Rhetorik im Unterricht. Stiltugend der Sprachrichtigkeit latinitas / puritas


Unterrichtsentwurf, 2017

14 Seiten, Note: 18


Leseprobe


Inhalt

1. Rhetorik
1.1 Ursprünge und Anfänge
1.2 Stiltugenden und -qualitäten

2. Eckdaten und rhetorischer Hintergrund der Unterrichtsübung
2.1 Sprachrichtigkeit (latinitas / puritas)
2.2 Eckdaten

3. Unterrichtsübung
3.1 Übung 1
3.2 Übung 2
3.3 Übung 3

4. Literatur

1. Rhetorik

1.1 Ursprünge und Anfänge

„So klar die Aufgabenstellung der Rhetorik mit der Thematisierung der Redekunst umrissen zu sein scheint: der Blick in die Geschichte zeigt alles andere als ein einheitliches Bild.“[1]

Diese Worte zeigen beides, die teils unsichere Überlieferung der Geschichte der Rhetorik aber auch die Vielfalt, die das Feld mit sich bringt. Festzustellen ist, dass die Frühgeschichte der Rhetorik unvollständig ist, denn es wurden nur wenige Texte erhalten; je weiter man in der Historie zurückschaut, desto unbeträchtlicher werden die bereits geringen Informationen, die für die Wissenschaft wertvoll sind. Weil nur im geringen Maße schriftliche Zeugnisse vorzeigbar sind, gilt „der Übergang von der praktischen Beredsamkeit, die als Naturanlage vorauszusetzen ist und von allen Menschen geübt wird, zu einer reflektierten Beredsamkeit aufgrund eines Kanons von Regeln, Exempeln und Übungen fließend.“[2] Dies bedeutet also, dass das Reden nicht naturwüchsig (wie im Schnabel gewachsen), sondern geregelt, normiert, kunstvoll, selbstbestimmend und durchdacht ist. Somit liegt der Rede-Erfolg in der Hand der helfenden Mittel, die im Vollzug des Sprechaktes das Verfahren des Redens habitualisieren.[3] Heute ist eine Vielzahl von gängigen Rhetorik-Ratgebern mit falschen Versprechen bekleidet. So rücken Buchtitel, wie „Rhetorik für Dummies“ oder „Schlagfertigkeit in 30 Minuten“, unter Angesicht der klassischen Rhetorik, rasch in eine Absurdität. Demnach unterschieden die griechischen Theoretiker und Philosophen wie Aristoteles nicht zwischen praktischer und theoretischer Rhetorik, denn „die techne rhetorike bezeichnete zugleich die Rhetorik als praktische Fertigkeit wie auch als theoretisches Vermögen“.[4]

Die Rhetorik war ein in der Antike gegründetes, politisch und ethisch geprägtes Lehrsystem, welches die öffentliche Rede vorantreiben sollte. Als einer der Hauptvertreter der Rhetorik ist der römische Intellektuelle Quintilian zu nennen, der mit der ‚ Rhetorice ars est bene dicendi’ die Arbeitsphasen des Redners maßgeblich veränderte und somit das rednerische Schema von Grund auf neugestaltete. Die Auswirkungen dieser Reformation gehen so weit, dass sie bis heute in der rhetorischen Lehre wiederzufinden sind. Das Konzept Quintilians berücksichtigt mehrere verschiedene Elemente, welche von der Stoffsuche (inventio), der inhaltlichen Gliederung (dispositio) über das zentrale Feld der stilistischen Gestaltung (elocutio) bis hin zum Verhalt (memoria) und dem eigentlichen Vortrag (actio) reichen. „Dem Produktionsschema zugeordnet waren Theorien der Redegattungen (z.B. Gerichtsrede, Festrede), der Redeteile (z.B. Beweisführung: argumentatio) sowie der Stilarten (genera dicendi: schlichter, mittlerer, erhabener Stil) und der Stilqualitäten (Sprachrichtigkeit: latinitas, Verständlichkeit: perspicuitas, Angemessenheit: aptum, Schmuck: ornatus).“[5] – welche später genauer analysiert werden. Wie vorher erwähnt, weist die antike Rhetorik bereits Konzepte der heutigen Sprachwissenschaft auf, die immer noch als wichtig und notwendig für sprachliche Handlungs- und Stiltheorien sind. In der mittelalterlichen und neuzeitlichen Schulrhetorik verengte sich die Theorie auf ein Teilfeld der elocutio und der ornatus -Lehre, woran sich im 18. Jahrhundert der poetische Sprachgebrauch (Stilistik) gänzlich orientierte. In der gegenwärtigen Rhetorik knüpft das Moderne an die Antike an, führt man sich auf der einen Seite Rhetorik als gesellschaftliches Instrument in einer demokratisierten Öffentlichkeit, auf der anderen Rhetorik als Theorie der korrekten und überzeugenden Argumentation vor Auge. Ebenso weist die Vermittlung der lehrbaren Redekunst und die sozialpsychologisch fundierte Kommunikationstechnik, wie auch die stilistische, aus der antiken elocutio entwickelte Theorie der angemessenen und kunstvolle, „elokutionären“ Formulierung auf die Verknüpfung –modern, antik – hin.[6] Der moderne Aufbau einer Präsentation lehnt sich an die antiken rednerischen Arbeitsphasen, wurde aber umformuliert. Die Zielformulierung und die Materialsammlung gehören ebenso zum Aufbau einer Rede wie die Auswahl, die Gliederung und die Aufbereitung des Stoffs. Daraus entsteht der eigentliche Text; im Normalfall bereitet der Redner zusätzlich eine Diskussion mit dem Publikum vor.

