Die europäische und globale Bedeutung der Isoglucose nach dem Ende der Zuckermarktordnung


Masterarbeit, 2015

111 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhangverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung, Problemstellung und Zielsetzung

2 Beschreibung und Bedeutung der Isoglucose
2.1 Beschreibung von Isoglucose
2.2 Bedeutung von Isoglucose

3 Die chronologische Entwicklung der Zuckermarktordnung
3.1 Erarbeitung der Zuckermarktordnung und ihre Einführung 1968
3.2 Begleitende Veränderungen
3.3 Reform der Zuckermarktordnung zum 1. Juli 2006
3.4 Geplantes Auslaufen der Zuckermarktordnung

4 Die globale Zuckerproduktion im nationalen und europäischen Kontext
4.1 Verschiedene Produktionssysteme
4.1.1 Rohrzucker
4.1.2 Rübenzucker
4.1.3 Isoglucose
4.1.4 Zucker aus anderen Pflanzen
4.2 Produktion von Zucker und Isoglucose und deren Kosten
4.2.1 Anbau
4.2.1.1 Rohrzucker
4.2.1.2 Rübenzucker
4.2.1.3 Isoglucose
4.2.2 Verarbeitung
4.2.2.1 Rohrzucker
4.2.2.2 Rübenzucker
4.2.2.3 Isoglucose
4.2.3 Vergleich der Gestehungskosten und der Qualität von Zucker und Isoglucose
4.3 Neue Produktionsverfahren von Zucker und deren Wettbewerbsfähigkeit

5 Die Entwicklung der globalen Zucker- und Isoglucosenachfrage
5.1 Historie
5.2 Gegenwart / Status Quo
5.3 Ausblick auf die Zucker- und Isoglucosenachfrage
5.3.1 Weitere Entwicklung der globalen Zucker- und Isoglucosenachfrage
5.3.2 Einfluss neuer Substitutionsmöglichkeiten von Zucker auf die Zuckernachfrage
5.3.3 Zukünftige Anbauländer

6 Diskussion und Schlussfolgerung

7 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Pro-Kopf Verbrauch von Süßungsmitteln in den USA

Abbildung 2: Anteil der Mitgliedsstaaten an der EU-Zuckerproduktion 2012

Abbildung 3: Zahl der Zuckerrübenbauern in der EU

Abbildung 4: Zuckerrohr-Anbaugürtel

Abbildung 5: Hauptschritte bei der Stärkeverzuckerung

Abbildung 6: Referenz- und Marktpreise für Weißzucker in der EU

Abbildung 7: Herstellungskosten von Isoglucose in Abhängigkeit der Maispreise

Abbildung 8: Entwicklung des Konsums von Zucker und anderen kalorischen Süßungsmitteln in den USA, in Pfund pro Person und Jahr.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Verwendungsmöglichkeiten von hoch-fructosehaltigem Sirup

Tabelle 2: Zuckerhersteller in Europa

Tabelle 3: Relative Süße von Zuckern

Tabelle 4: Wettbewerbsbeeinflussende Standortfaktoren

Tabelle 5: Ökonomische Daten der Zuckerproduktion in €/t

Tabelle 6: Indifferenzpreise für Weizen/Mais und sich daraus ergebende Verarbeitungs- und Gewinnspannen der Zuckerindustrie bei verschiedenen Zuckerrübenpreisen

Tabelle 7: Zuckerverbrauch in kg Weißzucker pro Kopf und Jahr

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

1 Einleitung, Problemstellung und Zielsetzung

In der Ernährung des Menschen nehmen Süßungsmittel bereits seit einigen Jahrtausenden einen festen Platz ein. Anfangs deckten die Menschen ihren Bedarf an Süßem nur mit Früchten, Säften und Honig. Kristallisierter Zucker kam erst später als Quelle hinzu. Aus Zuckerrohr wird bereits seit anderthalb Jahrtausenden Zucker gewonnen, aus Zuckerrüben erst seit etwa 200 Jahren. Heute deckt die Zuckerindustrie näherungsweise 10 Prozent des Energiebedarfs der menschlichen Ernährung. Die Rohr- und Rübenzuckerindustrie muss sich dabei den Süßungsmittelmarkt mit immer neuen Konkurrenten teilen, trotzdem steigt der Verbrauch von Zucker weiter an. Die Zunahme des Süßungsmittelverbrauchs wird weniger durch die Marktkräfte beeinflusst sondern vielmehr durch die Süßungsmittelstrategien in den Erzeugerländern. Der hohe Verbrauch von Süßungsmitteln ist dabei größtenteils nicht auf die Industrieländer konzentriert. Aus ernährungsphysiologischen Gründen spricht für geeignete Süßungsmittel, z.B. Polyole und Inulinhydrolysate, dass sie im Gegensatz zu Zucker für Diabetiker geeignet sind, einen deutlich verminderten physiologischen Brennwert haben und keinen Karies verursachen. Das verstärkte Ernährungs- und Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung ist hierbei ein entscheidender Faktor. Süßstoffe sind erst seit Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Markt verfügbar, ihr Angebot hat sich aber in den letzten Jahren deutlich vergrößert. Sie werden zunehmend in den Industriestaaten und wegen ihres Preisvorteils auch in Asien verwendet. Anteilsmäßig haben sie aber bisher im Vergleich zu Zucker und Stärkeverzuckerungsprodukten nur eine geringe Bedeutung am gesamten Süßungsmittelmarkt (vgl. van der Poel, Schiweck, & Schwartz, 2000, S. 54).

Zucker konnte sich früher nur die Oberschicht leisten. Im Laufe der Zeit wurde er zwar deutlich günstiger, aber erst im 20. Jahrhundert wurde er schließlich zum alltäglichen Nahrungsmittel für die gesamte Bevölkerung. Mit dem Wandel in den Ernährungs-gewohnheiten und deutlich höherem Zuckerkonsum traten aber auch Krankheiten wie z.B. Karies, Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen vermehrt auf, die vorher nur sehr vereinzelt vorkamen (vgl. Egger, Rieder, & Clemenz, 1992, S. 75 f.).

Zucker ist eines der wenigen Agrargüter, das sowohl in gemäßigten als auch in feuchtwarmen tropischen Klimazonen produziert werden kann. Die Saccharose, welche aus Zuckerrohr und Zuckerrübe gewonnen wird, ist chemisch identisch. Dadurch ergibt sich eine Konkurrenz von Zuckerrohr und Zuckerrübe und damit eine Konfrontation zwischen einem Produkt der Dritten Welt und einem der Industrieländer (vgl. Egger, Rieder, & Clemenz, 1992, S. 78 f.). Hier stehen Länder mit niedrigem und hohem Einkommen in einem direkten Wettbewerbsverhältnis. Die Entwicklungsländer haben bei der Zuckererzeugung zumeist einen Kostenvorteil, gleichzeitig versuchen die Industrieländer ihre international häufig nicht konkurrenzfähige Zuckerindustrie vor ausländischen Wettbewerbern abzuschirmen. Die grundlegenden Unterschiede der Produktionskosten zwischen diesen Ländern und Produkten führten dazu, dass Zucker eines der am stärksten geschützten Agrargüter wurde. Da Zucker im Gegensatz zu vielen anderen Agrargütern ein homogenes Produkt ist, können die aus politischen Gründen enstehenden Verzerrungen mit Instrumenten zur wirtschaftlichen Analyse relativ einfach bestimmt werden. Aus vielen Studien über Zucker wird deutlich, dass die zuckerpolitischen Strategien der Industrieländer gemeinsam die Zuckermärkte zu den am meisten verzerrten aller Agrargütermärkte gemacht haben und zu bedeutenden Wohlfahrtsverlusten geführt haben. Im Sinne von internationaler Gerechtigkeit wurden diese Verluste nur unzureichend verteilt. So tragen viele der einkommensschwachen Länder einen unverhältnismäßig großen Anteil an den nachteiligen Auswirkungen. Jedoch verschlechtern sich die Industrieländer auch selbst durch ihre eigenen Programme und haben daher auch ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen an Liberalisierung (vgl. Marks & Maskus, 1993, S. 2).

Im Bereich der Zuckermärkte sind Staatseingriffe immer noch sehr weit verbreitet. So gibt es in den meisten zuckerproduzierenden Ländern mehr oder weniger ausgeprägte Staatsinterventionen. In Zeiten liberalisierten Handels, abnehmender Handelsbeschränkungen und globaler Integration blieb die Süßungsmittelindustrie lange Zeit ein Agrarsektor, der vor Veränderungen relativ gut geschützt wurde. Die meisten anderen Agrarbereiche waren hingegen davon betroffen. Gleichzeitig wurde durch regionale Handelsabkommen, z.B. das North American Free Trade Agreement (NAFTA) die Durchführung von Süßungsmittelstrategien erschwert, indem inländische Programme über internationale Grenzen hinweg wirksam ausgedehnt wurden (vgl. Schmitz, Spreen, Messina, & Moss, 2002, S. XV ff.). Ein bezeichnendes Beispiel für Agrarprotektionismus von Industrieländern ist die EU-Zuckermarktordnung. Die EU versucht zwar einerseits ihre Zuckerwirtschaft vor dem freien, globalen Wettbewerb abzuschirmen, andererseits kann sie sich aber auch nicht auf Dauer einer Liberalisierung verweigern.

