Karrierefrauen mit Migrationshintergrund. Kriterien und Barrieren für den beruflichen Erfolg von Migrantinnen


Bachelorarbeit, 2016

87 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Aktuelle Relevanz und Einführung des Themas
1.2 Forschungsfrage und Methodik
1.3 Motivation und Aufbau der Arbeit

2 Migration in Deutschland
2.1 Von den Gastarbeitern zu den Bleibenden
2.2 (Spät-)Aussiedler
2.3 Asylsuchende
2.4 Menschen mit Migrationshintergrund

3 Integration
3.1 Definition des Begriffs ,,Integration“ aus soziologischer Sicht
3.2 Öffentliches und politisches Begriffsverständnis von ,,Integration“
3.3 Meinungstendenzen der Migranten zur ,,Integration“
3.4 Rechtlicher Rahmen zur ,,Integration“

4 Diskriminierung
4.1 Definition des Begriffs ,,Diskriminierung“
4.2 Rechtliche Regelungen zu Diskriminierung
4.3 ,,Die enthemmte Mitte“ – Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland
4.4 Diskriminierung von Frauen im Berufsleben

5 Bildungssituation von jungen Migranten in Deutschland
5.1 ,,Pisa Schock“ – die zweite Zuwandergeneration im Fokus
5.2 Bildungsbeteiligung und Bildungserfolge – junge Frauen mit und ohne Migrationshintergrund auf der Überholspur
5.3 Berufsausbildungswirklichkeiten von Migrantinnen
5.4 Bildungsaufsteiger – Studierende mit Migrationshintergrund

6 Arbeitssituation von Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland
6.1 Lage auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland
6.2 Armutsgefährdung und Einkommensverhältnisse von Migranten
6.3 Migranten im öffentlichen Dienst
6.4 Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Migrationshintergrund auf dem deutschen Arbeitsmarkt
6.5 Frauen nach Wirtschaftsbereichen und ihrer Stellung im Beruf
6.6 Frauen in Führungspositionen – weiterhin eine Rarität
6.7 Mehrwert von Frauen und Vielfalt in Unternehmen
6.8 Erfolgsfaktoren und Barrieren für Migrantinnenkarrieren
6.9 Maßnahmen zur Unterstützung von Migrantinnenkarrieren

7 Fazit

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang
9.1 Anhang A: Erläuterungen zur Umfrage
9.2 Anhang B: Ergebnisse und Auswertung des Fragebogens der Experten
9.3 Anhang C: Ergebnisse und Auswertung des Fragebogens der Migrantinnen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Zuwanderung von Ausländern ab 1950, Quelle: eigene Abb. nach: Statistisches Bundesamt (2016i)

Abb. 2: Zuwanderung von (Spät-)Aussiedlern, Quelle: eigene Abb. nach: Worbs, S. et al (2013), S. 28

Abb. 3: Asylanträge in Deutschland von 1991 bis 2015, Quelle: BAMF (2016b), S.8

Abb. 4: Frauen ohne Migrationshintergrund in der Altersgruppe von 25-65 Jahre nach Wirtschaftsbereichen, Quelle: eigene Abb. nach: Statistisches Bundesamt (2015a), S. 483f.

Abb. 5: Frauen mit Migrationshintergrund in der Altersgruppe von 25-65 Jahre nach Wirtschaftsbereichen, Quelle: eigene Abb. nach: Statistisches Bundesamt (2015a), S 486f.

Abb.6: Frauen in der Altersgruppe 25-65 Jahre mit Migrationshintergrund nach Stellung im Beruf, Quelle: eigene Abb. nach: Statistisches Bundesamt (2015a), S. 486

Abb. 7: Frauen in der Altersgruppe 25-65 Jahre ohne Migrationshintergrund nach Stellung im Beruf, Quelle: eigene Abb. nach: Statistisches Bundesamt (2015a), S. 483

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Niveau der Schulabschlüsse von deutschen und ausländischen Schulabsolventen an allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2012, Quelle: Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge (2014), S.63

Tab. 2: Die beliebtesten Ausbildungsberufe von Auszubildenden im Jahr 2014, Quelle: eigene Darstellung nach: Statistisches Bundesamt (2016e), S. 32 u. 34

Tab. 3: weibliche Führungskräfte in der Privatwirtschaft nach Nationalität und Migrationshintergrund, Quelle. leicht modifiziert nach: Holst et al (2015), S. 42

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Aktuelle Relevanz und Einführung des Themas

In Deutschland leben derzeit 81 Millionen Menschen – Tendenz steigend.[1] Das Statistische Bundesamt hat bis 2005 lediglich zwischen deutschem Staatsbürger sowie Ausländer differenziert. Diese Unterscheidung kann der sozialen Realität in Deutschland aber nicht entsprechen.[2] Denn nach dem Inkrafttreten der Reformierung des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahre 2000, indem es u.a. Kindern nicht deutscher Abstammung unter bestimmten Bedingungen möglich ist, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, haben immer mehr Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.[3] Derzeit haben über 16 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund in Deutschland. Der überwiegende Teil dieser Menschen hat die deutsche Staatsbürgerschaft.[4] Von den rund 8 Millionen Frauen mit Migrationshintergrund, verfügen über 3 Millionen über einen Berufsabschluss, mehr als 900.000 von ihnen sind Akademikerinnen und 41.000 Migrantinnen haben einen Doktortitel. In Anbetracht des bevorstehenden Fachkräftemangels in der Bundesrepublik Deutschland stellen sie ein riesiges Potenzial für die hiesige Wirtschaft dar, welches bisher nicht ausreichend genutzt und gefördert wurde.[5] Die Unternehmen werden aufgrund des demografischen Wandels und einer damit einhergehenden alternden Belegschaft vor neuen Herausforderungen stehen. Von daher sollte es im Interesse aller Mitwirkenden sein, das große Potenzial an Begabungen und Leistungen der Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere die der Frauen, zielführend zu fördern und die daraus resultierenden Chancen zu nutzen. Gerade im Hinblick auf die wissensbasierte und exportorientierte Volkswirtschaft in Deutschland, kann es sich die Wirtschaft nicht leisten auf das Potenzial von Migrantinnen und Migranten zu verzichten.[6] Da Menschen mit Migrationshintergrund im Bundesschnitt jünger sind als jene ohne, werden sie künftig einen größeren Anteil an der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland darstellen.[7] Die aktuelle Relevanz des Themas ist allerdings nicht nur auf arbeitsmarktpolitische Auswirkungen zurückzuführen, sondern auch auf eine augenscheinliche Schlechterstellung von Frauen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt. Dies ist insofern erstaunlich, da es in Deutschland eine Vielzahl an gesetzlichen Regelungen gibt, die Diskriminierung verbietet.

