Die Sozialbestattung (§ 74 SGB XII). Unter welchen Voraussetzungen das Sozialamt die Kosten der Bestattung übernehmen muss


Ausarbeitung, 2017

14 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

Einleitung

1 Die Bedeutung der Vorschrift

2 Der Antrag nach § 74 SGB XII und der Kostenträger

3 Der Inhalt des Anspruchs auf Kostenübernahme

4 Kein Anspruch falls Kosten anderweit gedeckt sind

5 Die Zumutbarkeit der Kostentragung

6 Die Verweisung des Antragstellers an andere Kostenträger
6.1 Die bürgerlich-rechtliche Pflicht zur Kostentragung
6.2 Die öffentlich-rechtliche Pflicht zur Kostentragung

7 Die gesetzeskonforme Auslegung des Begriffs „zumutbar“

8 Ergebnis

Nachtrag

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Mittellose Hinterbliebene eines Verstorbenen können beim Sozialamt die Übernahme der Bestattungskosten beantragen. Die Voraussetzungen ei-ner vom Sozialamt zu übernehmenden Sozialbestattung sind in § 74 SGB XII wie folgt geregelt:

Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden über- nommen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

1 Die Bedeutung der Vorschrift

§ 74 SGB XII ist eine fürsorgerechtliche Regelung zur einmaligen Hilfe in einer besonderen Lebenslage. Bei der Übernahme von Bestattungskos-ten handelt es sich um eine Mussleistung der Sozialhilfe, auf die beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch be-steht (LSG Darmstadt, L 9 SO 20/08, FamRZ 2008, 1790). Nach der Ent -scheidung des Gesetzgebers sollen die Kosten immer dann von der Gemeinschaft der Steuerzahler durch die Sozialhilfe abgedeckt werden, wenn kein anderer zur Kostentragung verpflichtet ist (OVG Münster, 14 A 451/10, DVBl 2011, 651). Dies ergibt sich aus dem in § 2 SGB XII ent-haltenen, das Fürsorgerecht beherrschenden Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe, nach dem Sozialhilfeleistungen nur dann gewährt werden wenn die Kosten nicht anderweitig gedeckt werden können (Schellhorn-Hohm-Scheider, SGB XII, § 2 RNr. 1; LPK-Armborst, SGB XII, § 2 RNr. 1).

2 Der Antrag nach § 74 SGB XII und der Kostenträger

Der Anspruchsberechtigte nach § 74 SGB XII ist derjenige der ver-pflichtet ist, die Kosten der Bestattung zu tragen (BSG, B 8 SO 20/10, NVwZ-RR 2012, 352 = BSGE 109, 61; BVerwG, 5 C 8.00, NVwZ 2001, 927 = BVerwGE 114, 57); dies kann auch eine juristische Person sein, zum Beispiel der in der Rechtsform einer GmbH betriebene Träger eines Altenheims (LSG München, L 8 SO 146/15, NZS 2015, 800 = FamRZ 2016, 260; SG Giessen, S 18 SO 183/14, ZEV 2017, 237). Eine bloß sittliche Bestattungspflicht ohne Rechtspflicht genügt auch bei großer persönlicher Nähe nicht (BVerwG, 5 C 02.02, NJW 2003, 3146).

Der Antrag auf Übernahme der Kosten nach § 74 SGB XII kann noch nach der Bestattung gestellt werden (BVerwG, 5 C 13.96, NJW 1998, 1329). Eine Antragstellung innerhalb angemessener Frist ist kein unge-schriebenes Tatbestandsmerkmal der Übernahme (LSG Darmstadt, L 6 SO 135/08, ZfSH/SGB 2010, 547). Der Anspruch gegen den Träger der Sozialhilfe gem. § 74 SGB XII ist nicht vererblich und geht mit dem Tod des Hilfebedürftigen unter (SG Darmstadt, 20.11.2013, S 17 SO 42/11); er verjährt gem. § 45 Abs. 1 SGB I in vier Jahren nach Ablauf des Jahres in dem er entstanden ist (SG Detmold, 23.09.2014, S 2 SO 12/12).

Bei einem Sozialhilfeempfänger muss für die Kosten seiner Bestattung der örtliche Träger der Sozialhilfe (= kreisfreie Stadt oder Landkreis) auf-kommen, der bis zu dessen Tod Sozialhilfe gewährt hat. Wenn es sich bei dem Verstorbenen nicht um einen Hilfeempfänger handelt, ist gem. § 98 SGB XII derjenige Träger sachlich zuständig, in dessen Bezirk der Sterbeort liegt. Dies gilt auch dann, wenn sich der Verstorbene dort nur zu Besuch aufgehalten hat (VGH München, 12 B 91.2999, NVwZ 1994, 600) oder wenn seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten ein anderer Träger Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt hat (OVG Münster, 12 A 4097 /99, FEVS 2002, 283). Sozialhilfeleistungen kommen für Deutsche, die sich vorübergehend im Ausland aufhalten, sei es auf einer Urlaubsreise, bei einem Verwandtenbesuch oder wegen einer Kranken(haus)behand- lung grundsätzlich nicht in Betracht (Schellhorn-Hohm-Scheider, SGB XII, § 24, RNr. 6); dies gilt auch für die Bestattungskosten nach § 74 SGB XII (SG Darmstadt, 02.02.2017, S 17 SO 45/15: hier Tod und Bei-setzung in Kabul).