Ein wichtiger Faktor der Süßungsmittelmärkte sind bedeutende technologische Veränderungen. Diese haben die Dynamik des Schutzes grundlegend gewandelt. Eine wesentliche Veränderung war das Aufkommen von Isoglucose als ein weitverbreitetes alternatives Süßungsmittel. Als Folge formte sich ein Bündnis zwischen Korn- und Zuckerproduzenten in Industrieländern, allen voran den USA, wodurch das Verbreitungsgebiet für die Unterstützung von Eingriffen in die Zuckermärkte erweitert wurde (vgl. Marks & Maskus, 1993, S. 5). Die Produktion und Verwendung von Isoglucose hat sich besonders in den letzten drei Jahrzehnten stark erhöht. Isoglucose wird aus Stärke hergestellt, welche hauptsächlich aus Mais gewonnen wird. Es bietet ein Substitut zu raffiniertem Zucker und wird größtenteils von industriellen Verbrauchern, insbesondere Softdrinkherstellern, verwendet. Weltweit ist die Herstellung und Verwendung von Isoglucose mengenmäßig stark unterschiedlich verteilt. So hat Isoglucose im weltweit mit Abstand größten Herstellungsland von Isoglucose, den USA, einen Anteil von rund 50 Prozent am Kalorienverbrauch von Süßungsmitteln (vgl. Schmitz, Spreen, Messina, & Moss, 2002, S. XV ff.). Europa war zwar eine der ersten Regionen in denen Isoglucose produziert wurde, die europäischen Zuckerinteressenten erkannten aber schnell die potentielle Bedrohung für ihre Zuckermärkte und führten nationale Produktionsquoten für Isoglucose ein. Dadurch wurde die Bedeutung von Isoglucose in Europa sehr lange künstlich gering gehalten (vgl. Schmitz, Spreen, Messina, & Moss, 2002, S.59). Mit dem Auslaufen der Europäischen Zuckermarktordnung 2017 ergibt sich dann eine außergewöhnliche Situation. So wird ein bisher stark protektionierter, sehr großer Markt weitestgehend geöffnet. Dadurch kann sich die Isoglucose dann auch in Europa frei entfalten und ist den Marktkräften unterworfen.

Ziel der vorliegenden Masterarbeit ist es herauszuarbeiten, inwieweit sich die Bedeutung von Isoglucose auf europäischer und globaler Ebene nach dem Ende der Zuckermarktordnung entwickelt. Hierbei werden das Auslaufen der Zuckermarktordnung und die daraus ent-stehenden Auswirkungen auf die Süßungsmittelmärkte verdeutlicht. Die Isoglucose wird in dieser Situation maßgeblich mit Zucker konkurrieren. Aus diesem Grund ist es wichtig, die spezifischen Charakteristiken von Zucker und Isoglucose bei Herstellung und Verwendung offenzulegen und deren Bedeutung für die Rivalität auf dem Süßungsmittelmarkt darzustellen.

Für einen wirtschaftlichen Vergleich von Zucker und Isoglucose müssen die jeweiligen Gestehungskosten ermittelt und gegenübergestellt werden. Da die zukünftige Zusammen-setzung der Süßungsmittelmärkte auch von anderen Zuckersubstituen bestimmt werden wird, ist es wichtig auf deren potenzielle Bedeutung einzugehen.

In der Masterarbeit wird zuerst die Isoglucose beschrieben und deren Bedeutung aufgezeigt. Im Folgenden wird die Europäische Zuckermarktordnung von ihrer Erarbeitung und Einführung, über begleitende Veränderungen bis zu ihrem geplanten Auslaufen 2017 erläutert. Im 4. Kapitel wird die globale Zuckerproduktion ausführlich beschrieben. Dabei wird auf die verschiedenen Produktionssysteme von Rohrzucker, Rübenzucker, Isoglucose und Zucker aus anderen Pflanzen eingegangen und der Rohstoffanbau und die Verarbeitung von Zucker und Isoglucose näher beschrieben. Danach werden deren Gestehungskosten und Qualität konkretisiert, wodurch die wirtschaftlichen Unterschiede deutlich werden. Außerdem wird ein Überblick über Entwicklungen neuer Produktionsverfahren von Zucker und deren Wettbewerbsfähigkeit gegeben. Die Veränderung der globalen Zucker- und Isoglucosenachfrage wird im 5. Kapitel eingehend erläutert. Hierzu wird eine Übersicht über die historische Entwicklung und den Status Quo gegeben. Abschließend wird ein Ausblick auf die weitere Entwicklung der globalen Zucker- und Isoglucosenachfrage gegeben, wobei auch auf den Einfluss neuer Substitutionsmöglichkeiten von Zucker auf die Zuckernachfrage eingegangen wird.

2 Beschreibung und Bedeutung der Isoglucose

Isoglucose, auch HFCS (High Fructose Corn Sirup) genannt, ist in der heutigen Form erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfügbar. Es wird auf der Welt in sehr unterschiedlichem Ausmaß verwendet, größtenteils für gewerblich hergestellte Produkte. Weltweit ist es nach Zucker mittlerweile das zweitwichtigste Süßungsmittel. Dies liegt vor allem am Preisvorteil von Isoglucose gegenüber Rohr- und Rübenzucker (vgl. van der Poel, Schiweck, & Schwartz, 2000, S. 50 ff.).

2.1 Beschreibung von Isoglucose

Isoglucose wird industriell aus Getreidestärke gewonnen. Heute wird hauptsächlich Mais zur Stärkeproduktion verwendet. Das Verfahren zur Gewinnung von Glucose aus Stärke ist schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt (vgl. Egger, Rieder, & Clemenz, 1992, S. 82 ff.). 1811 versuchte der deutsche Chemiker Konstantin Kirchhoff durch Kochen von Stärke einen Ersatzstoff für Gummi arabicum zu erhalten, welches wegen der Kontinentalsperre in Europa kaum noch verfügbar war. Da die gekochte Stärke anfangs einen gelatinösen Zustand hatte, gab er verdünnte Schwefelsäure hinzu. Diese wirkt als Katalysator und verzuckert die Stärke zu Glucose. Die erste Stärkezuckerfabrik wurde dann bereits 1812 bei Weimar errichtet. Zur Stärkeproduktion wurden dabei hauptsächlich Kartoffeln verwendet. Als die Kontinentalsperre aufgehoben wurde und importierter Rohrzucker wieder in größeren Mengen verfügbar war, wurde die Stärkezuckerproduktion aus Kartoffeln eingestellt. Als Mitte des 19. Jahrhunderts der Kartoffelanbau in Europa stark zugenommen hatte, wurde die Stärkeverzuckerung dann industriell deutlich ausgeweitet. In der Folge entstanden viele Stärkeverzuckerungsfabriken in Deutschland und Frankreich, welche sich den technischen Fortschritt der Rübenzuckerfabrikation zu Nutzen machten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich schließlich aufgrund der hervorragenden Stärkequalität von Mais auch die Stärkeverzuckerungsindustrie in den USA (vgl. van der Poel, Schiweck, & Schwartz, 2000, S. 49 ff.).

Die Stärkeverzuckerung ist ein hochkomplexer Prozess. „Bei der säurekatalysierten Stärkeverzuckerung erhält man entweder das nicht weiter spaltbare Endprodukt D-Glucose (totale Hydrolyse) oder bei vorzeitigem Abbruch (partielle Hydrolyse) Glukosesirupe, Gemische von Glucose, Maltose, Isomaltose und Oligosacchariden mit unterschiedlichen Eigenschaften. Bedingt durch die verschiedenen Möglichkeiten der Herstellung von Glukosesirupen ist ihre Zusammensetzung unterschiedlich. Ihre Süße nimmt mit dem Verzuckerungsgrad (DE-Wert) zu. Das Endprodukt der Verzuckerung von Stärke ist kristallisierte D-Glucose, die mit einem Molekül Kristallwasser als D-Glucose-Monohydrat (Wassergehalt maximal 9%) oder als D-Glucoseanhydrit (Wassergehalt maximal 1%) im Handel ist“ (van der Poel, Schiweck, & Schwartz, 2000, S. 49).

Lange Zeit hatten die Produkte der Stärkeindustrie aber weniger Süßkraft als die Saccharose und waren daher keine ernsthafte Konkurrenz für den Zucker. Entscheidend dabei ist der Fructoseanteil, dieser ist unterschiedlich und je höher der Fructoseanteil der Isoglucose ist, desto süßer ist sie. Daher war das drängendste Problem zur Aufwertung der Stärkeverzuckerungsprodukte die Erhöhung des Fructoseanteils der Glukosesirupe. Schließlich wurde 1957 in Japan die enzymatische Umwandlung von Glucose in Fructose entdeckt, was eine neue Entwicklung in Erzeugung und Verwendung von Stärkeverzuckerungsprodukten einleitete. In Folge des wirtschaftlichen Druckes durch stark steigende Zuckerpreise gelang es dann Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts die aus Stärke gewonnene Glucose auch industriell in süßere Fructose umzuwandeln (vgl. Egger, Rieder, & Clemenz, 1992, S. 81 ff.; van der Poel, Schiweck, & Schwartz, 2000, S. 49 ff.).

Als Isoglucoseerzeugung gilt nach der EG-Verordnung der Europäischen Kommission „die Gesamtmenge des Erzeugnisses, das aus Glucose oder Glucosepolymeren gewonnen wird, mit einem auf den Trockenstoff bezogenen Gehalt von mindestens 10 Gewichtshundertteilen Fructose, unabhängig von seinem Fructosegehalt über diesen Grenzwert hinaus. Die Isoglucoseerzeugung wird in Trockenstoffgehalt ausgedrückt und […] unmittelbar nach dem Stadium der Isomerisierung und vor jedem weiteren Vorgang zur Trennung ihrer Glucose- und Fructosekomponenten oder vor jeglichem Vermischungsvorgang durch Ist-Volumenmessung des Erzeugnisses in unveränderter Form und Bestimmung des Trockenstoffgehalts nach der refraktometrischen Methode festgestellt“ (Verordnung (EG) NR. 952/2006, 2006, Artikel 4 Absatz 1 f.).

