Rasterelektronenmikroskop (REM) Bruchflächenanalyse an Magnesiumdrähten zur Beweisführung von Spannungsrisskorrosion


Bachelorarbeit, 2016

74 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Formelverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen
2.1 Einteilung, Kennzeichen und Ursachen von Brüchen
2.2 Korrosion
2.2.1 Allgemeine Korrosionsmechanismen und Erscheinungsformen
2.2.2 Magnesiumkorrosion
2.3 Magnesium
2.3.1 Physiologische Bedeutung von Magnesium
2.3.2 Magnesiumlegierungen als Implantatwerkstoff
2.3.3 Gadolinium als Legierungselement
2.4 Prüfstand für den Nachweis von SpRK
2.5 Ausgangssituation

3 Methodik
3.1 Bestandsaufnahme
3.2 Anwendung des Rasterelektronenmikroskops
3.3 Chromsäurebehandlung der Drähte im T4 und as-drawn Zustand . .
3.4 Erstellung von aussagekräftigen Längsschliffen
3.5 Anwendung des Digitalmikroskops

4 Ergebnisse
4.1 REM gestützte Bruchflächenanalyse
4.1.1 Analyse der Drähte im as-drawn* und T4* Zustand
4.1.2 Analyse der Drähte im as-drawn und T4 Zustand
4.2 Restbruchflächen
4.3 Analyse der präparierten Magnesiumdrähte am Digitalmikroskop .

5 Auswertung
5.1 Zeitstandkurve
5.2 Chromsäurebehandlung
5.3 Bruchflächenanalyse
5.4 Restbruchflächen
5.5 Gefügeuntersuchung
5.6 Ergebnis

6 Zusammenfassung

7 Ausblick

8 Anhang
8.1 Elektrochemische Spannungsreihe ausgewählter Metalle
8.2 Pourbaix-Diagramm von Magnesium
8.3 Daten aus Zeitstandversuch
8.4 Reaktionsgleichungen der Chromsäurebehandlung
8.5 Beispielprotokoll Zeitstandversuch
8.6 REM Aufnahmen
8.7 Sicherheitsdatenblatt Chromsäure

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Phasen eines resobierbaren Implantates im Einsatz [Bac09]

2 Mikroskopische Gewaltbruch-Erscheinungsformen mit zugehöriger REM- Aufnahme [TAZ]

3 Einteilung elektrochemischer Korrosion [WKG98]

4 Lokale Erscheinungsformen von Korrosion (schematisch) [Gob06] . . .

5 Lochkorrosion an einem Mg4Gd-Draht im as-drawn Zustand

6 Interkristalliner Riss einer AZ31 Magnesium Legierung, hervorgerufen durch anliegende Spannung bei ablaufender Korrosion [CW]

7 REM-Aufnahmen typischer SpRK-Rissstrukturen [Lan92]

8 Magnesium - Gadolinium Phasendiagramm [OMSK90]

9 Prüfstand für den Nachweis von SpRK durch Zeitstandversuch [Gar14]

10 Veranschaulichung der Drahteinspannung [Gar14]

11 Korrodierter Magnesiumdraht im as-drawn Zustand aus Zeitstandver- such

12 Spannungs-Dehnungs-Digramm Mg4Gd / Mg [PMH15]

13 Zeitstandkurve von Magnesiumdrähten der Legierung Mg4Gd im as- drawn und T4 Zustand

14 REM-Probentisch mit eingespannten Drähten

15 Magnesiumdrähte während der Chromsäurebehandlung

16 In Harz eingebettetes und längs geschliffenes Magnesiumdrahtende im as-drawn Zustand

17 Bruchflächen der Magnesiumdrähte im as-drawn* und T4* Zustand aus Zugversuch

18 REM-Aufnahmen von Bruchflächen verschiedener Magnesiumdrähte mit vorhandenen Korrosionsprodukten

19 REM-Aufnahmen geätzter Mg4Gd Bruchflächen der zwei verschiede- nen Werkstoffzustände

20 Detail REM-Aufnahmen geätzter Mg4Gd Bruchflächen der zwei ver- schiedenen Werkstoffzustände zur Veranschaulichung der Bruchflächen- struktur

21 Bestimmung der Restbruchflächen am Keyence Digitialmikroskop . .

22 Übersichtsaufnahmen korrodierter und versagter Magnesiumdrähte aus Zeitstandversuch im Längsschliff

23 Untersuchung des Gefüges der Bruchzone eines Magnesiumdrahtes, Zu- stand: as-drawn

24 Untersuchung des Gefüges der Bruchzone eines Magnesiumdrahtes, Zu- stand: T4

25 REM-Aufnahmen zum Vergleich der Bruchflächenstrukturen der vier untersuchten Drahtzustände

26 Pourbaix-Diagramm von Magnesium [Kam00]

27 Beispielprotokoll aus Zeitstandversuch [RP15]

28 Bruchfläche eines Magnesiumdrahtes im as-drawn* Zustand [Erd14]

29 Bruchfläche eines Magnesiumdrahtes im T4* Zustand

30 Bruchfläche eines ungereinigten Magnesiumdrahtes, Zustand as-drawn

31 Bruchfläche eines gereinigten Magnesiumdrahtes, Zustand as-drawn

32 Seitenansicht eines gereinigten Magnesiumdrahts, Zustand as-drawn .

33 Bruchfläche eines ungereinigten Magnesiumdrahtes, Zustand T4

34 Bruchfläche eines gereinigten Magnesiumdrahtes, Zustand T4

35 Bruchfläche eines Magnesiumdrahtes mit markierter Restbruchfläche .

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Formelverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

1 Eigenschaften verschiedener Materialien [SPD06]

2 Zusammenfassung der vier Draht-Ausgangszustände

3 Restbruchflächen ausgewählter Drähte

4 Elektrochemische Spannungsreihe ausgewählter Metalle [Kam00]

5 Protokollauswertung Zeitstandversuch - Mg4Gd as-drawn [RP15]

6 Protokollauswertung Zeitstandversuch - Mg4Gd T4 [RP15]

1 Einleitung

Die Anwendung von nicht degradierbaren Implantaten zur Fixierung von Knochen nach Frakturen ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine effektive Methode [Del], um diese während der Regeneration zu unterstützen. Dabei werden vorrangig Kompo- nenten eingesetzt, die keine knochenähnlichen mechanischen Eigenschaften aufweisen [Kam00]. Dazu zählen Schrauben, Stifte und Platten aus Titan oder Edelstahl, die nach Abschluss der Genesung am Knochen fixiert verbleiben oder durch einen zusätz- lichen operativen Eingriff wieder entfernt werden. Diese schmerzhafte und aufwendi- ge Doppelbelastung des zweiten Eingriffs ist für betroffene Patienten ein erheblicher Nachteil. Aktuelle Forschungen laufen darauf hinaus, den operativen Aufwand für Mediziner und vor allem Patienten zu verringern. Dies ist möglich in dem resorbierbare Implantate zum Einsatz kommen, die vom Körper abgebaut werden, sobald sie ihre Funktion er- füllt haben (siehe Abb. 1). Ein zwei- ter Eingriff wäre somit nicht notwen- dig. Als metallischer Werkstoff bietet Magnesium für dieses Anwendungs- gebiet vorteilhafte Eigenschaften und zieht immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Die gute Biokompatibilität, die