1.2 Forschungsfrage und Methodik

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland. Die Arbeit soll Aufschluss darüber geben von welchen Aspekten eine erfolgreiche Integration von Frauen mit Migrationshintergrund in die deutsche Zivilgesellschaft abhängig ist. Dahinter stehen die Hypothesen, dass Frauen mit Migrationshintergrund von mehrfacher Diskriminierung im Berufsleben betroffen sind und das betriebliche Vereinbarungen die Integration von Frauen mit Migrationshintergrund in Unternehmen fördern könnten. Im Vorfeld der Arbeit wurde eine intensive Literaturrecherche betrieben. Es ist hierbei anzumerken, dass der Forschungsstand über erfolgreiche Migrantinnen in Deutschland einerseits noch recht gering ist und andererseits vorhandenes Datenmaterial teilweise obsolet. Von daher musste in dieser Arbeit, neben das Heranziehen von Buchliteratur auch vermehrt auf Online-Publikationen, Studien und den Internetseiten des Bundes zurückgegriffen werden, um aktuelle und aussagekräftige Informationen zu erhalten. Darüber hinaus wurde für die Bachelorarbeit eine Befragung durchgeführt. Hierbei wurden jeweils fünf Migrantinnen und sechs Experten befragt. Weitere Informationen über den Fragebogen, sowie zur Auswertung befinden sich im Anhang dieser Arbeit. Die Ergebnisse der Befragung werden punktuell an einigen Stellen dieser Arbeit wiedergegeben. Sie haben eine unterstützende Funktion und werden mit bereits vorhanden Studienergebnissen verglichen.

1.3 Motivation und Aufbau der Arbeit

Die mediale Berichterstattung von Migranten ist überwiegend negativ behaftet. Oft wird mit dem Begriff des Migranten eine Person assoziiert, die ungebildet ist, über mangelnde Deutschkenntnisse verfügt und auch später im Berufsleben kaum nennenswerte Erfolge für sich verbuchen kann. Gerade Frauen, insbesondere jene aus muslimisch geprägten Kulturen müssen, so scheint es, sich dem patriarchalischen Weltbild ihrer Kultur unterordnen. Es dominiert das Bild der unterdrückten und nicht selbstbestimmten Migrantin. Ziel dieser Arbeit ist es zu zeigen, dass es durchaus erfolgreiche Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland gibt. Frauen, die es geschafft haben, privat wie beruflich in Deutschland ,,anzukommen“. Und dies ganz unabhängig davon, ob sie hier geboren sind oder zugewandert. Die Motivation zu diesem Thema ist mein eigener Migrationshintergrund. Die allgemein negative Wahrnehmung von Migranten, eigene Erfahrungen mit Diskriminierung in der Schule und im Alltag, aber auch das Kennenlernen von Supportern, die einem auf den eigenen Weg unterstützen, veranlassen mich diese Arbeit zu schreiben.

In Kapitel 2 wird zunächst die Migrationsentwicklung in Deutschland ab den 1950er Jahren dargestellt. Dabei wird auf die Gastarbeiteranwerbung in den 1955er Jahren eingegangen, gefolgt von (Spät-)Aussiedlern, die einen beträchtlichen Anteil in der Gesamtbevölkerung darstellen, Asylsuchenden und schließlich wird auf die Menschen mit Migrationshintergrund eingegangen. Daran anschließend folgt eine Einführung zu dem Thema Integration. Hierbei wird der Begriff ,,Integration“ sowohl aus soziologischer Sicht, als auch aus der öffentlichen und politischen Sicht definiert. Des Weiteren werden Meinungstendenzen von Migranten zu diesem Thema aufgeführt und das neue Bundesgesetz zur Integration vorgestellt. Kapitel 4 behandelt das Thema Diskriminierung. Nach einer definitorischen Abgrenzung des Begriffs ,,Diskriminierung“ und einer Vorstellung der wichtigsten gesetzlichen Regelungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht dazu, wird kurz auf Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland eingegangen. Abgeschlossen wird das Kapitel, indem die Diskriminierung von Frauen im Berufsleben thematisiert wird. Kapitel 5 erläutert die Bildungssituation von jungen Migranten in Deutschland. Zunächst wird auf die schlechten Ergebnisse der Pisa-Studie 2000 eingegangen und anschließend werden die Bildungsbeteiligung und die Bildungserfolge, insbesondere der jungen Migrantinnen dargestellt. Im Anschluss daran wird auf die Berufsausbildung von Migrantinnen eingegangen. Angesichts der häufig schlechten sozioökonomischen Lage von Migranten stellen junge Menschen mit Migrationshintergrund, die die Hochschule besuchen, die klassischen Bildungsaufsteiger des deutschen Bildungswesens dar. Von daher wird in Kapitel 5 auf die Situation von Studierenden mit Migrationshintergrund eingegangen. Kapitel 6 stellt das Kernstück dieser Arbeit dar. Es enthält umfassende Information zu der Arbeitssituation von Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Dabei wird zunächst der Arbeitsmarkt in Deutschland allgemein vorgestellt und auf die Armutsgefährdung und die Einkommensverhältnisse von Migranten eingegangen. Im Anschluss daran wird die Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Migrationshintergrund veranschaulicht, sowie ihr Anteil nach Wirtschaftsbereichen und ihrer Stellung im Beruf abgebildet. Frauen in Führungspositionen und der Mehrwert von Frauen und Vielfalt in Unternehmen finden ebenfalls ihre Beachtung in diesem Kapitel. Abgerundet wird das Kapitel, indem die Kriterien und die Barrieren von Migrantinnenkarrieren vorgestellt und Maßnahmen zur Unterstützung von Migrantinnenkarrieren präsentiert werden. Dabei wird sowohl auf vorhandene Studienergebnisse zurückgegriffen als auch auf die Ergebnisse der Befragung im Rahmen dieser Arbeit. Zum Schluss wird in Kapitel 7 ein Fazit aus den vorangegangen Kapiteln gezogen.