Stärke wird heute überwiegend aus Mais hergestellt. Andere nennenswerte Rohstoffe zur Herstellung sind Weizen und im geringeren Ausmaß Kartoffeln. Weizen ist aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine interessante Stärkepflanze und entstehende Nebenprodukte wie Weizengluten können die Wirtschaftlichkeit der Stärkeherstellung verbessern. Es besteht aber eine starke Rohstoffkonkurrenz durch die Lebensmittelindustrie, was zu hohen Rohstoffpreisen führen kann. Kartoffelstärke wird nennenswert nur noch in Deutschland bzw. der EU, Japan und China produziert und gilt wegen seiner hohen Reinheit und besonderen Eigenschaften eher als qualitatives Nischenprodukt. So bietet sie Charakteristiken, welche die Eigenschaften bestimmter Polymerwerkstoffe verbessern kann. Weltweit ist Mais die wichtigste Pflanze zur Stärkeherstellung, in Deutschland wird sie dafür aber kaum verwendet. Insgesamt wird weltweit rund 90 % der Maisstärke zu Glucosesirup verzuckert und kommt dadurch nicht in Wettbewerb mit anderen Stärken. Die bei der Herstellung von Maisstärke entstehenden Nebenprodukte verbessern deren Wirtschaftlichkeit signifikant. Es ist damit zu rechnen, dass aufgrund zunehmender Bioenergie- und Bioethanolproduktion die Nachfrage nach Mais steigen wird und eine Verknappung von Mais zur Maisstärkeproduktion eintreten wird. Außerdem weitet die Industrie die Herstellung von Produkten auf Basis nachwachsender Rohstoffe, u.a. aus Stärke, aus. Dies erhöht die Konkurrenz bei der Nachfrage nach Stärke. So werden bspw. biobasierte Kunststoffe, wie PLA, bereits in bedeutenden Mengen aus Stärke hergestellt, auch wenn hier noch deutliches Entwicklungspotential vorhanden ist. In Deutschland ist die Bedeutung von Stärke im industriellen Einsatz aber noch relativ gering und bietet Chancen auf einen weiteren Ausbau der Stärkeproduktion auf Basis von Mais oder Weizen (vgl. Entrup, Schwarz, & Heilmann, 2013, S. 424 ff.).

2.2 Bedeutung von Isoglucose

Anfangs gab es nur 42-prozentige Isoglucose, bestehend aus 42 Prozent Fructose, 52 Prozent Glucose und etwa 6 Prozent Mehrfachzucker (vgl. Sweetener Glossary, 2013). In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kam schließlich die 55 prozentige Isoglucose auf den Markt, welche 55 Prozent Fructose enthält. Diese fand vor allem als Saccharosesubstitut in Softdrinks Verwendung und bedeutete den endgültigen Durchbruch für die Isoglucose. Da in den USA die Maiserzeugung hoch subventioniert wurde, konnte dort die Isoglucose, auch High Fructose Corn Syrup genannt, günstiger angeboten werden als Saccharose. Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, kam es in der Folge in den USA zu einem regelrechten Isoglucose-Boom. Fast alle Softdrinkhersteller stellten aufgrund der geringeren Kosten ihre Produktion von Zucker auf den Einsatz von Isoglucose um (vgl. Egger, Rieder, & Clemenz, 1992, S. 81 ff.; sweetsurprise, 2012).

Abbildung 1: Pro-Kopf Verbrauch von Süßungsmitteln in den USA

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Umstellung der Verwendung von Zucker auf Isoglucose in der Softdrinkindustrie in den USA ging dabei sehr zügig. Dies hing maßgeblich mit der Bewilligung der 100 prozentigen Verwendung von Isoglucose durch die größten Softdrink Unternehmen der USA im November 1984 zusammen.

Quelle: sweetsuprise.com 2012, Daten von USAD

Wurde Isoglucose 1984 nur in 55 % der dortigen Softdrinks verwendet, waren es 1985 bereits 95 %. Die Verwendung von Isoglucose/Zucker-Kombinationen sank im selben Zeitraum von 42 % auf weniger als drei % (vgl. Wulff & Helgeson, September 1987, S. 10 nach Daten der NSDA, 1985).

Auch der jährliche Pro-Kopf Verbrauch von Isoglucose in den USA nahm rasch zu, so stieg er von 1980 bis 1992 von 8,4 kg auf 22,8 kg. Der Verbrauch von Glukose und Dextrose nahm im selben Zeitraum hingegen nur geringfügig zu. Bereits seit 1985 ist in den USA der Verbrauch an Glukosesirupen, Dextrose und Isoglucose höher als der von Rohr- und Rübenzucker. 1992 lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Stärkeverzuckerungsprodukten in den USA bereits bei 34 kg. Dies entsprach einem Marktanteil von 53% am Gesamtverbrauch von nutritiven Süßungsmitteln. Der jährliche Rohr- und Rübenzuckerverbrauch je Einwohner in den USA lag hingegen bei nur noch rund 30kg. Grund für die Verbrauchssteigerung von Isoglucose ist deren Preisvorteil gegenüber Rohr- und Rübenzucker. In Kanada und Japan war die Entwicklung auf dem Süßungsmittelmarkt ähnlich (vgl. van der Poel, Schiweck, & Schwartz, 2000, S. 49 ff.).

Tabelle 1: Verwendungsmöglichkeiten von hoch-fructosehaltigem Sirup

In der EU wird die Verwendung von Isoglucose durch die Quotenregelung der Zuckermarktordnung beschränkt, weswegen sie dort bisher keine größere Bedeutung erreichen konnte. Das Kontingent für Isoglucose beträgt dabei aktuell nur rund 5 % der gesamten Zuckerproduktion (vgl. Zuckerverbände, 2014).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Tegge 2004, S. 268

Isoglucose und Zucker sind aber keine perfekten Substitute. So hat Zucker z.B. eine Reihe von füllenden, strukturierenden und bräunenden Eigenschaften. Daher wird er weiterhin bevorzugt für Süßwaren, Backwaren und in der Getreideindustrie verwendet. Weltweit konkurriert Isoglucose mit Zucker hauptsächlich im flüssigen Süßungsmittelmarkt und wird in der Softdrinkindustrie verarbeitet. Aber auch die Verwendung von Isoglucose für andere Produkte weitet sich aus. Die 55-prozentige Isoglucose wird zu größten Teilen in der Getränkeindustrie verwendet. Die 42-prozentige Isoglucose hingegen wird auch zu großen Teilen für die Herstellung von industriell verarbeiteten Lebensmittelprodukten, Cornflakes, Backwaren, Milchprodukten und Süßigkeiten benutzt (vgl. Schmitz et al. 2002, S. 53 ff).

Den direkten Vergleich in der Verwendung von Zucker und Isoglucose gibt es bei Coca-Cola in den USA und in Mexiko. Die Coca-Cola in den USA wird seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts mit Isoglucose anstatt Zucker hergestellt. In Mexiko hingegen wird Coca-Cola weiterhin nach dem Originalrezept mit Rohrzucker hergestellt. Während Rohrzucker reichlich und günstig in Mexiko vorhanden ist, ist in den USA Isoglucose preiswerter. Nach Meinung vieler Konsumenten von Coca-Cola ergibt Rohrzucker einen reineren und süßeren Geschmack als die Isoglucose in der US-amerikanischen Version. Als Folge dieser Geschmacksvorliebe bevorzugen viele US-Amerikaner die in Mexiko hergestellte importierte Coca-Cola, obwohl diese deutlich teurer ist als die in den USA produzierte (vgl. Steers & Nardon 2006, S. 218 f.).

Auch gesundheitlich gibt es Anzeichen dafür, dass der Isoglucose-Konsum andere Auswirkungen hat als der Konsum von Saccharose. Der Konsum von Erfrischungsgetränken mit hohem Fructoseanteil hat in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten weltweit sehr stark zugenommen. Besonders in den USA stieg der Verzehr von fructosehaltigem Mais-Sirup stark an, in einem Zeitraum von 20 Jahren um über 1000 %. Gleichzeitig nahm die Anzahl übergewichtiger Menschen dramatisch zu. Daher vermuten Wissenschaftler seit einiger Zeit einen Zusammenhang zwischen gestiegenem Fructosekonsum und zunehmender Fettleibigkeit. Wissenschaftler vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke haben in einer Studie untersucht, wie sich bei Mäusen der Fructosekonsum auf das Gewicht auswirkt. Dafür bekamen die Mäuse Fructoselösungen, Saccharoselösungen, süßstoffhaltige Diätgetränke ohne Kalorien oder Wasser angeboten. Da die Mäuse, die durch die angebotene Flüssigkeit zusätzliche Kalorien aufnahmen, weniger feste Nahrung als die Tiere, die nur Wasser oder das Diät-Getränk erhielten, aßen, war die Gesamtenergieaufnahme bei allen Gruppen ungefähr gleich. Im Ergebnis nahmen die Mäuse, welche die Fructoselösung tranken, im Vergleich zu den anderen Mäusen stärker an Gewicht und Körperfett zu und zeigten zudem einen Anstieg der Leberfette. Da die Kalorienaufnahme bei allen Mäusen ungefähr gleich war, ist als Ergebnis der Studie anzunehmen, dass Fructose die Stoffwechseltätigkeit beeinflusst und auf diese Weise die Anreicherung von Körperfett begünstigt wird. Um die Ergebnisse auch für den Menschen zu bestätigen, sind aber noch weitere Untersuchungen nötig (vgl. DIfE, 2005).

Der Handel mit Isoglucose zwischen Ländern ist wegen der relativ hohen Transportkosten im Vergleich zu den geringen Kosten von Isoglucose eher unüblich. Daher wird das meiste Isoglucose in den Ländern konsumiert, in denen es auch hergestellt wird und nur weniger als 5% der globalen Produktion kommt auf den internationalen Markt. Gehandelt werden eher die Rohprodukte, also die Stärke bzw. das Korn aus denen die Isoglucose hergestellt wird. So importiert Japan Mais um seine Isoglucoseindustrie mit Rohstoff zu versorgen. Ein kleinerer Grenzhandel von Isoglucose hat sich z.B. zwischen den USA und Kanada entwickelt. Die Hauptproduktion von Isoglucose ist auf eine kleine Anzahl von Ländern konzentriert. Der mit Abstand größte Teil der weltweiten Isoglucose wird dabei in den USA produziert, gefolgt mit weitem Abstand von Japan (vgl. Schmitz et al. 2002, S. 53 ff.).