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Phasen eines resobierbaren Implantates im Einsatz [Bac09]

knochenähnlichen mechanischen Eigenschaften und die Möglichkeit der Resorption im menschlichen Körper, ermöglichen den Einsatz von speziellen Legierungen als degra- dierbare Implantate [FC15]. Da Magnesium ein geringes elektrochemisches Potenzial aufweist und somit in wässrigen Medien sehr reaktiv ist, wird darauf hingearbei- tet, das Korrosionsverhalten durch ausgewählte Legierungselemente besser steuern zu können. Ziel ist es, eine gleichmäßige Degradation des Implantates zu erhalten.

Magnesiumlegierungen, die Gadolinium als Bestandteil enthalten, zeigten in bisheri- gen Untersuchungen eine deutlich verringerte Korrosionsrate und verbesserte mecha- nische Eigenschaften im Vergleich zu reinem Magnesium [PMH15]. Diese Legierung könnte ein vielversprechender Kandidat für medizinische Anwendungen sein. Ziel dieser Arbeit ist es, die Magnesium-Gadolinium-Legierung Mg4Gd auf bestimm- te Eigenschaften und Verhaltensweisen zu untersuchen. Dabei steht der Nachweis im Vordergrund, ob die Legierung bei einer definierten Probengeometrie zu Spannungs- risskorrosion neigt. Untersucht wird dies mit einer statischen Last im elastischen Spannungsbereich. Kann Spannungsrisskorrosions nachgewiesen werden, würde die Legierung in der vorliegenden Zusammensetzung nicht zum Einsatz als Implantat- werkstoff kommen. Das Material könnte im schlimmsten Fall unvorhergesehen versa- gen und Folgeschäden im Körper hervorrufen. Alternativ dazu gilt es zu ermitteln, ob die Legierung durch korrosive Querschnittsminderung in den plastischen Belastungs- bereich übergeht und dadurch versagt.

Zur Untersuchung werden Bruchflächen von Drähten mit 1,6 mm Durchmesser und 50 mm Länge am Rasterelektonenmikroskop abgebildet. Anhand der hohen erreichbaren Auflösungen und der Tiefenschärfe lassen sich Strukturen und Gegebenheiten auf den Oberflächen optimal analysieren. Zusätzlich werden diese Proben eingebettet im Längschliff an einem Lichtmikroskop betrachtet, um makroskopische sowie mikroskopische auffällige Strukturen im Gefüge analysieren zu können. Die Proben stammen aus einem Zeitstandversuch, der die realen Bedingungen eines Implantates im menschlichen Organismus bestmöglich simuliert hat. Dieser Versuch fand im Werkstofftechniklabor der Fachhochschule Stralsund statt, wurde jedoch nicht vom Verfasser dieser Arbeit durchgeführt [RP15].

2 Grundlagen

Dieses Kapitel soll dem Leser ein Grundlagenwissen, welches für das Verständnis der folgenden Arbeit notwendig ist, zur Verfügung stellen. Dazu gehören allgemeine Informationen, Grundlagen zu dem Werkstoff Magnesium, die Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten durch Legierungen und die Bedeutung für medizinische Anwendungen. Weiterhin wird die Korrosion von Magnesium beschrieben, die bei der vorliegenden Thematik von entscheidender Rolle ist.

2.1 Einteilung, Kennzeichen und Ursachen von Brüchen

Die Analyse von Bruchflächen ist ein wichtiger Bestandteil der Schadensanalyse sowie der zerstörenden Werkstoffprüfung. Anhand der Bruchfläche lassen sich Aussagen bezüglich der Ursache und Ablauf des Versagens machen. Die Art und individuelle Ausbildung eines Bruches geben Hinweise auf die Beanspruchungszustände [Lan92]. Oftmals lassen sich schon bei makroskopischer Betrachtung gewisse Merkmale ausmachen, die eine Identifizierung der Bruchart ermöglichen. Wichtige Beschaffenheiten sind z.B. der Verlauf des Bruches durch das Bauteil, der Grad der Deformation und die Struktur/Beschaffenheit der Bruchfläche.

Ist das makroskopische Erscheinungsbild jedoch nicht eindeutig, erfolgt die mikroskopische Betrachtung zur genaueren Untersuchung. Hierbei wird die Bruchfläche im hochauflösenden Abbildungsbereich nach markanten Informationen abgesucht. Dazu zählen beispielsweise der Bruchausgangspunkt, der Ausbreitungsverlauf von Rissen und der Gefügezustand [RHB12].

Die Einteilung von Brüchen erfolgt nach Lange [Lan92] in drei dominierende Bean- spruchungsarten, die zum Bauteilversagen führen. In der folgenden Auflistung werden zusätzlich die häufigsten Erscheinungsformen für jede Beanspruchungsart aufgeführt.

Mechanisch bedingte Risse und Brüche

- Gewaltbruch

- Gleitbruch (trans- oder interkristallin)
- Spaltbruch (trans- oder interkristallin)
- Mischbruch

- Schwingbruch

Korrosionsbedingte Risse und Brüche

- Mikrogalvanische Korrosion (Kornzerfall)
- Spannungsrisskorrosion (trans- oder interkristallin)
- Schwingungsrisskorrosion

Thermisch bedingte Risse und Brüche

- Kriechbrüche
- Schweißrisse
- Härterisse

Mechanisch bedingte Risse und Brüche

Gewaltbrüche entstehen im Allgemeinen durch mechanische Überbelastung bei mä- ßiger bis schlagartiger Beanspruchung. Das Abgleiten entlang der Schubspannungs- ebenen, mit gleichzeitiger plastischer Verformung, beschreibt den Gleitbruch [Lan92]. Dieser wird durch einen zähen Werkstoffzustand, höhere Temperaturen, einachsigen Spannungszustand und eine niedrige Belastungsgeschwindigkeit begünstigt. Im Gegensatz dazu ist der Spaltbruch nahezu verformungslos und äußert sich häu- fig bei den entgegengesetzten Bedingungen des Gleitbruchs, hervorgerufen durch die Zug-Normalspannung σ max. Im Gefüge kann dieser in zwei Arten auftreten, als trans- und interkristalliner Bruch. Abbilding 2 zeigt die Rissverläufe im Bauteil sowie Aus- schnitte von Gewaltbruchflächen. Möglich ist durch vorhandene Bedingungen von Gleit- und Spaltbruch auch der Mischbruch (Spröd-Duktilbruch). Dieser zeigt bei der Bruchflächenanalyse Merkmale beider Brucharten [Lan92]. Wenn Bauteile durch äußere Einflüsse im tragenden Querschnitt gemindert werden oder die wirkende Span- nung auf diesen zunimmt, sind i.d.R. Gewaltbrüche das Resultat.