3 Der Inhalt des Anspruchs auf Kostenübernahme

Der Steuerzahler soll sozialhilferechtlich nur für die Kosten einer würdi-gen Bestattung aufkommen (BSG, B 8 SO 20/10, NVwZ-RR 2012, 352 = BSGE 109, 61; BSG, B 8 SO 23/08, NVwZ-RR 2010, 527 = BSGE 104, 219); dh vom Sozialamt sind nur die Kosten für eine ortsübliche, ange-messene Bestattung zu übernehmen (Schellhorn-Hohm-Scheider, SGB XII, § 74, RNr. 15). Was ortsüblich und angemessen ist, bestimmt sich in erster Linie nach der Friedhofsordnung (VGH Mannheim, 6 S 1639/90, NJW 1992, 1406 = NVwZ 1992, 83). Dabei ist gem. § 9 Abs. 2 SGB XII den angemessenen Wünschen des Leistungsberechtigten bzw der Be-stattungspflichtigen zu entsprechen, denn diese Regelung ist eine das GG unmittelbar umsetzende, bei allen Hilfeleistungen zu beachtende Zentralvorschrift des SGB XII (LPK-Roscher, § 9 SGB XII, RNr. 20). Dabei sind auch die religiösen Bindungen der Hilfesuchenden zu beach-ten, weshalb eine Traueransprache durch einen Pfarrer oder Trauerred-ner angemessen sein kann. Die Benutzung der Trauerhalle und die Hin-zuziehung eines Organisten werden nicht (mehr) für erforderlich ange- sehen (VGH Mannheim, 1 S 1471/07, BWVBl 2008, 137; OVG Münster, 19 A 4684/95, NWVBl 1996, 347).

Der Aufwand für eine Sozialbestattung stellt demnach gegenüber einem „bürgerlichen“ Begräbnis nach § 1968 BGB ein Minus dar; dh es besteht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine standesgemäße Be-stattung (VGH Kassel, 10 UE 2497/03, DöV 2004, 803 = FEVS 55, 400). Andererseits sind die zu übernehmenden Kosten nicht auf die Aufwen-dungen einer von der Ordnungsbehörde im Wege der Ersatzvornahme veranlassten Einfachbestattung beschränkt (LSG Darmstadt, L 9 SO 20/ 08, FamRZ 2008, 1790; OVG Münster, 19 A 194/96, NWVBl 1996, 380), vielmehr soll bei einer Sozialbestattung der Eindruck eines Armenbe-gräbnisses vermieden werden (VG Hannover, 3 A 5028/99, NdsRpfl 2000, 318).

Nach § 74 SGB XII sind vom Sozialamt nur die Kosten zu übernehmen, die unmittelbar der Bestattung, der ersten Herrichtung der Grabstätte und der Setzung eines Grabsteins dienen, bzw mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind. Anstelle einer Erdbestattung sind im Rahmen des § 74 SGB XII die Kosten einer Feuerbestattung, ein-schließlich der Aschenurne, zu übernehmen, wenn sich der Verstorbene bzw ein Bestattungsberechtigter für diese Form der Bestattung ausge-sprochen hat (Schellhorn-Hohm-Scheider, SGB XII, § 74, RNr. 16). Bei einer Seebestattung ist die Pflicht zur Kostenübernahme auf die Kosten für eine einfache, würdevolle Erdbestattung begrenzt (VG Oldenburg, 13 A 430/02, ZfF 2003, 274).