Isoglucose war auch schon Auslöser für Handelskonflikte. Am 01. Januar 1994 trat zwischen den USA, Kanada und Mexiko das NAFTA (North American Free Trade Agreement) in Kraft. Dieses Freihandelsabkommen sah den schrittweisen Abbau aller Zölle und Mengenbegrenzungen für den Handel zwischen diesen Ländern bis 2008 vor (vgl. USTR, 2014). So wurden den USA unter anderem der steigende Zugang und der Abbau der Zölle für Getreide und der unbegrenzte Isoglucoseexport nach Mexiko eingeräumt. Im Gegenzug erhielt Mexiko steigende Importquoten für Zucker in die USA und im Vergleich zu den Regelungen mit anderen Ländern geringere Strafzölle für die Quote übersteigende Zuckermengen (vgl. Schmitz, Spreen, Messina, & Moss, 2002, S. 60). In der mexikanischen Zuckerindustrie sind viele Menschen beschäftigt und sie ist sehr bedeutsam für die Wirtschaft im ländlichen Raum. Daher wurden die Exporte von Isoglucose und Mais zur Isoglucoseherstellung aus den USA nach Mexiko von der mexikanischen Zuckerindustrie als ernsthafte Bedrohung angesehen (vgl. Schmitz, Spreen, Messina, & Moss, 2002, S. 54). Die mexikanische Regierung sah sich beim Export von Zucker in die USA benachteiligt bzw. sie legte die NAFTA-Regelungen anders aus als die USA. Als Folge erhob Mexiko hohe Antidumpingzölle auf Isoglucoseimporte aus den USA. Außerdem wurden in Mexiko zusätzliche Steuern von 20 Prozent auf Softdrinks erhoben, die mit Isoglucose produziert wurden. Diese Maßnahmen wurden von der Isoglucoseindustrie in den USA als Verletzung der NAFTA angesehen. Mehrmals schritt die WTO (World Trade Organization) in den Handelskonflikt ein. 2006 einigten sich die USA und Mexiko schließlich und legten den Handelsstreit bei. Als Folge wurden die Zusatzsteuern auf isoglucosehaltige Getränke in Mexiko aufgehoben und alle gegenseitigen Beschränkungen im Handel von Zucker und anderen Süßungsmitteln abgeschafft (vgl. USITC, 2006).

Nach Meinung internationaler Analysten für Süßungsmittel bedarf es normalerweise fünf Voraussetzungen um in einem Land eine Isoglucoseindustrie zu etablieren. So muss es einen Import für Zucker in Verbindung mit hohen internationalen Zuckerpreisen geben. Zudem muss zur Herstellung der Isoglucose eine ausreichende Versorgung mit heimischer Stärke oder die Möglichkeit des Imports von Stärke vorhanden sein. Außerdem müssen die Lebensmittelproduktion und die Infrastruktur für den Konsum, insbesondere für Softdrinks gut entwickelt sein. Die Produktion von Isoglucose ist ein hochtechnologisches kapitalintensives Unterfangen, daher ist genügend Kapital für Forschung und Entwicklung und zum Aufbau und zur Ausrüstung der Produktionsanlagen erforderlich. Letztlich ist auch eine wohlwollende Regierungspolitik nötig. So reduzierte die langandauernde Preisstützungspolitik der US-Regierung für Zucker das Risiko der Investition in die Produktionskapazitäten von Isoglucose. Hohe Zuckerpreise, ausreichende Lieferkapazitäten von Isoglucose und viele Jahre der Forschung und Entwicklung führten dann dazu, dass die großen Softdrinkhersteller in den USA ihren Gebrauch von Zucker auf Isoglucose umstellten. Folglich verlor die Zuckerindustrie große Teile ihrer Abnehmer an die Isoglucoseindustrie. Im Gegensatz dazu missbilligte beispielsweise die Politik der EU die Akzeptanz von Isoglucose anstatt von Zucker, obwohl alle anderen Voraussetzungen auch hier gegeben waren. Die EU verhängte eine restriktive Produktionsquote für Isoglucose, die effektiv das Wachstum der Isoglucoseindustrie einschränkte (vgl. Schmitz et al. 2002, S. 55 f.).

3 Die chronologische Entwicklung der Zuckermarktordnung

Die europäische Zuckermarktordnung in ihrer heutigen Form ist das Ergebnis jahrzehntelanger Entwicklungen und vieler Abänderungen. Das geplante Auslaufen 2017 wird dann den Schlusspunkt einer der Grundpfeiler der europäischen Agrarpolitik bilden.

Allgemein versteht man unter Agrarprotektionismus „die wirtschaftliche Sonderbehandlung der Landwirtschaft und deren Schutz vor freiem, internationalem Wettbewerb“ (Neumair, 2008, S. 35). „Insgesamt ist Agrarprotektionismus im Wesentlichen durch die Zielsetzung motiviert, die Landwirtschaft von strukturellen Anpassungszwängen, wie sie sich aus dem Primat eines freien Wettbewerbs ergeben würden, zu befreien und vor dem damit verbundenen Schrumpfungsprozess zu bewahren, zumindest diesen aber so abzufedern, dass sich der Anpassungsdruck in politisch akzeptablen Grenzen hält“ (Neumair, 2008, S. 39 f. aus Tangermann, 1985, S. 109). „Die Landwirtschaft soll so zum Mithalten mit anderen Wirtschaftssektoren, vor allem der industriellen Produktion, innerhalb eines Landes gebracht werden“ (Neumair, 2008, S. 40 aus Sanderson, 1990, S. 1). „Gemeint ist damit die Überwindung von Einkommensgefällen bzw. die Erreichung einer intersektoral-paritätischen Entlohnung der landwirtschaftlichen Produktionsfaktoren mittels eines hohen inländischen Agrarpreisniveaus. Gleichzeitig wird die heimische Landwirtschaft vor billiger produzierender ausländischer Konkurrenz abgeschirmt, da sie gerade wegen dieses hohen Preisniveaus international nicht wettbewerbsfähig ist“ (Neumair, 2008, S. 40).

3.1 Erarbeitung der Zuckermarktordnung und ihre Einführung 1968

Den Ursprung hat der europäische Agrarprotektionismus bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Aufhebung der Napoleonischen Kontinentalsperre. Als Folge dessen wurden 1815 in Großbritannien hohe Zölle auf Getreideimporte verhängt, um die einheimischen Bauern vor billigen Importen zu schützen (vgl. Neumair, 2008, S. 40 aus Siebert, 1997, S. 159). In Deutschland wurden 1879 unter Otto von Bismarck die ersten Schutzzölle auf Getreide erhoben (vgl. Schieder, 1968, S. 215). Weiterführend waren aber auch bereits der Anbau und die Verarbeitung von Zuckerrüben auf nationaler Ebene detailliert gesetzlich geregelt. In diesem Zusammenhang wurden u.a. der Zuckerpreis, die gestatteten Produktionsmengen und die Ein- bzw. Ausfuhrmengen festgesetzt (vgl. Neumair, 2008, S. 27 ff.). Auch die eher freihandelsorientierten Länder Europas, wie Belgien, Dänemark und die Niederlande und die großen Agrarexportländer USA, Australien und Kanada gingen letztlich im Zuge der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre zu einer protektionistischen Agrarpolitik über (vgl. Neumair, 2008, S. 40 f. aus Arnold, 1997, S. 84).

Europaübergreifend wurden die agrarprotektionistischen Maßnahmen schließlich 1957 mit den römischen Verträgen. In diesen hielten die Gründerstaaten der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg die Ziele und Aufgaben einer gemeinsamen europäischen Agrarpolitik fest (vgl. The Treaty of Rome; BmELV). Nach dem 2. Weltkrieg war Europa teilweise stark zerstört und die Nahrungsmittelproduktion war ebenfalls erheblich beeinträchtigt. Die sechs Gründerstaaten verständigten sich daher im EWG-Vertrag darauf, die Märkte zu stabilisieren, die Produktivität in der Landwirtschaft zu fördern und eine angemessene Lebenshaltung für die landwirtschaftliche Bevölkerung sicherzustellen (vgl. BmELV).

Bis die einheitliche europäische Zuckermarktordnung schließlich eingeführt wurde, vergingen aber noch mehr als 10 Jahre. Vorbild für die europäische ZMO war das 1951 erlassene deutsche Zuckergesetz, welches noch bis 1967 galt. Danach wurden dessen wichtigste Regelungselemente auf europäischer Ebene übernommen (vgl. Neumair, 2008, S. 127 aus Elsmann, 1975, S. 32 ff.). 1968 trat schließlich die Zuckermarktordnung der EWG in Kraft. Diese stützte sich auf die Verordnung Nr. 1009/67/EWG vom 18. Dezember 1967 des Rates der europäischen Gemeinschaften über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967).

In der Verordnung heißt es „um den Zuckerrüben- und Zuckerrohrerzeugern der Gemeinschaft die Beibehaltung ihrer Beschäftigung und ihres Lebensstandards zu gewährleisten, empfiehlt es sich, Maßnahmen zur Stabilisierung des Zuckermarktes vorzusehen und zu diesem Zweck jährlich für das Hauptüberschussgebiet der Gemeinschaft einen Richtpreis und einen Interventionspreis für Weißzucker sowie für andere Gebiete der Gemeinschaft abgeleitete Interventionspreise festzulegen, wobei den regionalen Preisunterschieden auf Grund der natürlichen Bedingungen der Marktpreisbildung bei normaler Ernte sowie der Verarbeitungsstufe Rechnung zu tragen ist“ (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/1). Zur Sicher-stellung dass sich diese Regelung des Zuckermarktes auch auf die Zuckerrüben- und Zuckerrohrerzeugung auswirkt, sind „für Zuckerrüben Mindestpreise festzusetzen, welche die Zuckerhersteller beim Kauf von Rüben beachten müssen, gemeinschaftliche Rahmen-bestimmungen zur Regelung der vertraglichen Beziehungen zwischen Zuckerrübenkäufern und Zuckerrübenverkäufern vorzusehen und geeignete Vorschriften zu erlassen, mit denen dieses Ziel für die Zuckerrohrerzeuger erreicht werden kann“ (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/1 f.).