Schwingbrüche entwickeln sich unter wechselhafter mechanischer Beanspruchung. Voraussetzung für das Materialversagen ist die Entstehung eines Schwingrisses. Während der Schwingriss weiter wächst und den Restquerschnitt mindert, steigt die vorhandene Spannung bis es zum Gewaltbruch kommt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Mikroskopische Gewaltbruch-Erscheinungsformen mit zugehöriger REM-Aufnahme [TAZ]

Korrosionsbedingte Risse und Brüche spielen im Kontext dieser Arbeit eine ent- scheidende Rolle. Grundlegend findet eine örtliche Auflösung des Werkstoffes durch eine elektrochemische Reaktion statt. Diese lokal kritischen Zonen neigen verstärkt zur Bildung von Rissen auf Grund von vorhandenen Spannungsspitzen. Laufen die- se Prozesse mit zunehmendem Materialabtrag und Risswachstum ab, kann dies zum Versagen des Bauteils führen. In Abschnitt 2.2.2 sind die wichtigsten Korrosionsarten in Bezug auf Magnesium erläutert. Deshalb entfällt an dieser Stelle die allgemeine Erklärung der Ursachen für Korrosionsbedingte Risse und Brüche.

Auf thermisch bedingte Risse und Brüche wird in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden, da sie für die vorliegenden Werkstoffzustände, Belastungszeiten und Prüfmethoden nicht relevant sind (siehe Abschnitt 2.4 und 3.1).

2.2 Korrosion

2.2.1 Allgemeine Korrosionsmechanismen und Erscheinungsformen

Korrosion wird als Reaktion eines Werkstoffes mit der Umgebung definiert. Dabei können messbare Veränderungen bezüglich der Geometrie und Funktion das Ergebnis sein. Diese Veränderungen entstehen durch verschiedene Schädigungsmechanismen. Generell gilt aber, dass Korrosion immer mit dem Transport von Ionen, Molekülen oder Atomen an dem Übergang von Material zu Umgebung verbunden ist [WKG98]. Auf Grund der Komplexität der Korrosionsprozesse werden Informationen über das Korrosionsverhalten anhand von indirekten Messungen ermittelt. Eine typische Vari- ante zur Bestimmung der Korrosionsrate ist die Ermittlung einer Gewichtsdifferenz. Diese wird über einen bestimmten Zeitraum, in dem die Werkstoffprobe der Korrosi- on ausgesetzt ist, erfasst. Ebenso populär ist es bei elektrochemischer Korrosion aus der Messung von Strom und Spannung auf ablaufende Korrosionsmechanismen zu schließen.

Korrosion kann bezüglich der ablaufenden Prozesse in drei Gruppen unterschieden werden. Dazu zählen die physikalische, die chemische und die elektrochemische Korro- sion. Für die vorliegende Arbeit ist die elektrochemische Korrosion relevant und wird deshalb genauer betrachtet. Ein elektrochemisches Korrosionssystem besteht aus An- ode, Kathode und Elektrolyt. Bedingung für einen ablaufenden Korrosionsprozess ist die leitfähige Kopplung dieser drei Komponenten. Ist diese gegeben, oxidieren die Metallionen und gehen in die Lösung über [Gob06]. Allgemein wird der Punkt, an dem sich das Metall auflöst als Anode bezeichnet. Die Kathode ist der Bereich, an dem die vom Metall freigegebenen Elektronen mit den positiv geladenen Ionen aus dem Elektrolyten rekomibinieren und kann beispielsweise die entstehende Oxid- schicht sein [WKG98]. Die verschiedenen Erscheinungsformen der elektrochemischen Korrosion sind in Abbildung 3 dargestellt [Gob06].

Die gleichmäßige elektrochemische Korrosion kennzeichnet sich durch einen einheit- lichen Materialabtrag auf der gesamten Oberfläche. Hierdurch lässt sich das Verhal- ten des Werkstoffes bis zu einem gewissen Punkt voraussagen. Das Erreichen dieser Erscheinungsform ist das Ziel bei der Entwicklung von resorbierbaren metallischen Implantaten. Nur durch die gleichmäßige Degradation des Werkstoffes können die notwendigen Eigenschaften eines Implantates während der Funktionsphase gewähr- leistet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Einteilung elektrochemischer Korrosion [WKG98]

Eine lokal ablaufende Korrosion kann, wie in Abbildung 3 ersichtlich, in mehreren Erscheinungsformen auftreten. Dabei variieren die Ausmaße, jedoch erfolgt im Ge- gensatz zur gleichmäßigen Korrosion nur ein örtlich begrenzter Materialabtrag. In Abbildung 4 sind die für diese Arbeit relevanten Korrosionsarten dargestellt. Die Erläuterung der einzelnen Erscheinungsformen erfolgt in Bezug auf Magnesium im Abschnitt 2.2.2.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Lokale Erscheinungsformen (schematisch) [Gob06]

2.2.2 Magnesiumkorrosion

Eine kontrollierte und gleichmäßige Korrosion ist das Ziel, wenn es darum geht, ei- ne degradierbare Magnesiumlegierung zu entwickeln, die als Implantat über einen gewissen Zeitraum komplett vom Körper resorbiert werden kann. Dazu gilt es die grundlegenden Korrosionsmechanismen von Magnesium zu verstehen. Das Degradationsverhalten von Magnesiumlegierungen hängt von vielen zusätzlichen Faktoren ab. Dazu zählen beispielsweise die genaue Legierungszusammensetzung, Reinheit und die Mikrostruktur. Um die Korrosion vereinfacht zu veranschaulichen, wird in diesem Zusammenhang die Magnesiumkorrosion in wässrigen Elektrolyten betrachtet. Es werden typische Korrosionsarten, für die Magnesium anfällig ist, er- läutert. Diese bilden oftmals Lokalelemente, welche die mechanischen Eigenschaften stark beeinflussen und die Degradation vom Werkstoff beschleunigen [PMH15].