„Von anderen Formen des Sprechens unterscheidet sich die rhetorische Kommunikation durch die sorgfältig geplante, auf Wirkung bedachte sprachliche Gestaltung, sei es mündlich oder schriftlich, dialogisch oder monologisch, im privaten („Alltagsrhetorik“) oder im öffentlichen Bereich (Politik, Jurisprudenz, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, Werbung).“[7]

Wesentlich für das rhetorische Interesse ist der Kommunikationsakt, der persuasiv Handlung und Meinung der Zuhörerschaft prägt und gestalten kann. Nicht zuletzt in Textsorten, wie Wahlreden, Predigten, Debatten, Kommentare oder Werbeanzeigen, doch auch Literaturgattungen oder -epochen finden im Gebrauch der Rhetorik ihren Nutzen.[8]

„Die wichtigste Wirkungsstätte der Rhetorik im Kaiserreich wurde die Schule, der repräsentative Aufführungsort das Theater“[9], was sich für angehende Lehrer als eine besonders interessante Erkenntnis herausstellt. Schließlich ist die Auffassung Quintilians für den heuten Schulalltag immer noch aktuell, möchte man als Lehrpersonal eine rhetorische Entwicklung im Sprechakt der SuS fördern. Tatsächlich bieten sich im Unterricht viele Lernmöglichkeiten und Instrumente an, um SuS rhetorisch auszubilden; spricht die moderne Kursgestaltung vom handlungs- und produktionsorientiertem Unterricht, in dem das Lehrpersonal als Begleit-, die Schülerschaft als Hauptakteur fungiert. Dazu gehören häufige Schülervorträge, Präsentationen, Gruppenarbeiten, sowie eigenständiges Verfassen und Umschreiben von Geschichten, Debatten oder auch Inszenierungen von Theaterstücken. Künstliche Beratungsreden (sog. suasoriae), literarische bzw. mythologische Streitgespräche und forensische Schaugefechte (sog. controversiae) bestimmten zur Zeiten des Kaiserreichs die Ausbildung in der Schule. Inhaltlich waren die behandelten Scheinprobleme von minderer Wichtigkeit: die Form des Sprechaktes stand über allem. In der Deklamation „versuchte ein Schau-Redner den anderen zu übertreffen, der Stil wurde immer mehr verfeinert, schmuckreicher, raffinierter und sentenziöser, die manierierte asianistische Redeweise triumphierte über die maßvolle klassische attische Beredsamkeit.“[10] So beschreibt Martin Lowther Clark, in seinem Werk ‚Die Rhetorik bei den Römern’, die Deklamationen als phantastisch, melodramatisch und gerade deswegen beliebt in einer recht eintönigen Zeit.

Die Interdisziplinarität der Rhetorik reicht unsäglich weit und ist in Bereichen wie der philosophischen Hermeneutik, der postmodernen Ästhetik, Gesprächserziehung und der rhetorischen Ethik wiederzufinden.[11]

1.2 Stiltugenden und -qualitäten

„Die antike Rhetorik unterschied bei der Behandlung der sprachlichen Darstellung der Gedanken zwei Aspekte. Einmal ging es um einzelne Stilqualitäten oder Tugenden der Rede, zu denen nach dem klassischen Vierermodell Sprachrichtigkeit, Klarheit, Schmuck und Angemessenheit gehören. Zum anderen ging es um sprachliche Charakteristika, die einen Text insgesamt prägen: die Stilgattungen.“[12]