Um das Ziel eines gemeinsamen Zuckermarktes in der Gemeinschaft zu verwirklichen, war es neben einer einheitlichen Preisregelung erforderlich, an den Außengrenzen der Gemeinschaft eine einheitliche Handelsregelung einzuführen. Diese trägt neben dem Interventionssystem „mit einem Abschöpfungs- und Erstattungssystems bei der Ausfuhr gleichfalls dazu bei, den Gemeinschaftsmarkt zu stabilisieren, indem sie insbesondere vermeidet, daß sich die Schwankungen der Weltmarktpreise auf die Preise innerhalb der Gemeinschaft auswirken“ (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/2). Dies sollte durch eine Abschöpfung bei der Einfuhr aus Drittländern und der Zahlung einer Erstattung bei der Ausfuhr in Drittländern geschehen, jeweils in Höhe der Differenz der Preise außerhalb und innerhalb der Gemeinschaft. Zusätzlich sollte die Inanspruchnahme des sogenannten aktiven Veredelungsverkehrs geregelt werden und wenn erforderlich untersagt werden können. Die Erstattung sollte in diesem Zusammenhang so festgesetzt werden, dass die Verarbeitungsindustrie nicht veranlasst wäre, die Einfuhr von Grunderzeugnissen aus Drittländern gegenüber gemeinschaftlichen Grunderzeugnissen vorzuziehen (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/2).

Für die Beurteilung der Marktentwicklung sollte es den Behörden möglich sein, den Warenverkehr ständig zu verfolgen um gegebenenfalls angemessene Maßnahmen anwenden zu können. Dafür war die Erteilung von Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen in Verbindung mit einer Kaution vorgesehen, welche die Durchführung der Ein- bzw. Ausfuhren garantiert. Zur Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes für Zucker war die Beseitigung aller Hemmnisse des freien Verkehrs an den Binnengrenzen der Gemeinschaft erforderlich. Aufgrund der Abschöpfungsregelung waren sonstige Schutzmaßnahmen an den Außengrenzen der Gemeinschaft nicht notwendig. Da gewisse Beihilfen einen gemeinsamen Zuckermarkt auf Grundlage eines einheitlichen Preissystems gefährden würden, sollten von den Mitglieds-staaten gewährte Beihilfen, welche mit einem gemeinsamen Markt nicht zu vereinbaren sind, verboten werden können (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/2 f.).

Die Verordnung sah für eine Übergangszeit Maßnahmen zur Produktionseinschränkung vor, da die Zuckererzeugung in den vorhergehenden Jahren sowohl in der Gemeinschaft als auch auf dem Weltmarkt den Verbrauch überstieg. Die beschlossenen Instrumente waren Grundquoten für verarbeitende Betriebe von Zuckerrüben oder Melasse, für welche Preis- und Absatzgarantien von der Gemeinschaft übernommen wurden. Für die über die Grundquoten hinausgehende Mengen bestanden keine oder nur eingeschränkte Garantien. Zur Ein-schränkung der Zuckerrüben- und Rohrzuckererzeugung wurden Sonderbestimmungen für die Lieferverträge vorgesehen, insbesondere bei der Differenzierung des Zuckerrübenpreises. Um zu umfangreiche Aussaaten zu vermeiden, war die Übertragungsmöglichkeit eines Teils der Erzeugung unter Anrechnung auf die Erzeugung des folgendenen Wirtschaftsjahres vorgesehen (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/2).

Die gemeinsame Marktorganisation galt für verschiedene Zuckererzeugnisse:

· „Rüben- und Rohrzucker, fest
· Zuckerrüben, auch Schnitzel, frisch, getrocknet oder gemahlen; Zuckerrohr
· Melassen, auch entfärbt
· Andere Zucker (ausgenommen Laktose und Glukose), Sirupe (ausgenommen Laktosesirup und Glukosesirup); Kunsthonig, auch mit natürlichem Honig vermischt; Zucker und Melassen, karamelisiert
· Zucker (ausgenommen Laktose und Glukose), Sirupe (ausgenommen Laktosesirup und Glukosesirup) und Melassen, aromatisiert oder gefärbt (einschließlich Vanille- und Vanillinzucker), ausgenommen Fruchtsäfte mit beliebigem Zusatz von Zucker“

(EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/3).

Als Weißzucker wurde fester Rüben- und Rohrzucker definiert, welcher einen Saccharosegehalt von mindestens 99,5 v.H. bezogen auf den Trockenstoff besitzt. Rohzucker ist fester Rüben- und Rohrzucker mit einem Saccharosegehalt von weniger als 99,5 v.H. bezogen auf den Trockenstoff (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/3).

Für die Preisregelung wurde eine Reihe von Verordnungen erlassen. So wurde für das Hauptüberschußgebiet der Gemeinschaft nach der Verordnung jährlich ein Richtpreis und ein Interventionspreis für Weißzucker zur selben Zeit vor dem 1. August für das folgende ZWJ festgesetzt. Für die anderen Gebiete wurden unter Berücksichtigung der regionalen Preis-unterschiede für Zucker abgeleitete Interventionspreise festgelegt. Unter Berücksichtigung des in dem betreffenden Gebiet geltenden Interventionspreises für Weißzucker wurde jährlich ein Mindestpreis für Zuckerrüben ermittelt. Außerdem wurde festgesetzt, dass pauschale Werte für die Verarbeitungsspanne, den Ausbeutesatz, die Erlöse der Fabriken aus Melasse-verkäufen und gegebenenfalls Anlieferungskosten der Zuckerrüben in die Berechnung des Mindestpreises mit eingingen (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/3 f., Artikel 2 ff.).

Die Zuckerhersteller wurden verpflichtet, beim Kauf von Zuckerrüben, welche zu Zucker verarbeitet werden sollen, wenigstens den Mindestpreis für Zuckerrüben zu zahlen. Es wurde festgelegt, dass dieser durch Zu- oder Abschläge, welche den Qualitätsunterschieden gegenüber der Standardqualität gerecht werden sollten, zu korrigieren sei (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/5, Artikel 5).

Interventionsstellen wurden durch Branchenvereinbarungen verpflichtet, „den ihnen angebotenen Weiß- und Rohrrohzucker, der aus in der Gemeinschaft geernteten Zuckerrüben oder aus in der Gemeinschaft geerntetem Zuckerrohr hergestellt worden ist, zu kaufen. Die Interventionsstellen kaufen den Zucker zu dem Interventionspreis, der in dem Gebiet gilt, in dem sich der Zucker zum Zeitpunkt des Kaufes befindet“ (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/5 Artikel 9 Absatz 1). „Für Zucker, der zur menschlichen Ernährung ungeeignet gemacht wurde, können die Interventionsstellen Denturierungsprämien gewähren“ (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/5 Artikel 9 Absatz 2). „Die Interventionsstellen dürfen auf dem Binnenmarkt Zucker nur zu Preisen verkaufen, die über dem Interventionspreis liegen“ (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/6 Artikel 10 Absatz 1). Ausnahmen wurden für die Fälle eingeräumt, wenn der Zucker für die menschliche Ernährung ungeeignet gemacht wurde oder er in dritte Länder ausgeführt wird (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/6 Artikel 10 Absatz 1).

Beim Handel mit dritten Ländern wurden für die Einfuhr aller genannten Erzeugnisse in die Gemeinschaft sowie der Ausfuhr die Vorlage einer erforderlichen Einfuhr- bzw. Ausfuhrlizenz beschlossen. Zur Erteilung dieser Lizenzen wurde die Stellung einer Kaution festgesetzt, damit die Einfuhr oder Ausfuhr während der Gültigkeitsdauer der Lizenz auch durchgeführt wird (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/6 Artikel 11 Absatz 1).

„Für die Gemeinschaft wird jährlich je ein Schwellenpreis für Weißzucker, Rohzucker und Melasse festgesetzt“ (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/6 Artikel 12 Absatz 1). Für Weißzucker wurde er gleich dem Richtpreis für das Hauptüberschußgebiet fixiert, zuzüglich der pauschalen Transportkosten von diesem zum entferntesten Verbrauchsgebiet der Gemeinschaft. Für Rohzucker wurde eine Verarbeitungsspanne und ein pauschaler Wert für das Rendement vom Schwellenpreis für Weißzucker berücksichtigt. Für Melasse wurde der Schwellenpreis so festgelegt, dass die Erlöse von Unternehmen aus Melasseverkäufen, welche bei der Festlegung der Mindestpreise für Zuckerrüben berücksichtigt wurden, erzielt werden können (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/6 Artikel 12 Absatz 2 ff.).

„Für Weißzucker, Rohzucker und Melasse wird je ein CIF-Preis für einen bestimmen Grenzübergangsort der Gemeinschaft errechnet. Hierbei werden die günstigsten Einkaufsmöglichkeiten auf dem Weltmarkt zugrunde gelegt, die für jedes Erzeugnis auf der Grundlage der Notierungen oder der Preise dieses Marktes ermittelt werden“, berichtigt um etwaige Qualitätsunterschiede (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/7 Artikel 13 Absatz 1).

Bei der Einfuhr von den bereits genannten Erzeugnissen wurde eine Abschöpfung erhoben. Diese entsprach bei Weißzucker, Rohzucker und Melasse gleich dem Schwellenpreis abzüglich des CIF-Preises. Bei anderen Erzeugnissen wurde die Abschöpfung pauschal auf Grundlage des Saccharosegehalts und auf der Grundlage der Abschöpfung auf Weißzucker errechnet (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/7 Artikel 14 Absatz 1 ff.). „Liegt der CIF-Preis für Weißzucker oder für Rohzucker über dem Schwellenpreis, so wird bei der Ausfuhr des betreffenden Erzeugnisses eine dem Preisunterschied entsprechende Abschöpfung erhoben“ (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/8 Artikel 16 Absatz 1). Bei der Einfuhr der Erzeugnisse wurden aber ebenso mögliche Subventionen gewährt. Beides wurde vom Rat auf Vorschlag der Komission erlassen (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/8 Artikel 16 Absatz 2 f.).

Bei der Ausfuhr von Erzeugnissen wurde es ermöglicht, dass der Unterschied zwischen Weltmarktpreisen und Preisen der Gemeinschaft auf Antrag durch eine Erstattung ausgeglichen werden konnte, um die Ausfuhr zu ermöglichen. Damit sollte insbesondere zwischen der Verwendung von Grunderzeugnissen aus der Gemeinschaft zur Ausfuhr von Verarbeitungserzeugnissen in Drittländer und der Verwendung von zum Veredelungsverkehr zugelassener Erzeugnissen aus diesen Ländern ein Gleichgewicht hergestellt werden (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/8 Artikel 17 Absatz 1 f.).