Korrosionsmechanismus in wässrigen Elektrolyten

Magnesium gilt als eines der reaktivsten Korrosionswerkstoffe und weist ein Standart- normalpotential E 0 von 2 , 37 V auf (vgl. Anhang, Tabelle 4). An der trockenen Luft reagiert Magnesium mit dem Luftsauerstoff und bildet eine stabile, jedoch sehr dün- ne Oxidschicht, die das Bauteil vor weiterer Korrosion durch die Umgebung schützt [Kam00].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch die Anwesenheit von Wasser wird diese Oxidschicht instabil und reagiert zu dem stabileren Magnesiumhydroxid M g (OH)2. Zu beobachten ist, dass während der Korrosion im Elektrolyt ein Potential von ca. 1 , 7 V herrscht. Dies lässt sich mit der teilweise schützenden Wirkung der Oxid- und Hydroxidschicht, zwischen dem Werkstoff und dem Elektrolyt, begründen [Sch11].

Magnesium reagiert in wässrigen Elektrolyten unter der Reduktion von Wasserstoff. Dabei entstehen als Korrosionsprodukt Magnesiumhydroxid sowie elementarer Wasserstoff H 2. Zusammenfassen lässt sich die Reaktion von Magnesium in wässrigen Elektrolyten wie folgt [GLS99].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei laufen die aufgeführten Teilreaktionen ab.

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Nach Song et al. [GLS99] läuft bei der Deradation von Magnesium als erster Schritt eine anodische Oxidation von M g zu M g 2 + ab (Gl. 5). Die kathodische Teilreaktion (GL. 6), findet vorwiegend in wässrigen Elektrolyten statt und führt zur Entwick- lung von Wasserstoff. Anschließend folgt die Bildung von Magnesiumhydroxid (Gl. 7), welches sich als Korrosionsprodukt auf der Oberfläche bemerkbar macht und das Material schützt. Dieser Hydroxidfilm ist ab einem pH-Wert > 8,5 teilweise stabil und sorgt für geringen Schutz. Vollkommen stabil ist der Film jedoch erst ab pH-Werten > 11,5 (siehe Anhang, Abb. 26). Da Magnesium in den meisten Anwendungsfällen mit Elektrolyten deren pH-Wert < 8,5 ist in Kontakt kommt, findet die Korrosion von Magnesium statt, ohne das Oxid- oder Hydroxidschicht schützenden Einfluss haben. Bei der Anwendung von reinem Magnesium als Implantatwerkstoff wäre somit keine schützende Oxid- oder Hydroxidschicht möglich, da das menschliche Blut einen pH- Wert von 7,4 hat. [MW]. Der Werkstoff würde unkotrolliert und vor allem schneller degradieren als der jeweilige Knochen regeneriert [GLS99]. Aus diesem Grund ist die Entwicklung einer passenden Legierung für medizinische Anwendungen grundlegend notwendig, um eine langsamere und gezieltere Degradation zu erhalten.

Lochkorrosion

Lochkorrosion tritt vermehrt bei Systemen mit instabilen Deckschichten auf, die zur Bildung von Fehlstellen neigen. Bromid- und chloridhaltige Elektrolyte wirken unter- stützend bei der örtlichen Auflösung der Deckschicht und führen zur beschleunigten Freilegung der Metalloberfläche [WKG98]. Fehlstellen in der Deckschicht stellen die Anode und die intakten Deckschichtbereiche die Kathode dar. Die so entstehenden Korrosionselemente greifen den Grundwerkstoff an, wobei die Ausrichtung des Scha- dens in die Tiefe gerichtet ist. Die Korrosionsgeschwindigkeit steigt an, sobald der Eleketronendurchtritt durch die Deckschicht hoch und die Kathodenfläche groß ist. Je nach Material und Elektrolyt hat die Lochkorrosion verschiedene Erscheinungsfor- men. Abbildung 4a zeigt mögliche Varianten. Durch die im Verhältnis zum gesamten Schaden relativ kleinen Oberflächenbereiche, ist Lochkorrosion schlecht erkennbar und führt zu unerwartetem Bauteilversagen.

Magnesium ist auf Grund der porösen Deckschicht sehr anfällig gegenüber Lochkorrosion. Deutlich zu sehen ist dies in Abbildung 5.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Lochkorrosion an einem Mg4Gd-Draht im as-drawn Zustand

Muldenkorrosion

Voraussetzung für Muldenkorrosion ist eine ungleichmäßige Benetzung durch den Elektrolyten, ein ungleichmäßiges Gefüge und ungleichmäßige Deckschichten [Gob06]. Der Materialabtrag findet, ähnlich wie bei der gleichmäßigen Korrosion, auf nahe zu der gesamten Oberfläche statt. Die Intensität ist an jeder Stelle unterschiedlich (siehe Abb. 4b). Muldenkorrosion ist im Vergleich zur Lochkorrosion gut erkennbar.

Mikrogalvanische Korrosion

Bei der Entwicklung einer passenden biodegradierbaren Magnesiumlegierung spielt die mikrogalvanische Korrosion ein große Rolle. Nach Song et al. [GLS99] zeigen die meisten Legierungselemente erst dann einen Einfluss auf das Korrosionsverhalten, wenn sie zusätzlich zu Magnesiummatrix eine zweite Phase bilden. Durch Korngröße, Volumenanteile und der Verteilung der β -Phase in der α -Matrix definiert sich die Mikrostruktur. Die Eigenschaften dieser sind von entscheidender Bedeutung für das Korrosionsverhalten einer Magnesiumlegierung.

Magnesium ist auf Grund des geringen elektrochemischen Potentials sehr reaktiv, deshalb ist die α -Matrix in einer Legierung meistens unedler. Daher zeigt diese gegenüber den vorhandenen β -Phasen ein anodisches Verhalten und degradiert durch mikrogalvansiche Korrosion [PMH14]. Sind die Körner sehr groß und ist dementsprechend der Volumenanteil der β -Phase gering, beschleunigen diese als Kathode die Degradation der anodischen α -Matrix [Son05]. Sind die Körner der α -Matrix wiederum klein und die β -Phase gleichmäßig um diese verteilt, hat dies einen positiven Einfluss auf die Korrosionsrate und kann sie verringern.

Dieser Effekt entsteht, da die Zweitphasen die Kathode im Reaktionssystem bilden und durch die Verteilung wie eine Barriere, für das Übergehen der Korrosion von einem zum anderen Korn der α -Matrix, wirken [Son05]. Daraus lässt sich schluss- folgern, dass der Korrosionswiderstand einer Legierung gegenüber mikrogalvanischer Korrosion durch die Verteilung der β -Phase bestimmt wird. Auch wenn sich mithilfe einer bestimmten Mikrostruktur die mikrogalvanische Korrosion vermindern lässt, ist sie immer noch vorhanden. Nur durch gezieltes Lösungsglühen lassen sich die Zweit- phasen lösen, wodurch die mikrogalvanische Korrosion unterbunden wird.

