Experten und Intellektuelle

Verschiedene Konzepte im Vergleich


Term Paper, 2005

18 Pages


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Begriff des Experten bei Berger und Luckmann
2.1 Experten und gesellschaftliche Konflikte
2.2 Die Erkenntnis struktureller Grundlagen
2.3 Gesellschaftliche Organisation als Stütze für Sinnwelten
2.4 Der Intellektuelle

3. Intellektuellenkonzepte im Vergleich

4. Expertenkonzepte im Vergleich

5. Fazit

Anhang

I. Literatur
II. Verwendete Websites

1. Einleitung

In ihrem Buch „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ stellen die Autoren Peter L. Berger und Thomas Luckmann einen wissenssoziologischen Versuch vor, die intersubjektiven Prozesse zu beschreiben, mit denen Menschen ihr Wissen um die Welt erwerben, es gesellschaftlich verfestigen, kontrollieren und weitergeben und entwickeln somit auch eine Theorie des Aufbaus von Gesellschaften. Diese bestehen nicht aus sich heraus, sondern konstituieren sich über verschiedene kommunikative und institutionelle Prozesse. Gesellschaften werden somit zur objektiven Wirklichkeit aller und nicht nur zur subjektiven Wirklichkeit des Einzelnen. Eine besondere Rolle bei diesen Vorgängen kommt dabei den Experten zu. Die vorliegende Hausarbeit soll zum einen die Funktionsweise von Experten und Intellektuellen bei Berger und Luckmann genauer beleuchten, aufzeigen, wie sie als Gesellschaftsakteure an der Konstruktion und Aufrechterhaltung objektiver Wirklichkeiten beteiligt sind. Dazu wird in Kapitel 2 zunächst beschrieben, wie Berger und Luckmann die Figur des Experten sehen, welches die gesellschaftlichen Konflikte sind, die rund um seine Person entstehen und welchem geschichtlichen Wandel die Wirklichkeitsbestimmung durch Experten unterlegen ist. Darüber hinaus wird noch ein Spezialfall des Experten, nämlich der Intellektuelle betrachtet, der für die Autoren eine besondere Stellung genießt. Dies bietet die Überleitung zum Intellektuellenkonzept von Jeffrey C. Goldfarb, welches in Kapitel 3 vorgestellt und mit dem Ansatz von Berger und Luckmann verglichen wird. Kapitel 4 soll anschließend einen Einblick in andere Betrachtungsweisen von Experten geben, mit den Ansatz von Ivan Illich einen äußerst kritischen und demjenigen von Ronald Hitzler einen aktuellen. Danach soll in Kapitel 5 ein kurzes Fazit zu den vorgestellten Theorien gezogen werden.

2. Der Begriff des Experten bei Berger und Luckmann

Wie im Weiteren zu sehen sein wird, ist der Begriff des Experten nicht unproblematisch. Die soziologische Fachliteratur streitet sich über die genaue Definition, insbesondere in der Abgrenzung zum Spezialisten.[1] Im umgangssprachlichen Verständnis findet keine Unterscheidung dieser Begriffe statt. Dem Duden nach ist der Experte „jemand, der auf dem in Frage kommenden Gebiet besonders gut Bescheid weiß, Sachverständiger, Kenner.“[2] Peter Berger und Thomas Luckmann folgen in ihrem Buch dieser Definition zunächst; die Aufgaben eines Experten sind „durch die praktischen Notwendigkeiten der Arbeitsteiligkeit umschrieben“[3] und beschränken sich auf sein Fachgebiet. Mit der Entstehung komplexerer Wissensformen und wirtschaftlichem Überfluss können sich diese Experten „hauptamtlich ihren Gebieten“ widmen, und es entsteht die Möglichkeit der Theoriebildung seitens der Experten, nach wie vor auf deren Fachgebiet. Mit der theoretischen Arbeit entfernt sich ihr Sachverstand auch von den jeweiligen praktischen Bedürfnissen, ein Umstand, auf den später noch genauer eingegangen werden soll. Zunächst ist die Konsequenz einer solchen Entwicklung diejenige, so die Autoren, dass die Sachverständigen nicht nur für ihren Bereich des Wissens die Zuständigkeit erheben, sondern „die absolute Jurisdiktion über den gesamten Wissensvorrat“[4] beanspruchen. Sie werden somit zu „Welt-Spezialisten“[5]. Soweit zur Definition seitens der Autoren. Im weiteren Text verwenden Peter Berger und Thomas Luckmann die Begriffe „Experten“, „Welt-Spezialisten“ und „Legitimatoren“ sowie „Sachwalter der Tradition“ meist synonym und bezeichnen damit den zuvor beschriebenen Sachverständigen, welcher die Jurisdiktion über den gesamten Wissensvorrat innehat.

Diesen Sachverständigen kommt nun die Aufgabe innerhalb ihrer Gesellschaft zu, die Sinnwelt legitimatorisch aufrecht zu erhalten. Dazu spinnen die Experten ihre Theorien „in einer Art Platonischem Himmel ahistorischer und außergesellschaftlicher Schau der Ideen“[6], abgeschieden von der Alltagswelt.

2.1 Experten und gesellschaftliche Konflikte

Für Gesellschaften, die hauptamtliche Legitimatoren zur Aufrechterhaltung der jeweiligen Sinnwelt beschäftigen, beschreiben Peter Berger und Thomas Luckmann verschiedene gesellschaftliche Konflikte.