Für einige Erzeugnisse wurde es ermöglicht, die Inanspruchnahme der Regelung des aktiven Veredelungsverkehrs ganz oder teilweise auszuschließen, soweit es für das reibungslose Funktionieren der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker erforderlich schien (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/8 f. Artikel 19 Absatz 1 f.). „Als Regelung für den aktiven Veredelungsverkehr im Sinne dieses Artikels gelten sämtliche Bestimmungen, die die Bedingungen festlegen, unter denen Erzeugnisse aus dritten Ländern in der Gemeinschaft verarbeitet werden, die von den für sie geltenden Abschöpfungen befreit und zur Herstellung von für die Ausfuhr bestimmten Waren erforderlich sind“ (EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/9 Artikel 19 Absatz 4).

Eine Reihe von Übergangsbestimmungen galt bis zum 1. Juli 1975. So waren die Mitgliedsstaaten angehalten, für jedes Zucker erzeugende Unternehmen auf ihrem Hoheitsgebiet eine Grundquote festzusetzen. Diese Quote wurde ermittelt, indem die durchschnittliche jährliche Zuckererzeugung des betreffenden Unternehmens mit einem Koeffizienten multipliziert wird. Dieser Koeffizient drückt das Verhältnis zwischen der Grundmenge des Mitgliedsstaates und der durchschnittlichen jährlichen Zuckererzeugung in dem Staat aus. Die Grundquote betrug z.B. für Frankreich 2.400.000 Tonnen Weißzucker und für Deutschland 1.750.000 Tonnen Weißzucker. Gleichzeitig wurde für die Unternehmen abhängig von der Grundquote eine Höchstquote festgelegt. Für die Gemeinschaft wurde eine Garantiemenge an Weißzucker festgelegt. Diese war gleich 105 v. H. der im selben Zuckerwirtschaftsjahr in der Gemeinschaft für den menschlichen Verbrauch verwendet wurde. Für über die Grundquote bis zur Höchstquote erzeugte Zuckermengen wurde von den Zuckerherstellern eine Produktionsabgabe verlangt. Es wurde den Zuckerherstellern jedoch ermöglicht, sich diese Abgabe bis zu einem Hundertsatz von den Verkäufern von Zuckerrüben oder Zuckerrohr ersetzen zu lassen. Es wurde beschlossen, dass die Mindestpreise für Zuckerrüben außerhalb der Grundquote, der Hundertsatz bei der Ersetzung der Produktionsabgabe sowie der Höchstbetrag der Produktionsabgabe vom Rat auf Vorschlag der Kommission festzusetzen waren (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/9 ff. Artikel 22 ff.).

Bei Lieferverträgen von Zuckerrüben zur Zuckerherstellung wurde unterschieden, je nachdem ob die hergestellte Zuckermenge unter die Grundquote fällt, die Grundquote überschreitet oder die Höchstquote überschreitet. Unternehmen wurde es ermöglicht, den die Grundquote überschreitenden Teil der Erzeugung, maximal bis zu 10 v.H. der Grundquote, auf die Erzeugung des folgenden Zuckerwirtschaftsjahres zu übertragen. Die zu übertragene Menge muss dafür bis zum folgenden Jahr eingelagert werden. Falls ein Zuckerhersteller nicht vor der Aussaat Lieferverträge über eine der Grundquote entsprechende Zuckerrübenmenge zum Mindestpreis abgeschlossen hat, war er angehalten für alle in dem Unternehmen verarbeiteten Rüben den Mindestpreis zu bezahlen. Es wurde den Mitgliedsstaaten aber eingeräumt, diese Bestimmungen für einen bestimmten Zeitraum auszusetzen oder auf gewisse Unternehmen zu beschränken. In diesem Fall wurde für die betroffenen Unternehmen eine besondere Höchstquote festgesetzt, welche die normale Höchstquote aber nicht überschreiten durfte. Italien wurde es außerdem erlaubt, seiner Zuckerindustrie eine Reihe von Anpassungsbeihilfen zu gewähren (vgl. EWG Verordnung 1009/67, 1967, Nr. 308/11 ff. Artikel 30 ff.).

3.2 Begleitende Veränderungen

Durch den Beitritt Großbritanniens in die EG am 1.1.1973 kam es zu bedeutenden Änderungen auf den europäischen Zuckermarkt. Traditionell importierte Großbritannien erhebliche Mengen an Rohrohrzucker aus seinen ehemaligen Kolonien. 1974 lief das „Commonwealth Sugar Agreement“ aus, welches diese Importe regelte. Um die anschließende Versorgung der britischen Zuckerraffinerien mit Rohrohrzucker zu gewährleisten, war eine weiterführende Regelung notwendig (vgl. ZuckerinfoA, 2013).

Dies geschah im Rahmen des sogenannten Lomé-Abkommens, welches die formale Basis der besonderen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten wurde (vgl. Weerth & Klein, Gabler Wirtschaftslexikon, 2013). „Unter der Bezeichnung AKP-Staaten wird eine Internationale Organisation von 79 Ländern in Afrika, Karibik und dem Pazifik - davon viele ehemalige Kolonien Frankreichs und Großbritanniens – verstanden“ (Weerth & Mester, Gabler Wirtschaftslexikon, 2013). Die EU ist seit ihrer Gründung nach Art. 198-203 AEUV verpflichtet, die außereuropäischen Länder, welche zu einem der EU-Staaten eine länger bestehende besondere Beziehung besitzen, wirtschaftlich zu fördern und zu assoziieren. Dies geschieht in erster Linie aus politischen Absichten. Diese Verpflichtung kann auch als eine besondere Form der Kompensation für die durch die Gründung der Gemeinschaft entstandenen integrationsbedingten Diskriminierungen gegenüber Nicht-Mitgliedsländern in Form von Handelsverzerrungen gesehen werden. Wurde das erste Lomé-Abkommen noch zwischen neun EG-Ländern und 46 AKP-Staaten abgeschlossen, so wurde es im Laufe der Zeit fortgeführt und kontinuierlich ausgebaut. Das Lomé-IV Abkommen von 1990 bis 2000 bestand schon aus 12 bzw. 15 EU- und 71 AKP-Staaten. Ziel des Abkommens ist es, sowohl den Handel zwischen den AKP-Staaten und der EU, als auch den Handel zwischen den AKP-Ländern auszuweiten. Daher haben fast alle Erzeugnisse aus den AKP-Staaten einen von Zöllen und Kontingenten befreiten Zutritt zum EU-Raum. Von diesen Vergünstigungen ausgenommen sind nur solche Erzeugnisse, für welche bereits in Form von internationalen Warenabkommen spezielle Regelungen bestehen. Ausgenommen sind auch landwirtschaftliche Produkte welche in einer EU-Agrarmarktordnung erwähnt sind. Die AKP-Staaten haben allerdings eine Präferenzstellung gegenüber anderen Drittländern (vgl. Weerth & Klein, Gabler Wirtschaftslexikon, 2013).

Im Besonderen für Zucker wurde als Zusatzvereinbarung zum Lomé-Abkommen ein AKP-Zuckerprotokoll abgeschlossen. Dieser Vertrag besteht zwischen der EU und den zuckerproduzierenden AKP-Staaten und regelt die Lieferung von Roh- und Weißzucker in die EU. Pro Jahr werden dadurch ca. 1,3 Millionen Tonnen Zucker zollfrei und zu hohen Garantiepreisen aus den AKP-Staaten nach Europa importiert. Der Garantiepreis wird jährlich neu festgesetzt. Aus historischen Gründen sind die Quoten aber sehr ungleich verteilt. So hat z.B. das kleine Mauritius, welches als britische Kolonie für den Zuckeranbau gegründet wurde, gut ein Drittel der Gesamtquote. Die sechs Ärmsten unter den AKP-Staaten haben hingegen zusammen nur 5% Anteil am Zuckerprotokoll. Das Lomé-Abkommen wurde im Jahr 2000 durch das sogenannte Cotonou-Abkommen ersetzt, das AKP-Zuckerprotokoll behielt aber unverändert seine Gültigkeit (vgl. ZuckerinfoB, 2013).

Für einige der AKP-Staaten brachte der Zugang zum EU-Markt zu hohen garantierten Zuckerpreisen erhebliche Einnahmen. Meistens wurde aber jedoch auch keine langfristige, eigenständige Wirtschaftsentwicklung angestoßen. So kam es zu einer einseitigen Ausrichtung der Wirtschaft und einer Abhängigkeit vom Exportprodukt Zucker. So erwirtschaftet Mauritius ca. ein Viertel seiner Exporterlöse durch den Zuckerexport. Aufgrund hoher garantierter Quoten und Abnahmepreise bestand für die AKP-Staaten kaum ein Anreiz ihre Zuckerwirtschaft zu rationalisieren. Daher wären viele AKP-Staaten auf dem Weltmarkt für Zucker kaum konkurrenzfähig. Eine Reform der ZMO mit Kürzung der Preise oder Quoten ist deshalb eine erhebliche wirtschaftliche Bedrohung für die Zuckerindustrie dieser Staaten, bis hin zur existentiellen Frage (vgl. ZuckerinfoC, 2013).

Der Großteil des AKP-Zuckers wird als Rohzucker nach Europa importiert und in englischen Raffinerien zu Weißzucker raffiniert. Die Zuckerimporte aus den AKP-Staaten in die EU tragen zur Erhöhung bestehender Überschüsse bei und müssen wiederum exportiert werden. Für den Reexport werden dem Exporteur die Differenz zwischen Weltmarktpreis und EU-Preis in Form von Ausfuhrerstattungen ersetzt. Dies führt zu hohen Kosten für die EU und drückt den Weltmarktpreis. Davon profitieren können die Firmen, die den importierten Rohzucker raffinieren, die Handelsfirmen, die die Überschüsse exportieren und die AKP-Staaten, welche ihren Zucker zu hohen Preisen absetzen (vgl. ZuckerinfoD, 2013).