Spannungsrisskorrosion (SpRK)

Werden Magnesiumlegierungen im menschlichen Körper als Implantat eingesetzt, kommt es zwangsweise zur mechanischen und korrosiven Belastung dieser. Typisch für Werkstoffe, die zusätzlich zur Bildung von Deckschichten neigen, ist die Anfällig- keit für SpRK.

Zum einen können Risskeime ausgelöst durch korrosiven Einfluss entstehen, indem sich Lokalanoden in der Deckschicht bilden und zum örtlichen Abbau des Werkstoffes führen. Die entstandenen Fehlstellen in der Deckschicht und der Werkstoffoberfläche bieten die Möglichkeit, wachstumsfähige Risskeime auszubilden, sobald mechanische Belastungen wirken.

Zum anderen kann durch die mechansiche Belastung im elastischen Bereich des Bauteils eine plastische Verformung durch Fehlstellen in einzelnen Körnern ausgelöst werden. Die dadurch an der Oberfläche entstehenden Gleitstufen verletzen die Deckschicht und sorgen für die Bildung von Lokalanoden im Zusammenspiel mit dem Elektrolyten. Diese bilden sich auf den aktiven Gleitstufen als Korrosionstunnel aus und können zu Ausgangspunkten für SpRK werden [Lan92].

Spannungsrisskorrosion führt im allgemeinen zum unvorhersehbaren Versagen von Bauteilen [WKG98][MZ14].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Interkristalliner Riss einer AZ31 Magnesium Legierung, hervorgerufen durch anliegende Spannung bei ablaufender Korrosion [CW]

Werden Bruchflächen auf SpRK untersucht, sind i.d.R. die gleichen Rissmerkmale zu erkennen. Dazu zählen laut Lange et al. vorläufig der spröde Bruchcharakter, bei dem sich halbelliptische SpRK-Risse von der Probenoberfläche in den Werkstoff zei- gen. Transkristallin sind vorläufig Quasispaltbrüche mit charakteristischer feder- oder fächerartigen Struktur zu erkennen. Interkristallin zeigen sich i.d.R. glatte Korngren- zenflächen ohne duktile Merkmale [Lan92]. Abbildung 7 zeigt die drei wichtigsten Arten.

Abbildung 7: REM-Aufnahmen typischer SpRK-Rissstrukturen [Lan92]

1: federartige Strukturen, 2: fächerartige Strukturen, 3: glatte Korngrenzenflächen

Die notwendigen Voraussetzungen für SpRK lassen sich wie folgt zusammenfassen [WKG98]:

- Kritisches System "Werkstoff und Korrosionsmedium"

- vorhandene Zugspannungen zur Rissbildung und -ausbreitung

- statisch
- niederfrequente Wechselbeanspruchung

- Systemparameter:

- kritische Potentialwerte

- mediumseitige Parameter (Konzentration, pH-Wert, Temperatur)

- metallurgische Einflüsse (Legierungsgehalte, Gefüge, Ausscheidungen)

Magnesiumlegierungen unterliegen diesen Bedingungen, sobald sie als Implantat eingesetzt werden.

- Kritisches System "Werkstoff und Korrosionsmedium"

Das Blut und die Gewebeflüssigkeit wirken als Elektrolyt. Dieses ermöglicht die Korrosion von dem sehr reaktiven Magnesium, da das sich bildende Magnesiumhydroxid nicht als stabile Schutzschicht bestehen kann (siehe Abschnitt 2.2.2). Bestimmte Konstellationen und Korrosionserscheinungen, wie zum Beispiel Lochfraß, bieten Spannungsspitzen an denen Risse entstehen können.

- Vorhandene Zugspannungen zur Rissbildung und -ausbreitung

Implantate erfahren durch die Bewegung des Menschen während ihrer Zeit im Ein- satz mechanische Belastungen, dazu zählen u.a. Zug und Biegung. Hinzu kommen Eigenspannungen im Material, die wegen der Art der Fertigung und der anschließen- den Bearbeitung vorliegen. Auf Grund dessen kommt es zum Versetzungswandern, aus dem Gleitstufen in der Oberfläche entstehen können [Lan92]. Diese durchbrechen die Oxidschicht. An den relevanten Stellen kann sich jedoch keine neue Schutzschicht bilden. Die Gleitstufen führen zu einer örtlich konzentrierten Kerbwirkung. Anhand der ständig vorhandenen mechanischen Belastungen können an diesen Punkten Risse entstehen. Diese breiten sich rapide im Werkstoff aus, da mit jedem Korrosionsfort- schritt und Risswachstum der tragende Querschnitt abnimmt und sich die wirkende Spannung erhöht. Folglich kommt es zum vorzeitigen Versagen des Implantates.

- Systemparameter

Magnesium hat mit -2,37 V ein sehr geringes elektrochemisches Potential und neigt somit von Grund auf zu starker Korrosion. Das Blut im Körper fördert die Kor- rosion, da der pH-Wert mit 7,4 deutlich in dem Bereich liegt, in dem Magnesium reaktiv ist und stark korrodiert (siehe Anhang, Abb 26). Außerdem erhöht die durch- schnittliche Körpertemperatur von 37 °C die Leitfähigkeit des Blutes und ermöglicht somit einen schnelleren Ablauf der Korrosion. Da für den Einsatz als Implantat nur

Legierungen des Werkstoffes Magnesium in Frage kommen, bieten hinzugefügte Legie- rungselemente immer Potential zur mikrogalvanischen Korrosion. Diese fällt je nach Zusammensetzung und Wärmebehandlung der Legierung unterschiedlich aus, stellt aber ebenfalls Angriffspunkte dar, an denen eine Ausbildung von Rissen stattfinden kann.

Anhand der erläuterten Bedingungen lässt sich klar sagen, dass Magnesium sowie seine Legierungen zu SpRK neigen können. Durch den Beweis, dass die vorliegenden Proben durch SpRK versagt haben, würde die Legierung Mg4Gd als Kandidat für bioresorbierbare Implantate entfallen. Ein unvorhergesehenes Versagen im Einsatz könnte schwere Folgen für den Patienten haben.

2.3 Magnesium

2.3.1 Physiologische Bedeutung von Magnesium

Magnesium ist ein für den menschlichen Körper essentielles Spurenelement, das für eine Vielzahl an Prozessen benötigt wird. Dabei lassen sich zwei grundlegende Aufgabengebiete unterscheiden.

