StaatsRache - Justizkritische Beiträge gegen die Dummheit im deutschen Recht(ssystem)


Fachbuch, 2005

152 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Vorwort

2. Logik für Juristen

3. Mit google juristische Entscheide finden

4. Rechtsgespräch, Mannesmannrecht und mehr

5. Völkerstrafrecht, Völkermord und/als Genozidpolitik: Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Menschlichkeitsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschheit als Menschheitsverbrechen ? - Marginalie zur politischen Rechts-, Sprach- und Übersetzungsgeschichte des/im 20.Jahrhundert/s

6. Beweismittelsynopse: Hinweise auf eine Methode zur Überprüfung realer Jurisdiktionalität und potentieller Rechtsbeugung

7. Bürgerrechte und Staatspflichten in Deutschland: Entscheide des deutschen Bundes(verfassungs)gerichts seit 1969 und ihre Konsequenzen

8. Verfassungsbeschwerden in Deutschland: Begründunglose Ablehnung/en von Verfassungsbeschwerden 1993-2002 und die Folgen. Zugleich ein Beitrag zu Rechts- und Gerechtigkeitspolitik in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts

9. Menschenrechte und Grundfreiheiten in Europa: Zur begründungslosen Nichtannahme / Ablehnung von Verfassungsbeschwerden nach § 93 BVerfGG als konkrete Menschenwürdeverletzung. Hinweise an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beim Europarat

10. Prozessbetrug und mehr

11. Menschenrechtsverletzung/en

12. Ist gleicher als gleich gleicherer ? Bundeslöschtage, Bundesregierungen, Staatsanwaltschaften 1998-2004: Vorläufiger Kommentar aus bürgerrechtlicher Perspektive

13. Die Erosion des Richtervorbehaltes bei Telefonüberwachung/en: Eine empirische Untersuchung und ihre Konsequenzen

14. Offener Brief an den BVerfG-Präsidenten Prof. Papier (1.3.2004) [Mitautor]

15. Über Phantom-Elite/n und mehr aus dem Neuesten Deutschland: Elemente einer alternativen sozialpsychologischen Zeitdiagnose

16. Kleines rechtsgeschichtliches Wörterbuch

1 Vorwort

„Nichts erfordert mehr Mut und Charakter,
als sich im offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden
und laut zu sagen: Nein“
(Kurt Tucholsky [1890-1935])

I.

StaatsRache - so der Titel dieses Sammelbands. StaatsRache - diese Metapher klingt zunächst widersprüchlich und paradox. Als ob, zumal im zivilisierten Mitteleuropa, genauer: in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts, ein Staat sich, zudem an seinen Bürger/innen, rächen könnte und rächen würde.

Kulturwissenschaftler und Sozialforscher, die diesen Namen verdienen, müssen in diesen und anderen Paradoxata denken können, indem sie im allgemeinen sowohl zunächst Unsichtbares sichtbar als auch scheinbar Undenkbares denkbar machen. Wobei Sozialforscher und Kulturwissenschaftler sich im speziellen und aufs Themenfeld dieses Sammelbands bezogen freilich auf den literarisch-visionären Rechts-, Verwaltungs- und Bürokratiekritiker Franz Kafka beziehen können:

„Ein Henker“ - soll Franz Kafka einmal gesagt haben -, „ein Henker ist heute ein ehrbarer, nach der Dienstpragmatik wohlbezahlter Beamtenberuf. Warum sollte also nicht in jedem ehrbaren Beamten ein Henker stecken ?“[1]

Und am Ende seines Prozeß-Romanfragments mit dem Doppelsinn der Festnahme „unschuldiger Personen“, gegen die ein „sinnloses Verfahren“ eröffnet wird, schreibt Franz Kafka über die Justiz:

„Eine Organisation, die nicht nur bestechliche Wächter, läppische Aufseher und Untersuchungsrichter [...] beschäftigt, sondern die weiterhin eine Richterschaft hohen und höchsten Grades unterhält, mit dem zahllosen, unumgänglichen Gefolge von Dienern, Schreibern, Gendarmen, vielleicht sogar Henkern“[2]

Auf dem 28. Deutschen Soziologentag hat Karl-Otto Hondrich gegen eine eindimensionale Individualisierungsthese am Beispiel intimer Paarbeziehungen herausgearbeitet, dass es keine Totalindividualisierung geben kann und dass immer auch kollektivierende Rückbindungsprozesse in alle Individualisierungsprozesse strukturell eingelagert sind[3].

In anderem Zusammenhang hat der Autor Michael Rutschky, unter Einvernahme wesentlicher Hinweise des ethnologischen Feldforschers Marcel Mauss[4], an Prozessen der Rearchaisierung, also der Wieder- und Rückkehr überholt geglaubter destruktiver Handlungsmuster wie Gabe und Rache und Rache als Gabe, verdeutlicht, dass und wie existentielle menschliche Bedürfnisse unter bestimmten, angebbaren Bedingungen des entwickelten (Sozial-) Staates nur ausserhalb von dessen Legalität befriedigt werden können[5]. Bereits Anfang der 90er Jahre betonten Gutachter des bayerischen Staatsministeriums des Innern, dass unter wohlfahrtstaatlichen Lebensbedingungen auch in Deutschland, wenn sozialstrukturelle Faktoren „die Verwirklichung von Grundbedürfnissen verhindern“, selbst „sozial integrierte Bürger“ immer dann widerständig und gewaltsam handeln würden, wenn es um „die Qualität der Sicherung eigener Existenz“ in Form von „zwar aufgezwungenem, aber notwendigen Handeln“ geht[6].

Die in der StaatsRache-Metapher aufgespeicherte Denkfigur geht einen Schritt weiter und spricht nicht die Rache einzelner Machtloser oder ohnmächtiger Menschen oder kleiner Gruppen an. Sondern thematisiert vielmehr eine besondere und archaische Form von Staatshandeln: Racheakte der gebündelten und geballten Macht(haber) unter Zuhilfenahme und Instrumentalisierung staatlicher Machtmittel gegen (wirkliche oder vermeintliche) Dissenter. Insofern konstrastiert und destruiert StaatsRache jeden Staatsbonus, also das, so Peter Waldmann[7], „tief verwurzelte Vorurteil zugunsten des Staates als legitime Schutzmacht“ für und bei seine/n Bürger/innen. Und je stärker StaatsRache als Handlungsmotiv und Handlungspraxis ausgeprägt ist - desto hohler das gesamte Staatsgefüge und desto irrationaler staatlicher Umgang mit (vermeintlichen oder wirklichen) Dissentern vor allem dann, wenn diese nicht nur abstrakt-allgemein staatliche Illegitimität behaupten, sondern, wie in verschiedenen Beiträgen dieses Bandes, staatliche Illegalität konkret-empirisch nachweisen.[8]

II.

Der Sammelband StaatsRache enthält, neben Vorwort und Anhang, fünfzehn (von achtzehn vorgesehehen) Textbeiträge(n) über und gegen die Dummheit im deutschen Rechts(system). Der Titel greift zurück auf einen (Recherche-) Textabschnitt im ersten grösseren Essay dieses Bandes. Der Untertitel spielt bewusst auf Hanns Eislers Essay über -genauer: gegen- die Dummheit in der (deutschen) Musik an. Nur: Hier geht’s nicht ums Kunstschöne oder um Ästhetik. Sondern um einen gesellschaftlichen Kernbereich, den (nicht nur) ich (zu) oft eben nicht als Recht - sondern als Macht empfunden habe. Insofern geht’s nicht nur um Justitia oder Justiz. Sondern ums (Über-) Leben. Und solange in Deutschland Recht eben nicht nach dem Gesetz gesprochen wird und Richter/innen von Gerechtigkeit nichts wissen wollen - handelt es sich nicht um Richter/innen. Sondern um Machter/innen.

Dummheit im deutschen Rechtssystem heisst auch justizielle Prozessproduktion von nicht nur Schwarzer Pädagogik und Bumerangeffekten; sondern auch von Handlungsfallen[9], double-binds, in denen, hier unter berufsrichterlicher Regie, egal was die/der Handelnde tut, duldet oder unterlässt, jedwedes Handeln falsifiziert wird: Ich habe zum Beispiel erlebt, wie jemand von einem Euskirchener (inzwischen von einem, wie alle Amtsrichter/innen inzwischen Dezernatsleiter/innen genannten) Dezernatsleiter in einem Zivilverfahren zur Zahlung einer Rechnung verurteilt wurde, obgleich er keinen Auftrag vergab/unterschrieb - und vom gleichen amtsrichterlichen Dezernatsleiter ein paar Jahre später in einem anderen Zivilverfahren, nachdem er im ersten erfuhr, dass seine Unterschrift bedeutungslos ist, im zweiten zur Zahlung verurteilt wurde, weil er unterschrieb; und darüber hinaus, weil er einen Gerichtstermin wegen seiner Schwerbehinderung nicht wahrnehmen konnte, dies vorher telefonisch mitteilte, sowie am nächsten Tag ein ärztliches Attest einreichte, gleichwohl durch Versäumnisbeschluss zur Zahlung verurteilt und trotz seiner jeweiligen form- und fristgerechten Widersprüche gepfändet wurde, weil der Geschädigte/Rechtsverletzte davon ausging, dass seine Krankmeldung aufschiebende Wirkung hätte und als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu werten sei...eine der vielen, über den blossen Amtsschimmel bekannter Paragraphenreiterei[10] hinausgehende, nur noch als (ab einem bestimmten Punkt auch vorsätzlichen) sittenwidrigen Schädigungen höchstgefährlicher wie hirnschrissiger Ausprägung[11], die Betroffene, die logisch und/oder wissenschaftlich denken, niemals werden nachvollziehen können. Wobei hinzukommt, dass die gegenwärtige deutsche Amtsrichterei, wenn nur der ´Streitwert´ gering genug ist, ein unkontrollierbares, insofern absolutistisches, Regime darstellt, weil im herrschaftlichen Handlungssystem ´Gericht´ keinerlei Revision/Berufung möglich und jede Beschwerde (oder gar Strafantrag von Geschädigten gegen deutsche Berufsrichter/innen) wirkungslos ist[12]. Auch wenn man über Einzelheiten streiten mag: Nach meiner, zugegeben: ganz subjektiven, Gerichtserfahrung gibt es in zwei von drei Fällen kein „faires Verfahren“ („fair trial“) im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention/EMRK. So dass ich nur hoffen kann, dass meine Erfahrung einerseits atypisch ist und andererseits baldmöglichst empirisch falsifiziert werden möge...