Zusätzlich zum AKP-Protokoll wurde noch das Special Preferential Sugar (SPS) Abkommen eingeführt. Dadurch wird sichergestellt, dass die Raffinerien der EU, welche Rohrohrzucker zu Weißzucker raffinieren, ausgelastet sind. Da das AKP-Protokoll nicht bindend zur Lieferung der festgelegten Quoten verpflichtet, gibt es den SPS, welcher im Falle von Nichtausschöpfung der AKP-Quoten als stille Reserve fungiert. Das SPS-Kontingent ist ebenfalls auf die AKP-Staaten und Indien verteilt. Das SPS-Abkommen wurde im Zusammenhang mit dem Beitrittsabkommen Spaniens und Portugals in die EU 1995 geregelt. Seit 1995 gelangten so durchschnittlich 300.000 Tonnen Rohzucker jährlich in die EU, bevor es ab 2001 schrittweise durch Importe anlässlich der „Everything but Arms-Initiative“ (EBA) abgelöst wurde (vgl. ZuckerinfoE, 2013).

Durch die EBA Initiative erhielten die 50 ärmsten Länder der Welt („least developed countries – LDC) einen schrittweise zollfreien Zugang zum europäischen Zuckermarkt. Ab 2009 durfte Zucker in Form von Rohzucker dann ohne Mengenbeschränkung nach Europa exportiert werden. Dieser Zucker kann kostengünstiger als in der EU produziert werden, daher gab es eine schrittweise Öffnung mit Übergangsregelungen in Form von steigenden zollfreien Quoten. Die LDC erhalten dafür den Interventionspreis für Rübenrohzucker. Dadurch sollten die LDC-Länder bei ihrer Integration in den Weltmarkt und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unterstützt werden (vgl. ZuckerinfoF, 2013). Als LDC gelten nach den Kriterien der UNO Länder, die ein durchschnittliches Pro-Kopf Jahreseinkommen von unter 992 $ haben, wirtschaftlich und gesellschaftlich verwundbar sind, ein geringes Humankapital besitzen und nicht mehr als 75 Millionen Einwohner haben (vgl. UNO, 2013).

Im Rahmen der Balkan-Initiative dürfen zudem seit 2005 jährlich ca. 200.000 Tonnen Zucker aus Serbien-Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Albanien zollfrei in die EU importiert werden. Dies soll den Wiederaufbau in den Balkanstaaten nach dem Bürgerkrieg unterstützen und ihre Wirtschaft als Vorbereitung für eine EU-Mitgliedschaft stärken (vgl. ZuckerinfoG, 2013).

Im Februar 2006 wurde vom EU-Agrarministerrat eine tiefgreifende Reform der EU-Zuckermarktordnung beschlossen, auf dem Weg dahin gab es bereits einige wichtige Etappen.

Als Folge des GATT-Abkommens von 1994 wurden die Zuckerexporte der EU erstmals auf 1,274 Millionen Tonnen pro Jahr begrenzt und die Subventionen für den Zucker-Export um 20 % auf maximal ca. 500 Millionen Euro pro Jahr gekürzt. Seit 2000 kam es in der EU zu geringfügigen Reduzierungen der Produktionsquoten, aber insgesamt änderte sich wenig an den massiven Subventionierungen der Zuckerexporte (vgl. ZuckerinfoH, 2013).

Der EU-Rechnungshof, welcher die Recht- und Ordnungsmäßigkeit aller Einnahmen und Ausgaben der Union im Sinne der Steuerzahler überprüft, nahm sich im Jahr 2000 der Zuckermarktordnung an. Das Urteil fiel sehr schlecht aus. So sind die Zuckerpreise in Europa gemessen am Weltmarktpreis sehr hoch, weswegen die EU-Verbraucher für Zucker ca. 6,5 Milliarden Euro mehr als zu Weltmarktkonditionen zahlen. Die Exporterstattungen kosten jährlich 800 Millionen Euro. Außerdem wird die marktbeherrschende Stellung der Zuckerhersteller in Europa bemängelt, die zu Preisabsprachen führt, und dass die Kommission zu wenig unternimmt um die Verbraucher zu schützen (vgl. ZuckerinfoI, 2013; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 2001, S. 4 ff.).

Am 22. Mai 2001 wurde die ZMO schließlich nach langen Verhandlungen vom Agrarministerrat bis zum 30. Juni 2006 verlängert (vgl. ZuckerinfoS, 2013). Brasilien legte im Juli 2003 vor der Welthandelsorganisation Beschwerde gegen die direkte und indirekte Subventionierung der EU-Exporte von C-Zucker und AKP-Zucker ein. Als Begründung wurde angegeben, dass die Exportsubventionen den Regeln des Welthandelsabkommens und anderer internationaler Abkommen widersprächen und den Wettbewerb für Zucker auf dem Weltmarkt verzerren und damit effiziente Produzenten wie Brasilien schädigen. Am 15. Oktober 2004 wurde der brasilianischen Beschwerde, die andere zuckerexportierenden Staaten wie Australien und Thailand unterstützten, durch die WTO stattgegeben. Da der unsubventionierte EU-Zucker zu teuer ist und daher nicht auf dem Weltmarkt verkauft werden kann, bleibt nur die Produktionsmengen bzw. Quoten in der EU zu reduzieren um die Zuckerüberschüsse bewältigen zu können. Auch der Widerspruch der EU, dass der reexportierte Präferenzzucker aus AKP-Staaten eine Form der Entwicklungshilfe sei, wurde nicht anerkannt und im April 2005 endgültig abgelehnt (vgl. ZuckerinfoJ, 2013).

Die ZMO enthielt anfangs nur Regelungen für Rübenzucker. Erst 1976/1977 kamen auch Verordnungen für die Produktion von Isoglucose dazu, da diese zunehmend an Bedeutung gewann. In der EWG-Verordnung vom 17. Mai 1977 heißt es: „ Der in jüngster Zeit in mehreren Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft festzustellende Aufschwung bei der industriellen Herstellung von Glukosesirup mit hohem Fruktosegehalt, nachstehend Isoglukose genannt, macht die Einführung gemeinsamer Maßnahmen für dieses Erzeugnis erforderlich“ (EWG Verordnung 1111/77, 1977, Nr. L 134/4). In der Folge wurde die Isoglucose durch Zuteilung von eigenen Quoten vollständig in die ZMO eingegliedert (vgl. Neumair 2008, S. 128).

Bis zur Reform 2006 bestand die Zuckermarktordnung aus drei Quoten.

· Die A-Quote bzw. Grundquote sollte ursprünglich die Selbstversorgung der Gemeinschaft mit Zucker sicherstellen. Daher umfasste sie die Zuckermenge, für die eine volle Absatzgarantie und eine fast unbeschränkte Preisgarantie bestand.
· Die B-Quote beinhaltete die Zuckermenge, für die eine volle Absatz-, aber nur eine deutlich beschränkte Preisgarantie bestand. Der Zweck der B-Quote war die Bildung einer Reserve. Dadurch sollten witterungsbedingte Ertragsschwankungen ausgeglichen werden und die Grundquote bzw. der Eigenverbrauch abgesichert werden.

A- und B-Quote ergeben gemeinsam die Höchst- bzw. Gesamtquote.

· C-Zucker ist die Menge an Zucker, welche die A- und B-Quote übersteigt. Für sie wurden weder Absatz- noch Preisgarantien festgelegt. C-Zucker musste bis zum Ende des Zuckerwirtschaftsjahres ohne Exportsubventionen auf dem Weltmarkt abgesetzt werden (vgl. Neumair, 2008, S. 135; von Blumencron, 2006, S. 9).

3.3 Reform der Zuckermarktordnung zum 1. Juli 2006

Die am 1. Juli 1968 in Kraft getretene Zuckermarktordnung wurde über die Jahre zwar mehrere Male abgeändert, blieb in ihrem Grunde aber bis ins Jahr 2006 gleichbleibend. „Bis zum 30. Juni 2006 ruhte die Zuckermarktordnung auf den folgenden Säulen: nationale Produktionsquoten, Interventionspreise für Weißzucker, Mindestpreise für Zuckerrüben, Exportsubventionen für den Export der hohen europäischen Zuckerüberschüsse sowie Schutz des EU-Binnenmarktes vor billigem Weltmarktzucker durch hohe Importzölle“ (ZuckerinfoR, 2013).

Gestützt auf einen Vorschlag der Europäischen Kommission vom Juni 2005 einigte sich der EU Agrarministerrat am 24.11.2005 schließlich auf eine weitreichende Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker. Danach sollte der Garantiepreis für Weißzucker innerhalb von vier Jahren um 36% gesenkt werden, wobei die Landwirte für 64,2% der Preissenkungen Ausgleichszahlungen erhalten sollten, die an die Einhaltung bestimmter Standards für Umweltschutz und Bodenbewirtschaftung gebunden waren. Die bisherigen A- und B-Quoten sollten zu einer einzigen Produktionsquote zusammengefasst werden. Es war geplant, das Interventionssystem über vier Jahre schrittweise abzuschaffen und den Interventionspreis durch einen Referenzpreis zu ersetzen. Mit einer freiwilligen Umstrukturierungsregelung über vier Jahre konnten Zuckerfabriken sowie Isoglucose- und Inulinsiruperzeuger in der EU eine Beihilfezahlung erhalten. Dies war als Anreiz für Fabrikschließungen und Quotenverzicht gedacht und um bei der Bewältigung der sozialen und ökologischen Folgen der Umstrukturierungen zu helfen. Die Beihilfe betrug im ersten und zweiten Jahr 730 Euro/Tonne, im dritten 625 Euro und im letzten Jahr 520 Euro. Mitgliedsstaaten, in denen die Quoten mindestens um eine bestimmte Höhe gesenkt wurden, erhielten Mittel aus einem Diversifizierungsfonds. Um diese beiden Zahlungen zu finanzieren, wurde von den Quoteninhabern eine Abgabe über drei Jahre erhoben. Die Isoglucosequote wurde um insgesamt 300.000 Tonnen, verteilt auf drei Jahre, für die bestehenden Erzeugerbetriebe angehoben. Zusätzlich konnte in Italien (60.000 Tonnen), Schweden (35.000 Tonnen) und Litauen (8.000 Tonnen) eine Isoglucose-Quote zum Preis in Höhe der Umstrukturierungsbeihilfe erworben werden. Um einen gewissen Erzeugungsumfang in den Mitgliedsstaaten aufrechtzuerhalten, die zu damaliger Zeit C-Zucker erzeugten, wurde dort gegen eine einmalige Abgabe eine zusätzliche Quotenmenge in Höhe von 1,1 Millionen Tonnen zugeteilt (vgl. Pressemitteilung EU-Kommission IP/05/1473, 2013).