Zum einen die Entspannung von Muskeln. Magnesium sorgt nach erhöhter Anstren- gung für die reibungslose Funktion der einzelnen Muskelfasern und schützt vor Krämp- fen und Verspannungen. Dies ist nicht nur für motorische Bewegungsabläufe notwen- dig, sondern auch für die Leistungsfähigkeit der Organe. Hinzu kommt die Notwen- digkeit von Magnesium bei der Zellteilung und der daraus folgenden Bildung neuer, gesunder Zellen [Mag]. Im Körper eines Erwachsenen befinden sich ca. 20 - 30 g in den Körperflüssigkeiten, Zellen und Knochen, wobei der Anteil in den Knochen ca. 50 % einnimmt. Die empfohlene tägliche Menge an Magnesium, die über eine ausgewogene Ernährung aufgenommen werden sollte, liegt bei der durchschnittlichen männlichen Person bei 350 mg [DGE]. Diese sollte keinesfalls unterschritten werden, da es sonst zu Ruhelosigkeit, Reizbarkeit oder Müdigkeit kommen kann. Hingegen ist bei einer erhöhten Menge keine toxische Wirkung bekannt, da der Überschuss von den Nieren abgeschieden wird [Kam00]. Somit lässt sich sagen, dass Magnesium als Implantat- werkstoff bei gesunden Menschen mit funktionierenden Nieren höchst attraktiv ist.

2.3.2 Magnesiumlegierungen als Implantatwerkstoff

Die Idee Magnesium, als Implantatwerkstoff bei Fraktionen zu verwenden, existiert bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts [Sch12]. Der erste Einsatz wurde von Albin Lambotte1 1907 durchgeführt und dokumentiert. Dieser erkannte die ähnlichen Eigenschaften von Knochen und Magnesium (siehe Tabelle 1). Die Werte von Dichte, E-Modul und Festigkeit sind sich weitaus ähnlicher, als die gängiger Implantatwerkstoffe verglichen mit den Eigenschaften von Knochen.

Jedoch genügt reines Magnesium mit seinen Eigenschaften, bezüglich Korrosion und Festigkeit, nicht den Anforderungen für den effektiven und gefahrlosen Einsatz als Implantatwerkstoff. Somit bedarf es der Entwicklung von biodegradierbaren Magnesiumlegierungen, welche den benötigten Eigenschaften gerecht werden können. Durch den Einsatz dieser könnte nach Kammer [Kam00] der sogenannte Stress-Shield-Effekt vermieden werden. Dieser beschreibt die Resorption des knochennahen Gewebes auf Grund eines zu hohen E-Moduls des Implantatwerkstoffes, wie es bei den nichtresorbierbaren Werkstoffen der Fall sein kann.

Tabelle 1: Eigenschaften verschiedener Materialien [SPD06]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.3 Gadolinium als Legierungselement

Bei der Betrachtung von Korrosionsverhalten und mechanischen Eigenschaften fällt auf, dass reines und unlegiertes Magnesium als Implantatwerkstoff den notwendigen Bedingungen nicht vollkommen gerecht wird. Daher werden passende Legierungsele- mente für Magnesium benötigt, mit denen die erforderlichen Eigenschaften für den jeweiligen Anwendungsfall erreicht werden können. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf der Steigerung der technisch relevanten Eigenschaften. Wichtiger ist die Verträg- lichkeit im Körper bis zur vollständigen Degradation des Implantates. Somit darf die sehr gute Biokompatibilität von dem Hauptlegierungselement Magnesium nicht durch die Zulegierungselemente beeinträchtigt werden.

Die Verwendung von Seltenen Erden zur Legierung von Magnesium ermöglicht die Herstellung von Hochleistungslegierungen [Kai00], die den Anforderungen gerecht werden können. Als eines der relevanten Metalle gilt dabei Gadolinium. Dieses mindert die Korrosionsrate und verbessert die mechanischen Kennwerte von Magnesium [NHF09]. Abbildung 8 zeigt das binäre Magnesium - Gadolinium Phasendiagramm. Es handelt sich um ein eutektisches Phasendiagramm mit begrenzter Löslichkeit auf der magnesiumreichen Seite. Zu sehen ist, dass die Löslichkeit von Gadolinium von ca. 23 wt.% bei 550 °C auf 3 wt.% bei 200 °C abnimmt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Magnesium - Gadolinium Phasendiagramm [OMSK90]

Aus diesem Grund ist die Legierung attraktiv für eine Wärmebehandlung, dem Lö- sungsglühen mit anschließendem Abschrecken. Hierbei werden die vorhandenen Zweit- phasen in der α -Matrix gelöst. Das anschließende Abschrecken verhindert die Diffu- sion der Zweitphasen, weswegen diese übersättigt in der Lösung bleiben. Möglich ist dies, solange der Gadolinium-Gewichtsanteil unter ca. 23 % bleibt. Unter- suchungen zeigten, dass durch Lösungsglühen mit anschließendem Abschrecken die Korrosionsrate gesenkt werden kann, da die mikrogalvanische Korrosion unterbun- den wird [PMH15]. Das elektrochemische Potential von Gadolinium liegt mit -2,28 V nahe an den -2,37 V von Magnesium (vgl. Anhang, Tabelle 4). Dies wirkt sich po- sitiv auf die Korrosionsgeschwindigkeit einer Paarung beider Werkstoffe aus, da eine geringe Potentialdifferenz zu einer grundlegend langsam ablaufenden Korrosion führt.

Obwohl Gadolinium zu den Metallen zählt, die nicht als biokompatibel gelten, ist die Biokompatibilität einer Mg-Gd Legierung, auf Grund der niedrigen Gewichtsprozente von Gadolinium, gegeben. Eine Arbeit von Hort et al. [NHF09] zeigt, dass Gadolinium keine negative Wirkung auf die Zellen hat, welche für die Knochenregeneration ver- antwortlich sind. Hier sollten jedoch noch weitere in vivo Tests durchgeführt werden, bevor es zu medizinischen Einsätzen am Menschen kommt, um Risiken ausschließen zu können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gadolinium ein passendes Metall sein könnte, um funktionsfähige und gefahrlose Mg-Gd Legierungen für medizinische Anwendungen herzustellen.

2.4 Prüfstand für den Nachweis von SpRK

Der in diesem Abschnitt erläuterte Prüfstand ermöglicht es, Werkstoffproben (Schrau- ben, Drähte, Wellen) auf Spannungsrisskorrosion zu untersuchen [Gar14]. Dabei wird die Probe einer statischen, einachsigen Last auf Zug, im elastischen Spannungsbe- reich des Werkstoffes, ausgesetzt. Der Prüfstand erlaubt eine bis zu 50 kg schwere Belastung der Probe. Eine Zeitmesseinheit ermittelt automatisch die Dauer bis zum Versagen und stellt diese auf einem Display dar. Die Probenhalter lassen sich je nach gegebener Geometrie austauschen und gewährleisten, dass eine gewissen Prüfstrecke im direkten Kontakt mit dem Elektrolyten ist. Somit befindet sich die Probe während der Belastungsphase in der Korrosionskammer. Der dort vorhandene Elektrolyt kann je nach Bedarf ruhend, oder in einer durch die Laborheizpumpe erzeugte Strömung mit der Prüfstrecke in Berührung kommen.