III.

In einem anderen, über vorgehenden „Fall“ simpler berufsrichterlicher Dummheit/en weit hinausgehenden konkreten „Fall“ erfahrenen Rechtsalltags, Alltags im Recht und Rechts im Alltag –nämlich komplexe und massive berufsrichterlich-amtliche Dummheit/en in Euskirchen hat sich der Autor beim Bonner Landgerichtspräsidenten übers berufsrichterliche Fehlverhalten mit diesen Argumenten am 18. Juni 2004 beschwert:

„Dies ist (m)eine förmliche Beschwerde. An Sie als fachlichen u n d disziplinären Dienstvorgesetzten des o.g. Amtsrichters (folgend: RiAP). Das Recht auf wirksame Beschwerde ist ebenso wie das Recht auf ein faires Verfahren als Menschenrecht in Artikel/n 6 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert und kraft Ratifizierung hierzulande innerstaatliches Recht "im Rang eines einfachen Bundesgesetzes" (Hermann Avenarius, Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland; Bonn: bpb, 2002³, 70). Insbesondere garantiert Art. 13 EMRK wirksames Beschwerderecht bei Fehlverhalten „in amtlicher Eigenschaft“.

Ich werde in diesem Beschwerdetext in konzentrierter Form nachweisen, dass bei RiAP weder zentrale internationale Rechtsprinzipien wie "fair trial" und/oder "equality of weapons" noch tragende nationale Rechtsprinzipien wie "Verhältmässigkeit der Mittel" oder/und "Übermassverbot" staatlichen Handelns angewandt wurden.

Würde mir so ein Fall wie der hier zusammenfassend dargestellte in meiner zwanzigjährigen Tätigkeit als professioneller Radio-, Kultur- und Wissenschaftspublizist vorgekommen sein – hätte ich dafür gesorgt, dass öffentlich bekannt wird, wer mich hier – und wie - sittenwidrig vorsätzlich schädigt.

Ich bin kein Jurist. Ich kann (als bei Hans Albert in Wissenschaftslehre examinierter) Sozialwissenschaftler in der Tat logisch denken: Es war und ist mir empirisch nicht möglich, zur gleichen Zeit an zwei verschiedenen Orten zu sein. Dies aber ist Voraussetzung des RiAP-Entscheids vom 26.5.2004. RiAP erliess nämlich ein Versäumnisurteil gegen mich, obwohl ich mich nachweislich (Blatt 25 der Gerichtsakte 17 C 397/03) v o r dem Gütetermin am 17.9.2003 rechtzeitig telefonisch entschuldigte, weil ich wegen eines Asthmaanfalls dringend ärztliche Hilfe brauchte. Und ein entsprechendes ärztliches Attest vom 17.9.2004 am nächsten Tag (18.9.2003) nachreichte (Blatt 29 der Akte). Das gegen meinen Willen ergangene "Versäumnisurteil" war/ist m.E. entscheidendes Faktum und gravierende berufsrichterliche Fehlhandlung, die dann auch die bekannte normative Kraft des Faktischen produzierte. Denn dadurch, dass ich sowohl rechtzeitig anrief als auch sobald möglich die ärztliche Bescheinigung nachreichte hatte/habe ich ausgedrückt, dass ich keinen Entscheid o h n e meine Anwesenheit wünsche.

Ich wurde unverschuldet verhindert, den Gerichtstermin am 17.9. 2003 wahrzunehmen. Dadurch erhielt ich nicht die Möglichkeit, mich mündlich und persönlich zur Sache zu äussern. Ich erhielt am entscheidenden 17.9.2003 faktisch kein rechtliches Gehör und stattdessen Versäumnisbeschluss und Pfändungen bzw. Kontosperrungen. Meine sämtlichen form- und fristgerechten Widersprüche dagegen wurden weder zur Kenntnis genommen noch entschieden.

Ich ging davon aus, dass ein neuer Termin vereinbart wird. Stattdessen wurde in Form eines Versäumnis- und Pfändungsbeschlusses, gegen den/die ich jeweils form- und fristgerecht Widerspruch einlegte, in meiner Meinung nach rechtswidriger Weise auf mein Konto so zugegriffen, dass es faktisch gesperrt wurde und ich über mein eigenes Konto erst wieder verfügen konnte, nachdem ich den (Gesamt-) Betrag von 472,24 € durch das Bankhaus überweisen liess. Die (m.E. unberechtigte) Ursprungsforderung betrug 206,25 €. Daraus wurden - wie im Dukatenscheissermärchen- von mir zwangsbezahlte 472,24 € - ein in der Tat „unerhörter Vorgang“ (Bertolt Brecht), den RiAP selbst nun am 26.5.2004 sowohl für rechtens als auch für rechtskräftig erklärt hat - wobei ich nun zusätztlich auch noch einmal 30 € für diese/n Veranstaltung/Beschluss bezahlen soll…

Das alles ist meiner Meinung nach mindestens dreifach rechtswidrig: Meine sämtlichen form- und fristgemäss eingegangenen Widersprüche gegen Versäumnisurteil/Pfändungsbeschluss wurden gar nicht zur Kenntnis genommen. Die Pfändung selbst wurde mir erst nachdem sie vollzogen wurde mitgeteilt: Ich hatte als angeblicher Schuldner gar keine Chance, gerichtlichen Pfändungsschutz zu beantragen. Ein Teil des sog. Existenzminimums wurde weggepfändet: Ich konnte keinen Notbedarfsschutz geltend machen.

Nach meiner Meinung ist es kein faires Verfahren, wenn auch mein unmittelbar nach Akteneinsicht am 19.5.2004 mit dem Hinweis auf diese (bes. Bl. 25, 28, 29 ebenda) gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den Stand von vor dem Versäumnisurteil/Pfändungsbeschluss [17.9.2003] im rechtskräftigen Richterentscheid vom 26.5.2004 unberücksichtigt blieb.

Und wenn RiAP in seiner einzel- und berufsrichterlichen "Begründung" schliesslich gegen mich anführt, dass ich einen Auftrag erteilt und einen Scheck unterschrieben hätte, so ist die erste Aussage ausweislich der kreispolizeilichen Nachermittlungen, die in einem Brief an mich (4.9.2004) zusammengefasst wurden, sachlich falsch. Und die zweite ist in diesem Fall doppelt unerheblich: Denn zum einen wurde ich, vor drei Jahren von RiAP zur Zahlung einer Handwerkerrechnung verurteilt, obgleich/weil ich keinen Auftrag unterschrieb, so dass ich davon ausgehen musste, dass es seis irrelevant seis eh wurschd ist, ob ich überhaupt unterschreibe (17 C 203/01). Und derselbe Berufsrichter urteilt nun, 2004, weil ich diesmal unterschreibe, wie er, 2001, gegen mich urteilte als ich nicht unterschrieb. Dieser berufsrichterlichen Handlungslogik kann ich nicht folgen, und ich halte sie auch mit jeder rationalen juristischen Logik im Sinne von Ulrich Klug (1958²) und Erich Schneider (1965) für unvereinbar. Zum anderen weiss ich seit meinem Studium, dass es legal ist, die Einlösung eines Schecks innert von drei Werktagen sperren zu lassen. [...]

Ich bitte um Eingangsbestätigung meiner Beschwerde mit Ihrem entsprechenden Aktenzeichen und Mitteilung, wann ich mit angemessenem Bescheid rechnen darf. Herrn Dezernatsleiter/Amtsrichter [...] werde ich mitteilen, dass ich mich über sein berufsrichterliches Fehlverhalten bei Ihnen beschwert habe.“

Und weil, entsprechend der ´Gnade des frühen Alphabets´, RiAP auch in einem anderen Verfahren entsprechend dem richterlichen Geschäftsverteilungsplan[13] der „gesetzlich zuständige Richter“ war/ist, erhielt er, drei Tage später, am 21. Juni 2004 diese Mitteilung per Dienstfax:

„Dr.rer.pol.habil.Richard Albrecht, Dr.phil.

Editor rechtskultur.de

rechtskultur@web.de

justizanalyse@gmx.net

D.53902 Bad Münstereifel

21. Juni 2004

An

[...] -Leiter Dezernat IV-

Amtsgericht Euskirchen

Dienstfax 02251.951102

Ihr Az. 13 C 1151/03

in dreifacher Ausfertigung

Betr. Art. 6 EMRK "Faires Verfahren"

Heutige Akteneinsichtsverweigerung

Ich bin seit 5. 5. 2004 ehrenamtlich-altruististisch der Verfahrensbevollmächtigte

von [...] . Mir wurde am 13.5.2004 mitgeteilt (Anlage 1, 1 Blatt):

"Sie können die Akte zu den üblichen Geschäftszeiten [...] auf der Geschäftsstelle Zimmer 314 einsehen".

Heute - 21.6.2004 - war ich gegen 11:35 h - mithin zur üblichen Geschäftszeit - auf der Geschäftsstelle. Und konnte nachweislich die Akte n i c h t einsehen. Dadurch entstanden mir Kosten: Eine Stunde ehrenamtliche Tätigkeit und 32 Kfz.-Kilometer. Ich erwarte von der Staatskasse Kostenerstattung.