2 Migration in Deutschland

Migration hat in Deutschland eine lange Tradition, auch wenn dies seitens der Politik lange negiert worden ist. ,,Deutschland ist kein Einwanderungsland“, das sagte schon Helmut Kohl zur 12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages.[8] Diese Doktrin dominierte die Ausländerpolitik im Rahmen der Anwerbung von Gastarbeitern in den 1950er Jahren und sollte sich rund 40 Jahre halten.[9] Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge definiert Migration wie folgt: ,,Von Migration spricht man, wenn eine Person ihren Lebensmittelpunkt räumlich verlegt, von internationaler Migration spricht man dann, wenn dies über Staatsgrenzen hinweg geschieht".[10] Die Zuwanderung nach Deutschland durchlief seit den 1950er-Jahren mehrere Phasen. Um die aktuelle Situation von Zuwanderern und deren Nachkommen in Deutschland zu verstehen, wird dieses Kapitel einen kurzen Überblick zur Entwicklung der Migration in Deutschland ab den 1950er Jahren geben.

2.1 Von den Gastarbeitern zu den Bleibenden

Die Zuwanderungsmotive der Migranten veränderten sich im Laufe der Zeit. So wurden nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und dem damit einhergehenden Wirtschaftsaufschwung, der auch als Wirtschaftswunder in die Geschichtsbücher einging, dringend Arbeitskräfte gesucht. Anfangs wurde die gesteigerte Nachfrage nach Arbeitskräften mit Arbeitern aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bedient. Jedoch zeigten sich bereits zu dieser Zeit Engpässe an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt an, sodass 1955 das erste Anwerbeabkommen mit Italien geschlossen wurde. Mit dem Beginn der Errichtung der Mauer versiebte die Arbeiterquelle aus der DDR vollständig und die Bundesregierung musste anderweitig nach Möglichkeiten suchen, um die gesteigerte Nachfrage zu bewältigen.[11] Infolgedessen wurden weitere Anwerbeverträge mit Spanien, Griechenland, der Türkei, Portugal und 1968 mit dem damaligen Jugoslawien geschlossen.[12] Zielgruppe dieser Abkommen waren vorwiegend junge, vitale Männer, die meist als ungelernte Arbeitskräfte in der Industrie arbeiteten. Für sie schien die Arbeit in Deutschland finanziell lukrativ.[13] Diese Bevölkerungsgruppe wurden Gastarbeiter genannt, weil ihre Tätigkeit in Deutschland nur von vorübergehender Dauer sein sollte und ihr Einsatz nach dem ,,Rotationsprinzip“ erfolgte. Dies bedeutete, dass es sich bei den erteilten Aufenthaltserlaubnissen um befristete Aufenthaltstitel handelte, nach deren Ablauf an ihrer Stelle eine neue Arbeitskraft aus dem Anwerbeverfahren rotierte.[14] Die Wirtschaft bemängelte allerdings schnell das Rotationsprinzip, da dies aus betriebswirtschaftlicher Sicht unwirtschaftlich war. Denn nachdem die Arbeiter geschult wurden und einsatzfähig waren, wurden sie aufgrund des erloschenen Aufenthaltstitels zurück in ihre Heimat geschickt. An ihrer Stelle folgten nun neue Arbeiter, die wiederrum geschult werden, mussten um einsatzfähig zu sein. Aus diesem Grund bekamen 1971 die Migranten und damit auch die Unternehmen die Möglichkeit einer Aufenthaltsverlängerung, die die Bundesregierung Arbeitsmigranten unter bestimmten Voraussetzungen zusprach.[15]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Zuwanderung von Ausländern ab 1950, Quelle: eigene Abb. nach: Statistisches Bundesamt (2016i)

Im Zeitraum von 1955 bis zum Anwerbestopp 1973, die der Ölkrise geschuldet war, kamen ca. 14 Millionen Menschen nach Deutschland. Davon verließen 11 Millionen Menschen Deutschland in diesem Zeitraum wieder. Insgesamt waren so bis zum Anwerbestopp knapp 3 Millionen Ausländer in Deutschland beschäftigt. Sowohl die Bundesregierung als auch ein Großteil der Arbeitsmigranten selbst gingen anfangs davon aus, dass Ihr Besuch nicht von Dauer sein würde und sie in absehbarer Zeit in ihre Heimatländer zurückkehren würden.[16] Aufgrund der wirtschaftlichen Rezession kam es 1967 zu einem Abbruch der Zuwanderung. Daraufhin stieg die Anzahl der Zuwanderungen bis zum Anwerbestopp, der im Zuge des Ölpreisschocks im Jahr 1973 durch die Bundesregierung erlassen wurde, um die staatlich organisierte Migration zu stoppen. Zwar bewirkte der Anwerbestopp die Zuwanderung von Arbeitern, jedoch holten nun die bereits in Deutschland lebenden Gastarbeiter ihre Familien nach Deutschland, da dies für einige Jahre die einzig erlaubte Form von Zuwanderung darstellte. Bei vielen von ihnen zeichneten sich nun dauerhafte Bleibeabsichten ab.[17]