Der erste Konflikt entsteht aus der im vorherigen Kapitel beschriebenen Operationsebene der Experten, dem von Alltagleben und Gesellschaft abgeschiedenen Platonischen Ideenhimmel. Der Vorwurf, den sich auch heutige Universitäten noch gefallen lassen müssen, ist der, an den praktischen Bedürfnissen der Alltagswelt vorbei, im sprichwörtlichen Elfenbeinturm Gedanken, Theorien und ganze Sinnwelten hervorzubringen. Somit ist der Konflikt zwischen Praxis und Theorie, zwischen Praktikern und Theoretikern vorprogrammiert. Die Autoren nennen die Laienrebellionen innerhalb des indischen Kastenwesen als historisches Beispiel: Die Brahmanen, klerikale Kaste und somit Theoretiker der Macht hatten erfolgreich ihre Wirklichkeitsbestimmung in Form eben des Kastenwesens über den ganzen Subkontinent eingeführt. Dagegen rebellierten die Mitglieder der Kschatrija-Kaste, die als Militär- und Fürstenkaste die Praktiker der Macht darstellten, und brachten damit die alternierenden Wirklichkeitsbestimmungen des Dschainismus und Buddhismus hervor.

Ein weiterer Konflikt ergibt sich aus der zuvor beschriebenen Situation, nämlich dem Vorhandensein konkurrierender Wirklichkeitsbestimmungen. Während sich unterschiedliche Theorien mit Praxisbezug noch empirisch auf Erfolg oder Misserfolg hin überprüfen lassen (die Autoren nennen hierzu verschiedene Methoden des Wildschweinfangs), fällt die Entscheidung zwischen Theorien ohne jeden Praxisbezug wie etwa die Entscheidung zwischen einer polytheistischen oder monotheistischen Weltsicht ungleich schwerer – empirisch kann keine der beiden Theorien ihre Überlegenheit demonstrieren. Da die abstrakte Argumentation weniger überzeugend ist als die empirische, ergibt sich für die Theoretiker die Versuchung, nach gewichtigeren Argumenten als das reine Wort zu suchen und sie in der bewaffneten Macht (des Staates) zu finden.

2.2 Die Erkenntnis struktureller Grundlagen des Wettbewerbs der Wirklichkeitsbestimmungen

In der vorangegangenen Überlegung zeigt sich folgende wichtige Erkenntnis: Wirklichkeit lässt sich setzen. Und davon ausgehend ist zu schließen, dass strukturelle Grundlagen den Wettbewerb von konkurrierenden Wirklichkeitsbestimmungen bestimmen. Nicht unbedingt der theoretische Gehalt entscheidet über Erfolg oder Misserfolg im Kampf der unterschiedlichen Wirklichkeitsbestimmungen, sondern die Durchsetzungsfähigkeit der jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe, die sich zum Träger der Theorie macht. Die beiden Autoren führen hierzu das Beispiel von zwei Derwischgruppen an, die in einer Art gesellschaftlichem Vakuum (in der Wüste) „unendlich lange über das wahre Wesen des Universums disputieren“[7]. In ihrer Abgeschiedenheit nimmt ihr Streit keinen Einfluss auf die sie umgebende Welt. Dies ändert sich jedoch, sobald ihre Theorien „vergesellschaftet“ werden – sprich bestimmte Gruppierungen innerhalb einer Gesellschaft zum Träger der Theorien werden. Diese Trägerschaft ist ebenfalls nicht unbedingt auf den theoretischen Gehalt der Wirklichkeitsbestimmung zurückzuführen, sondern mehr auf Grund der (außertheoretischen) Affinitäten der jeweiligen Trägergruppe. Aus der Wüste kommend schließen sich die Expertencliquen den jeweiligen Trägergruppen an, der Disput zwischen den konkurrierenden Theorien entscheidet sich dann in der Konkurrenz der unterschiedlichen Trägergruppen, wiederum nicht im theoretischen Diskurs, sondern in der Härte der Realität.

[...]


[1] Siehe hierzu insbesondere Kapitel 4 dieser Hausarbeit.

[2] Aus: DUDEN, Fremdwörterbuch.

[3] Aus Peter L. Berger/Thomas Luckmann: „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ S.125

[4] ebd. S.125

[5] ebd. S.125

[6] ebd. S.126

[7] ebd. S. 128

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Details

Title
Experten und Intellektuelle
Subtitle
Verschiedene Konzepte im Vergleich
College
University of Constance  (Fachbereich Soziologie)
Course
Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit
Author
Year
2005
Pages
18
Catalog Number
V36351
ISBN (eBook)
9783638360074
ISBN (Book)
9783638749459
File size
500 KB
Language
German
Notes
Vorliegende Hausarbeit zeigt die Funktionsweise von Experten und Intellektuellen in Peter L. Bergers und Thomas Luckmanns Buch "die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit" auf. Der Ansatz der Autoren wird dabei unter anderem mit den Theorien von Hitzler, Illich und Goldfarb verglichen.
Keywords
Experten, Intellektuelle, Peter, Berger, Thomas, Luckmann, Konstruktion, Wirklichkeit
Quote paper
Bene Schuhholz (Author), 2005, Experten und Intellektuelle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36351

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Title: Experten und Intellektuelle



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