Ohne vorige Akteneinsicht ist mir angemessene Verfahrensvertretung von [...] am 23.6.2004 n i c h t möglich. Und weil das so ist werde ich [...] am 23.6.2004 n i c h t vertreten.
Bei dieser Gelegenheit lasse ich nicht unerwähnt, dass mir das Dezernatsschreiben betr. vorgehende Terminsverschiebung [15.6.2004, 12:00 h] datiert 5.5.2004, erst am 15.6.2004 12:40 h vorlag (Anlage 2, 1 Blatt).

Meiner subjektiven Meinung nach soll jeder Richter, der kein "faires Verfahren" (EMRK Art. 6) garantieren kann, weil er überfordert und/oder unfähig oder/und befangen ist, von sich aus die erforderliche/n Konsequenz/en ziehen.“
Auch diese wurde zeitgleich RiAPs Dienstvorgesetztem mit dem ergänzenden Hinweis weitergeleitet:

„Zur Frage, ob dieser Amtsrichter überhaupt in der Lage ist, ein "faires Verfahren" (EMRK Art. 6)

auf rechtsstaatlicher Grundlage durchzuführen, werde ich mich hic et nunc nicht äussern.“ [...]

IV.

Im ersten Fall verweigerte RiAP rechtliches Gehör vollständig, im zweiten teilweise. Und zumindest im ersten Euskirchener RiAP-„Fall“ wird der „Anschein von Rechtlichkeit“ (Gerd Roellecke), den jedes Gerichtsverfahren per se vermittelt, nachhaltig zerstört. Wobei freilich nicht jeder, wie z.B. hier erstskizzierter, Fall berufsrichterlichter Dummheit im Amt in Form von kompletter Verweigerung rechtlichen Gehörs oder wie z.B. verweigerte Akteneinsicht als Teilverweigerung des Grundrechts auf rechtliches Gehör schon gleich, wie hier, einer der schwersten aller möglichen Straftaten im Amt (Strafgesetzbuch §§ 331 bis 358, hier § 339) bedeutet, nämlich das Staatsverbrechen der Rechtsbeugung. Denn in der Tat hätte auch Herr RiAP wissen können, wissen sollen und wissen müssen, dass sein Handeln „in amtlicher Eigenschaft“ (EMRK Art. 13) nach einem einstimmigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland (1 BvR 2114/97 vom 6. 4. 1998) genau so grundrechtsverletzend wie verfassungswidrig ist wie das seiner Bonner Kollegen Berufsrichter einige Jahre früher:

„Das Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. Oktober 1996 - 6 S 122/96 - verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Bonn zurückverwiesen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

I. Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Rüge des Gehörsverstoßes und des Verstoßes gegen das Willkürverbot gegen ein zivilgerichtliches Urteil, mit dem seine auf § 513 Abs. 2 ZPO gestützte Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil zurückgewiesen worden ist, und hilfsweise unmittelbar gegen die Rechtsnormen §§ 337 und 513 ZPO.

1. Der Beschwerdeführer hat im Ausgangsverfahren die Beklagten auf Zahlung von Mietnebenkosten in Höhe von ca. 10.000 DM vor dem Amtsgericht in Anspruch genommen. Nachdem die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen worden war, hatte das Amtsgericht nach rechtzeitigem Einspruch des Beschwerdeführers Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Noch vor der Terminsstunde rief der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer beim Amtsgericht an und teilte der Geschäftsstelle ausweislich eines Vermerks mit, "daß er erkrankt sei und den Termin heute nicht wahrnehmen könne". Nach Aufruf zur Sache nahm das Amtsgericht in das Sitzungsprotokoll auf: "Es war festzuhalten, daß der Kläger am heutigen Terminstage telefonisch gegenüber der Geschäftsstelle mitgeteilt habe, daß er erkrankt sei und den Termin heute nicht wahrnehmen könne, daß ihn die zuständige Geschäftsstellenverwalterin am Telefon darauf hingewiesen habe, daß sein Ausbleiben - zumindest - durch ärztliche Bescheinigung entschuldigt werden müsse." Unmittelbar danach verwarf das Amtsgericht sodann auf Antrag der Beklagten den Einspruch des Beschwerdeführers durch zweites Versäumnisurteil als unzulässig.

Die hiergegen vom Beschwerdeführer eingelegte und darauf gestützte Berufung, es habe ein Fall einer unverschuldeten Säumnis vorgelegen, hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Für das Amtsgericht habe keine Veranlassung bestanden, nach § 337 ZPO zu verfahren. Unverschuldet sei ein Fernbleiben der Partei nur dann, wenn ein erheblicher Verhinderungsgrund von der abwesenden Partei vor dem Termin mitgeteilt worden sei. Hierbei richte sich der Verschuldensbegriff nach den in § 276 BGB niedergelegten objektiven Maßstäben. Zugrunde zu legen sei danach die Sorgfalt einer ordentlichen Prozeßpartei. Hier fehle es an einer schlüssigen Darlegung einer hinreichenden Mitteilung des Entschuldigungsgrundes durch den Beschwerdeführer vor dem Termin. Es komme nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer, wie er im Berufungsverfahren erstmals unter Bezugnahme auf ärztliche Bescheinigungen vorgetragen habe, an einer akuten erheblichen Erkrankung gelitten habe, weil er das Vorliegen einer solchen Erkrankung in dem Telefonat gegenüber der Geschäftsstelle nicht hinreichend deutlich gemacht habe. Zudem habe er nicht vorgetragen, die Vorlage des geforderten ärztlichen Attests unverzüglich nach der Untersuchung zugesagt zu haben.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer sinngemäß Verletzung des Willkürverbots und des rechtlichen Gehörs. Er macht geltend: Da das Landgericht nicht geprüft habe, ob eine Säumnis vorgelegen habe, sei das Urteil ein Willkürakt. Das Landgericht habe ihm das rechtliche Gehör verweigert, weil es nicht berücksichtigt habe, ob seine Befürchtung am Morgen des Terminstages berechtigt gewesen sei, an einer lebensgefährlichen akuten Erkrankung zu leiden. Tatsächlich sei er in Angst gewesen, eine Thrombose zu haben. Deshalb habe er sich nicht darauf konzentrieren können, wie er sich formal korrekt beim Amtsgericht zu entschuldigen gehabt habe. Der Erklärung der Geschäftsstellenverwalterin, er müsse ein Attest vorlegen, habe er zumindest nicht widersprochen. Die Beibringung eines Attestes sei auch kein Problem gewesen, da er im Begriff gewesen sei, die Universitätsklinik aufzusuchen. Falls das Urteil des Landgerichts den Regelungen der Zivilprozeßordnung entspreche, seien diese willkürlich und verfassungswidrig. Es ginge nicht an, daß ihm ohne seine Schuld die Forderung von 10.000 DM entginge und er zusätzlich noch mit rund 10.000 DM Prozeßkosten bestraft würde.

II

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

1. Die Auslegung des Gesetzes ist Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots des Art. 3 Abs. 1 GG greift das Bundesverfassungsgericht jedoch dann ein, wenn ein Richterspruch unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 74, 102 <127>; 87, 273 <278 f.>).

Art. 103 Abs. 1 GG ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das Gebiet des gerichtlichen Verfahrens. Die normative Ausgestaltung des Verfahrensrechts sowie seine Auslegung und Anwendung im konkreten Fall müssen ein Ausmaß rechtlichen Gehörs eröffnen, das sachangemessen ist, um dem in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. BVerfGE 74, 220 <224>). Art. 103 Abs. 1 GG verlangt, daß die Gerichte die unterlassene Gewährung rechtlichen Gehörs nachholen, sofern die Auslegung des Verfahrensrechts dies ermöglicht (vgl. BVerfGE 69, 233 <242>).

2. Die Auffassung des Landgerichts, der Beschwerdeführer habe eine für die Annahme eines unverschuldeten Fernbleibens ausreichende rechtzeitige Mitteilung über den Verhinderungsgrund nicht dargelegt, entbehrt einer hinreichenden Begründung und entzieht dem Beschwerdeführer den Anspruch auf rechtliches Gehör[...]“

V.

Nähme man das hier bewusst ausführlich zitierte BVerfG-Urteil vom 6. April 1998 nicht nur Ernst, sondern auch als Kriterium für berufsrichterliches Handeln in seiner Bindung an Recht und Gesetz, dann stünde im Euskirchener RiAP-„Fall“ das Kürzel RiA nicht für Richter im Amtsgericht, sondern für Rechtsbeuger im Amt. Und wenn kürzlich Madame Bardot kurz und bündig an einen Grundtatbestand unserer conditio humana erinnert/e: „Die menschliche Feigheit ist grenzenlos“[14] - so mag Brigittes Hinweis im allgemeinen zutreffen; im speziellen möchte ich ihr gleichwohl widersprechen: Die berufsrichterlicher Dummheit im deutschen Recht(ssystem) ist, meiner subjektiven Erfahrung nach, noch grenzenloser ... Entsprechend auch die dreiseitige, landgerichtlich-präsidiale Antwort vom 19.7.2004 auf die Dienstaufsichtsbeschwerde vom 18.6.2004, in der nicht weniger als berufsrichterliche Grundrechtsverletzung in Form nicht praktizierten rechtlichen Gehörs vorgebracht wurde: Nach Aktenüberprüfung wurde –nicht unerwartet- „kein Anlass zu dienstrechtlichen Beanstandungen gefunden“, hat die Prüfung „keine dienstaufsichtlichen Beanstandungen gefunden“, ist „ein evidenter Gesetzesverstoss, der nach den obigen Darlegungen eventuell dienstaufsichtliche Massnahmen veranlassen könnte, nicht ersichtlich“. Und weil das ärztliche Attest nicht schon zur mündlichen Verhandlung am 17.9.2003, erst am nächsten Tag, dem 18.9.2003, vorlag, „dem Richter zum Zeitpunkt der Verhandlung nur Ihre telefonische Mitteilung bekannt war“ – traf, so die Dienstaufsicht, „der Richter im Rahmen der ihm zustehenden richterlichen Unabhängigkeit [seine] Entscheidung“ und liess in Form zweifacher Kontensperrung doppelpfänden.