Knapp 20 Jahre nach dem ersten Anwerbeabkommen mit Italien rückte die Frage der Integration erstmals stärker in den Mittelpunkt. Das Ende 1979 vorgelegte Memorandum des ersten Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Heinz Kuhn, fordert die Anerkennung der Einwanderungssituation durch die Bundesregierung in Form von Integrationspolitik.[18] Die Bundesregierung war jedoch mehr um die Rückkehrabsichten der Gastarbeiter in ihre Heimatländer bemüht. So kam es 1983 zum Gesetz zur befristeten Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern, das mit finanziellen Anreizen versuchte, die Rückkehrabsichten der Gastarbeiter zu verstärken.[19] Allerdings folgten nur wenige Gastarbeiter dem Aufruf zur Rückkehr, sodass das Gesetz ein Jahr später wieder verabschiedet wurde.[20] Die Gastarbeiter wurden zu Bleibenden. Ein Faktum, dass die Bundesregierung lange negiert hatte, aber um es mit Max Frisches Worten zu sagen: ,,Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen.“[21]

2.2 (Spät-)Aussiedler

Die Gruppe der (Spät-)Aussiedler stellt eine weitere wichtige Größe der Migrationsentwicklung in Deutschland dar. Bei ihnen handelt es sich um deutsche Volksangehörige, die im Zuge des zweiten Weltkrieges erhebliche Benachteiligung in Ost- und Südosteuropa sowie in der Sowjetunion erfahren haben.[22] Gemäß des Bundesverwaltungsamtes ist ein Aussiedler eine Person, ,,die als deutscher Staatsangehöriger oder Volkszugehöriger nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen ihr Herkunftsgebiet verlassen und im Bundesgebiet ihren ständigen Aufenthalt genommen hat.“[23] Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 1993, wird die Bezeichnung Aussiedler durch die Bezeichnung Spätaussiedler ersetzt.[24] Zudem sind Personen, die nach dem 31. Dezember 1992 geboren sind keine Spätaussiedler, sodass in abschätzbarer Zeit diese Form der Zuwanderung zu Ende kommen wird.[25] Durch die Anerkennung als Spätaussiedler, welche durch das Bundesverwaltungsamt nach Prüfung bescheinigt wird, erhalten die Zugewanderten automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit.[26] Wesentlich für die Anerkennung der Spätaussiedlereigenschaft ist das erlittene Kriegsfolgenschicksal. Diese wird den Antragstellern aus der ehemaligen Sowjetunion per Gesetz unterstellt. Antragstellern aus den übrigen Aussiedlungsgebieten außerhalb der ehemaligen Sowjetunion müssen glaubhaft darlegen, dass sie am 31.Dezember 1992 oder danach aufgrund der deutschen Volkszugehörigkeit diskminiert wurden.[27] Darüber hinaus prüft das Bundesverwaltungsamt seit 1997, ob der Antragssteller über genügend Deutschkenntnisse verfügt, um ein einfaches Alltagsgespräch führen zu können. Werden Ehegatten und Abkömmlinge in den Aufnahmebescheid mit einbezogen, so müssen sie ihre Deutschkenntnisse in einem Sprachstandstest, bestehend aus einem schriftlichen und mündlichen Teil, unter Beweis stellen.[28]

Seit 1950 sind ca. 4,5 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen.[29] Ein Großteil von ihnen ist nach dem Ende des kalten Krieges 1990 nach Deutschland gekommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Zuwanderung von (Spät-)Aussiedlern, Quelle: eigene Abb. nach: Worbs, S. et al (2013), S. 28

Zuvor kam der überwiegende Anteil von Zuwanderern aus Polen. Der (Spät-) Aussiedlerzuzug von 1990-2000 war hingegen von Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion geprägt.[30] Die Zuwanderung von Aussiedlern ist seit Jahren rückläufig. Dies ist zum einen auf die gesetzlich bestimmten Aussiedlerkriterien und zum anderen auf Regulierungsmaßnahmen zur Begrenzung des Aussiedlerzuzugs durch die Regierung zurückzuführen.[31] Denn in den 1990er Jahren war ein derart sprunghafter Anstieg von (Spät-)Aussiedlern zu verzeichnen, dass der Zuzug von Spätaussiedlern seit dem Jahr 2000 auf 100.000 begrenzt wurde.[32] Im Jahr 2014 kamen nur noch 4215 Spätaussiedler nach Deutschland.[33]

2.3 Asylsuchende

,,Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“[34] Das Grundrecht auf Asyl ist seit 1949 fest im Grundgesetz verankert und hat neben der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 als Grundrecht Verfassungsrang.[35] Laut Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Flüchtling eine Person, die ,,[…] aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will […] ." [36] Die Gründungsväter der Bundesrepublik haben aufgrund der toleranten Aufnahme deutscher Flüchtlinge im Ausland, anlässlich des zweiten Weltkrieges, den Rechtsanspruch auf Asyl bewusst weitgefasst.[37]

Der Zuzug von Asylbewerbern spielte bis Mitte der 70er Jahre eine eher untergeordnete Rolle in Deutschland. Der überwiegende Anteil von Asylbewerbern stammte zunächst aus den Ostblockländern.[38] Dies änderte sich im Anschluss dieses Zeitraums durch politische Umschwünge wie z.B. der Militärputsch in der Türkei, die Festsetzung des Kriegsrechts in Polen und später durch den Fall des Eisernen Vorhangs und den Zerfall Jugoslawiens in 1991.[39] Nach dem vormalig historischen Höchststand von über 400.000 Asylanträgen im Jahr 1992 und stärker werdenden politischen Konflikten mit einhergehenden fremdenfeindlichen Straftaten wurde das bisherige Asylrecht im Grundgesetz durch Artikel 16a ersetzt. Dies schränkte den Zugang zum politischen Asyl in Deutschland ein.[40] Infolgedessen sank die Zahl der Asylbewerber kontinuierlich und fand 2007 ihren Tiefpunkt mit rund 19.000 Asylanträgen.[41] Aktuell hat sich die Lage grundlegend verändert. Gemäß des Global Trends-Jahresberichts 2014 der UNHCR, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, waren Ende 2014 fast 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Das ist ein neuer Rekordwert, der insbesondere auf die Kriege im Nahen Osten und Afrika zurückzuführen ist.[42] Im Normalfall regelt in Europa das Dublin-Verfahren, dass Asylbewerber in dem Land registriert werden indem sie die EU betreten haben. Dieses Land ist dann auch für die Durchführung des Asylverfahrens verantwortlich.[43],,Es sei jedoch nicht zu übersehen, dass derzeit in einigen Ländern Aspekte von Dublin III nicht beachtet würden,“ so der Regierungssprecher der deutschen Bundesregierung Steffen Seibert.[44] Um eine unmittelbare Notlage abzuwenden, ließ die Bundeskanzlerin Angela Merkel am 04.09.2015 die Grenze zu Ungarn öffnen. Wodurch tausende Flüchtlinge nach Deutschland einreisen konnten.[45]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Asylanträge in Deutschland von 1991 bis 2015, Quelle: BAMF (2016b), S.8