Die Temperatur des Elektrolyten lässt sich in beiden Zuständen einstellen. Die thermi- sche Energie wird über ein Wärmetauscherprinzip auf den Elektrolyten, der mit dem Probenkörper in Kontakt steht, übertragen. Dadurch lassen sich Temperaturschwan- kungen, resultierend aus dem diskontinuierlichen Heizvorgang der Laborheizpumpe,

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Prüfstand für den Nachweis von SpRK durch Zeitstandversuch [Gar14]

minimieren. Um für möglichst reale Bedingungen bei der Untersuchung der Magnesiumdrähte zu sorgen, werden Einstellungen vorgenommen, die den Bedingungen im menschlichen Körper ähneln. Dadurch kann das Korrosionverhalten und die Neigung zu Spannungsrisskorrosion im direkten Einsatz am besten nachvollzogen werden. Als Elektrolyt wird in diesem Zusammenhang Ringeracetat-Lösung verwendet, welche in der Medizin als Blutersatz dient und dem Blut ähnelnde Eigenschaften besitzt. Die Lösung hat pro Liter folgende Inhaltsstoffe [RP15].

- 6,000 g Natriumchlorid
- 0,400 g Kaliumchlorid
- 0,134 g Calciumchlorid-Dihydrat
- 0,203 g Magnesiumchlorid-Hexahydrat
- 3,700 g Natriumacetat-Trihydrat

Die Ringeracetat-Lösung befindet sich ruhend in der Korrosionskammer und wird auf ca. 37 °C temperiert, um die Körpertemperatur zu simulieren. Abbildung 10 stellt die Drahteinspannung und den Krafteintrag während des Versuchs dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Veranschaulichung der Drahteinspannung [Gar14]

2.5 Ausgangssituation

Zur Untersuchung der Legierung Mg4Gd auf Spannungsrisskorrosion wurden im Vorfeld durch Mitarbeiter der Fachhochschule Stralsund Zeitstandversuche durchgeführt [RP15]. Dies geschah an dem in Abschnitt 2.4 beschriebenen Prüfstand. Dabei wurden Magnesiumdrähte mit 1,6 mm Durchmesser und 50 mm Länge, wie sie auch als Stiftimplantate zum Einsatz kommen könnten, verwendet. Die Herstellung erfolgte in den folgenden Schritten [PMH15]:

- Schritt 1: Urformen
- Schritt 2: Lösungsglühen bei 500 °C für 6 Stunden
- Schritt 3: Strangpressen bei 430 °C Werkstofftemperatur
- Schritt 4: Drahtziehen in 9 Einzelschritten mit einem Umformgrad von je 0,3 bis zu einem Drahtdurchmesser von 1,6 mm, bei einer Temperatur von 350 °C
- Schritt 5: Glühen bei 470 °C für 15 min für den as-drawn Endzustand
- Schritt 6: Lösungsglühen bei 500 °C für 6 Stunden mit anschließendem Abschre- cken auf Raumtemperatur für den T4 Endzustand

Um eine Aussage über den Einfluss der mikrogalvanischen Korrosion auf die SpRK treffen zu können, werden Magnesiumdrähte in zwei verschiedenen Zuständen un- tersucht. Die durch das Drahtziehen vorhandenen Eigenspannungen sind durch das Glühen, wie in Schritt fünf beschrieben, aufgehoben. Dieser Zustand wird im Folgen- den als as-drawn bezeichnet. Um eine Referenz zu diesem Zustand zu haben, werden weitere Drähte untersucht,die nicht den fünften Schritt der Herstellung durchlaufen sind.

Da durch vorhandene Zweitphasen in der Legierung mikrogalvanische Korrosions- prozesse ablaufen, erfahren diese Drähte als abschließende Wärmebehandlung das Lösungsglühen mit anschließendem Abschrecken (Schritt sechs). Hierbei findet ein Lösen der β -Phase in der α -Matrix statt und gleichzeitig wird deren Ausdiffundie- ren verhindert wird. Die Korrosionsrate kann somit durch das Unterdrücken der mi- krogalvanischen Korrosion verbessert werden. Zu beachten ist, dass sich dabei die Festigkeitswerte des Werkstoffes verändern [PMH15], jedoch immer noch denen von menschlichen Knochen stark ähneln. Drähte in diesem Zustand werden im Folgenden als T4 bezeichnet.

Abbildung 11 zeigt einen im Zeitstandversuch versagten Magnesiumdraht im as- drawn Zustand. Auf der linken Seite beider Drahtenden ist die Bruchstelle zu er- kennen. Diese ist, sowie die Messstrecke, komplett korrodiert und mit einem hellen Korrosionsprodukt bedeckt (gelbe Bereiche). Eine weiß-gräuliche Färbung ist typisch für Reaktionsprodukte von korrodiertem Magnesium [Kam00]. Die rechte Seite der Drahtenden dient zur Einspannung in den Haltern des Prüfstandes. Deutlich zuerken-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Korrodierter Magnesiumdraht im as-drawn Zustand aus Zeitstandversuch

nen sind die Klemmstellen (rote Bereiche), verursacht durch die modifizierten Unter- legscheiben und Befestigungsmuttern der Halter (siehe Abb. 10). Der Probenzustand, der in Abbildung 11 zu sehen ist, stellt die Ausgangssituation für die Untersuchung der Bruchflächen der Magnesiumdrähte im as-drawn und T4 Zustand dar. Zusätzlich zu den im Zeitstandversuch versagten Proben stehen für die Untersuchung Drähte zur Verfügung, die den gleichen Herstellungsprozess durchlaufen sind, jedoch nicht im erwähnten Prüfstand belastet wurden. Diese Drähte stammen aus einem Zugversuch, der an einer Universal-Prüfmaschine mit zunehmender einachsiger Last, durchgeführt wurde. Sie sind somit nicht korrodiert und spiegeln das Bruchverhalten ohne den korrosiven Einfluss wider. Im Folgenden werden diese Drähte als as-drawn* und T4* bezeichnet.

Tabelle 2: Zusammenfassung der vier Draht-Ausgangszustände

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3 Methodik

In diesem Kapitel werden Methoden und Arbeitsschritte erläutert, die für die Be- weisführung der SpRK bei Magnesiumdrähten der Legierung Mg4Gd notwendig sind. Dabei handelt es sich um die Erfassung und Dokumentation von Daten, Arbeit mit verschiedenen Mikroskopen und Präparation von Magnesiumdrähten zur Analyse.