Nach meiner subjektiven (und freilich scheinbar ganz rechtsunerheblichen) Meinung entzog der Euskirchener RiAP, um die Formel des Bundesverfassungsgerichts zu benützen, „den Anspruch auf rechtliches Gehör“ im Sinne Artikel 103 (1) des Grundgesetzes. Was rechtlich nun noch möglich wäre – Strafantrag gegen RiAG wegen Rechtsbeugung im Sinne § 339 Strafgesetzbuch (bis spätestens 16.9.2008).

VI.

Alle Texte dieses Bandes sind, wie das Vorwort, Erstdrucke. Sie wurden alle schon mindestens einmal in den letztbeiden Jahren im Netz („online“) publiziert und sind teils für das kleine unabhängige online-Magazin http://rechtskultur.de (und http://de.geocities.com/earchiv21/rechtskulturaktuell.htm), dessen ersten beiden Jahrgänge „im Netz“ stehen, geschrieben und dort erstveröffentlicht, teils in anderen Zusammenhängen entstanden/publiziert worden, etwa bei http://www.wissen24.de

Ausgangspunkt war, was im Editorial zum 1. Jg. von rechtskultur angemerkt wurde: Der unverkennbare Involutions- oder Rückbildungs- oder Verfallsprozess aller Rechtskultur in Deutschland und die in der alltäglichen Rechtspraxis typischerweise wirksame ´Schwarze Pädagogik´ nach dem Motto: Was schert´s mich als Berufsrichter/in, was ich anrichte, Hauptsache in hab´ wenig/er Arbeit, als so unkündbare/r wie unabhängige/r Staatsdiener/in meine Ruhe und kann persönlich meinem ´guten Leben´ nachgehn. Und wenn meine Urteile, Entscheide, Massnahmen, Anordnungen und Weisungen das Gegenteil des Beabsichtigen -also Bumerangeffekte- bewirken...so what und was soll´s. Kein Wunder, dass in Deutschland die Gruppe der Berufsrichter/innen, sobald es um mehr als rechtstechnische Vereinfachungen geht, nicht nur als erheblich fort- und weiterbildungsresistente, sondern als tendenziell weiter- und fortbildungsimmune Berufsgruppe gilt. Ob sich dies (und viel mehr, das hier nicht einmal angesprochen wird) durch die so berechtigte wie beredt begründete Forderung von „Richterwahl durchs Volk auf Zeit“ (Claus Plantiko) [15] aus der Welt schaffen lassen wird - will/kann ich nicht beurteilen; zumal es einerseits auch in Deutschland Elemente der zeitlichen Begrenzung richterlicher Tätigkeit/en auf derzeit fünf Jahre bei „Laienrichtern“, Schöffen etc. gibt und andererseits helvetische Erfahrung/en zeigen, dass alternative Richterwahl/en nicht notwendig zur Entkorruptionierung berufrichterlicher Zugänge, Tätigkeiten und Wirksamkeiten führen[16].

Berufsrichterliche rechtsideologische Praxis und ihre rechtsnihilistische Unterfütterung erscheint in gegenwärtigen Deutschland nicht nur grenzenlos. Sondern inzwischen im deutschen Recht(ssystem) so verbreitet, dass zunehmend nicht einmal mehr der Anschein von Urteilen, Entscheiden und Beschlüssen nach Verfahrensgerechtigkeit, Recht und Gesetz gewahrt wird. Das wird in verschiedenen Beiträgen dieses Bandes nicht abstrakt behauptet. Sondern konkret nachgewiesen.[8]

Die fünfzehn, bereits online publierten (und deshalb auch von einem bekannten deutschen Fachverlag nicht in entsprechender ´Schwarzer Reihe´als „gedrucktes“ Buch in Form eines Sammelbandes veröffentlichten) Beiträge dieses Bandes wurden so gruppiert, dass zunächst in den fünf kürzeren Texten - Juristenlogik, google, Rechtsgespräch, Völkerstrafrecht, Beweismittel -, die den Charakter wissenschaftlicher Miszellen haben, auf im Hauptstrang („mainstream“) sei´s vernachlässigte sei´s missachtete methodische Aspekte von Recht als Wissenschaft und als Praxis aufmerksam gemacht wird. Dass dabei en passant auch via google eine kostengünstige Netzrecherchemethode für bestimmte Gerichtsentscheide entwickelt und vom Autor auch wo immer möglich angewandt wurde - ist aus bürgerrechtlicher Perspektive sinnvoll - zumal der Autor weder Straf- noch Verfassungs-, sondern Bürgerrechtler ist.

Die nächstdrei wissenschaftlich-dokumentarischen Essays sind grössere Beiträge zum Vorrang von Bürgerrechten gegenüber Staatspflichten entsprechend Leiturteilen des deutschen Bundesverfassungsgerichts (Bürgerrechte)[17] und zur rechts- und verfassungswidrigen Praxis des deutschen Bundesverfassungsgerichts, seit 1993 Verfassungsbeschwerden von Bürger/innen begründungslos abzulehnen (Verfassungsbeschwerden). Der im deutschen bzw. europäischen Rechtszusammenhang auch rechtsgeschichtlich bedeutsame Beschwerdetext (Menschenrechte) enthält weniger eine Einzelfalldokumentation als vielmehr allgemeine Argumente gegen die ober(st)gerichtliche Willkürpraxis des deutschen Bundesverfassungsgericht mit dem Antrag an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beim Europarat, diese Rechtspraxis für menschenrechtswidrig zu erklären und aufzuheben.

Die nächsten sieben Beiträge präsentieren Fallstudien: Über einen subjektiv als kriminell empfundenen Handlungszusammenhang (Prozessbetrug) und die Folgen im Anschluss an so wohlbegründete wie begründungslos abgelehnte Beschwerden (Menschenwürde). Zwei eher wissenschaftspublizistische Besprechungsaufsätze über ein bundesdeutsches Politikum (Gleicherer) einerseits und eine wesentliche empirische Dunkelfeldstudie (Richtervorbehalt) andererseits versuchen, übers Fallmaterial hinaus, kritisch zu verallgemeinern ... wobei meine Bewertung des Bundeslöschtagesyndroms zunächst bewusst aus der Sicht des kritischen, zeitungslesenden Zeitgenossen erfolgte und andere Recherchematerialien nicht einvernahm[18].

Der vorliegende Band klingt aus mit drei kürzeren Texten: Dem von mir mitverfassten Offenen Brief der Mutigen Sieben an den amtierenden Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, H.-J. Papier, vom 1. März 2004 (mit einem Präsidentenkurzporträt und einem Hinweis auf erweitertes Petitionsrecht im Sinne des Artikel 17 Grundgesetz als Ergänzung/en), dem Kurzessay Pantomelite und dem (scheinbar bloss) satirischen Schlussakkord: Kleines rechtsgeschichtliches Wörterbuch.

Der Anhang verweist auf die Netzpublikationen der Beiträge - möglicherweise, dem offenen Charakter des weltweiten Netzes entsprechend, nicht vollständig. Die kurze ad-personam-Notiz schließt die Textsammlung ab.

VII.

Als bürgerrechtlich engagierter Autor vorliegender kritischer Texte über und vor allem gegen die Dummheit im deutschen Recht(ssystem) muss ich nicht betonen, dass es auch hier um Zivilcourage geht: Also um jene vom späteren deutschen Reichskanzler Otto v. Bismarck 1864 ausgelobte Bürger(innen)tugend[19]: subjektiven Mut, auch und gerade „unter schwierigen Umständen seine Meinung, seinen Standpunkt offen zu äussern, zu vertreten, durchzufechten.“[20]. Ob mir das gelungen ist -oder auch nicht - mögen andere bewerten. Ich kann nur hoffen, dass meine Beiträge wenigstens ideell-gedankliche Gerechtigkeits- und Rechtsperspektiven nachhaltig bei jenen Rechts- und Justizkritiker/innen mit ausgeprägtem „Gerechtigkeitssinn“ (Erhard Väth) eröffnen können. Insofern sollen/mögen meine Beiträge bewirken, dass sich diese Justizkritiker/innen von ihrer Objektwelt (die sie subjektiv als die drei großen JE´ der gegenwärtigen deutschen Justiz empfinden: entsetzlich, erbärmlich, ekelhaft), der sie selbst (zu) oft (noch) strukturanalog verhaftet sind, nachhaltig lösen: Moralisch, intellektuell, praktisch. Im übrigen kann auch der Autor dieser Texte, wie noch jeder Autor, der diesen Namen verdient, seinen Leser/innen immer nur eines anbieten – mit ihm seine Einsamkeit zu teilen. Vielleicht ist dies die einzige Form der Gemeinschaft, in der jene zusammenfinden, die aus der gleichen Quelle den Mut schöpfen müssen, ohne Illusionen zu leben“ (Manès Sperber).