Im Jahr 2015 wurden insgesamt 476.649 Asylanträge in Deutschland gestellt. Dabei ist die tatsächliche Anzahl von Asylsuchenden in Deutschland wesentlicher höher. Das EASY-System, eine IT-Anwendung zur Erstverteilung von Asylsuchenden, registrierte etwa 1,1 Millionen Asylsuchende. Die hohe Unstimmigkeit in Bezug auf diese Zahlen liegt sowohl in der zeitlich verzögerten Antragsstellung als auch an der Weiterreise der Flüchtlinge in andere EU-Staaten. Thomas de Maizière kommentierte diese Flüchtlingsentwicklung als größte Herausforderung seit der unmittelbaren Nachkriegszeit.[46]

2.4 Menschen mit Migrationshintergrund

In Deutschland hat jeder fünfte Mensch einen Migrationshintergrund. Hierzu zählen ,,alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil.“[47] Es wird demnach nicht nur den Menschen, die selbst aktiv eingewandert sind ein Migrationshintergrund zugesprochen, sondern auch ihre Nachkommen werden mit einbezogen. Diese Differenzierung wird seit 2005 durch den Mikrozensus, einer amtlich statistischen und repräsentativen Erhebung aller Haushalte in Deutschland über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt vorgenommen, um die soziale Realität in Deutschland besser abbilden zu können.[48] Denn von den etwa 16,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, haben immerhin 8,9 Millionen Menschen, also mehr als die Hälfte, die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine Differenzierung lediglich zwischen Deutschem und Ausländer käme dem tatsächlichen vielfältigen Bild von Deutschland nicht gerecht.[49] Zudem wächst die Zahl der in Deutschland geborenen Menschen ohne eigene Migrationserfahrung, aber mit Migrationshintergrund seit der Erhebung 2005 stetig.

In Deutschland sind gegenwärtig 190 verschiedene Staatsangehörigkeiten anerkannter Staaten vertreten. Dabei kommen mit 70,6% die meisten Zuwanderer aus einem europäischen Land sowie rund ein Drittel aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Insbesondere die europäische Niederlassungsfreiheit und die Euro-Krise in den südeuropäischen Mitgliedsländern der EU beeinflussten den Zuzug.[50]

Die größte Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund bilden Menschen türkischer Abstammung (17,4%), gefolgt von Menschen polnischer Abstammung (9,9%) sowie Menschen aus der Russischen Föderation (7,3%) und Italien (4,7%). Ein eklatanter Unterschied von Menschen ohne und mit Migrationshintergrund macht sich im Alter erkennbar. So sind Menschen mit Migrationshintergrund im Bundesschnitt knapp zehn Jahre jünger als Menschen ohne Migrationshintergrund. Der größte Unterschied macht sich allerdings in der Niederlassung bemerkbar. So leben 96,4% der Menschen mit Migrationshintergrund in den alten Bundesländern und Berlin.[51] Dabei haben Menschen, die aus der Zeit des Anwerbeabkommens nach Deutschland gekommen sind, mit über 20 Jahren die längste Aufenthaltsdauer. Je länger die Aufenthaltsdauer der Menschen mit Migrationshintergrund ist, desto eher steigt die Wahrscheinlichkeit einer Einbürgerung.[52] Dies ist dahingehend bedeutend, da erst mit der Einbürgerung volle politische und gesellschaftliche Teilhabe in Deutschland möglich ist. Die Reformierung des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahre 2000, durch das die Aufenthaltsdauer für die Beantragung der Einbürgerung von 15 Jahren auf 8 Jahre fast halbiert wurde, sowie das Abstammungsprinzip um das Geburtsprinzip erweitert wurde, waren ein wichtiger Schritt Richtung vollständiger politischer und gesellschaftlicher Teilhabe für Migranten. Sie haben nun eine politische Stimme und können von Parteien und sonstigen politischen Institutionen nicht einfach ignoriert werden.[53] Migration gehört zu Deutschland. Sie hat und wird das Gesicht der deutschen Zivilgesellschaft tiefgreifend verändern.[54]