Stark begünstigt bzw. erst ermöglicht wurde die Einigung des EU-Agrarministerrates über die ZMO-Reform aber dadurch, dass sie bei einer darauf folgenden WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2005 Erfolge im Bereich von Marktzugängen, Exportsubventionen sowie internen Stützungssystemen erzielen wollten. Durch eine Reform der ZMO zugunsten der Entwicklungsländer zeigte die EU ihren guten Willen und es boten sich Möglichkeiten auf anderen Gebieten Einigungen zu erzielen (vgl. ZuckerinfoK, 2013). Am 20. Februar 2006 wurde die Änderung der Zuckermarktordnung vom EU-Agrarministerrat schließlich formell beschlossen und zum 1. Juli 2006 trat sie in Kraft (vgl. Pressemitteilung EU-Kommission IP/06/194, 2013).

Ziele der Reform waren die Zuckerproduktion in der EU um sechs bis sieben Millionen Tonnen zu senken, subventionierte Zuckerexporte zu beseitigen, den Zuckerpreis in der EU zu senken und die Zuckerproduktion in Europa in denjenigen Regionen zu konzentrieren, die am besten dafür geeignet sind (vgl. ZuckerinfoL, 2013).

Trotz der Ausgleichszahlungen führten die Preiskürzungen aber zu Einkommensverlusten bei den Zuckerrübenbauern. Daher besteht häufig nur die Möglichkeit die Produktionskosten zu senken oder den Zuckerrübenanbau aufzugeben. Dies beschleunigt den langfristigen Konzen-trationsprozess auf bestimmte Länder und innerhalb der Länder auf die produktivsten Regionen und effizientesten Produzenten, und kleine bzw. wenig effiziente Betriebe verkaufen ihre Rübenlieferrechte und scheiden aus dem Zuckermarkt aus (vgl. ZuckerinfoM, 2013). Zwischen 2006 und 2008 sank die Zahl der Rübenbauern um 44% auf 164.000 in Europa, fünf Mitgliedsstaaten stiegen ganz aus der Zuckererzeugung aus. Durch die Senkung der Zuckerproduktion in der EU ist auch die Zuckerindustrie gezwungen viele Zuckerfabriken in der EU zu schließen, so ging die Zahl der Fabriken zwischen 2006 und 2008 um 83 auf 106 zurück (vgl. Lehmann 2013, S. 11 ff.). Die europäischen Zuckerkonzerne bauen sich stattdessen neue Geschäftsbereiche, wie die Ethanolproduktion aus Zuckerrüben oder alternative Süßungsmittel auf und expandieren u.a. in die Balkanländer, Südamerika und Südafrika (vgl. ZuckerinfoN, 2013). Für die AKP-Staaten ergaben sich durch die Preiskürzungen in der EU in Folge der Zuckermarktreform Einbußen in Millionenhöhe. Für manche der Staaten bedeutet dies tiefgreifende soziale Folgen, da die neuen EU-Preise ihre im Vergleich zu anderen AKP-Staaten hohen Produktionskosten nicht decken (vgl. ZuckerinfoO, 2013). Für die Verbraucher ergaben sich niedrigere Preise und mehr Wettbewerb der Anbieter (ZuckerinfoZ, 2013).

Für Brasilien erschlossen sich zusätzliche Exportpotentiale in Märkte, die bisher Zucker aus Europa bezogen haben. Aufgrund seiner niedrigen Produktionskosten profitiert die brasilianische Zuckerwirtschaft daher von der Reform der europäischen ZMO. Auf die Umwelt in Brasilien wirkt sich die Reform der ZMO aber eher negativ aus, da zusätzliche Flächen für den Anbau gerodet werden (vgl. ZuckerinfoP, 2013).

Für die LDC welche von der EBA-Initiative betroffen sind, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Von der Reform der ZMO können sie nicht direkt profitieren, aber ab 2009 unbegrenzt in die EU importieren. Dies lohnt sich aber nur für die Länder, die so effizient produzieren können, dass sie preislich mit dem EU-Zucker konkurrieren können. Da die EU aber kaum noch Zucker exportieren wird, bieten sich auch neue Absatzchancen auf dem Weltmarkt. Insbesondere die Öffnung des EU-Marktes führt dazu, dass die Zuckerindustrie in den EBA-Staaten attraktiver für Übernahmen und Investitionen wird, hauptsächlich durch europäische Unternehmen (vgl. ZuckerinfoQ, 2013).

3.4 Geplantes Auslaufen der Zuckermarktordnung

Ursprünglich war nach dem Willen der Europäischen Kommission geplant, die Zuckermarktordnung im Herbst 2015 auslaufen zu lassen. Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission einigten sich dann aber bei den Trilogverhandlungen über die Reform der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) am 25. Juni 2013 auf ein Auslaufen der Zuckermarktregelung erst zum 30. September 2017 (vgl. BmELV B, 2013). Der Mindestpreis für Weißzucker von 404 Euro/Tonne als Schwelle für die private Lagerhaltung bleibt weiterhin bestehen. Auch die begünstigten Importkontingente für die LDC und die AKP-Staaten bleiben erhalten. Die Rübenanbauer und Zuckerunternehmen müssen sich auf stärkere Preis- und Mengenschwankungen einstellen (vgl. Lehmann 2013, S. 11 ff.).

Abbildung 2: Anteil der Mitgliedsstaaten an der EU-Zuckerproduktion 2012

Quelle: CEFS 2012, in Lehmann 2013 S. 12

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Den größten Konzentrationsprozess der Zuckerproduktion auf bestimmte Länder und innerhalb der Länder auf die produktivsten Regionen in der EU gab es schon nach der Reform 2006. Daher gibt es nun nur noch kleinere Anpassungen. Die wettbewerbsfähigste Konkurrenz für den deutschen Rübenanbau gemessen am Zuckerertrag je Hektar ist in Frankreich, Belgien und den Niederlanden (vgl. Lehmann 2013, S. 11).

Abbildung 3: Zahl der Zuckerrübenbauern in der EU

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: CEFS Rabobank in Lehmann 2013, S. 13

Die Zahl der Zuckerrübenanbauer wird sich weiter reduzieren. Wie in nebenstehender Abbildung 3 ersichtlich, wird in der EU bis 2020 ein Rückgang auf rund 110.000 erwartet.

Langfristig geht eine größere Unsicherheit von den Freihandelsgesprächen der EU mit den Mercosur Staaten, Indien und Thailand aus. Falls diese Staaten einen verbesserten Zugang zum europäischen Markt erhalten, u.a. mit stark vergünstigem Vorzugstarif bei der Einfuhr von Zucker, würde sich die Konkurrenzsituation für die europäische Zuckerwirtschaft bedeutend verschärfen. Der normale EU-Importzoll für Weißzucker beträgt derzeit 419 €/t, der begünstigte Tarif hingegen durchschnittlich 98 €/t. Die Zuckerindustrie in Europa ist spätestens seit der Zuckermarktreform 2006 bereits sehr konzentriert. Daher erwartet u.a. die niederländische Agrarbank trotz des intensiven Wettbewerbs keine größere Welle von Übernahmen und Zusammenschlüssen auf dem europäischen Zuckermarkt. Gegebenenfalls sind nur noch kleinere Strukturbereinigungen wahrscheinlich (vgl. Lehmann, 2013, S. 11 ff.).

Tabelle 2: Zuckerhersteller in Europa

Quelle: Nordzucker 2011

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4 Die globale Zuckerproduktion im nationalen und europäischen Kontext

Rund 180 Millionen Tonnen betrug die weltweite Erzeugung an zentrifugiertem Zucker im Jahr 2012 (FAO Statistics, 2013). Anfang des 20. Jahrhunderts betrug das Verhältnis von Rohr- zu Rübenzucker noch etwa 1:1. Dieses hat sich aber nach und nach zugunsten des Rohrzuckers verschoben und liegt nun bei mehr als 3:1. Der Zuckerhandel auf dem Weltmarkt wird über die New Yorker Kaffee-, Zucker- und Kakaobörse, die Londoner oder die Pariser Zuckerbörse abgewickelt. Der größte Teil des Zuckers wird aber wegen zwischenstaatlicher Vereinbarungen mit festen Preisen geliefert. Da der Weltmarktpreis großen Schwankungen unterliegt, versuchen die Export- und Importländer mit internationalen Zuckervereinbarungen eine Konsolidierung des internationalen Zuckerhandels mit befriedigendem Preisniveau zu erreichen. Dies geschieht über die Vorgaben von Preisspannen und Exportquoten. Gründe für den Anstieg der Weltzuckerproduktion sind einerseits das Wachsen der Erdbevölkerung und andererseits, besonders in den wenig entwickelten Gebieten, die Zunahme des Pro-Kopfverbrauchs der Bevölkerung was mit wachsendem Einkommen und steigendem Lebensstandard einhergeht (vgl. Hoffmann, Mauch, & Untze, 2004, S. 3 f.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 111 Seiten

Details

Titel
Die europäische und globale Bedeutung der Isoglucose nach dem Ende der Zuckermarktordnung
Hochschule
Universität Hohenheim
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
111
Katalognummer
V366024
ISBN (eBook)
9783668453449
ISBN (Buch)
9783668453456
Dateigröße
1947 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, isoglucose, ende, zuckermarktordnung
Arbeit zitieren
Philip Oesterreicher (Autor:in), 2015, Die europäische und globale Bedeutung der Isoglucose nach dem Ende der Zuckermarktordnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366024

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