3.1 Bestandsaufnahme

Abbildung 12 zeigt ein Spannungs-Dehnungs-Diagramm, in dem Kurven aus Zug- und Druckversuchen an Magnesiumdrähten dargestellt sind. Grafisch werden die Werte der Dehngrenze Rp, 0 , 2 für den as-drawn und den T4 Zustand ermittelt. Diese werden in den folgenden Schritten benötigt, da die Zeitstandversuche im elastischen Belastungs- bereich der Magnesiumdrähte erfolgen. Anhand der prozentualen Belastung, bezogen auf die Dehngrenze, können Vergleiche zwischen den verschiedenen Zuständen erstellt und ausgewertet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12: Spannungs-Dehnungs-Digramm Mg4Gd / Mg [PMH15]

schwarze Kurven: as-drawn Zustand, graue Kurven: T4 Zustand, hellgraue Kurven: reines Magnesium

Als Zusammenfassung der Versuchsprotokolle dienen die Tabellen 5 und 6 (siehe An- hang, S. 49). Enthalten sind die relevanten Informationen zur Untersuchung der Ma- gnesiumdrähte in den zwei verschiedenen Zuständen. In der Abbildung 13 sind diese Daten ausgewertet und als Zeitstandkurve vergleichsweise aufgeführt. Die schwarze Kurve steht für den as-drawn Zustand und die rote Kurve für den T4 Zustand. Auf der Ordinate ist prozentual die Belastung der Drähte, bezogen auf die Dehngrenze (Rp, 0 , 2 as drawn = 275 MPa, Rp, 0 , 2 T 4 = 137,5 MPa, siehe Abb. 12) angetragen. Zu er- kennen ist, dass die verschiedenen angewandten statischen Belastungen deutlich unter der Dehngrenze liegen (max. 53 %). Die Drähte wurden folglich im elastischen Ver- formungsbereich belastet, wie es bei Untersuchungen auf SpRK üblich ist [WKG98].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Zeitstandkurve von Magnesiumdrähten der Legierung Mg4Gd im as-drawn und T4 Zustand

Nicht alle Magnesiumdrähte sind während des Versuchs im Prüfstand in der beeinträchtigten Messstrecke gebrochen (siehe Anhang, Tab. 6 und 5, Spalte 6). Bei einem Teil der Drähte lag der Ort des Versagens in der Einklemmung im Halter. Die beim Befestigen ausgeübten Kräfte, erzeugen wie in Abbildung 11 zu sehen ist, Druckstellen in der Oberfläche. Diese führen zu einer erhöhten Kerbwirkung, die bei gleichzeitigem Wirken einer Zugspannung zum vorzeitigen Versagen führt. Die Drähte, die in der Einspannung versagt haben, werden in diesem Zusammenhang ebenfalls am REM untersucht. Die Erkenntnisse fließen jedoch nicht mit in die Auswertung ein, da die Drähte durch ungewünschte Einflüsse versagt haben.

3.2 Anwendung des Rasterelektronenmikroskops

Die Untersuchung der Bruchflächen erfolgt am Rasterelektronenmikroskop (REM). Dieses ermöglicht sehr hohe Auflösungen der Oberfläche und erzeugt Abbildungen mit sehr guter Tiefenschärfe. Zum Einsatz kommt ein REM des Hersteller ZEISS, das EVO 40. Bei der Betrachtung der Bruchflächen werden folgende Einstellungen vorgenommen:

- Primärstrahlspannung von 20 kV
- SE-Detektor zur Elektronendetektierung
- Hochvakuum von mindestens 10 3 Pa
- Kathodenstrom 2,6 - 2,8 A (abhängig vom Zustand der Kathode)

Zur Erstellung von scharfen, kontrastreichen Abbildungen der Oberfläche ist es not- wendig, dass die Proben elektrisch leitfähig sind. Nur so kann eine stabile und genaue Detektierung der Sekundärelektronen stattfinden. Die Leitfähigkeit ist bei den Ma- gnesiumdrähten werkstoffseitig gegeben. Um diese während der Untersuchung voll- ständig nutzen zu können, werden die Drähte in einer metallischen Spannvorrichtung in senkrechter Position auf dem Probentisch fixiert (siehe Abb. 14). Die Spannbacken der Vorrichtung sind mit Kontaktklebeband beklebt, welches ebenso elektrisch leitfä- hig ist und gleichzeitig die Drähte während der Positionierung hält. Der Probentisch wird im REM auf eine 5-Achs-Schwenkeinheit angebracht und kann so während der Untersuchung beliebig bewegt werden. Die Bruchflächen liegen in den meisten Fällen nicht zu 100% im rechten Winkel zur Längsachse des Drahtes. Um eine gleichmäßige Belichtung und Schärfe einer kompletten Bruchfläche zu erhalten, kann diese waagerecht im REM mit der Schwenkeinheit positioniert werden. Dies ermöglicht es, zweckmäßige Abbildungen zu erzeugen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14: REM-Probentisch mit eingespannten Drähten

Bei der Untersuchung liegt der Fokus auf der Identifizierung von typischen Bruchflä- chenmerkmalen und Strukturen, die auf eine Rissausbreitung deuten lassen. Ebenso werden die Drähte auf mögliche Anrisszonen, die durch das Zusammenwirken von Spannung und Korrosion entstanden sind, untersucht. Betrachtet werden alle Ma- gnesiumdrähte der Zustände, die in Tabelle 2 zusammengefasst sind, analysiert.

[...]


1 * 1866 in Brüssel, † 1. August 1955 in Antwerpen, belgischer Chirurg und Pionier der Unfallchir- urgie

Ende der Leseprobe aus 74 Seiten

Details

Titel
Rasterelektronenmikroskop (REM) Bruchflächenanalyse an Magnesiumdrähten zur Beweisführung von Spannungsrisskorrosion
Hochschule
Fachhochschule Stralsund  (Maschinenbau)
Veranstaltung
Werkstofftechnik
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
74
Katalognummer
V364762
ISBN (eBook)
9783668445543
ISBN (Buch)
9783668445550
Dateigröße
8387 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
REM, Spannungsrisskorrosion, Magnesium, Gadolinium, Mg, Gd, Mg5Gd, SpRK, Implantat, Werkstoff, Resorption, Korrosion, Einbetten, Längsschliff, Mikroskop, Rasterelektrodenmikroskop, Bruchflächenanalyse, Bruchfläche, Risse, Spannung
Arbeit zitieren
Paul Konrad (Autor:in), 2016, Rasterelektronenmikroskop (REM) Bruchflächenanalyse an Magnesiumdrähten zur Beweisführung von Spannungsrisskorrosion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/364762

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