3 Integration

3.1 Definition des Begriffs ,,Integration“ aus soziologischer Sicht

Wer sich in der Öffentlichkeit zu Integration äußert und nicht unangenehm auffallen will, ist für Integration. Ob es nun politische Parteien sind, die Mehrheitsgesellschaft oder eben die Migranten selbst. Doch was ist Integration? Eine allgemeine wissenschaftliche Definition von Integration beschreibt den Zusammenhalt von Elementen in einem systemischen Ganzen, unabhängig davon, worauf der Zusammenhalt fußt. Dabei sind die Elemente ein unabdingbarer Bestandteil des Ganzen. Ihr Zusammenhalt wiederrum zäunt das System von einer bestimmten Umgebung ab und wird in dieser Umgebung als System erkennbar. Das Gegenteil von Integration ist Segmentation. Hierbei stehen die Elemente in keiner Beziehung zueinander und bilden somit auch kein erkennbares System in einer Umgebung. Das Verhalten und die Beschaffenheit der Elemente wirken sich bei der Integration auf das ganze System aus. Bei der Segmentation sind die Elemente unabhängig voneinander und jeweils für sich alleine. Hierbei wird deutlich, dass immer von zwei Größen gesprochen wird. Zum einen nämlich von dem System als Ganzes und zum anderen von den Elementen, die es hervorbringen. Damit wird einerseits zwischen der Systemintegration, also der Integration des Systems einer Gemeinschaft als Ganzes und andererseits zwischen der Sozialintegration unterschieden. Diese meint die Integration der Mitwirkenden in das System. Wenn von Integration in Bezug auf Migranten gesprochen wird, ist damit meist die Sozialintegration gemeint. Also die Einbindung der Migranten in das gesellschaftliche und politische Leben.[55] Doch liefert diese Definition keinen Aufschluss darüber, inwieweit Migranten einzubinden sind und inwiefern sie sich mit dem Aufnahmeland identifizieren müssen. Im Prinzip ergeben sich Integrationsprobleme nämlich aus Wertekonflikten. Je größer die Kluft zwischen Kulturen ist, die aufeinanderprallen, desto eher besteht die Möglichkeit eines Wertekonflikts.[56] Sozialer Gemeinsinn kann daher nur über ein Minimum an Einigkeit der Gesellschaftsmitglieder über konform geteilte und gelebte soziale Werte und Normen stattfinden.[57] Wo aber für eine Gesellschaft ein Integrationsminimum liegt, lässt sich nicht beantworten. Denn erst, wenn sich empirisch abzeichnen lässt wo ein Integrationsminimum liegt, ist dies für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bereits zu spät.[58]

3.2 Öffentliches und politisches Begriffsverständnis von ,,Integration“

Verlässt man den Fachbereich Soziologie und betrachtet die öffentlichen und politischen Debatten über Integration, so kommentierte Marieluise Beck, die damalige Integrationsbeauftragte der rot-grünen Bundesregierung, die Situation zur Integration sehr pointiert: ,,Unter Integration versteht jeder etwas anderes.“[59] Das war im Jahr 2004 und hat an Aktualität nichts verloren. Die wissenschaftlichen Diskurse über die Integration von Migranten werden von Anfang an von öffentlichen Debatten begleitet. Mit Thilo Sarrazins 2010 erschienen antimuslimischem Werk ,,Deutschland schafft sich ab“, in der ganze Herkunftsgruppen denunziert werden, goss der Autor reichlich Öl ins Feuer. Die Sensationspresse überbot sich mit polemischen Meldungen über „Integrationsverweigerer“ und ,,Parallelgesellschaften“.[60] Die Berichte der Beauftragten der Bundesregierung für Integration definierte den Begriff der Integration bisher nicht. Einzig der im Jahr 2007 vorgestellte Nationale Integrationsplan definiert Integration wie folgt: ,,Integration bedeutet die Einbindung in das gesellschaftliche, wirtschaftliche, geistig-kulturelle und rechtliche Gefüge des Aufnahmelandes ohne Aufgabe der eigenen kulturellen Identität.“[61] Hierbei wird aber ebenfalls nicht konkret darauf eingegangen, was ohne Aufgabe der eigenen kulturellen Identität genau bedeutet. Diese definitorische Unschärfe lässt darauf schließen, dass ,,[..] Integration alles und jedes heißen kann […].“[62]

3.3 Meinungstendenzen der Migranten zur ,,Integration“

In einer ALLBUS-Umfrage aus dem Jahre 2010, stimmen über 70% der Aussage zu: ,,Die in Deutschland lebenden Ausländer sollten ihren Lebensstil ein bisschen besser an den der Deutschen anpassen.“[63] Doch wie sehen die Menschen mit Migrationshintergrund ihr Leben in Deutschland? Eine Vergleichsstudie von TNS Infratest Politikforschung, die im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung erstellt wurde, versucht Aufschluss über Meinungen und Anschauungen, der in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund zu geben. Zum Thema Integrationsbereitschaft herrscht eine breite Zustimmung der Migranten. 93% der Befragten teilen die Meinung, dass die Zugewanderten sich an den hiesigen Regeln und Werte anpassen sollten. Hierbei sind auch Deutschkenntnisse maßgeblich für eine funktionierende Integration bei den Migranten unumstritten.[64] Gleicher Meinung sind auch die im Rahmen dieser Bachelorarbeit befragten Migrantinnen. Für vier von fünf Migrantinnen ist jemand in Deutschland am ehesten integriert, wenn derjenige die deutsche Sprache beherrscht.[65] Rund drei Viertel der Teilnehmer aus der Vergleichsstudie schätzen zudem die Demokratie in Deutschland und wiederum zwei Drittel der Befragten teilen die Meinung, dass Religion keinen Einfluss auf die Politik haben sollte, wobei das Antwortverhalten mit dem Bildungsniveau der Teilnehmer zusammenhängt. Es wünschen sich insbesondere Migranten mit niedrigem Bildungsniveau mehr religiösen Einfluss auf die Politik. Im Hinblick auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern teilen nahezu alle Beteiligten die Auffassung, dass Frauen beruflich und finanziell unabhängig sein sollten. Allen voran stimmen dieser Aussage insbesondere weibliche Migranten, sowie Migranten mit einem hohen Bildungsniveau zu. Obwohl Migranten, die nicht im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind und damit über viele Möglichkeiten der politischen Teilhabe gar nicht verfügen, ist das Interesse der Migranten an der hiesigen Politik relativ groß. So sprechen sich auch zwei Drittel der Befragten dafür aus, das kommunale Wahlrecht auf Ausländer auszuweiten.[66] Eine ähnliche Tendenz ist ebenfalls bei den befragten Migrantinnen im Zuge dieser Bachelorarbeit festzustellen. Vier von Fünf Frauen sind der Meinung, dass staatsangehörigkeitsneutrale Rechte wie z.B. Wahlrecht für alle in Deutschland lebenden sowie erwerbstätigen Personen erweitert werden sollten. Zudem sprechen sich ebenfalls 80% der befragten Frauen dafür aus erleichterte Einbürgerungen zu schaffen, um volle gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu erhalten.[67] Den Wegfall der Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern stößt auf breite Zustimmung bei den Migranten aus der Vergleichsstudie. Denn die Befreiung von der Optionspflicht entspricht dem Lebensgefühl junger Migranten. Sie fühlen sich neben Deutschland auch zu dem Herkunftsland ihrer Eltern verbunden.[68] Neben diesen positiven Tendenzen im Meinungsbild der Migranten lassen sich aber auch negative Trends aus der Vergleichsstudie abzeichnen. So fühlen sich insbesondere Migranten türkischer Herkunft am seltensten in Deutschland wertgeschätzt. Sie weisen, wie auch in vorherigen, nicht in dieser Arbeit durchgeführten Studien, verhältnismäßig die größten Integrationsprobleme auf. Dies äußert sich u.a. darin, dass sie überwiegend in ihrem Milieu bleiben und häufig keine deutschen Bekanntschaften haben. Sie bekunden zudem eine wesentlich stärkere Verbundenheit zu ihrem Herkunftsland als andere Herkunftsgruppen.[69]

