des Stallpunktes liegen, liefert der (zweidimensionale) Potentiallöser ungenaue Ergebnisse. Eine genauere Analyse der Grenzschichtströmung würde ein anspruchsvolleres Verfahren zur Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen erfordern; dies ist (im Falle einer CFD-Rechnung) mit einer Steigerung der CPU-Zeit um den Faktor 1000 verbunden.

Im Potentiallöser JAVAFOIL ist eine klassische Panel-Methode implementiert, um das lineare Potential-Flow-Feld zu bestimmen. Wie bei den meisten Panel-Methoden erhöht sich die Lösungszeit für das lineare Gleichungssystem mit dem Quadrat der Anzahl der Unbekannten. Daher ist es ratsam, die Anzahl der Punkte auf Werte zwischen 50 und 150 zu begrenzen. Diese relativ kleine Zahl liefert bereits ausreichend Genauigkeit der Ergebnisse.

Für die Simulation der wandnahen (Grenzschicht-) Strömung wird eine Grenzschichtintegra­tion nach Eppler[5] durchgeführt. Solche ganzheitlichen Methoden basieren auf Differential­gleichungen, die das Wachstum der Grenzschichtparameter in Abhängigkeit von der lokalen Strömungsgeschwindigkeit ermitteln. Während genaue analytische Formulierungen für laminare Grenzschichten vorhanden sind, ist für den turbulenten Teil eine empirische Korrelationen erforderlich. Methoden zur Vorhersage des Übergangs von laminar zu turbulenter Strömung wurden seit den frühen Tagen der Prandtl'schen Grenzschichttheorie von vielen Autoren entwickelt. Grundsätzlich ist es möglich, die Stabilität einer Grenzschicht numerisch zu analysieren. Dennoch sind alle praktischen und schnellen Methoden mehr oder weniger auf empirische Beziehungen angewiesen, die meist aus Experimenten abgeleitet sind. Die lokalen Parameter an einem Punkt p auf der Kontur des Profils sind das

[...]


[1] Siekmann, H.E., Thamsen, P. U. (2008) Strömungslehre Grundlagen, Springer Verlag Berlin Heidelberg. Lecheier, ร. (2014)Numerische Strömungsberechnung Springer Verlag Berlin Heidelberg. Schade, H. (2013) Strömungslehre. De Gruyter Verlag. Oertel jr., H., Bohle, M., Reviol, Th. (2011) Strömungsmechanik, Grundlagen. Springer Verlag Berlin Heidelberg.

[2] Der Nabla Operator [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] angewandt auf ein Skalarfeld f: gradi [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Der Nabla Operator V angewandt auf ein Vektorfeld V: divV = [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

[3] Die EULER-Gleichung für eine eindimensionale Strömung u(s) lautet: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

[4] Das frei verfügbare Programm JavaFoil ist in der Programmiersprache Java geschrieben. The potential flow analysis ¡ร done with a higher order panel method (linear varying vortlclty distribution). Taking a set of airfoil coordinates, it calculates the local, inviscid flow velocity along the surface of the airfoil for any desired angle of attack, http://www.mh- aerotools.de/airfoils/iavafoil.htm The Eppler program PROFILfrom Public Domain Computer Programs for the Aeronautical Engineer containing the original source code, the source code converted to modern Fortran, and several test cases, references for the Eppler program and a revision of Eppler models that includes a correction for compressibility in: http://www.pdas.com/epplerdownload.html XFOIL wurde in den 1980er Jahren von Mark Drela als Entwicklungstool im Daedalus-Projekt beim Massachusetts Institute of Technology programmiert. XFOIL ist ein interaktives Programm zum Entwurf und zur Berechnung von Tragflächenprofilen im Unterschallbereich.

5 Siehe auch: Richard Eppler: Airfoil Design and Data. Springer, Berlin, New York 1990.

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Details

Titel
Handout zur potentialtheoretischen Untersuchung einer standardisierten Laborfinne
Untertitel
Beitrag zu Strömungswirklichkeit von Surfboardfinnen
Veranstaltung
Bionik
Autor
Jahr
2017
Seiten
16
Katalognummer
V366744
ISBN (eBook)
9783668442825
ISBN (Buch)
9783668442832
Dateigröße
986 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
handout, untersuchung, laborfinne, beitrag, strömungswirklichkeit, surfboardfinnen
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. Michael Dienst (Autor:in), 2017, Handout zur potentialtheoretischen Untersuchung einer standardisierten Laborfinne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366744

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