Anmerkungen

[1] Gustav Janouch, Gespräche mit Kafka. Aufzeichnungen und Erinnerungen. Frankfurt/Main: S. Fischer, 1968 [erweiterte Ausgabe]

[2] Franz Kafka, Der Prozess. Roman. Frankfurt/Main: Fischer Bücherei 676, 1960; vgl. Richard Albrecht, Lebendige Menschen als tote Registraturnummern. Eine Bürokratie-Kritik im Anschluss an Franz Kafka; ´Die Aula´- SWF Radiobeitrag, Erstsendung SWF Baden-Baden am 12.2.1989; gedruckt in: Die Brücke, 84/1995, 79-83; vgl. auch die inzwischen erschienenen Bücher: Christian Eschweiler, Kafkas unerkannte Botschaft. Der richtige ´Process´. Bonn: Bouvier, 1998; Janko Ferch, Recht ist ein „Prozess“. Wien: Manz, 1999

[3] Karl Otto Hondrich, Die Dialektik von Kollektivisierung und Individualisierung - am Beispiel der Paarbeziehung; in: Stefan Hradil (ed.) Differenz und Integration. Die Zukunft moderner Gesellschaften. Frankfurt/Main: Campus, 1997, 298-308; ders. in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 53/98 [25.12.1998], 3-8; denn wie notdürftig der Verkehr mit anderen Menschen im „late modern age“ (Anthony Giddens) der „reflexiven Moderne“ (Ulrich Beck) auch immer ausgeprägt sein mag - zur Gattungsbesonderheit gehört nach wie vor, so Carl Marx und Friedrich Engels zutreffend, die „Notdurft des Verkehrs mit anderen Menschen“

[4] Marcel Mauss, « Essai sur le don. Forme et raison de l'échange dans les sociétés archaïques » originalement publié dans l'Année Sociologique, seconde série, 1923-1924; édition électronique réalisée par Jean Marie Tremblay http://www.uqac.uquebec.ca/zone30/Classiques_des_sciences_sociales/classiques/maus; dt. udT. Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Vorwort E.E. Evans-Prichard. Ffm: Suhrkamp, 1968 [= Theorie 1]

[5] Michael Rutschky, Ware gegen Gabe. Die Alte Welt und das Heimweh; in: Merkur/Sonderheft: Kapitalismus oder Barbarei ? 57 Jg. 2003, 9/10, 880-888

[6] Klaus Rolinski, Politische Gewalt und Grundbedürfnisse; in: ders./Irenäus Eibl-Eibesfeld (eds.), Gewalt in unserer Gesellschaft. Berlin: Duncker & Humblot, 1990, 11-39

[7] Peter Waldmann, Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft; in: ebda., 103-121; ders., Terrorismus und Bürgerkrieg. Der Staat in Bedrängnis. München: Gerling Akademie Verlag, 2003

[8] arbeitete der Autor im Sinne experimenteller Sozialpsychologie könnte er diese beiden Aussagen als zu falsifizierende (Null-) Hypothesen formulieren. Im gegebenen argumentativen Zusammenhang ist das nicht erforderlich. Hier reicht auch der Doppelhinweis auf die drei K´s und das Störenfried-Syndrom aus: Dass aus empirisch-sozialpsychologischer Sicht Dissenter typischerweise sowohl nach den drei K´s -kreativ, kriminell, krank- bewertet als auch Nonkonformität -und ihre Protagonisten- als kriminell abgestempelt werden

[9] Gregory Bateson, Double bind, 1969; in : Ökologie des Geistes. Anthropologische, biologische und epistemologische Perspektiven; Ffm.: Suhrkamp, 1990³ [= stw 571], 353-361

[10] Edmund Ballhaus, Die Paragraphenreiter. Haarsträubende Erlebnisse mit dem Amtsschimmel; München: Beck, 1989² [BsR 1214], 227 p.

[11] Richard Albrecht; HirnSchrisse: http://rechtskultur.de/pages/hirnschrisse.htm,

ders. http://de.geocities.com/hirnschrisse.htm

ders. http://de.geocities.com/earchiv21/rechtskulturaktuell.htm

[12] diese und andere Fallbeispiele für militante Dummheit deutscher Berufsrichter/innen (im Privatarchiv des Autors) warten noch auf ihre kritisch-rechtswissenschaftliche Aufarbeitung. Interessent(inn)en können sich gern an den Autor wenden

[13] vgl. GVP für den richterlichen Dienst (Amtsgericht Euskirchen):

http://www.ageuskirchen.nrw.de/service/gvp/intro.htm

[14] Brigitte Bardot, Un cri dans la silence (Monaco: Ed. du Rocher, 2003); dt. Ausgabe udT. Ein Ruf aus der Stille. Rückbesinnung und Auflehnung. A.d.Franz.v.Antoinette Gittinger. München: Langen Müller, 2004

[15] vide http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/juh/24886.html

[16] Regina Kiener, Richterwahlen in der Schweiz; in: Betrifft: Justiz, 71. 2002/Sept. 2002, 378-393

[17] so schlechtachtete ein prominenter ´linker´ Rechtswissenschaftler und Verfassungsrechtler als ´reviewer´ des Bürgerrechte-Essay für eine vierteljährlich erscheinende ´Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik´ Mitte 2003, dass der Autor als Bürgerrechtler Verfassungsgerichtsentscheide des deutschen Bundesverfassungsgerichts nicht wie er und seinesgleichen das tun nach Entscheidband und Seite/n, sondern wissenschaftlich mit Datum und Aktenzeichen (und wo immer möglich mit Netzfundstelle) zitiert - und empfahl auch aus diesem (scheinbar formalen) Grund Nichtannahme des Manuskripts zur Erstveröffentlichung. Die vom Bundesverfassungsgericht auf http://www.bundesverfassungsgericht.de im Netz empfohlene Entscheidungszitierweise mit Aktenzeichen/Datum falsifiziert Herrn Prof. em. Dr.iur. Jürgen Seifert, den „vorgänge“-„Gutachter“

[18] nach Durchsicht sowohl des bisher in Papierform unveröffentlichten Hirschberichts (61 Seiten) als auch der bundestagsamtlichen Materialien (vide Deutscher Bundestag/Referat Öffentlichkeitsarbeit [ed.], Parteispenden. Bericht des 1. Untersuchungsausschusses. Berlin: DBT, 2002 [= Zur Sache 4/2002], 1129 p. (sowie CD-Rom: Anlagen: Dokumente mit Verzeichnissen]) habe ich keinen Anlass gesehen, den Textbeitrag zu ergänzen, zu korrigieren oder zu verändern

[19] Helmut Jaskolski, Zivilcourage - was ist das ? Quellen und Motive einer seltsamen Tugend; http://home.t-online.de/home/hjaskolski/ziv_was.htm

[20] Handbuch für Zivilcourage (Red. Stefan Frohloff). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, 2001, 230

2

Logik für Juristen

Für Rechtswissenschaft als theoretische Jurisprudenz könnte Ulrich Klugs "Juristische Logik" bedeutsam gewesen sein[1]. Für praktische Ausbildung/en hätte Egon Schneiders "Logik für Juristen"[2] wichtig sein können.

Egon Schneider, ehemaliger Kölner Oberlandesgerichter, danach Rechtsanwalt und streitbarer Fachpublizist ("Justizspiegel")[3], inzwischen hochbetagt und nicht mehr aktiv, führt in die formale Logik und den basalen Justizsyllogismus des Barbaraprinzips ein: a-a-a, nämlich logische Ableitung eines Urteils aus zwei anderen Urteilen, die durch einen gemeinsamen Mittelbegriff verbunden sind. Woraus, logisch, folgt: Auch Juristen (künftig die -innen immer eingeschlossen) müssen, wie Wissenschaftler, die diesen Namen verdienen, mindestens bis Drei zählen können; dies ist die unumgängliche Voraussetzung ("conditio sine qua non").

Schneider nennt auch die Grenzen seiner Darstellung: Logik ist intellektuell-analytisches Hilfsmittel (etwa vergleichbar der Quellenkritik im Rahmen Historischer Hilfswissenschaften im Zusammenhang mit Geschichtswissenschaft). Nicht mehr. Nicht weniger. Logik kann weder Wahrheitsprüfung/en noch Normbegründung/en ersetzen. Sondern ("nur") Denkfehler aufdecken.

Insofern ist auch für Juristen Logik als analytisch-intellektuelles "Handwerkszeug" fürs Denken unerlässlich.

Versucht man, wie folgend, Schneiders Kernaussagen herauszuarbeiten, dann sind für jedwede "Logik für Juristen" zentral: Prüfung/en der Voraussetzungen ("Grundirrtum") und des Mittel- und Untersatzes zwischen Voraussetzung und Folge einerseits und das Aufdecken von Denkfehlern durch gründliches Lesen (z.B. von Gerichtsentscheiden) andererseits, genauer: Ein logisch tragfähiger Schluss ist nur dann als "Mittel der Erkenntnis" brauchbar, wenn die "Konklusion aus wahren Prämissen folgerichtig abgeleitet wird."

Und: "Eine - an sich mögliche und sinnvolle - kritische Überprüfung lohnt in der Regel nicht, wenn die Begründungsweise erkennen lässt, dass nicht ehrlich argumentiert wird."

Für richterliche Rechtsprechung, wenn sie denn nicht "Rechtsbeugung durch Rechtsprechung" (Günter Sprendel) sein soll, gelten zwei zentrale Voraussetzungen: i) "Der Richter muss sich für jede Entscheidung, die er fällt, auf einen Rechtssatz berufen"; und ii) "Alle Entscheidungen sind aus dem Gesetz zu begründen"

Entscheidend ist für Schneider die richterliche Entscheidungsbegründung. Fehlen diese Gründe, dann gilt:

"Nach unseren logischen Überlegungen [...] reicht die Möglichkeit aus, dass das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruht" - und zwar immer dann, wenn die Berufung auf einen Rechtssatz und/oder die Begründung aus dem Gesetz fehlt.

Das sind dann jeweils materielle Rechtsverletzungen und im Sinne der Strafprozessordnung (§ 337) bzw. der Zivilprozessordnung (§ 548) Revisionsgründe, weil Rechtsnormen sei´s gar nicht sei´s falsch angewandt wurden: Denn wenn weder Rechtssätze noch Begründungen im richterlichen Entscheid mitgeteilt werden, kann - logischerweise - nicht überprüft werden, ob Gerichtsentscheide rechtsnormenkonform sind oder nicht.

Schneiders Überlegungen sind in praxi nicht konkret-juristische h.M. (hier nicht: His/Her Majesty, sondern herrschende Meinung oder ´mainstraim´). Sie stellen jedoch eine wichtige Denkposition dar. Deshalb fand ich´s wichtig, dass sich deutsche Obergerichter des Bundesgerichtshofs auch noch 2001 auf diesen Autor beriefen als es um Grenzen des NS-Rechtsberatungsgesetzes ging[4]...