3.4 Rechtlicher Rahmen zur ,,Integration“

Betrachtet man nun die juristische Seite der Integration, dann bildete der rechtliche Rahmen zur Integration bisher das Aufenthaltsgesetz. Doch dieses erwies sich, auch in Anbetracht der aktuellen Situation und einem historischen Hoch an Zuwanderungen, als unzureichend. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gibt es ein Bundesgesetz zur Integration.[70] Grundsatz dieses Gesetzes ist das Fördern und gleichzeitige Fordern von Integration an die Zuwanderer. Es gibt nun Erleichterungen bei der Aufnahme einer Ausbildung und Arbeit. Die Vorrangprüfung bei der Besetzung einer Arbeitsstelle wird zum Beispiel befristet vom regionalen Arbeitsmarkt ausgesetzt. Es gibt zudem erweiterte Integrationskurse mit Wertevermittlung, die Zuwanderer das Einleben in Deutschland erleichtern sollen. Neben den staatlich geförderten Angeboten werden aber auch Eigenbemühungen im Integrationsprozess eingefordert, die im Fall einer Nicht-Mitwirkung sanktioniert werden. Zudem soll das bisher recht langwierige Asylverfahren beschleunigt werden.[71] Wenn von Integrationskursen mit Wertevermittlung die Rede ist, stellt sich die Frage, was sind deutsche Werte? Der Begriff der deutschen Werteordnung ist in aller Munde, wenn man integrationspoltische Diskussionen verfolgt, doch lässt sich keine Definition des Begriffs finden. Gerne wird die Europäische Union auch als Wertegemeinschaft bezeichnet. Einen Blick in die EU-Grundrechtscharta, zu der sich alle Mitgliedsstaaten bekennen müssen, zeigt ganz klar Parallelen zum Deutschen Grundgesetz. Die unantastbare Würde eines jeden Menschen, die freie Entfaltung des Einzelnen, die Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Ausleben von Homosexualität in der Öffentlichkeit. Das alles sind nicht nur europäische Werte, sondern eben auch deutsche Werte, die sich im Grundgesetz wiederfinden. In dieser Hinsicht ist das Grundgesetz nicht nur als reine Regelsammlung anzusehen, sondern als deutsche Werteordnung.[72] Möchte sich ein Ausländer in Deutschland einbürgern lassen, muss er neben den erforderlichen Formalitäten auch folgendes Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes verkünden: ,,Ich erkläre feierlich, dass ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte."[73] Für Düzen Tekkal, die dem Kompetenzteam von Julia Klöckner (CDU Rheinland-Pfalz) beiwohnt und die für die Bereiche Frauen und Integration zuständig ist[74], sind ,,die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes [..] nicht verhandelbar. Wer sich daran hält, hat auch kein Integrationsproblem. Das Grundgesetz ist das beste Integrationsgesetz, das man sich vorstellen kann.“[75]

4 Diskriminierung

,,Die Bitte an die jungen Menschen lautet: Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Haß gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß. Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.“ [76]

4.1 Definition des Begriffs ,,Diskriminierung“

Das Wort Diskriminierung stammt vom lateinischen Verb ,,discriminare“ ab und bedeutet „trennen, absondern, abgrenzen, unterscheiden“[77] Doch wie äußert sich Diskriminierung im Alltag? ,,Es müssen nicht immer größere einschneidende Gewaltvorfälle und Diskriminierungen sein, die sie verletzen; oft sind es auch die kleinen Widrigkeiten des Alltags: ein Naserümpfen, ein abwertender Blick, eine schroffe, infantilisierende Ansprache, die sie verwundbar machen.“ [78] Mit Diskriminierung ist meistens eine Ungleichbehandlung gemeint. Dabei unterscheidet man zum einen zwischen einer legitimen Ungleichbehandlung, die z.B. im Rahmen von Bewerberauswahlverfahren stattfindet, wenn formale Qualifikationen der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle nicht ausreichen. Zum anderen unterscheidet man die illegitime Ungleichbehandlung, die eine Ungleichbehandlung auf Grund von unerlaubten Kriterien meint. Diese sind im gesellschaftlichen Kontext zumeist die Diskriminierung von Menschen in Bezug auf ihrer ethnischen und nationalen Herkunft, Kultur, Sprache und Religion, aber auch aufgrund ihrer Weltanschauung, ihres Geschlechts, Alters und ihrer Behinderung. Heckmann unterteilt Diskriminierung in zwei große Kategorien: die individuelle und die institutionelle Diskriminierung. Die individuelle Diskriminierung erfolgt durch einzelne Personen und kann nicht von jedem sozialen Akteur restlos verhindert werden. Sie kann bewusst oder auch unbewusst aufgrund von Vorurteilen und Stereotypen erfolgen.[79] Institutionelle Diskriminierung meint hingegen die Ungleichbehandlung in Instituten und Organisationen, die aufgrund von dort geltenden Regeln und Prozessen gefördert werden. Zusätzlich wird die strukturelle Diskriminierung unterschieden, die die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen meint, die nicht durch individuelle und institutionelle Diskriminierung erklärbar ist. Heckmann nennt hier als Beispiele u.a. die Diskriminierung einzelner Gruppen auf dem Arbeitsmarkt oder Benachteiligung von Gruppen im Bildungssystem. Diskriminierung erkennbar zu machen ist allerdings schwierig, da sie schwer messbar ist und oftmals von den Betroffenen subjektiv wahrgenommen wird. Dabei spielt Diskriminierung eine wichtige Rolle in Bezug auf die Integration von Menschen in die Mehrheitsgesellschaft. Denn Diskriminierung kann Integration behindern.[80]