4 Kein Anspruch falls Kosten anderweit gedeckt sind

Da es sich bei den Leistungen nach § 74 SGB XII um solche der Sozialhilfe handelt, werden diese gem. § 2 SGB XII nur nachrangig ge-währt; dh nur dann, wenn die Kosten nicht anderweitig gedeckt werden können (BSG, B 8 SO 23/08, NVwZ-RR 2010, 527 = BSGE 104, 219). Deshalb besteht kein Anspruch aus § 74 SGB XII, wenn der Nachlass des Verstorbenen für die Kosten seiner Bestattung reicht; denn seine Hinterlassenschaft soll für seine Bestattung verwendet werden und nur ein „Überschuss“ den Erben zugute kommen. Die Erben müssen den tat-sächlich vorhandenen Nachlass einsetzen; die Regeln über das im Sozialhilferecht gem. § 90 SGB XII von der Verwertung ausgenommene sogen. Schonvermögen begünstigen den Erben nicht (BSG, B 8 SO 20/10, NVwZ-RR 2012, 352; BVerwG, 5 B 133.98, info-also 2000, 92 = FEVS 2000, 05; LSG Essen, 20.08.2012, L 20 SO 302/11 = Revision zu-rückgenommen BSG: B 8 SO 27/12). Ebenso wie im Steuerrecht muß der Antragsteller dem Sozialamt nicht nur die Erben des Verstorbenen nennen, sondern auch den Bestand des Nachlasses sowie die sonstigen Leistungen und Zuwendungen anlässlich des Todes des Verstorbenen nachweisen. Unterläßt er dies, kann er weder eine Steuerentlastung (FG Leipzig, 8 K 41/10, ErbBstg 2011, 264; FG Saarbrücken, 1 K 239/95, EFG 1997, 78) noch Sozialhilfe beanspruchen. Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, er habe die Erbschaft ausgeschlagen, da dies-es Gestaltungsrecht nicht zum Nachteil der Allgemeinheit ausgeübt wer-den kann (LSG München, L 8 SO 146/15, NZS 2015, 800 = FamRZ 2016, 260). In einem besonderen Fall hat das SG Karlsruhe (30.10.2015, S 1 SO 1842/15) eine Erbausschlagung anerkannt und das Sozialamt zur Übernahme der Bestattungskosten verpflichtet, da die dortige Klä-gerin die Erbschaft aus sittlichen Gründen ausgeschlagen hatte.

Kein Anspruch aus § 74 SGB XII besteht ferner dann, wenn aus Anlass des Todes für die Bestattung bestimmte Gelder fließen; denn diese muß sich der Anspruchsteller anrechnen lassen. Dabei handelt es sich um Leistungen aus einer Versicherung, um für die Bestattung angesparte Be -träge, um gezahlte Sterbegelder des (früheren) Arbeitgebers sowie um die Beihilfeansprüche verstorbener Beamter, Richter und Soldaten und ihrer Angehörigen, die demjenigen zustehen, auf dessen Kosten die Be-stattung veranlasst wurde (OLG Köln, 11.12.1991, 27 U 105/91).

5 Die Zumutbarkeit der Kostentragung

Das Sozialamt übernimmt nach § 74 SGB XII nur dann die Kosten der Bestattung, wenn diese weder aus dem Nachlass des Verstorbenen, den aus Anlaß seines Todes erfolgenden Zahlungen oder von Zahlungspflich -tigen aufgebracht werden können und die Aufbringung der Mittel dem Antragsteller zuzumuten ist. Bei der Zumutbarkeit kommt es nicht auf die Bedürfnisse des Verstorbenen, sondern auf die desjenigen an, der sich auf § 74 SGB XII beruft. Dem Antragsteller ist die Übernahme der Be-stattungskosten zuzumuten, wenn er über ein ausreichendes Einkomm-en und/oder Vermögen verfügt Bei Antragstellern, die verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, muss das Sozial -amt bei der Prüfung der Bedürftigkeit auch das Einkommen und das Ver -mögen seines nicht getrennt lebenden Ehegatten bzw Lebenspartners berücksichtigen (SG Karlsruhe, S 1 SO 1329/11, FamRZ 2011, 1827). Beim Einkommen ist die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII die maßgebliche Berechnungsgröße. Übersteigt das Einkommen nach Ab-zug der, unbillige Härten vermeidenden Freibeträge die in § 85 SGB XII beschriebenen Grenzen, ist es in Höhe des Überschreitungsbetrags voll einzusetzen (§ 87 SGB XII). Nach dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) vom 22. 12.2016 (BGBl 2016, 3159) gelten ab dem Jahr 2017 die folgenden Sätze:

[...]

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Details

Titel
Die Sozialbestattung (§ 74 SGB XII). Unter welchen Voraussetzungen das Sozialamt die Kosten der Bestattung übernehmen muss
Autor
Jahr
2017
Seiten
14
Katalognummer
V366432
ISBN (eBook)
9783668452084
ISBN (Buch)
9783668452091
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialbestattung, § 74 SGB XII, Bestattungspflicht, Kostentragungspflicht, Friedhofs- und Bestattungsgesetz
Arbeit zitieren
Dr. Wigo Müller (Autor:in), 2017, Die Sozialbestattung (§ 74 SGB XII). Unter welchen Voraussetzungen das Sozialamt die Kosten der Bestattung übernehmen muss, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366432

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