Im forschungslogischen Zusammenhang sozialwissenschaftlicher Hermeneutik sind Egon Schneiders Hinweise in seinem derzeit in 5. Auflage vorliegendem Lehrbuch "Logik für Juristen"[5] eingängig und kompatibel etwa mit Überlegungen zur kulturwissenschaftlich-gedankenexperimentellen Methode (C.Wright Mills[6]), des historisch möglichen Bewusstseins (Lucien Goldmann[7]) und des ´utopischen Paradigma´ in der empirischen Sozialforschung (Richard Albrecht[8]).

Anmerkungen

3

Mit ´google.de´ juristische Entscheide finden ? Es geht...

Ausgangslage

Eine hier namentlich nicht zu nennende Euskirchner Amtsrichterin gab mir als Verfahrensbevollmächtigtem in einem ihrer Beschlüsse diesen “Quellen”-Hinweis auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Köln: “FamRZ 99, 182” - Da es sich um eine Familienrichterin handelte und ums Sorge- bzw. Aufenthaltsbestimmungsrecht ging konnte “FamRZ” nur die “Familienrechtszeitschrift” sein und vermutlich 99 das Jahr 1999 und 182 die Seite, also: 1999, Seite 182. In der örtliche Fachhochschulbibliothek steht diese Zeitschrift. Nur: An diesem erweiterten Maiwochenende war sie geschlossen.

Was tun ... ?

Nachdem der gesuchte Beschluss auch über die üblichen Urteilsdokumentationen bzw. -datenbanken, die gute der Universität des Saarlandes eingeschlossen, nichts erbrachte - mail-Anfragen: a) bei einem netzkundigen und gelegentlich hilfsbereiten Rechtsanwalt von “bonnanwalt.de”, b) beim Kölner OLG selbst und, weil die NRW-Urteilssammlung nach dem Motto “wir arbeiten dran” erst im Aufbau ist, c) beim Öffentlichkeitsreferat des NRW-Justizministerium “justiz-online@jm.nrw.de” Und gleich anschliessend eigene Rechercheversuche.

Ergebnisse zum einen...

Erstens so rasch von a) und b) keine Antworten, von c) Hinweise. Und durch selbständige Nutzung von “www.google.de” erhielt ich durch entsprechende Nutzung des mehrstufigen google-Findsystems und der entsprechenden Verlinkung zum Kölner OLG den sogenannten “Volltext” des gesuchten Beschlusses “25 UF 236/98” vom 6.7.1999 - während die freundlichen Hinweise, die die Fachreferentin im NRW-Justizministerium gab, bemüht, aber nicht weiterführend waren und auch erst nach der eignen online-Recherche eingingen. Der Text der mail an mich lautete:

“Das OLG Köln hat unter “FamRZ 99, 182” zwei Entscheidungen getroffen: 1.

1999-06-18, Az. 25 UF 236/98 [...] Titelzeile: Elterliche Sorge; Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ein Elternteil; 2. 1999-07-06 Az. 25 UF 237/98 [...] Titelzeile: Sorgerechtsregelung: Alleiniges Sorgerecht bei Zerstrittenheit der Erziehungsberechtigten; Bedeutung des Kontinuitätsprinzips für die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Die Entscheidungen liegen hier nicht vor. Eine online-Quelle kann ich Ihnen leider auch nicht nennen.”

...und zum anderen

Diese freilich hatte ich inzwischen durch mehrminütiges googlen nach dem trial-and-error-Grundsatz durch verschiedene Stichwortkombinationen von “Sorgerecht”, “Aufenthaltsbestimmungsrecht”, “Oberlandesgericht Köln” und “1999”. Denn in dieser Suchmaschine ist mehrstufiges Suchen (“in den Ergebnissen suchen”) und Weitersuchen -tendenziell bis ein im Sinne der mathematischen Logik ein-eindeutiges Ergebnis herauskommt- möglich, indem nach der Versuch-Irrtums-Methode wie in diesem Beispiel durch Eingabekombinationen genannter vier Stichworte innert weniger Minuten der gesuchte Beschluss, es war entgegen dem zitierten Hinweis aus dem NRW-Justizministerium nur e i n Beschluss vom 6.7.1999, identiziziert, über google auf der online-Seite des Kölner OLG gefunden (und dann hier ausgedruckt) wurde. Entsprechend re-mailte ich an die Referentin, nachdem ich ein paar Stunden später den zitierten Hinweis erhielt:

“[] habe Ihren Hinweis selbst recherchiert und darf mich revanchieren, da Ihr System noch nicht läuft: Sobald Sie das Az. haben am besten über “www.google.de” hier “OLG Köln” als erstes Stichwort und dann im nächsten Suchschritt (bei google geht dies) ’28 UF 236/98” eingeben, dann haben Sie den sogenannten Volltext. Ihr zweiter Hinweis ist mit dem ersten identisch. Das richtige Datum ist - bei Ihnen unter 2. - 6.7.1999. Das Datum bei Ihnen unter 1. ist falsch. Es gibt nur e i n e n Beschluss”.

Eine Prise Polemik zum Schluss

Wie gesagt: Einfacher ist´s wenn das Aktenzeichen (Az.) und/oder´s Datum bekannt ist. Aber es ging/geht auch durch Kombinatorik und Nutzung der Mehrstufigkeit (“in den Ergebnissen suchen”) durchaus auch ohne, kann halt ´n paar Minuten längern dauern...

In der re-mail stand in eckiger Klammer dann noch (m)eine persönliche Anmerkung - hier abschliessend zitiert:

“Wer mir früher in meinen Seminaren eine Quelle o h n e seis Datum und/oder seis Aktenzeichen oder und seis ohne Stichwort “Urteil” oder “Beschluss” zugemutet hätte...der/die hätte sich rasch Hinweise angewöhnt oder andere Seminare gesucht. Aber dies war nicht iur., sondern geisteswissenschaftliche Sozialwissenschaft mit Quellenarbeit. Und nicht amtsrichterliche Gutsfrauenart"

4

Rechtsgespräch, Mannesmannrecht und mehr

Über berufsrichterliches Handeln und seine Grenzen

In einem kundigen Beitrag unter der Überschrift „Im Namen der Farce: Das spezielle Mannesmann-Prozessrecht“ (FAZ-Feuilleton 12.5.2004/No. 110, p. 39) geht es um einige Ungereimtheiten der Rechtsanwendung im Düsseldorfer Verfahren gegen Mannesmann-Spitzen(st)manager. Darauf aufmerksam macht uns Dr.iur. Walther Grasnick, Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg. Es geht um ein geheimes –um nicht zu sagen konspiratives- Rechtsgespräch. Dieses regte die Vorsitzende Richterin K. an. Frau K. führte es auch unter ihrer Leitung selbst durch. Das strafrechtsrelevante Institut des Rechtsgesprächs kennt die Strafprozessordnung in der Tat nicht. Bisher jedenfalls. Insofern handelte es sich um „spezielles Mannesmann-Prozeßrecht“. Und weil dieses „Rechtsgespräch“ nicht nur „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, sondern auch unter Ausschluss sowohl „der Schöffen, also der Laienrichter“, als auch der sich für alle Fälle bereithaltenden „Ersatzrichter“ stattfand – war es nicht rechtens. Denn freilich ist während des Gesamtverfahrens, das sogenannte „Rechtsgespräch“ eingeschlossen, die „Mitwirkung ausnahmslos aller Richter“ zwingend geboten. Insofern kann auch das strafprozessual bisher nicht vorgesehene „Rechtsgespräch“ nicht eine an sich wünschenswerte, weil auf materiale Gerechtigkeit zielende „Rechtsfortbildung“, etwa im Sinne Karl Engisch´, sein. Sondern stellt eine konkrete berufsrichterliche Verletzung geltenden Strafprozessrechts dar. Insofern ist Walther Grasnicks Kennzeichnung dieser Veranstaltung als „Farce“ keineswegs überzogen. Denn dieses „Rechtsgespräch“ unter Leitung von Richterin K. war prozessrechtlich in der Tat „eine lächerliche, unseriöse Machenschaft.“ So umschreibt das „Ethymologische Wörterbuch des Deutschen“ von Wolfgang Pfeiffer u.a. (dtv-Ausgabe, 1995³, p. 324) die Bedeutung von Farce.

Über diese Hinweise von Walther Grasnick hinaus sehe ich zwei –wenn man so will- weitergehende Tiefenprozesse:

Das eine ist das „Wegschicken der Schöffen“. Die – so Grasnick zutreffend – bei der „späteren Urteilsfindung sehr wohl dabei sind und volles Stimmrecht haben“. Wer immer ins Deutsche Richtergesetz sieht wird feststellen: grundsätzlich sind auch was das schlussendliche Urteil „im Namen des Volkes“ betrifft Laien- und Berufsrichter gleichgestellt - auch wenn sich beider Eidesformeln unterscheiden: Berufsrichter schwören. Laienrichter geloben.

Der deutsche Berufsrichtereid lautet:

"Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen" (Deutsches Richtergesetz/DRiG in der aktuellen Fassung vom 19.4.2001, § 38)

Das analoge Gelöbnis ehrenamtlicher Richter hingegen ist doppelt abgeschwächt. Anstatt ´schwöre´ heisst es: ´gelobe´ und anstatt ´auszuüben´ ´erfüllen´ (DRiG § 45: http://www.uni-oldenburg.de/~markobr/DRiG. html).

Das explanandum, also zu erklären, wäre nun: Warum haben sich die Schöffen genannten Laienrichter von der Vorsitzender Richterin K. ausschliessen lassen ? Kannten sie ihre Rechte etwa nicht ? Hat ihnen Richterin K. eine falsche Rechtsauskunft gegeben ? Oder sind diese ehrenamtlichen Richter im Düsseldorfer Mannesmannprozess als solche eh nur, oberflächlich gesehn, Nicker , Ducker, Radfahrer ? Oder doch im Sinne Franz Kafkas mehr: „Noch jeder Staatsräson gehorchende Diener, die anstellig stets alle ihnen übertragende Ausgaben erledigen ? Gewissenhaft und doch ohne Gewissen und damit gewissenhafte Werkzeuge auch von Gewissenlosigkeit“ (Richard Albrecht) ? Oder etwa im Sinne Hannah Arendts immer schon systematisch funktionierende Eichmänner ?

Das zweite betrifft was ´vorauseilender Gehorsam´ gegenüber rotgrüner (Bundes-) Politik genannt werden könnte: Walther Grasnick zitiert aus dem Bundesjustizministerium Referentenmaterial (mit Stand 18. 2. 2004) zur Neufassung der Strafprozessordnung. Es geht um den Strafprozessordnungsparagraphen 257 (§ 257 neu). Dieser soll in Zukunft die Möglichkeit eröffnen, „eine gesetzliche Grundlage für Gespräche zwischen den Beteiligten“ zu schaffen. Daraus folgt (formal-)logisch: dass es diese im derzeitigen Strafprozessrecht gegenwärtig, also derzeit, noch nicht gibt. An das gegenwärtig geltende Strafprozessrecht, seinen Wortlaut und seine Verfahrensregelungen aber – und nicht an einen BMJ-Referentenentwurf - hat sich derzeit jeder Richter und jede Richterin nach Grund- und Richtergesetz der Bundesrepublik Deutschland entsprechend Richtereid zu halten. Und, wie gesagt: In der geltenden Strafprozessordnung gibt es das Institut des „Rechtsgesprächs“ nicht.

Richterin K. hat sich im Düsseldorfer Mannesmannprozess nicht an das geltende Strafprozessrecht gehalten, mithin geltendes Recht verletzt. Jedes Gerichtsurteil, das das illegale „Rechtsgespräch“ in entscheidrelevanter Weise einbezieht, kann folglich nicht rechtens sein. Sondern verstösst gegen geltendes Recht und Gesetz.

Ich breche hier bewusst ab. Ich weiss nicht, ob Richterin K. einer -und wenn dies welcher- politischen Partei als Mitglied angehört. Ich weiss freilich wie sich der vorauseilende Gehorsam von Frau Richterin K. psychologisch deuten lässt. Ich weiss auch, was eine wissenschaftlich angelegte tiefenhermeneutische Interpretation, die auch das „Gedankenexperiment“ als legitime kulturwissenschaftliche Methode (Max Weber) selbstbewusst einbezieht, leisten kann. Und ich vermute, dass jede wissenschaftliche Analyse des „Rechtsgesprächs“ im Düsseldorfer Mannesmannprozess auf die reale Politizität des deutschen Rechtssystems, ihre konkrete Erscheinungsform in Nordrhein-Westfalen und das nicht nur hier inzwischen empirisch erreichte Ausmass verweisen würde.

5

Völkerstrafrecht, Völkermord und/als Genozidpolitik

Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Menschlichkeitsverbrechen
oder Verbrechen gegen die Menschheit als Menschheitsverbrechen ?
Marginalie zur politischen Rechts-, Sprach- und Übersetzungsgeschichte
des/im 20. Jahrhundert/s in Deutschland.

1.

Zugegeben: Mit der Veröffentlichung meiner sog. Kasseler Antrittsvorlesung vom 1. Februar 1989 zur Genozidpolitik als „Staatsverbrechen gegen die Menschheit“[1] in einer Internationalen Zeitschrift in Form eines ´grand essay´ hatte ich, lebensgeschichtlich gesehn, eine nunmehr vor zwanzig Jahren, 1984, begonnenen Forschungs“strecke“ zunächst abgeschlossen.

Gleichwohl hat mich -Anfang Juni 2004 - die Brühler Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung, sowohl thematisch als auch wegen der Hochkaräter als Referent(inn)en, so sehr interessiert, dass ich an den ersten drei Tagen als Gast an dieser internationalen Konferenz: Von Nürnberg nach Den Haag. Völkerrecht und internationale Strafgerichtsbarkeit teilnahm.

Am zweiten Konferenztag sprach unter anderem ein Göttinger Jungordinarius als einer der gegenwärtig führenden deutschen Völkerstrafrechtler[2] über den ´Schutz internationaler Rechtsgüter durch das Strafrecht – Möglichkeiten und Grenzen´. Und weil ich - wie gesagt: Bis vor anderthalb Jahrzehnten - selbst früher mit dem Anspruch, zur Entwicklung eines Gedächtnisses historischer Zeitzeugenschaft (´una memoria historica, testimonial, non ideologica´) im Sinne Jorge Semprúns[3] geforscht hatte, trug ich im Anschluss ans Referat zwei kritisch-fragende Punkte vor. Der Referent ging auf keine dieser ein und ward auch von mir später nicht mehr gesehen.

2.

Zunächst ging es mir um die Besonderheit des staatlich geplanten und organisierten, aber nicht notwendig staatsadministrativ exekutierten, Menschheitsverbrechens, das international genocide und im Deutschen Völkermord, wissenschaftlich auch: Genozid, genannt wird. Denn auch das erste „staatlich geplante und organisierte Menschheitsverbrechen, verübt am armenischen Volk im Osmanischen Reich ´hinten in der Türkei´ 1915“ unter Regie des jungtürkischen Regimes war „im später genauer bestimmten Sinn Völkermord und Genozidpolitik: physische Vernichtung eines Volkes oder einer ethnischen Gruppe mit unwiderruflichen biopolitischen Folgen“ – „a strucural and systematic destruction of innocent people by a state bureaucratic apparatus“ (Irving Louis Horowitz) und „an organized state murder“ (Helen Fein)[4].

Diese Überlegung greift auf Hinweise des ´späten´ Raphael Lemkin (1901-1959), eines zunächst polnischen, dann US-amerikanischen Völkerrechtlers, zurück, der in seiner Begriffsbestimmung und Definition des Völkermord 1944 als Besonderheit und historisch-qualitativ Neues dieses herausragenden Destruktionsereignisses und Staatsverbrechens gegen die Menschheit die biopolitischen und auf die Zukunft bezogenen Aspekte in ihren unwiderruflichen Folgen für Generationen herausarbeitete, indem er betonte:

„In this respect genocide is a new technique of occupation, aimed at winning the piece even though the war itself is lost.”[5]

Genau diese Zukunftsdimension erschwert das Verständnis von Völkermord und Genozidpolitik erheblich und erfordert, das Undenkbare zu denken („thinking the unthinkeable“) ... denn auch wer, militärpolitisch, den Krieg verliert, kann, biopolitisch, über Generationen andauernd gewinnen. Und es hat im Fall des „Armenocide“ drei Generationen gedauert, ehe sich die zunächst mit dem blanken Existenzkampf des Überlebens beschäftigte, dazu noch erheblich qualitativ und quantitativ geschwächte und verminderte viktimisierte Ethnie oder Opfer(volk)gruppe, darum kümmern kann, das Destruktionsereignis und seine Konsequenzen aufzuarbeiten und entschädigen zu lassen:

„In diesem Sinn meint das Staatsverbrechen: Völkermord immer staatlich geplanten und organisierten Massenmord als spezifische Form destruktiver Biopolitik und ist gerade in seiner Amoralität als Staatsverbrechen an der Menschheit dem ´gesunden Menschenverstand´ unserer Zeit so schwer verständlich“[6].

3.

Dem hier präzisierten, auf der Tagung nur kurz als Diskussionsbeitrag vorgetragenen Hinweis auf die differentia specifica, nämlich die biopolitisch-projektive Seite, des Lemkin-Konzepts: ius crimen gentium folgte beredtes Schweigen. Das Schweigen wurde noch beredter nach meiner zweiten kritischen Anmerkung, die mit einem historischen Hinweis begann:

Nachdem über zahlreiche –sowohl offiziell-diplomatische als auch inoffiziell-konspirative- Kanäle während des Ersten Weltkriegs Ende April/Anfang Mai 1915 deutlich wurde, dass ´hinten in der Türkei´ etwas begann, das welthistorisch, nach dem ´kleinen Völkermord´ (Micha Brumlik) im schwarzafrikanischen Deutsch-Südwest 1904-1907, der erste voll ausgebildete Genozid im 20. Jahrhundert genannt werden sollte[7] – reagierten die Triple-Entente-Mächte auch in Form einer wichtigen Völkerrechtssetzung:

„Dieser Völkermord ist [...] bereits etwa einen Monat nachdem die ersten Maßnahmen in Form von Festnahmen und Deportationen armenischer Repräsentanten und Intellektueller am 24. April 1915 in Konstantinopel begannen, mit einer bis heute völkerrechtlich bedeutsamen öffentlichen Erklärung der Regierungen der Triple-Entente (Frankreich, England, Russland) am 24. Mai 1915 beantwortet worden: von neuen Verbrechen des türkischen Regimes gegen die Menschheit und Zivilisation war dort die Rede, und davon, dass die politisch Verantwortlichen später zur Rechenschaft gezogen würden.“[8]

Und wer immer sich diesen in der damaligen universalen und Diplomatensprache Französisch erstveröffentlichte Völker(straf)recht ssetzenden Text genau ansieht – wird nicht von ´Verbrechen gegen die Menschlichkeit´ - als Substantiv und Kompositum im Deutschen auch höchstungebräuchlich, nämlich: Menschlichkeitsverbrechen – lesen. Vielmehr war die öffentliche Rede von „ces nouveaux crimes [...] contre l´humanité et civilisation“[9] – also sowohl in der Hauptbedeutung von humanité als auch sich in einer kontextual anbietenden Übersetzung von Verbrechen gegen die Menschheit und Zivilisation. Schon Hannah Arendt hat/te zu Recht in ihrem Einchmann-Prozess-Bericht von der Banalität des Bösen darauf hingewiesen, dass es sich beim Holocaust genannten Massen- und Völkermord an europäischen Juden um Verbrechen gegen die Menschheit, am jüdischen Volk verübt, handelt/e; und dass jede deutsche Übersetzung als ´Verbrechen gegen die Menschlichkeit´ verharmlost, grad so, als liesse sich „der grundsätzliche Charakter des Verbrechens in einer Flut einzeln registrierter Greueltaten“ überhaupt sinnhaft verstehen[10].

Auf die Triple-Entante-Erklärung, in der auch angedroht wurde, die Verantwortlichen nach Weltkriegsende zur Verantwortung zu ziehen, reagierten die deutsche und die türkische Regierung erst Wochen später, nämlich am 7. Juni 1915, in Form einer gemeinsamen öffentlichen Erwiderung. Diese wurde, gemeinsam mit der Triple-Entente-Erklärung vom 24. Mai 1915, am 7. Juni 1915 zunächst in einer nichtamtlichen Textversion über das Berliner Wolff´sche Telegraphenbüro (W.T.B.) veröffentlicht[11] sowie später auch in den damals wichtigsten Geschichtskalender übernommen[12]. Und in dieser ersten und bis heute gleichsam ´gültigen´ Textversion finden sich gleich zwei ´objektive´ und zugleich die deutsche politisch-moralische Mitverantwortlichkeit für diese neuen Menschheitsverbrechen verharmlosende und kleinredende Falschübersetzungen. Es sind dies mehr als blosse stümperhafte Übersetzungsfehler sprachlicher Dilettanten: Denn einmal wird aus dem originalen französischen Plural das falsche deutsche Singular, aus ´ces nouveaux crimes´ wird „dieses neue Verbrechen“. Und zum anderen wird aus ´humanité´ anstatt „Menschheit“ nur „Menschlichkeit“ und aus dem Verbrechen „contre humanité“ anstatt „Verbrechen gegen die Menschheit“ nur „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Es ist grad so wie Hannah Arendt, eine Generation später, mit Blick auf die faschistische Genozidpolitik des deutschen Nationalsozialismus sarkastisch anmerkte:

„Das den Nürnberger Prozessen [IMT 1945/46] zugrunde liegende Londoner Statut hat [...] die ´Verbrechen gegen die Menschheit´ als ´unmenschliche Handlungen´ definiert, woraus dann in der deutschen Übersetzung die bekannten ´Verbrechen gegen die Menschlichkeit´ geworden ist – als hätten es die Nazis lediglich an ´Menschlichkeit´ fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten, wahrhaft das Understatement des Jahrhunderts.“[13]

4.

Wie hier im Anschluss an eine Anmerkung in meiner bereits vor fünfzehn Jahren publizierte Studie[14] erneut (und jetzt erweitert kommentierend) nachgewiesen, ist dieses Understatement des Jahrhunderts freilich nicht erst mit dem Nürnberger Internationalen Militärtribunal nach dem Zweiten, sondern schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs bereits im Juni 1915, gleichsam regierungsamtlich, in Deutschland politisch produziert worden. Und es wird bis heute in Gestalt der so geronnenen wie unüberprüften Formel in Form des Völkerrechtstaftatbestands ´Verbrechen gegen die Menschlichkeit´ im deutschen Völkerstrafrecht von Jurist(inn)en, aber auch von Historiker(inn)en, nach wie vor so ganz unkritisch benützt.

Ich halte diesen Tatbestand nicht nur für einen Hintertreppenwitz der deutschen Rechts-, Sprach- und Übersetzungsgeschichte, dessen Ursprung in der schon im Juni 1915 erkennbaren deutschen Täterangst liegt, sondern auch für veränderbar. Denn wenn es um Genozidpolitik als besonderem Staatsverbrechen gegen die Menschheit einerseits und die Begründung eines humanen Völker(straf)rechts anderseits geht, - dann geht es immer schon um Verbrechen gegen die Menschheit.

Und damit auch und vor allem ihre Verhinderung und/durch Ächtung[15].

[...]


[1] Ulrich Klug, Juristische Logik; Springer-Verlag; Berlin etc. 1958, 2. verbesserte Auflage, 164 p.

[2] Egon Schneider, Logik für Juristen. Die Grundlage der Denklehre und der Rechtsanwendung; Verlag Franz Vahlen; Berlin-Frankfurt/Main 1965, XIII/397 p.; - das dort erwähnte Lehrbuch des Autors: "Rechtswissenschaft - eine Einführung in das Studium" (1963) konnte ich bisher übers NRW-Fernausleihsystem nicht bekommen

[3] einige justizkritische Texte Schneiders sind online wiederveröffentlicht: "http://www.gabnet.com"

[4] BHG III ZR 172/00 vom 26.7.2001 mit Bezug auf einen Aufsatz Schneiders von 1976

[5] letzterschienen ist die 5., neubearbeitete und erweiterte Auflage (München: Franz Vahlen, 1999, XV/300 p.)

[6] C.Wright Mills, The Sociological Imagination; Grove Press, N.Y. 1961², pp. 195-226

[7] Lucien Goldmann, Kultur in der Mediengesellschaft; dt. Ausgabe: S.Fischer, Ffm. 1973, pp.7-18

[8] Richard Albrecht, The Utopian Paradigm - A Futurist Perspective; in: Communications, 16 (1991) 3, pp. 283-318; englische, französische und deutschsprachige Zusammenfassung/en: "http://www.richard-albrecht.de/"

[1] Albrecht, Richard: Die politische Ideologie des objektiven Gegners und die ideologische Politik des Völkermord m 2o. Jahrhunderts; in: Sociologia Internationalis, vol. 27 (1989) I, pp. 57-88 [engl. summary online http://de.geocities.com/earchiv21/halec010289.zip]; ders., Staatsverbrechen [1989]; http://rechtskultur.de/pages/staatsverbrechen.htm; der erste wichtige Versuch über Genozidpolitik im 20. Jahrhundert ist eine zuerst in jiddisch erschienene Broschüre von Guttmann, Joseph: The Beginning of Genocide. A Brief Account on the Armenian Massacres in the World War I (New York 1948, 19 p.); vgl. Yivobleter [New York], 28 (1946) 2, pp. 239-253

[2] Kai Ambros, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts. Ansätze zu einer Dogmatisierung [Jur. Habil LMU München]; Berlin: Duncker & Humblot, 2002, 1058 p.

[3] Semprún, Jorgé: Autobiografía de Federico Sánchez. Novela. Barcelona: Ed. Planeta, 1977, 347 p.

[4] Albrecht, op.cit., p. 72

[5] Lemkin, Raphael: Axis Rule in Occupied Europe; foreword George A. Finch. Washington (D.C.) 1944, xxxviii/674 p.

[6] Albrecht, op.cit., p. 75; verstärkend wirkt dann noch der in Deutschland besonders ausgeprägte „Staatsbonus“ (Peter Waldmann), den es freilich auch in der angelsächsischen Welt gibt (´The state can´t do wrong´)

[7] Vgl. Richard Albrecht, Holocaust, Einzigartikeit und Geschichtspolitik in Deutschland seit 1986; ders., Biopolitical Destruction: The Irrevocable Consequences of Genocide Within 20th Century; vide http://de.geocities.de/earchiv21/rechtskulturaktuell.htm; vgl. als Übersichtsdarstellungen auf Deutsch etwa Peter Lanne: Armenien - Der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. München-Zürich: Institut für Armenische Fragen, 1977, 241 p.; Wolfgang Gust, Der Völkermord an den Armeniern - Die Tragödie des ältesten Christenvolks der Welt. München: Hanser, 1993, 335 p.

[8] Albrecht, op.cit., pp. 70/71

[9] Arthur Beylirian (ed.) Les grandes puissances, l´empire ottoman et les Arméniens dans les archives Francaises (1914-1918) ; preface Jean-Babtiste Duroselle. Paris : Publ. de la Sorbonne, Serie Documents No. 34, 1983, p. 29 ; englisch in : Papers Relating to the Foreign Relations of the United States. 1915. Supplement; Washington (D.C.) 1928, p. 981

[10] Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen; m.e. Essay v. Hans Mommsen; aus dem Amerikanischen von Brigitte Granzow; München-Zürich: Piper, 1986: Neuausgabe [SP 3089, p. 325; vgl. auch Richard Albrecht, Politik und mehr. Zum 20. Todestag von Hannah Arendt; in: vorgänge, 34 (1995) 132, pp. 23-26

[11] Nacht-Ausgabe, Wolffs Telegraphisches Büro (W.T.B.), 66. Jg. 1915, Nr. 2276, Berlin, Montag, 7. Juni 1915, pp. 1-2

[12] Schulthess´ (Neue Folge) 1915, p. 1151

[13] Arendt, op.cit., p. 324

[14] Albrecht, op.cit., p. 71, Anmerkung 48

[15] Albrecht, op.cit., pp. 76-79; vgl. wichtige Hinweise in Vorbereitung des IMT Nuremberg bei Bauer, Fritz: Die Kriegsverbrecher vor Gericht. Zürich-N.Y. 1945, 237 p.; Glueck, Sheldon: War Criminals. Their Prosecution and Punishment. N.Y. 1944, viii/250/xii p.

Ende der Leseprobe aus 152 Seiten

Details

Titel
StaatsRache - Justizkritische Beiträge gegen die Dummheit im deutschen Recht(ssystem)
Autor
Jahr
2005
Seiten
152
Katalognummer
V36391
ISBN (eBook)
9783638360388
ISBN (Buch)
9783638705011
Dateigröße
969 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Richard Albrecht ist Sozialwissenschaftler (Dr.phil., Dr.rer.pol.habil.) und lebt als Sozialpsychologe, Autor und Ed. von rechtskultur.de in Bad Münstereifel.
Schlagworte
StaatsRache, Justizkritische, Beiträge, Dummheit, Recht(ssystem)
Arbeit zitieren
Dr. Richard Albrecht (Autor:in), 2005, StaatsRache - Justizkritische Beiträge gegen die Dummheit im deutschen Recht(ssystem), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36391

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