[...]


[1] Vgl. Statistisches Bundesamt (2016h).

[2] Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge (2014), S. 21.

[3] Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2016d).

[4] Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge (2014), S. 21.

[5] Vgl. Franken, S. et al (2016) S.16.

[6] Vgl. Farsi, A. (2014), S.23.

[7] Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge (2014), S. 95.

[8] Kohl, H. (1999), S. 5.

[9] Vgl. Farsi, A. (2014), S. 28.

[10] BMI (2007), S.12.

[11] Vgl. Farsi, A. (2014), S. 31 ff.

[12] Vgl. Meier-Braun, K., Weber, R. (2013), S. 17.

[13] Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2016a).

[14] Vgl. Butterwegge, C. (2005), S. 2.

[15] Vgl. Meier-Braun, K., Weber, R. (2013), S. 17.

[16] Vgl. Meier-Braun, K., Weber, R. (2013), S. 17.

[17] Vgl. Butterwegge, C. (2005), S. 2.

[18] Vgl. Bade, K. (2007), S. 34.

[19] Vgl. Stüwe, K., Hermannseder, E. (2016), S.27.

[20] Vgl. Seifert, W. (2000), S. 137.

[21] Frisch, M. (1967), S. 100.

[22] Vgl. Worbs, S. et al (2013), S. 21f.

[23] BVA (2016a).

[24] Vgl. ebenda.

[25] Vgl. §4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG.

[26] Vgl. BAMF (2013).

[27] Vgl. §4 BVFG.

[28] Vgl. BVA (2016b).

[29] Vgl. Worbs, S. et. al (2013), S. 7.

[30] Vgl. Worbs, S. et. al (2013), S.28.

[31] Vgl. Seifert, W. (2012), S. 1.

[32] Vgl. Worbs, S. et. al (2013), S. 29.

[33] Vgl. Statistisches Bundesamt (2016b).

[34] BAMF (2016a).

[35] Vgl. ebenda.

[36] GFK Art. 1 Nr. 2.

[37] Vgl. Farsi, A. (2014), S. 36.

[38] Vgl. BMI (2014), S. 17.

[39] Vgl. Farsi, A. (2014), S. 36.

[40] Vgl. Stüwe, K., Hermannseder, E. (2016), S.28.

[41] Vgl. Statistisches Bundesamt (2016a).

[42] Vgl. UNHCR (2014), S.5.

[43] Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2015).

[44] Seibert, S. (2015).

[45] Vgl. Streiter, G. (2015).

[46] Vgl. BMI (2016a).

[47] Statistisches Bundesamt (2013c), S.6.

[48] Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2014), S.21ff.

[49] Vgl. BMI (2014), S.21.

[50] Vgl. Statistisches Bundesamt (2013a), S. 1.

[51] Vgl. Statistisches Bundesamt (2015a), S.7.

[52] Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2014), S.27.

[53] Vgl. Hunger, U., Candan, M. (2009), S.18.

[54] Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2014), S.27.

[55] Vgl. Esser, H. (2001), S. 1ff.

[56] Vgl. Löffler, B. (2011), S. 6f.

[57] Vgl. Heitmeyer, W. (1997), S. 33, 36

[58] Vgl. Löffler, B. (2011), S. 23.

[59] Beck, M (2004).

[60] Vgl. Sarrazin, T. (2010).

[61] Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2007), S.127.

[62] Löffler, B. (2011), S. 4.

[63] Terwey, M., Baltzer, S. (2011), S. 339.

[64] Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2014a), S.45-64.

[65] Vgl. Anhang C, S. XXVIII.

[66] Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2014a), S.45-64.

[67] Vgl. Anhang C, S. XXVII.

[68] Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2014a), S.45-64.

[69] Vgl. ebenda, S.6.

[70] Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2016b).

[71] Vgl. BMI (2016b).

[72] Vgl. GG Art. 1-19; GRCh.

[73] Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein- Westfalen (o.J.).

[74] Vgl. CDU Landesverband Rheinland-Pfalz (2016).

[75] Tekkal, D. (2016), S. 210.

[76] von Weizsäcker, R. (1985), S. 13f.

[77] Vgl. Schulz, H. et al (1999), S. 666–669.

[78] Uslucan, H. (2011) S. 3.

[79] Vgl. Ganter, S.; Esser, H. (1999), S. 16.

[80] Vgl. Heckmann, F. (2015), S.231ff.

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Karrierefrauen mit Migrationshintergrund. Kriterien und Barrieren für den beruflichen Erfolg von Migrantinnen
Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule
Note
1,8
Autor
Jahr
2016
Seiten
87
Katalognummer
V366445
ISBN (eBook)
9783668461123
ISBN (Buch)
9783960950806
Dateigröße
725 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migration, Integration, erfolgreiche Migrantinnen, Frauen in Führung, Diskriminierung
Arbeit zitieren
Filiz Yilmaz (Autor:in), 2016, Karrierefrauen mit Migrationshintergrund. Kriterien und Barrieren für den beruflichen Erfolg von Migrantinnen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366445

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