Die Sprachrichtigkeit (latinitas) wurde in der Antike problematisch wahrgenommen. Als Grundlage hatte die latinitas vier Richtlinien bei denen es jedoch regelmäßig zu Abweichungen kam, welche zu Verstößen bei den korrekten Ausdrucksformen führten. Im Grunde gehört die Sprachrichtigkeit in das Feld der Grammatik und kennzeichnet somit den Übergang der einen Kunst in die andere. Die Klarheit (perspicuitas) hat das besondere Merkmal, dass das Ziel der Rede sich im Normallfall nur überliefern lässt, wenn die Zuhörerschaft versteht, worum es geht. Die perspicuitas „dient also der (intellektuellen) Verständlichkeit und gilt als steigerbar bzw. auch als verfehlbar.“[13] Verständlichkeit steht somit an erster Stelle der Sprachklarheit, womit sich auch der Schmuck intensiv auseinandersetzen muss. Der Redeschmuck (ornatus) gilt als größtes Feld der Rhetorik-Lehre und ist zugleich die Theorie, die das größte Verachten auf sich gezogen hat. Der Grund hierfür „liegt in den berüchtigten Listen, in denen die einzelnen Schmuckformen oder Stilmittel ohne jeden Sinn für ihren Zusammenhang und vor allem für ihre spezifische sprachliche Leistung (zum Auswendiglernen) aufgezählt wurden.“[14] Im Bereich ornatus werden in der Regel drei Aspekte behandelt: Tropen (Ersetzungen, z.B. Metaphern oder Umschreibungen), Figuren (Wort- oder Sinnfiguren) und Wortfügung (Rhythmus oder Klauseln). Die Angemessenheit (aptum) dient gewissermaßen als Kontrolle der Sprache. Sie überwacht den adäquaten Umgang mit der Versprachlichung jedes Sachverhaltes und prüft die Kompatibilität des sprachlichen Gesamtbildes.[15] Die Kürze (brevitas) bezeichnet in der Rhetorik das absichtliche Weglassen eigentlich notwendiger Gedanken und ist nebenbei um eine knappe Ausdrucksweise (z.B. durch Ellipse oder Asyndeton) bemüht. William Strunk stellt in seinem Werk ‚The elements of style’ die kraftvolle Sprache als kurz und bündig dar, denn für ihn darf ein Satz kein unnötiges Wort, ein Absatz keinen unnötigen Satz enthalten. Wird die Kürze angemessen angewandt, wird Prägnanz in der Sprache gefördert. Die Aussage von Wolf Schneider ‚Mit Silben geizen’ drängt sich bei der Anwendung der brevitas ebenso auf.

[...]


[1] Göttert, Karl-Heinz: Einführung in die Rhetorik. Grundbegriffe – Geschichte – Rezeption. 4. Auflage, Paderborn 2009, S. 19.

[2] Ueding, Gert: Klassische Rhetorik. 5. Auflage, München 2011, S. 11.

[3] Vgl. ebd.

[4] Ebd., S. 12.

[5] Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. Auflage, Stuttgart 2002, S. 568.

[6] Vgl. ebd.

[7] Ebd.

[8] Vgl. ebd.

[9] Göttert, Karl-Heinz: Einführung in die Rhetorik. Grundbegriffe – Geschichte – Rezeption. 4. Auflage, Paderborn 2009, S. 46.

[10] Ebd., S. 47.

[11] Vgl. Bußmann (Anm. 5), S. 568.

[12] Göttert, Karl-Heinz: Einführung in die Rhetorik. Grundbegriffe – Geschichte – Rezeption. 4. Auflage, Paderborn 2009, S. 42.

[13] Ebd., S. 44.

[14] Ebd., S. 45.

[15] Ebd., S. 42.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Rhetorik im Unterricht. Stiltugend der Sprachrichtigkeit latinitas / puritas
Hochschule
Université du Luxembourg
Note
18
Autor
Jahr
2017
Seiten
14
Katalognummer
V365323
ISBN (eBook)
9783668447196
ISBN (Buch)
9783668447202
Dateigröße
515 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rhetorik, unterricht, stiltugend, sprachrichtigkeit
Arbeit zitieren
Raoul Michels (Autor:in), 2017, Rhetorik im Unterricht. Stiltugend der Sprachrichtigkeit latinitas / puritas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/365323

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Rhetorik im Unterricht. Stiltugend der Sprachrichtigkeit latinitas / puritas



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden